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Autonomes Fahren im Güterverkehr

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 120-123)

5 Gestaltungsfelder für den Güterverkehr

5.4 Innovationen im Güterverkehr

5.4.3 Autonomes Fahren im Güterverkehr

Das Land Baden-Württemberg hat im Mai 2018 zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn ein Testfeld autonomes Fahren eingerichtet. Das Testfeld umfasst im Unterschied zu anderen Projekten in Deutschland alle Arten von öffentlichen Straßen: Autobahnabschnitte, Landes- und Bundesstraßen, innerstädtische Routen mit Rad-, Fußgänger- und Straßenbahnverkehr ebenso Tempo-30-Zonen, Wohngebiete und Parkhäuser. Es soll als ein Reallabor für neue Mobilitätskonzepte dienen und so die Entwicklung zukunftsorientierter Lösungen für Indivi-dualverkehr und Öffentlichen Personennahverkehr fördern. Auf dem Test ist u.a. eine ab-schnittsweise Ausrüstung der Infrastruktur mit Sensor- und Kameratechnik erfolgt, es wur-den Ampelanlagen zu Testzwecken so umgerüstet, dass diese mit autonomen Fahrzeugen kommunizieren können, und zur Navigation erfolgte eine hochgenaue Kartierung der Test-feldinfrastruktur (siehe Abbildung 5-20).

Vorteile der Oberlei-tungstechnologie

Ansatzpunkte für wei-tere alternative Tech-nologien

Testfeld autonomes Fahren

Baden-Württemberg

103 Abbildung 5-20: Testfeld autonomes Fahren BW

Quelle: Eigene Darstellung

Firmen und Forschungseinrichtungen können ihre Technologien und Dienstleistungen rund um das vernetzte und automatisierte Fahren im Alltagsverkehr erproben. So werden derzeit auf dem Testfeld von verschiedenen öffentlichen und privaten Forschungspartnern unter an-derem – und in aller Regel gemeinsam – untersucht und getestet:

 Fahrzeugerfassung in Kreuzungsbereichen

 Intelligente Sensorik und Videotechnik

 Verkehrsflussmodelle

 Algorithmische Situationsanalysen

 Interaktion zwischen automatisierten Fahrzeugen und anderen Verkehrsteilnehmen-den

 Koppelung von Informationen der straßenseitigen Infrastruktur und der Fahrzeug-Sensorik

 Datensicherheit, Datenschutz, Rechtskonformität von Betriebsmodellen

 Auswirkungen des autonomen Fahrens auf die Mobilität

Die Projekte haben derzeit überwiegend ihren Fokus auf dem Personenverkehr. Dennoch werden auch in den jetzigen Projekten bereits wesentliche Informationen für den Güterver-kehr gewonnen. Dort werden die Einsatzbereiche für das autonome Fahren in folgenden Be-reichen gesehen:

Untersuchungsfelder des Testfelds autono-mes Fahren

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 Auf Autobahnen mit baulich getrennten Richtungsfahrbahnen und einem relativ ho-mogenen Verkehrsfluss, zumindest auf der rechten Spur hoho-mogenen Fahrzeugbewe-gungen im Güterverkehr. Zudem findet dort ein hoher Fahrleistungsanteil auf einem relativ kleinen Netz statt. Daher werden auf der Autobahn auch bereits Vorstufen des autonomen Fahrens („automatisiertes Kolonnenfahren“) getestet. Besondere Herausforderungen im automatisierten Betrieb sind das Auf- und Abfahren auf die Strecke bzw. das Bilden der Kolonnen sowie das Verhalten an Anschlussstellen mit viel kreuzendem Pkw-Verkehr. Gerade auf Autobahnen kann sich auch eine Koppe-lung mit Innovationen im Energiebereich anbieten, z.B. mit der Oberleitungstechnik (Nutzung der Oberleitung als Orientierungsmarke, gleichzeitige Umrüstung der Inf-rastruktur, usw.)

 Im nichtöffentlichen Bereich, z.B. auf Werks- und Speditionsgelände oder KV-Termi-nals, werden viele standardisierte kurze Fahrzyklen (z.B. Rangierbewegungen) durch-geführt; das Gelände ist gut sensorisch und mit Kameras überwachbar. Für die Wirt-schaft besteht ein hoher Anreiz dort rasch zu automatisieren, da das Verhältnis von Warte- zu Lenkzeit auf den letzten Metern besonders ungünstig ist. Zudem führen die Fahrerinnen und Fahrer gerade auf der letzten Meile viele Nicht-Kerntätigkeiten aus (z.B. Beladen, Entladen, Sichern, Dokumentation), die nicht zwingend von Fahre-rinnen und Fahrer durchgeführt werden müssen und das Risiko von an sich harmlo-sen, aber teuren Kollisionen auf Werksgelände relativ hoch ist.

 In den Städten lässt sich zur Erhöhung von Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Versor-gungszuverlässigkeit nach aktuellem Stand Potenzial in mehreren Teilbereichen und für unterschiedliche Automatisierungsstufen erschließen. Hoch- und vollautomati-sierte Fahrfunktionen dürften zeitnah entwickelbar und z.T. schon marktnah sein. So ist es z.B. im Fall des Rechtsabbiegens bei Vorhandensein eines Radweges möglich, die maximale Fahrgeschwindigkeit auf die Schrittgeschwindigkeit automatisch zu re-duzieren. Dieser Abbiegeassistent ist seit 2020 für neue Kraftfahrzeuge ab 3,5 t vor-geschrieben. Werden z.B. künftig auch Fahrräder mit Ortungssendern versehen, kön-nen durch die Kommunikation zwischen Lkw und Rad zusätzlich Sicherheitspotenti-ale erschlossen werden. Zudem versprechen teilautomatisierte Funktionen in den Städten (z.B. Einparkautomatik, automatisiert dem Fahrer entlang eines Straßenzugs nachfolgende Fahrzeuge, autonome Quartierszustellung auf der letzten Meile usw.) erhebliches Potenzial. Die Paketzustellung oder Frischobst- und Gemüselieferung in Wohn- und Mischgebieten oder Anlieferung kleiner Stückgutmengen zu Läden oder in Gewerbegebieten beispielsweise, kann durch fahrerlose Zustellfahrzeuge zeit-gleich an verschiedene Empfänger erfolgen. Eine Einführung eines generellen vollau-tomatisierten oder gar fahrerlosen Fahrens im Wirtschaftsverkehr auf allen Straßen dürfte für große Fahrzeuge eher sehr langfristig zweckmäßig und wirtschaftlich trag-fähig werden. Der Verkehr in der Stadt ist durch hohe Verkehrsdichten sowie eine hohe Komplexität in Form von kreuzendem Verkehr geprägt und es treffen unter-schiedliche Verkehrsmittel, -arten und -träger (Lkw, Pkw, ÖPNV, Fahrrad, Fußgänger usw.) auf engem Raum aufeinander. Der Wirtschaftsverkehr führt während der Fahrt

autonomes Fahren auf

105 im Vergleich zum Personenverkehr ganz unterschiedliche Tätigkeiten mit zahlreichen Stopps zum Be- und Entladen, ergänzende Dienstleistungen, usw. aus. Zum Einsatz kommen ganz unterschiedliche Fahrzeuge vom kleinen Lieferfahrzeug bis zum Sat-telzug, sodass Fahrzeugeinsatzkonzepte angepasst werden müssten, die die Lebens-dauer bzw. mindestens die wirtschaftlichen Abschreibungszeiträume von Fahrzeu-gen berücksichtiFahrzeu-gen muss.

 Im Überlandverkehr abseits der Autobahnen ist die Vorbereitung der Strecken auf-wändiger, vor allem auch aus ökonomischer Sicht: einem sehr viel längeren Netz ste-hen dort sehr viel geringere Verkehrsstärken, gerade auch im Lkw-Verkehr, und ein teilweise schlechter Straßenzustand mit fehlenden oder verblassten Markierungen gegenüber. Gleichzeitig treten viele Sondersituationen wie z.B. Radfahrerinnen und Radfahrer und querender landwirtschaftlicher Verkehr auf. Hier könnte eine Syner-gie für die Nutzung derselben Infrastrukturen entstehen, wenn die Entwicklungen im autonomen Busverkehr auch im Regionalverkehr fortschreiten, was dem Ziel des Landes Baden-Württemberg entspricht und u.a. über Reallabore weiterentwickelt werden soll. An Stelle einer flächendeckenden Vorbereitung für das automatisierte oder gar autonome Fahren nur für den Güterverkehr erscheint dort daher aktuell für das hoch automatisierte Fahren die Auswahl besonders wichtiger Strecken z.B. zur Andienung von Gewerbeparks oder großen Industriebetrieben als unmittelbarer Schritt sinnvoller. Hingegen werden teilautonome Fahrfunktionen auch im Überland-verkehr schon rasch eingesetzt werden und können für einen wesentlichen Mehr-wert an Sicherheit sorgen.

Im Ergebnis ist das automatisierte Fahren mit Güterverkehrsfokus auszubauen, weil im Land zum einen Bedarf gesehen wird, und zum anderen Baden-Württemberg die große Chance hat, hier als Technologieführer aufzutreten. Demonstratoren wie z.B. die autonome Quar-tierslogistik auf der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn haben zudem gezeigt, wie eine begleitende Akzeptanzforschung funktionieren kann. Neben dem Testfeld selbst, dessen Fortbestand wichtig ist, ist für die weitere Entwicklung des Güterverkehrs zentral, dass hier und auch an anderen Stellen oder in anderen Projekten die entsprechenden Vorhaben statt-finden können und durch das Land und die Wirtschaft weiterhin unterstützt werden.

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 120-123)