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1.1.2 Kirche als geistliche und weltliche Größe

1.1.2.4 Kirche als Communio

Kirche ist Glaubensgemeinschaft. Diese ganz allgemeine und alltagssprachliche Asso-ziation bringt einen Aspekt des römisch-katholischen Kirchenverständnisses genau auf den Punkt: Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen“ oder „Versammlung der Gläubi-gen“ ist eine Formel, die in allen Epochen der Theologiegeschichte wiederbegegnet.222 Bereits seit den ersten frühchristlichen Jahrhunderten wird Kirche als „communio“ (in lateinischer Entsprechung zum griech. koinwni,a) bezeichnet,223 genauer: als „communio sanctorum“, Gemeinschaft derjenigen, die durch Teilhabe am Heiligen, d.h. am Heil, an der Gnade, an den Sakramenten, geheiligt sind. Die „Gemeinschaft der Heiligen“ lässt sich (sprachlich) in zwei Sinnrichtungen deuten, die beide aufs Engste miteinander verbunden sind: Als „Communio der Geheiligten und gemeinsame Teilhabe an den ,sancta‘, an dem, was die ,Heiligen‘ heiligt, rettet, am Göttlichen partizipieren lässt.“224 Dieses Bekenntnis und die Zugehörigkeit zur „Gemeinschaft der Heiligen“ und gleich-zeitig zur Gemeinschaft am Heiligen bzw. durch das Heilige, d.h. der (an Christus) Glaubenden und der dadurch von Gott Geheiligten, ist seit dem 4./5. Jahrhundert in verschiedenen früchristlichen Glaubensbekenntnissen fest verankert.225 Nachdem der Gemeinschaftscharakter der Kirche im Mittelalter aufgrund anderer Bestimmungen etwas in den Hintergrund getreten war, ist er durch die Theologie des Zweiten Vatikani-schen Konzils wieder neu ins kirchliche Bewusstsein gerufen worden:226 Kirche ist

222 Vgl. Schlussdokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985, in: Schlussdokument der Au-ßerordentlichen Bischofssynode 1985 und Botschaft an die Christen in der Welt (VAS 68), hrsg. v.

SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ,Bonn 1985, 3-22, 13; WIEDENHOFER, Ekkle-siologie, 92.

223 Der Terminus communio wird etymologisch in der Regel von munire abgeleitet (vgl. auch lat. munio

= mit einer Schanze umwallen, moenia = Stadtmauer). Danach bedeutet com-munio das Zusammen-Gefügtsein in eine gemeinsame Umwallung und beinhaltet eine be-, ein- oder abgrenzende Konnota-tion bzw. deutet auf eine fest umrissene Gemeinschaft hin. Communio kann aber auch in Verbindung mit munus verstanden werden als Leistung, Aufgabe oder auch Amt, die (bzw. das) gemeinschaftlich erbracht und in gegenseitiger Angewiesenheit aufeinander erbracht wird, zugleich aber auch gegen-seitiges bzw. meta-gemeinschaftliches Geschenk und Gnade ist. „Beiden bildhaften linguistischen Assoziationen gemeinsam ist dies: communio bezeichnet eine ,Vermittlungsgröße‘: Die vielen ver-schiedenen Einzelnen werden zur Einheit ,vermittelt‘, und umgekehrt: die mit communio gemeinte Einheit hat ihren ,Gegensatz‘, die vielen, nicht außer sich, sondern trägt ihn in sich.“ GRESHAKE, Communio, 95. Vgl. die programmatische Definition HANS URS VON BALTHASARS anlässlich der Gründung der Zeitschrift „Communio“: DERS.,Communio – Ein Programm, in: IkaZ 1 (1972), 4-17, 5; sowie RIEDEL-SPANGENBERGER,I.,Die Communio als Strukturprinzip der Kirche und ihre Rezep-tion im CIC/1983, in: TThZ 97 (1988), 217-238, 217; WERBICK,Kirche, 345. Deutlicher als das lat.

communio akzentuiert das griech. koinwni,a (im Neuen Testament) den Aspekt der in und auf Gott gründenden Gemeinschaft zwischen den Menschen. Vgl. NEUNER,Ekklesiologie, 521.

224 WERBICK, Kirche, 317. In diesem Sinn ist die Bekenntnisformel „Communio sanctorum“ bis ins Mittelalter als „Gemeinschaft am Heiligen“ verstanden worden, und sie ist nur deshalb „Gemein-schaft der Heiligen“. Vgl. KELLY,J.N.D.,Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und The-ologie, Göttingen 1972, 383.

225 Vgl. DH 19 und 26-30; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE,Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio vom 28. Mai 1992 (VAS 107), hrsg. v. SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ,Bonn 1992, Nr. 6 (S. 8); WIEDEN

-HOFER,Ekklesiologie, 92; WERBICK,Kirche, 340f.

226 Das II. Vatikanum hat das Thema der Kirche als Communio zwar nicht explizit behandelt und dazu auch keine eigene Systematik entfaltet, dennoch gilt das Communio-Verständnis als eine entschei-dende Idee des Konzils. Von lehramtlicher Seite wurde dies 20 Jahre nach dem Konzil mehrmals

be-Communio, sie ist gnadenhafte Gemeinschaft Gottes mit den Menschen und zugleich Gemeinschaft der in Gott verbundenen Menschen untereinander.227 Dieses wieder-entdeckte Verständnis der Kirche als Glaubensgemeinschaft, Communio, fügt sich lü-ckenlos ein in die Reihe der konziliaren Wesensbeschreibung(en) von Kirche als Myste-rium – Sakrament – komplexe Wirklichkeit (in sichtbarer und unsichtbarer Gestalt).

Denn die kirchliche Communio ist darauf ausgerichtet, eine tiefere Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander zu ermöglichen (LG 1), sie ist das Ziel der Heils-geschichte (LG 2), sie wird in Jesus Christus geschichtlich in einmaliger Weise verwirk-licht (LG 2-4), sie wird durch den Heiligen Geist, der in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wohnt, fortgeführt (LG 4; 48). Sie ist die vom Geist Gottes geeinte Ge-meinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe (LG 8; 11). „Durch den Geist ist die Kirche communio-Einheit mit Gott und der Glieder der Kirche untereinander.“228 Communio erstreckt sich also über die beiden Dimensionen, die auch das Mysterium Kirche kennzeichnen: die vertikale Gemeinschaft mit Gott und die horizontale Gemein-schaft der Menschen bzw. Gläubigen untereinander; deshalb ist Communio mehr als nur

„communitas“ (soziale Gemeinschaft).229

Der Glaube an den trinitarischen Gott vereint und ruft die Menschen zur Communio:

„Gott als der Dreieine ist wesentlich Vielheit, Beziehung, Dialog“.230 Für Kirche und die einzelnen Gläubigen in ihr ist dies mit entscheidenden Konsequenzen verbunden, denn Communio ist der Gegenentwurf zum vorkonziliaren Kirchenverständnis der

kräftigt: Zu einer der wesentlichen Lehren des Konzils, „die das wahre und eigentliche Bild der Kir-che ausmaKir-chen“ zählt Johannes Paul II. in der Einführungskonstitution zum revidierten kirchliKir-chen Gesetzbuch (CIC/1983) insbesondere auch „die Lehre, die die Kirche als Communio ausweist und daher die gegenseitigen Beziehungen bestimmt, die zwischen Teilkirche und Gesamtkirche sowie zwischen Kollegialität und Primat bestehen müssen“ (JOHANNES PAUL II.,Sacrae disciplinae leges, XIX). Wenige Jahre später fallen die Urteile von lehramtlicher Seite noch deutlicher aus: „Die ,Communio‘-Ekklesiologie ist die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente“ (Schluss-dokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985, 13). „Der Begriff Communio – Gemein-schaft – (koinonía), dem schon in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils eine erhebliche Bedeutung zukommt, bringt den tiefen Kern des Geheimnisses der Kirche sehr gut zum Ausdruck und vermag zweifelsohne eine Schlüsselrolle im Bemühen um eine erneuerte katholische Ekklesio-logie zu spielen“ (KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE,Kirche als Communio, Nr. 1 [S. 5]).

Das Konzil verwendet zwar den Terminus communitas wesentlich häufiger als communio; allerdings wird communitas theologisch uneindeutig, da z.T. auch soziologisch vieldeutig verwendet, z.B. als menschlich-soziologische Gemeinschaft, politische Gemeinschaft, Gruppierung, allgemeiner Zu-sammenschluss von Menschen etc. Die dem Begriff communio für das Konzil zugeschriebene Be-deutung resultiert also weniger aufgrund seines quantitativen als seines qualitativ-theologischen Vorkommens in den Konzilstexten. Die theologische Qualität von communio im Zweiten Vatikanum tritt jedoch erst im Vergleich mit vorkonziliaren Texten offen zu Tage: In der Alltags- wie Rechts-sprache vor dem Konzil, also in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wird communio – bis auf we-nige Ausnahmen als verfassungsrechtliches oder allgemeines Gemeinschaftsverständnis (cc. 87, 961, 1128f, 2257, 2267f CIC/1917) – fast nur im Sinn von „eucharistischer Kommunion“ verstanden und verwendet (vgl. v.a. c.595, 845-867). Vor diesem Hintergrund kann – nicht „muss“ (so z.B.

AYMANS,Kirche, 11) – die „Vatikanische Kirchenversammlung in der Tat als die Wiederentdeckerin des Communio-Begriffs für die Ekklesiologie gelten.“ Ebd.

227 Vgl. SAIER,O., „Communio“ in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eine rechtsbegriffli-che Untersuchung (MThS.K 32), Münrechtsbegriffli-chen 1973, 25-36.

228 KASPER,Kirche als Communio, 276.

229 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE,Kirche als Communio, Nr. 3 (S. 7).

230 NEUNER,Ekklesiologie, 521.

societas perfecta und societas inaequalis: vor allen Unterscheidungen betont der theo-logische Begriff Communio die grundsätzliche Einheit und Gemeinschaft der Kirche bzw. der Gläubigen; vor allen Verwechslungen oder Gleichsetzungen mit allen mögli-chen (sozialen) Gemeinschaftsgebilden, die von Gemeinschaftsgeist, gemeinschaftli-chen Handlungen und (zufälligen) Gemeinsamkeiten ihrer Mitglieder geprägt sind, betont Communio den göttlichen Sendungsauftrag an die Kirche, Heilssakrament für die Welt zu sein;231 und anders als ein statisches, unbewegliches Strukturgebilde ist Kirche als Communio kein starrer Ist-Zustand, sondern – mit der Kraft Gottes – eine dynami-sche Realität der Heilsgeschichte.232

Deutlicher als die bisher vorgestellten Wesensbeschreibungen von Kirche zeigt der Begriff Communio an, dass Kirche nicht jenseits aller menschlichen Sozial- bzw. Ge-meinschaftsformen steht, sondern in sichtbarer Gestalt in geschichtlichen Strukturen als Heilssakrament in der Welt präsent ist. „Diese neue Form von Sozialität, von Verge-meinschaftung und Gemeinschaftlichkeit, von Versöhnung und Einheit, die die christli-che Kirchristli-che in ihrem Wesen ist, hängt erstens zutiefst mit der religiösen Grunderfahrung des Christen zusammen: mit seiner trinitarischen Gotteserfahrung. […] Diese neue Form hängt zweitens aber auch von den gesellschaftlichen und politischen Sozialitätser-fahrungen und Sozialitätsbildungen der Menschheit ab. Gestalten, Strukturen und Insti-tutionen der Kirche fallen nicht einfach vom Himmel, sondern sind auch Ergebnis ge-schichtlicher Erfahrungen und geschichtlichen Handelns.“233 Der Spannungsbogen der

231 Communio ist mehr als communitas (Gemeinschaft). Vgl. hierzu die Untersuchung O.SAIERS zur Verwendung des Terminus Communio in den Dokumenten des Zweiten Vatikanums: „Aus dem Vorkommen und der jeweiligen Verwendungshäufigkeit der einzelnen Worte ist zu ersehen, dass ,communio‘ zur Bezeichnung von Gesellschaft, Gemeinschaft zwischen den Menschen im allgemei-nen Sinn nur selten verwendet wird. […] In den meisten Dokumenten des Vaticanum II dient ,communio‘ dazu, eine theologische Wirklichkeit auszusagen. Dabei geht es nicht darum, etwas im allgemeinen menschlichen Bereich Vorhandenes, sondern ganz bestimmte, von Gott stammende Be-ziehungsverhältnisse zu umschreiben. Diese auf übernatürlicher Basis aufruhenden Verhältnisse sind zweifacher Art. Sie betreffen das zwischen Gott und Menschen und das zwischen Menschen beste-hende Verhältnis.“ SAIER,O.,„Communio“ in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eine rechtsbegriffliche Untersuchung (MThS.K 32), München 1973, 3. Zur begrifflichen Differenzierung von communio und communitas in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils vgl. aus-führlicher Kapitel 2.1.6.1 Kirche als Communio in dieser Arbeit.

232 W. KASPER kommentiert die Verwendung von Communio in den Dokumenten des Zweiten Vatikanums ein wenig anders als O.SAIER (siehe vorherige Anm.), seine Argumentation zeugt von der in der Zwischenzeit vertieft geführten Diskussion um das „richtige“ Verständnis von Communio:

„Zunächst erfährt man, dass in den Texten des Konzils der Begriff communio zwar zentral, der Sprachgebrauch jedoch nicht streng festgelegt ist. Neben dem Wort communio begegnen eine Reihe ähnlicher Begriffe wie communitas, societas u.a. Der Begriff communio selbst hat in den Konzilstex-ten wiederum unterschiedliche Bedeutungsebenen. Wir haben es in den KonzilsdokumenKonzilstex-ten also mit einer sich erst herausbildenden Begrifflichkeit zu tun. Dieser sprachliche Befund ist ein Hinweis da-für, dass das Konzil eine Sachproblematik angestoßen hat, die es selber nicht zu Ende führen konnte, die es vielmehr uns zur Durchführung aufgegeben hat. Eine zweite Überraschung ist noch wichtiger.

Sie besteht darin, dass das Konzil, wenn es von communio spricht, primär gar nicht das meint, was in der manchmal turbulenten nachkonziliaren Diskussion Anlass zu viel Aufregung gab. Es geht näm-lich in dem Begriff communio zunächst nicht um Strukturfragen der Kirche. Das Wort communio weist vielmehr auf die eigentliche ,Sache‘ (res) hin, aus der die Kirche kommt und für die sie lebt.

Communio bezeichnet nicht die Struktur der Kirche, sondern ihr Wesen, oder wie das Konzil sagt:

ihr Mysterium.“ KASPER,W.,Kirche als Communio. Überlegungen zu einer ekklesiologischen Leit-idee des II. Vatikanischen Konzils, in: DERS.,Theologie und Kirche, Mainz 1987, 272-289, 275.

233 WIEDENHOFER,Ekklesiologie, 92f.

Kirche als komplexe Wirklichkeit in unsichtbarer und sichtbarer Gestalt zeigt sich auch und gerade in der Communio-Struktur: denn das Verständnis von Kirche als Communio umgreift sowohl ihren theologischen Gehalt als auch ihre empirische Gestalt.234

Kirche als Communio bleibt eine leere Formel, wenn sie nicht gefüllt wird. Es ist gerade nicht der Sinn von Communio, unerreichbare Vision oder Idealgestalt zu bleiben, son-dern Zeichen und Werkzeug des Reiches Gottes zu werden, d.h. sakramentales Gestal-tungsmerkmal (in) der geschichtlich-konkreten Realität der Kirche zu sein.235

Nicht zufällig klingt im Begriff Communio auch das – zumeist alltagssprachlich ver-wendete – Wort „Kommunion“ an, das im theologischen Sinn auf das Sakrament der Eucharistie verweist: durch den Empfang der Eucharistie werden und nehmen die

234 „Die kirchliche Gemeinschaft ist zugleich unsichtbar und sichtbar. In ihrer unsichtbaren Wirklichkeit ist sie Gemeinschaft jedes Menschen mit dem Vater durch Christus im Heiligen Geist sowie mit den anderen Menschen in der gemeinsamen Teilnahme an der göttlichen Natur, am Leiden Christi, an demselben Glauben, an demselben Geist. In der Kirche auf Erden besteht eine innige Beziehung zwi-schen dieser unsichtbaren Gemeinschaft und der sichtbaren Gemeinschaft in der Lehre der Apostel, in den Sakramenten und in der hierarchischen Ordnung. Durch diese göttlichen Gaben von gut sicht-barer Wirklichkeit nimmt Christus in der Geschichte auf verschiedene Weise sein prophetisches, priesterliches und königliches Amt zum Heil der Menschen wahr. Diese Beziehung zwischen den un-sichtbaren Elementen und den un-sichtbaren Elementen der kirchlichen Gemeinschaft ist für die Kirche als Sakrament des Heils konstitutiv.“ [Hervorhebungen wie im Original] KONGREGATION FÜR DIE

GLAUBENSLEHRE,Kirche als Communio, Nr. 4 (S. 7f).

Die nachkonziliare Interpretation und Rezeption des Communio-Begriffs des Zweiten Vatikanums offenbaren eine heftige Diskussion um das „richtige“ Verständnis von Kirche als Communio. Der – im Vergleich zu den ebenfalls im Konzil wieder eingeführten theologischen Fachtermini Mysterium, (Heils-)Sakrament u.a. – relativ breiten Rezeption des Begriffs Communio entspricht seine inhaltli-che Unbestimmtheit: Wie ist Communio genau zu verstehen? In welinhaltli-cher Hinsicht ist Kirinhaltli-che Gemein-schaft? Die konkreten Entwürfe zu Communio nach dem Konzil sind von unterschiedlichen Aus-gangs- und Zielpunkten geprägt: 1) Die eine Richtung versteht Communio als sakramentales, durch die Kirche vermitteltes Geschehen der Teilhabe an Jesus Christus im Heiligen Geist. Die Partizipati-on an dieser trinitarischen Communio ist zugleich die Grundlage für die Einheit der Christ-Gläubigen. Dieser als Wesensdefinition verstandenen Communio entspricht die (innere) Überein-stimmung mit dem bischöflichen Leitungsamt und dem Bischof von Rom als dem sichtbaren Zeichen der einen Kirche Gottes. 2) Die andere Deutungsrichtung versteht Communio als Korrektiv für die sichtbare Gestalt der Kirche und fordert den Abbau bzw. eine communio-gemäße Ausgestaltung von Hierarchien und Strukturen. Nach diesem Verständnis wird Communio zur Forderung nach Kommu-nikation und Partizipation bzw. kollegialer Beteiligung an der Hierarchie bzw. Leitung der Kirche. – Zur Diskussion um den Communio-Begriff und diesbezügliche lehramtliche Stellungnahmen siehe ausführlicher Kapitel 2.1.6.1 Kirche als Communio.

235 Wie die Kirche steht auch der Communio-Begriff in der Grundspannung zwischen unsichtbarer und sichtbarer Gemeinschaft Gottes mit den Menschen. In der nachkonziliaren Diskussion und Interpre-tation wurden die Grenzwerte kirchlicher Communio – zwischen unsichtbarer, nur geistlich gestalt-barer Gemeinschaft und geschichtlich-konkret strukturierter Gemeinschaft – ausgelotet und festge-schrieben. Vgl. zum Beispiel W.KASPER,der den konziliaren Communio-Begriff unmittelbar auf das Mysterium der Kirche bezieht: „Es geht nämlich in dem Begriff communio zunächst nicht um Struk-turfragen der Kirche. Das Wort communio weist vielmehr auf die eigentliche ,Sache‘ (res) hin, aus der die Kirche kommt und für die sie lebt. Communio bezeichnet nicht die Struktur der Kirche, son-dern ihr Wesen, oder wie das Konzil sagt: ihr Mysterium“ (KASPER,Kirche als Communio, 275). Im Rahmen einer Klärung über einige Aspekte der Communio betont die GLAUBENSKONGREGATION die Analogie der Communio zum Verständnis von Kirche als komplexer Wirklichkeit: „Folglich muss der Begriff der Communio imstande sein, auch die sakramentale Gestalt der Kirche, solange ,wir fern vom Herrn in der Fremde leben‘, zum Ausdruck bringen, sowie die besondere Einheit, die die Gläu-bigen zu Gliedern desselben Leibes, des mystischen Leibes Christi macht, zu einer organisch struktu-rierten Gemeinschaft, zu einem in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ver-sammelten Volk‘, das auch mit den zur sichtbaren und sozialen Vereinigung geeigneten Mitteln aus-gestattet ist.“ KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE,Kirche als Communio, Nr. 3 (S. 7).

bigen Teil (an) der Communio, d.h. – im doppelten Wortsinn – sie kommunizieren, das

„Kommunizieren verbindet die Kommunizierenden mit Christus und untereinander zum Leib Christi.“236 Der direkte Zusammenhang zwischen der eucharistischen und kirchli-chen Gemeinschaft macht dies deutlich: „Wie ,Leib Christi‘ sowohl den eucharistiskirchli-chen als auch den kirchlichen Leib bezeichnet, so drückt ,communio‘ die Teilhabe an beiden aus. Die Gemeinschaft in der Teilhabe am sakramentalen Herrenleib bildet die Mitte kirchlicher Gemeinschaft. Beide bedingen sich gegenseitig. […] Diese Gemeinschaft erwächst nicht aus menschlichem Vereinigungswillen, sondern ist göttliche Gabe, derer die Menschen teilhaftig werden können; darin ist sie zugleich menschliche Aufgabe.“237 Göttliche Gabe und menschliche Aufgabe – innerhalb dieser dynamischen Grundspan-nung des Mysteriums Kirche befindet sich Communio, wenn sie kirchliche Beziehungs-gefüge umfasst und benennt, die im Heilsgeschehen Gottes mit den Menschen gründen und zugleich die Qualität und die Struktur der Beziehungen der von Gott begnadeten Menschen sozial bestimmen und nach außen hin sichtbar werden lassen.238

Die Verwirklichung der Communio – zwischen göttlicher Gabe und menschlicher Auf-gabe – ist keine statische Angelegenheit, sondern ereignet sich dynamisch. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass die eine Kirche Christi auf Erden in verschiedenen Formen realisiert werden kann, während die (unsichtbare) Kirche Christi immer Ideal-gestalt und Vorbild der sichtbaren Formen bleibt. Das Zweite Vatikanische Konzil ver-steht die katholische Kirche hinsichtlich ihrer institutionellen Gestalt als volle Verwirk-lichung der Kirche Jesu Christi in der Welt, sie erkennt aber zugleich an, dass sich auch

„außerhalb ihres Gefüges mehrere Elemente der Heiligung und der Wahrheit finden, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen“

(LG 8,2).239 In diesem Zusammenhang dient die (katholisch-)theologische Rede von der

„communio plena“ (volle Gemeinschaft) bzw. der „communio, etsi non plena“ (noch nicht voll verwirklichte Gemeinschaft) der konfessionellen Unterscheidung christlicher Kirchen und Gemeinschaften, genauer: der Verdeutlichung des vollen bzw. hohen Ver-wirklichungsgrads irdisch verfasster Kirchen im Vergleich zur Idealgestalt der unsicht-baren Kirche Christi.240

236 WERBICK, J., Grundfragen der Ekklesiologie, Freiburg i.Br. 2009, 130. Während communio im CIC/1917 bis auf wenige Ausnahmen die Hl. Kommunion in Form des Eucharistieempfangs meinte – und damit den funktionalen vor dem theologischen betonte – überwiegt im CIC/1983 für communio der Aspekt der (allgemeinen kirchlichen) göttlich-menschlichen Gemeinschaft (communio plena u.Ä. z.B. in cc. 96, 141, 149, 204f u.v.m.) vor dem Aspekt des Eucharistieempfangs per se (sacra communio: in cc. 912-23). Zur theologischen Verwendung des Terminus communio vor dem Konzil vgl. auch Anm. 223 in dieser Arbeit).

237 AYMANS/MÖRSDORF, KanR I, 22.

238 Vgl. ROSSI,H.,Die Kirche als personale Gemeinschaft. Der kommunitäre Charakter der Kirche nach den Dokumenten und Akten des Zweiten Vatikanischen Konzils (GFTP 25), Köln 1976, 156.

239 Zu LG 8,2 („subsistit“) und der Frage nach dem Verwirklichungsgrad der Kirche Christi in sichtbarer Gestalt auf Erden vgl. ausführlicher Anm. 202 in dieser Arbeit.

240 Ausgangs- und Zielpunkt dieser Vorstellung ist immer die eine Kirche Jesu Christi. Aus der Sicht der katholischen Kirche ist die Einheit – trotz aller konfessionellen Unterschiede (christlicher) Kirche(n) und kirchlicher Gemeinschaften – nicht vollkommen verloren, sondern zerbrochen, das heißt von der (schon jetzt existierenden aber noch voll zu verwirklichenden) einen Kirche Christi haben sich

ein-Kirche als Communio verwirklicht sich in ihren Gliedern, die den Glauben an Jesus Christus in Gemeinschaft vollziehen. Während die theologische Rede von der communio (non) plena die Communio äußerlich ab- und begrenzt,241 kann Communio auch als inhärentes, der Kirche innewohnendes Strukturprinzip verstanden werden.242 Theologisch-rechtlich zeigt sich die Communio-Struktur der katholischen Kirche in dreierlei Hinsicht: sie ist communio fidelium (Gemeinschaft der Gläubigen), communio hierarchica (hierarchische Gemeinschaft) und communio Ecclesiarum (Gemeinschaft der Teilkirchen).243

Die Perspektive der communio fidelium betont besonders den personalen Aspekt der Gemeinschaft der Gläubigen. Durch die Taufe sind alle Christen und Christinnen zum Heil berufen und zur Wahrnehmung des göttlichen Sendungsauftrags (auf)gerufen. Alle Christ-Gläubigen (christifideles) tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass Kirche Heilssakrament Gottes ist und sein kann. Das heißt zum einen, dass die Taufe in Chris-tus die fundamentale Gemeinsamkeit aller Gläubigen ist; sie schenkt Einheit in ChrisChris-tus und Gleichheit aller Glieder des Volkes – vor jeder Unterscheidung in Laien und Kleri-ker.244 Kirche als communio (christi)fidelium ist grundsätzlich keine Gesellschaft von Ungleichen (societas inaequalis) mehr, sondern eine Gemeinschaft von Gläubigen mit gleicher Taufwürde. Das heißt außerdem, dass alle in Christus Getauften gemeinsam

Die Perspektive der communio fidelium betont besonders den personalen Aspekt der Gemeinschaft der Gläubigen. Durch die Taufe sind alle Christen und Christinnen zum Heil berufen und zur Wahrnehmung des göttlichen Sendungsauftrags (auf)gerufen. Alle Christ-Gläubigen (christifideles) tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass Kirche Heilssakrament Gottes ist und sein kann. Das heißt zum einen, dass die Taufe in Chris-tus die fundamentale Gemeinsamkeit aller Gläubigen ist; sie schenkt Einheit in ChrisChris-tus und Gleichheit aller Glieder des Volkes – vor jeder Unterscheidung in Laien und Kleri-ker.244 Kirche als communio (christi)fidelium ist grundsätzlich keine Gesellschaft von Ungleichen (societas inaequalis) mehr, sondern eine Gemeinschaft von Gläubigen mit gleicher Taufwürde. Das heißt außerdem, dass alle in Christus Getauften gemeinsam