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Arten von Hemmnissen

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 42-46)

4 Hemmnisse für eine nachhaltige Güterverkehrsentwicklung

4.1 Arten von Hemmnissen

Bevor ein Gestaltungsansatz bzw. Maßnahmen für die Entwicklung des Güterverkehrs in Ba-den-Württemberg vorgelegt werden können, ist eine Analyse der Ursachen und Treiber not-wendig, weshalb überhaupt Gestaltungsbedarf gesehen wird. Diese werden üblicherweise als Hemmnisse, bzw. wenn es konkret um die Beeinflussung des Modal Split geht, auch als Verlagerungshemmnisse bezeichnet. Hemmnisse für die Entwicklung des Güterverkehrs-marktes sind also alle Einflussfaktoren, die bei der Durchführung von Güterverkehren – zu-nächst einmal unabhängig vom gewählten Verkehrsträger – als hinderlich empfunden wer-den. Verlagerungshemmnisse sind demgegenüber konkrete Schwierigkeiten beziehungs-weise Beeinträchtigungen, die speziell im Zuge einer vollständigen oder abschnittsbeziehungs-weisen Verlagerung von Transporten vom Güterkraftverkehr auf die Schiene oder das Binnenschiff auftreten können.

Sowohl allgemeine Hemmnisse als auch Verlagerungshemmnisse müssen weiter nach Art, verantwortlichen Akteuren und Zuständigkeiten gegliedert werden, um einen sinnvollen Um-gang zu ermöglichen und die bestehenden Schwierigkeiten lösen zu können. Anders ist eine sinnvolle Maßnahmendefinition nicht möglich. Da nur ein Teil der Hemmnisse tatsächlich un-mittelbar auf dem Verkehrsmarkt entsteht (z.B. Infrastrukturüberlastungen), viele Hemm-nisse auf vorlagerten Märkten (z.B. bestimmte Vorstellungen von Preisen oder Pünktlichkeit) oder auf Märkten, die dem Verkehrsmarkt nachgelagert sind (z.B. Erhaltungs- und Unterhal-tungszustand der Infrastruktur), eignet sich als Basis für die Erfassung das in der Einführung skizzierte Märkte-Modell. Es ist an der Wertschöpfungskette ausgerichtet und unterscheidet in seiner Grundform in Gütermarkt (Handelsbeziehungen), Speditionsmarkt (Organisation von Güterverkehren), Transportmarkt (Gütertransport) und Infrastrukturmarkt (Bereitstel-lung der Verkehrswege). Bedarfsweise können weitere Märkte hinzugefügt werden, bei-spielsweise der Fahrzeugmarkt oder der für eine umweltorientierte Betrachtung besonders relevante Energiemarkt. Die Märkte des „Systems Güterverkehr“ sind in Abbildung 4-1 dar-gestellt.

Zunächst ist der Gütermarkt zu betrachten, der den Ursprung für alles, was den Güterverkehr bestimmt, darstellt. Hier entsteht die originäre Güterverkehrsnachfrage der privaten Haus-halte, der Unternehmen, Institutionen usw. Diese Güterverkehrsnachfrage bestimmt für die einzelnen Güter an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt Güter benötigt werden, sei es für den Endkonsum oder als Vorprodukt, um Fertigwaren herstellen zu können. Auf dem Gü-termarkt werden durch das Warenangebot von inländischen und ausländischen Unterneh-men, Lieferanten und Produzenten die Verfügbarkeit und damit auch die Preise für die Güter festgelegt. Somit liegen hier typische Hemmnisse bei Engpässen in der Güterversorgung – nicht am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt – und in der Preisgestaltung, vor allem bei Monopol- und Oligopolbildung oder künstlicher Verknappung von Produkten. Aber auch Pro-duktionsprozesse wie Just in Time oder Just in Sequence bzw. ganz allgemein die tiefgehende

Begriffsabgrenzung Hemmnis

Hemmnisse im Kontext des verkehrslogisti-schen Märkte-Modells

Gütermarkt

25 Arbeitsteilung von Produktionsprozessen, können Probleme im Güterverkehrssystem her-vorrufen, speziell auch dann, wenn die verschiedenen Akteure auf den Märkten mehr oder weniger autonom handeln und nicht kooperieren.

Abbildung 4-1: Märkte-Modell

Quelle: Eigene Darstellung

Auf dem Speditionsmarkt findet Logistik statt. Sie strebt eine möglichst effiziente Organisa-tion der Transporte an und offeriert Logistikflächen und Lösungen für logistische Prozesse.

Typische Probleme auf diesem Markt sind das Fehlen von Logistikflächen und die immer kom-plexer werdenden Ansprüche seitens des Gütermarktes: Die Konsumenten fordern immer kürzere Lieferzeiten, die Produzenten reduzieren die Lagerhaltung, die Fertigungstiefe nimmt ab, so dass die nationale und internationale Arbeitsteilung und damit die Komplexität der Lieferprozesse immer weiter zunimmt. Das stellt hohe Ansprüche an die Akteure und die von ihnen organisierten Prozesse am Speditionsmarkt.

Auf dem Transportmarkt werden die Gütertransporte abgewickelt, die durch die Güternach-frage hervorgerufen und auf dem Speditionsmarkt organisiert werden. Hier geht es um Transportgefäße, Fahrzeugflotten, Fahrerpersonal usw. Als typische Hemmnisse treten in letzter Zeit Fahrermangel sowie nicht angepasste Fahrzeugflotten und Fahrzeugtechnik her-vor. Weiterhin ist immer wieder die Sozialgesetzgebung für den Transportmarkt in Europa im Gespräch und damit Probleme wie Kabotage, Unterschiede in den Gehältern für Fahrperso-nal, Lenk- und Ruhezeiten. Auf dem Transportmarkt werden letztlich die multimodalen Transportangebote erstellt und die Kooperation zwischen den Verkehrsträgern und den Lo-gistik-Anbietern festgelegt, wobei teilweise Logistik und Transport von einem Unternehmen angeboten wird, d.h. diese Unternehmen stellen sowohl die logistische Organisation als auch die erforderlichen Transportmittel zur Verfügung.

Schließlich treffen sich auf dem Infrastrukturmarkt alle Transporte, die auf dem Transport-markt angeboten werden. Dafür muss die erforderliche Infrastruktur mit entsprechender

Speditionsmarkt

Transportmarkt

Infrastrukturmarkt

26 Qualität vorhanden sein. Das sind Straßen- und Schienenkapazitäten, leistungsfähige Ver-kehrsknoten, Parkplätze für den Straßengüterfernverkehr usw. Letztlich bestimmt der Zu-stand und die Kapazität der Infrastrukturangebote, ob die auf dem Speditions- und Trans-portmarkt entwickelten Angebote auch realisiert werden können. Man denke nur an die Ka-pazitätsengpässe, die immer wieder durch marode Brückenbauten entstehen. Ist die Kapazi-tät nicht gegeben, führt das zu Revisionen zunächst auf dem Transportmarkt, dann auf dem Speditionsmarkt bis hin zum Gütermarkt, wenn die sich dort ergebende Güternachfrage nicht realisiert werden kann. Umgekehrt können die Ansprüche auf dem Güterverkehrsmarkt an die Güterversorgung auch steigen, wenn die Logistik und der Transportmarkt neue Angebote schaffen. Ein Beispiel dafür ist die drastische Zunahme der Warenbestellungen über das In-ternet und die massive Ausweitung der Paketdienstleistungen. Diese skizzierte Abhängigkeit der Märkte zeigt die Komplexität des „Systems Güterverkehr“, die bei der Betrachtung der verschiedenen Hemmnisse beachtet werden muss.

Als weiterer Markt ist hier der Energiemarkt aufgeführt, der in einem engen Zusammenhang mit dem Infrastrukturmarkt gesehen wird (die aus dem Verkehr resultierenden Anforderun-gen an die Energieversorgungsinfrastruktur bei den verschiedenen Energieträgern). Er spielt letztlich aber auf allen Märkten eine Rolle, z.B. auch bei der Flächeninanspruchnahme und der Energieversorgung von Logistikimmobilien oder beim Einkaufsverhalten der Konsumen-ten.

Auf allen Märkten spielen externe Einflussfaktoren wie verfügbare Technologien, Regulie-rungsmaßnahmen, Einstandspreise, abgabenpolitische Maßnahmen sowie verkehrspoliti-sche Leitlinien eine wichtige Rolle. Sie bestimmen die Abläufe auf den einzelnen Märkten in erheblichem Umfang mit.

Durch das Zuteilen von Hemmnissen zu den Teilmärkten des verkehrslogistischen Märkte-Modells kann aufgezeigt werden, wie viele Hindernisse bezüglich einer potenziellen Güter-transportverlagerung tatsächlich als ein Problem seitens des (Güter-)Verkehrsmarkts auftre-ten und welche ihre Ursache in einem anderen Gebiet haben. Damit hilft das Modell die Ein-teilung der Hemmnisse nach Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zu erleichtern.

In der jüngeren Vergangenheit haben sich bereits verschiedene Querschnittsuntersuchungen mit der Identifizierung von Hemmnissen für die Entwicklung des Güterverkehrs und für die nachhaltige Verlagerung von Güterverkehren auf Schiene und Wasserstraße beschäftigt. Für die vorliegende Untersuchung wurden aus diesem Spektrum die folgenden Untersuchungen vorrangig betrachtet, die aufgrund ihrer Methodik und des gewählten Raumbezugs als be-sonders geeignet identifiziert wurden, um Hemmnisse mit spezifischem Landesbezug für Ba-den-Württemberg zu beschreiben:

 Status Quo des Güterverkehrssystems in Deutschland (TCI/HHN 2016)

 Vernetzte Güterverkehrsmobilität (SCI Verkehr 2016)

 Konzeption zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs in Baden-Württemberg (TCI 2014)

 Nutzungspotenzial des Schienennetzes für den Güterverkehr in Baden-Württemberg (Progtrans/VWI 2011)

Energiemarkt

Einflussfaktoren

Datenbasis der Hemm-nisanalyse

27

 Grundlagenuntersuchung zu einem Binnenschifffahrts- und Hafenkonzept in Baden-Württemberg (IVT 2010)

Insgesamt wurden in den durchgeführten Analysen 224 mögliche Hemmnisse identifiziert, die in der Literatur diskutiert wurden, und sich negativ auf die Entwicklung des Güterver-kehrssystems auswirken können. Rasch wurde dabei erkennbar, dass die Hemmnisse nicht nur Verkehrsabwicklung und Infrastruktur betreffen, sondern dass gerade auch die vorgela-gerten Märkte (Handel und Spedition) mit ihren Anforderungen maßgeblichen Einfluss auf die Verkehrsträger ausüben (TCI Röhling/HHN 2016).

Um insbesondere die Verlagerungshemmnisse inhaltlich erfassen zu können, wurden diese in einem internen Workshop inhaltlich gegliedert. Im Ergebnis wurden die Hemmnisse in fünf Themenfelder untergliedert: System-Leistungsfähigkeit, Netzzugang und Interoperabilität, Kostenstrukturen und Preis, Wettbewerbsbedingungen und externe Faktoren (siehe Abbil-dung 4-2).

Abbildung 4-2: Inhaltliche Themenfelder zur Betrachtung von Verlagerungshemmnissen

Quelle: Eigene Darstellung

Diese Themenfelder erlauben eine klare Zuordnung von Hemmnissen, aber auch das Herstel-len von Verbindungen untereinander. Die staatliche (Mit-)Finanzierung von Verkehrsverlage-rungen hat als externer Faktor Einfluss auf die System-Leistungsfähigkeit, z.B. in Form von Infrastrukturinvestitionen. Diese wiederum bestimmen maßgeblich die Infrastruktur-Kapazi-tät, um damit die Einfachheit des Netzzugangs (z.B. vorhandene Güterverkehrstrassen) und die Interoperabilität (z.B. Ausrüstung mit einer einheitlichen Leit- und Sicherungstechnik).

Der Staat als externer Faktor bestimmt über die Marktregulierung aber auch über die poten-zielle Wettbewerbs-Intensität auf den Gütertransportmärkten und hat so Einfluss auf die

Identifikation von möglichen Hemmnis-sen

Clusterung von Verla-gerungshemmnissen

28 Wettbewerbsbedingungen auf dem Güterverkehrsmarkt. Diese induzieren wiederum Inno-vationsdruck und wirken so auf Kostenstrukturen und Preise. Gleichzeitig sind sie aber auch abhängig von der Einfachheit des Netzzugangs sowie der betreiber- und länderübergreifen-den Infrastruktur-Nutzbarkeit.

Nachfolgend sollen zunächst allgemeingültige Haupthemmnisse herausgearbeitet werden, die länderunspezifisch auftreten, bevor im Anschluss der direkte Bezug zu Verlagerungs-hemmnissen in Baden-Württemberg hergestellt wird.

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 42-46)