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Elektrischer Schwerlastverkehr

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 117-120)

5 Gestaltungsfelder für den Güterverkehr

5.4 Innovationen im Güterverkehr

5.4.2 Elektrischer Schwerlastverkehr

Selbst bei einem weitreichenden Ausbau der Schiene und der Wasserstraße wird auch in Zu-kunft ein erheblicher Teil des Güterverkehrs auf der Straße stattfinden. Nur so können der Schiene dort ausreichende Trassenkapazitäten vorgehalten werden, wo die Eisenbahn ihre systembedingten Vorteile voll nutzen kann und gleichzeitig die Anforderungen der Transport-kunden an Flexibilität, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit des Güterverkehrs erfüllt werden.

Damit die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden können, ist daher auch beim Straßen-güterverkehr eine weitgehende Dekarbonisierung unumgänglich. Dies kann auf verschiede-nen Wegen erfolgen, die insbesondere auf unterschiedliche Formen der Nutzung von elekt-rischem Strom setzen:

 Einsatz strombasierter Kraftstoffe (PtX) in einem Verbrennungsmotor,

 Nutzung von Wasserstoff als Antriebsenergie oder zur Erzeugung elektrischer Ener-gie in einer Brennstoffzelle zur Versorgung eines Elektromotors,

 On-Board Speicherung elektrischer Energie in einer Batterie oder einem Kondensator zur Versorgung eines Elektromotors,

 Fortlaufende elektrische Energiezuführung während der Fahrt über eine Oberlei-tung, Stromschiene oder per Induktion zur Versorgung eines Elektromotors,

 Mischformen aus den genannten Energieversorgungs- und Antriebsoptionen.

Bei allen auf Strom als Energieträger setzenden Technologien hat die Art der Stromerzeugung wesentlichen Einfluss auf die CO2-Bilanz. Je höher der Anteil an regenerativ erzeugtem Strom ist, umso besser fällt die Klimabilanz aus. Zum zweiten ist aber auch der Wirkungsgrad des jeweiligen Energieversorgungs- und Antriebskonzepts entscheidend für die CO2-Bilanz, d.h.

die Frage, wie hoch der Energieeinsatz zur Erzeugung der Energie, die Energieverluste beim Transport (Leitungsverluste bzw. CO2- Aufwand beim Transport) und der Wirkungsgrad des Motors ist. Gerade dort zeigen sich erhebliche Vorteile der Systeme, die auf die direkte Nut-zung elektrischer Energie setzen, gegenüber Systemen, die auf energieintensive Umwand-lungsprozesse angewiesen sind, sofern die benötigte Energie regenativ vor Ort erzeugt oder gut dorthin transportiert werden kann.

In Deutschland findet aus diesem Grund derzeit eine umfassende Forschung statt, die sich mit verschiedenen Optionen zur Dekarbonisierung im Nutzfahrzeugbereich beschäftigt.

Während im Nahbereich batterieelektrische Fahrzeuge, die ortsgebunden an Ladesäulen ge-laden werden, derzeit favorisiert werden, setzt das hohe Gewicht (und damit Nutzlastver-luste) sowie die chemischen Eigenschaften von Batterien dem Einsatz im Regional- und Fern-verkehr Grenzen. Ein Schwerpunkt der Untersuchungen im schweren GüterfernFern-verkehr ist

Möglichkeiten der De-karbonisierung im Straßengüterverkehr

Strom-Mix

Oberleitungssysteme im Güterfernverkehr

100 daher das Oberleitungs-System, da an diesem die Effekte der auf eine permanentente Ener-giezuführung an Stelle eines ortsfesten Ladens setzenden Systeme getestet werden sollen.

Genutzt wird eine zweipolige Gleichstromfahrleitung, an die entsprechend ausgerüstete Lkw selbsttätig an- und abbügeln können, um Fahrstrom zu beziehen und gleichzeitig ihre Ener-giespeicher für nicht elektrifizierte Abschnitte nachzuladen. Auf kritischen Abschnitten (z.B.

an Ein- und Ausfahrten, in Tunneln, in sensiblen Abschnitten) wird die Fahrleitung unterbro-chen.

Mit dem Umstieg auf die direkte, permanente Energiezuführung während der Fahrt ändern sich zahlreiche Prozesse und Anforderungen bei Anwendern (Frachtführer bzw. Spediteure), Verladern, Betreibern von Straßeninfrastrukturen und Nebenbetrieben, Energiewirtschaft, Fahrzeugherstellern und bei der Fahrzeugwartung. Die Veränderungen sind dabei stärker, als dies bei einem Ersatz von fossilen Kraftstoffen durch eine andere Kraftstoffart oder bei an-deren Lösungen zur Mitführung von Energie an Bord der Fall ist (siehe Abbildung 5-18).

Abbildung 5-18: Beteiligte am Oberleitungs-Lkw-System

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EY & Trafikverket (2019)

International werden Lkw-Oberleitungssysteme bereits seit einigen Jahren in mehreren Staa-ten erprobt, wobei unterschiedliche technische Konfigurationen bei Strecke und Fahrzeugen zum Einsatz kommen (Tongur 2018). In Deutschland fördert der Bund im Rahmen des Pro-gramms „erneuerbar mobil“ zur Erprobung und Weiterentwicklung der Technologie im Mo-ment insgesamt drei Versuchsstrecken, die jeweils versuchsweise Elektrifizierungsabschnitte über 4-6 km beinhalten. Darunter sind zwei Strecken auf Autobahnen in Hessen und Schles-wig-Holstein sowie die Versuchsstrecke in Baden-Württemberg (eWayBW), die über eine Bundesstraße führt. Die testweise Nutzung einer Bundesstraße ermöglicht es unter anderem, die Tauglichkeit des Systems auf Straßen mit unterschiedlich engen Radien sowie bei Orts-durchfahrten und Kreuzungen zu untersuchen.

Anpassung von Anfor-derungen und Prozes-sen erforderlich

Oberleitungs-Teststre-cken in Deutschland

101 Auf einer etwa 18 km langen Pilotstrecke auf der B462 bei Rastatt werden zwei Abschnitte mit einer Länge von insgesamt voraussichtlich 4 km pro Fahrtrichtung elektrifiziert. Oberlei-tungs-Hybrid-Lkw, die mit der entsprechenden Technik ausgestattet werden, können über die Oberleitungen Strom beziehen. Gleichzeitig wird eine Batterie aufgeladen, die dem Lkw eine emissionsfreie Weiterfahrt nach Beenden der Oberleitung ermöglicht, oder ein Verbren-nungsmotor wird genutzt (siehe Abbildung 5-19).

Abbildung 5-19: eWay BW - Streckenverlauf

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Verkehrsministerium BW (2019)

Das Gesamtprojekt eWayBW besteht aus den Teilprojekten Planung, Genehmigung und Bau der Infrastruktur, Realbetrieb der Pilotstrecke und wissenschaftliche Begleitforschung zu-sammen, und wird maßgeblich vom Bund sowie ergänzend durch das Land Baden-Württem-berg gefördert. Ziele des Pilotprojekts sind:

 Planung, Genehmigung, bauliche Umsetzung und Inbetriebnahme einer Pilotstrecke zur Energieversorgung elektrisch angetriebener schwerer Nutzfahrzeuge via Oberlei-tung (HO-Lkw) auf einem Abschnitt einer Bundesfernstraße in Baden-Württemberg.

 Sicherstellung eines realitätsnahen, sicheren und zuverlässigen elektrischen Betriebs von HO-Lkw auf der Pilotstrecke über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg.

 Erforschung relevanter verkehrs- und energietechnischer, gesellschaftlicher, ökolo-gischer und ökonomischer Aspekte, die für einen späteren Ausbau des Systems rele-vant sind.

 Untersuchung der Funktionalität und der Zuverlässigkeit der Oberleitungsinfrastruk-tur sowie der HO-Lkw im Realbetrieb sowie Verknüpfung mit weiteren Zukunftstech-nologien, wie zum Beispiel dem autonomen und vernetzten Fahren.

eWay BW im Murgtal

Untersuchungsfelder im Gesamtprojekt eWayBW

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 Öffentlich wahrnehmbares Schaufenster im Bereich der Elektromobilität für eine konkrete Handlungsoption zur Dekarbonisierung im Straßengüterverkehr.

 Positive Darstellung von Elektromobilität unter realen Bedingungen im Alltag zur Schärfung des Bewusstseins in der Politik, Wirtschaft und breiten Öffentlichkeit.

Die Oberleitung im Murgtal soll 2020 errichtet werden. Anschließend ist nach derzeitigem Stand ein dreijähriger Regelbetrieb in den Jahren 2021 bis Frühjahr 2024 vorgesehen.

Im Vergleich mit anderen Dekarbonisierungsoptionen für den schweren Nutzfahrzeugbe-reich zeichnen sich derzeit folgende Vorteile der Oberleitungstechnologie ab:

 Mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien am Strom-Mix spürbare Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehr durch einen hohen Wirkungsgrad des Systems aufgrund der direkten Energiezuführung

 Technisch einsatzbereites System mit weit entwickelten Fahrzeugkomponenten

 Überschaubarer Investitionsaufwand bei Realisierung eines sinnvollen, rund 4.500 km langen Oberleitungs-Kernnetzes in Deutschland, von denen z.B. nach Überlegun-gen des Umweltbundesamtes (2019a) die ersten rund 1.000 km auf besonders hoch frequentierten Kernstrecken bis 2030 realisiert sein könnten.

 Abkehr vom Prinzip des stationären Ladens mit entsprechend langen Stillstandzeiten der Fahrzeuge oder aufwändigen Batteriewechselsystemen

Da Oberleitungs-Hybrid-Lkw aber nicht für jeden Anwendungsbereich in Frage kommen, wird derzeit auch in BW technologieoffen an anderen Optionen gearbeitet. So wird zum einen auf der Teststrecke im Schwarzwald parallel ein Batterie-Lkw getestet, und zum anderen durch die Fahrzeugindustrie an der Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie gearbeitet.

Strombasierte Kraftstoffe stehen lokal nur in begrenztem Umfang zur Verfügung oder müs-sen importiert werden. Diese werden ihren Beitrag vor allem dort leisten müsmüs-sen, wo auf absehbare Zeit zumindest in Großserie im Verkehrsbereich kein Ersatz von Verbrennungsmo-toren möglich sein wird, d.h. vor allem im internationalen Luftverkehr sowie in der internati-onalen Seeschifffahrt.

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 117-120)