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Ausweitung Lkw-Maut

Im Dokument KONZEPT GÜTER (Seite 105-109)

5 Gestaltungsfelder für den Güterverkehr

5.3 Wettbewerb und Regulierung

5.3.3 Ausweitung Lkw-Maut

Nach § 1 Abs. 1 des Bundesfernstraßenmautgesetzes (BFStrMG) ist für Kraftfahrzeuge, die für den Güterkraftverkehr bestimmt sind oder verwendet werden und deren zulässiges Ge-samtgewicht mindestens 7,5 t beträgt für die Benutzung der Bundesfernstraßen (Autobah-nen und Bundesstraßen) eine entfernungsabhängige Maut zu entrichten („Lkw-Maut“). In Baden-Württemberg gilt die Lkw-Maut damit auf allen Bundesautobahnen und Bundesstra-ßen. Die einzige Ausnahme bildet die Bundesautobahn A 5 im Abschnitt von der deutsch-schweizerischen und der deutsch-französischen Grenze bis zu Anschlussstelle Müll-heim/Neuenburg in beide Fahrtrichtungen. Die einzelnen Tariflängen der mautpflichtigen Strecken können in den von der Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlichten Mautta-bellen (BASt 2019) eingesehen werden. Die Einnahmen des Bundes aus der Lkw-Maut wer-den für die Jahre 2018 bis 2022 mit durchschnittlich ungefähr 7,2 Mrd. Euro je Jahr prognos-tiziert.

Die Berechnung der Maut-Kilometersätze erfolgt anhand von drei Maut-Teilsätzen: der ge-wichts- und achszahlabhängigen Infrastrukturkomponente, einem variablen Maut-Teilsatz je Schadstoffklasse sowie einer pauschalen Einpreisung der Lärmemissionen. Durch Addition der drei Maut-Teilsätze wird der fahrzeugspezifische Mautsatz je Kilometer berechnet. Eine nach europäischem Recht („Wegekostenrichtlinie“ 1999/62/EG in der Fassung 2011/76/EU) grundsätzlich mögliche Differenzierung der Mautsätze nach Tageszeit („Staukomponente“) erfolgt derzeit nicht. Die Anlastung von Klimagasemissionen ist derzeit in der Wegekosten-richtlinie nicht vorgesehen (siehe Tabelle 5-8).

Die EU-Kommission hat 2017 als Bestandteil des Mobilitätspaketes „Europa in Bewegung“

einen Vorschlag zur Revision der Eurovignetten-Richtlinie erarbeitet (COM (2017) 275 final).

Diese sieht unter anderem eine Differenzierung der Maut nach CO2-Emissionen vor. Damit sollen nicht zuletzt auch Anreize für die Anschaffung emissionsfreier Fahrzeuge gesetzt wer-den. Gleichzeitig soll es möglich sein eine nach Ort, Zeit und Fahrzeugklasse differenzierte Staugebühr zu erheben. Zusätzlich soll zukünftig laut Vorschlag der EU-Kommission die Maut-pflicht auf alle Fahrzeuge ausgeweitet und die Erhebung von externen Kosten vereinfacht werden.

Derzeit sind in Deutschland bestimmte Kraftfahrzeugarten mit erneuerbaren Antrieben von der Erhebung der Lkw-Maut befreit, beispielweise reine Batterieelektrofahrzeuge, von außen

88 aufladbare Hybridelektrofahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge. Auch mit Erdgas betrie-bene Fahrzeuge sind derzeit bis zum 31.12.2023 mautbefreit. Die Mautbefreiung kann ein wirksames Instrument zur Unterstützung des Wandels hin zu alternativen Antrieben sein. Sie ist aber aus verkehrsökonomischer Sicht auch kritisch zu hinterfragen. Die Befreiung von der Maut bietet zwar einen Anreiz für den vereinfachten Marktzugang für z.B. elektrisch betrie-bene Fahrzeuge. Es fallen jedoch auch für diese Fahrzeuge reale Infrastrukturkosten an.

Gleichzeitig ist in einem höheren Geschwindigkeitsbereich (auf Autobahnen bzw. außerorts) auch der Lärmvorteil von elektrisch betriebenen Fahrzeugen auf Grund des Abrollgeräuschs der Reifen weniger wirksam.

Da derzeit nur auf einem Teil des Straßennetzes Nutzungsgebühren erhoben werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit von Verkehrsverlagerungseffekten auf bestimmten Strecken-abschnitten. Auf Grund dessen erfolgt in regelmäßigen Abständen ein Bericht über die Ver-kehrsverlagerungen auf das nachgeordnete Straßennetz durch die Bundesregierung, zuletzt Anfang März 2020. Der Bericht (Bundestags-Drucksache 19/17720) nimmt Bezug auf das Jahr 2018. Im Ergebnis hat die zum 01.07.2018 auf alle Bundesfernstraßen ausgeweitete Maut zu einer umfangreichen Rückverlagerung von Verkehren auf das Autobahnnetz geführt.

Mautausweichverkehre stellen weiterhin kein Flächenproblem dar. Lediglich an einzelnen Schwerpunkten kommt es zu Verkehrsverlagerungen, vor allem dort, wo gut ausgebaute Al-ternativstrecken zur Verfügung stehen.

Verlagerungseffekte

89 Tabelle 5-8: Lkw-Mautsätze in Deutschland seit 01.01 2019

Externe Kosten Mautsatz Anteil

Luftver-schmutzung

Anteil Lärm

Cent/km Cent/km Cent/km Cent/km

Euro 6 7,5-11,99 t 8,0

Quelle: Eigene Darstellung nach Anlage 1 BFStrMG

90 Aus verkehrsökonomischer Sicht erscheint vor dem Hintergrund der aufgeführten Nachteile, die mit der derzeitigen partiellen Bemautung verbunden sind, eine Vereinheitlichung der Lkw-Maut durch Ausweitung der Erhebung nutzungsproportionaler Abgaben für alle Fahr-zeuge auf dem gesamten Straßennetz grundsätzlich sinnvoll. Dabei sind bei einer weiteren Ausweitung der Mautpflicht folgende Punkte zu berücksichtigen:

 Für die Ausweitung der Mautpflicht auf das übrige Straßennetz des Landes und ggf.

weitere Straßen und/oder Fahrzeuge ist eine Rechtsgrundlage erforderlich, wobei hinsichtlich der Kompetenz, Ausgestaltung und Zuständigkeiten verschiedene Frage-stellungen zu lösen sind.

 Im nachgeordneten Straßennetz sind die Verkehrsstärken in aller Regel deutlich ge-ringer als auf den Bundesfernstraßen: der durchschnittliche-Lkw Verkehr liegt auf den Autobahnen in Baden-Württemberg beim Vierfachen einer Bundesstraße, und auf Bundesstraßen beim Dreifachen einer Landessstraße bzw. beim Fünffachen einer Kreisstraße. Gleichzeitig ist das nachgeordnete Netz deutlich länger. Daraus resultie-ren im nachgeordneten Netz wesentlich höhere Wegekosten pro gefahresultie-renem Kilo-meter als auf Autobahnen und Bundesstraßen. Im Ergebnis werden – sofern kein Durchschnitts-Kilometersatz über alle Straßenkategorien gebildet wird wie z.B. in der Schweiz – trotz niedrigerer Bau- und Unterhaltungskosten auf Landes- und Kreisstra-ßen wesentlich höhere Mautsätze anfallen als auf den BundesfernstraKreisstra-ßen. Dies trifft vor allem den regionalen und lokalen Versorgungsverkehr, und auch den Kombinier-ten Verkehr, der im Vor- und Nachlauf auf die Nutzung des Lkw und dieses Straßen-netzes angewiesen ist, da im feinräumigen Verkehr oftmals weder alternative Ver-kehrsträger noch Bundesfernstraßen zur Verfügung stehen, die genutzt werden könnten.

 Mit einer Ausweitung der Lkw-Maut auf das den Bundesfernstraßen nachgeordnete Netz erhöht sich bei streckengenauer Erhebung der Abrechnungsaufwand deutlich.

Entweder sind dann zur Einnahmeaufteilung Schlüssel zwischen den beteiligten Ge-bietskörperschaften erforderlich, die regelmäßig z.B. über Zählungen auf Korrektheit zu prüfen sind, oder es muss eine kilometergenaue Zuordnung der Mauteinnahmen auf der Grundlage von Fahrtenprofilen erfolgen, wofür ein geeignetes Erfassungs- und Abrechnungssystem notwendig ist. Von den derzeit in Europa eingesetzten Sys-temen wäre z.B. (nur) das auf den Autobahnen zum Einsatz kommende, GPS-ge-stützte System hierzu in der Lage.

 Der Bund hat bereits heute über § 1 Abs. 4 BFStrMG die Möglichkeit, mit einer Ge-bührenerhebung auf dem nachgeordneten Netz dort steuernd einzugreifen, wo dies aus verkehrlichen Gründen geboten ist. Mit Zustimmung des Bundesrats ist er be-rechtigt, die Mautpflicht auf genau bezeichnete Abschnitte von Straßen nach Lan-desrecht auszudehnen, sofern dies zur Vermeidung von Mautausweichverkehren o-der aus Gründen o-der Verkehrssicherheit oo-der ihrer Funktion zur weiträumigen Ver-knüpfung des Güterverkehrsaufkommens mit dem Bundesfernstraßennetz gerecht-fertigt ist. Gebrauch gemacht wird von dieser Regelung bislang nicht, unter anderem

Lkw-Mautausweitung

91 wegen des insgesamt verhältnismäßig geringen Ausmaßes der Lkw-Ausweichver-kehre.

 Um die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Waren uneingeschränkt sicher-zustellen und um negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Baden-Würt-temberg zu vermeiden, ist für die Einführung einer netzweiten Straßennutzungsge-bühr von Beginn an ein Gesamtkonzept zur Neuregelung der verkehrsbedingten Ab-gaben in Abstimmung zwischen allen Straßenbaulastträgern erforderlich. Dies be-dingt eine nationale Regelung. Bereits mehrfach sind in der Vergangenheit derartige Initiativen erfolgreich von den Ländern ausgegangen. Hier bieten sich gute Anhalts-punkte für das Land Baden-Württemberg, um den bereits initiierten Diskurs zur Stra-ßenbaufinanzierung erfolgversprechend und fokussiert fortzusetzen.

Die Ausweitung der Lkw-Maut auf das gesamte Straßennetz über die Erhebung kilometerab-hängige Nutzungsentgelte, wie sie bei der Bahn und für Lkw auf Bundesfernstraßen bereits seit Jahren realisiert sind, kann zu einem wichtigen Baustein einer verursachungs- und ver-anlassungsgerechten Bepreisung des Verkehrs und damit einer nachhaltigen (Güter-)Ver-kehrspolitik werden, die auf den Prinzipien der Kostenwahrheit bei allen Verkehrsträgern aufbaut. Dies führt insgesamt zu einer gerechteren und leistungsabhängigen Anlastung der Kosten des Verkehrs.

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