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Communio und Volk Gottes

2.1.6.3 Gemeinsames Priestertum

Mit der Beschreibung der Kirche im Bild des Volkes Gottes verbindet das Zweite Vati-kanische Konzil die gemeinsame Verantwortung aller Gläubigen für das Evangelium und den Aufbau des Reiches Gottes. Als wichtiger Eckpfeiler dieser revitalisierten The-ologie des Volkes Gottes wird in LG 10 die Lehre vom „gemeinsamen Priestertum der Gläubigen“ und vom „Priestertum des Dienstes“ aufgebaut. Der Blick in die Textge-schichte dieses Artikels zeigt, dass sein Inhalt und seine Positionierung im Kapitel

„Über das Volk Gottes“ einem Anliegen der Mehrheit der Konzilsväter folgt, das in der Diskussion über das zweite Schema „De Ecclesia“ 1963 geäußert wurde. Nicht nur das Kapitel über das „Volk Gottes“ sollte vorangestellt werden, sondern vor allem diejeni-gen Aussadiejeni-gen, die alle Glieder des Volkes Gottes gemeinsam betreffen.643 In logischer Konsequenz des neuen konziliaren Verständnisses der Kirche als (Heils-)Sakrament sind alle Getauften von Christus zu Priestern berufen und erwählt:

„Christus der Herr, als Hoherpriester aus den Menschen genommen (vgl. Hebr 5,1-5) hat das neue Volk ,zum Königreich und zu Priestern für Gott und seinen Vater gemacht‘ (vgl.

Offb 1,6; 5,9f). Die Getauften werden nämlich durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist zu einem geistigen Haus und einem heiligen Priestertum geweiht, damit sie durch alle Werke eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Macht-taten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat (vgl. 1 Petr 2,4-10). […] Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das amtliche bzw. hierarchische Priestertum sind, auch wenn sie sich dem Wesen und nicht bloß dem Grad nach unterscheiden, dennoch einander zugeordnet; das eine wie das andere nämlich nimmt auf seine besondere Weise am einen Priestertum Christi teil. Der Amtspriester näm-lich bildet aufgrund der heiligen Vollmacht, derer er sich erfreut, das priesternäm-liche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen aber wirken kraft ihres königlichen

642 Das kirchliche Lehramt hat sich für Communio als Leitbegriff ausgesprochen (vgl. Schlussdokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985, 13f). In den gegenwärtigen Lehrbüchern zur Ekklesio-logie wird der Stellenwert unterschiedlich wiedergegeben: So sprechen z.B. J. NEUNER und K.

WERBICK zuerst von Kirche als Volk Gottes und ordnen dem den Begriff der Communio nach (vgl.

NEUNER,Ekklesiologie, 518-527; WERBICK,Grundfragen, 13-30). M.KEHL und R.MIGGELBRINK

hingegen favorisieren die Rede von Kirche als Communio bzw. Kommunikationsgemeinschaft und ordnen dem die Beschreibung als Volk Gottes nach (KEHL,Kirche, [generell u. bes. S.] 294-305;

MIGGELBRINK,Einführung, 24-28 u. 35-43; ähnlich auch HILBERATH,Kirche als communio, 59).

643 Vgl. AS III/1, 208; PHILIPS,Geschichte der dogmatischen Konstitution, 142.

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Priestertums an der Darbringung der Eucharistie mit und üben es aus im Empfang der Sak-ramente, im Gebet und in der Danksagung, durch das Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.“ (LG 10)

Die gemeinsame Qualifikation aller Getauften wird hier mit „Priestertum“

(sacerdotium) beschrieben, das sich von Christus, dem Hohenpriester, herleitet und auf ihn ausgerichtet ist. In jedem einzelnen Glied des Volkes Gottes will Christus seine Heilssendung weiterführen; von daher erhält jeder, der durch das Sakrament der Taufe in die Kirche eingegliedert wird, den Auftrag zu diesem Priestertum.644 Kirche als Volk Gottes ist also nicht einfach nur eine metaphorische Aussage, sondern ruft die Getauften als Glieder dieses Volkes in die Pflicht; die Umkehrung der Verhältnisse – von der feudalistisch-pyramidalen Kirchenstruktur zum Volk Gottes – bedeutet mehr Verant-wortung für alle Getauften, nicht allein für – den Papst und (alle weiteren) – Kleriker.

Diese Aussage über die fundamentale Gemeinsamkeit der Gläubigen wird durch die Terminologie des Konzilstextes unterstrichen. In Anlehnung an die zitierten neutesta-mentlichen Quellen verwendet LG 10 die Bezeichnung „sacerdotium“ vorwiegend als

„soteriologische Kategorie zur Beschreibung des [gemeinsamen] Heilsstandes der Christusgläubigen“.645 Damit wird eine Engführung allein auf einen speziellen kirchli-chen Amtsträger vermieden und die Aussage kann – im Sinn der Konzilsväter – tatsäch-lich für alle Glieder des Volkes Gottes Geltung beanspruchen.646

Sind die ersten Sätze von LG 10 ganz davon bestimmt, die fundamentale Gleichheit der in Christus Getauften herauszustellen, so mutet der nächste Satz aufgrund der darin getroffenen Unterscheidung wie ein Fremdkörper im Kapitel über das Volk Gottes an – scheint er doch auf den ersten Blick mit der ursprünglichen Intention, zuerst von der Einheit der ganzen Kirche und ihrer Sendung vor allen hierarchischen Unterschieden zu sprechen, zu brechen:

„[…] Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das amtliche bzw. hierarchische Priestertum sind, auch wenn sie sich dem Wesen und nicht bloß dem Grad nach unterschei-den, dennoch einander zugeordnet; das eine wie das andere nämlich nimmt auf seine be-sondere Weise am einen Priestertum Christi teil. […]“ (LG 10)

644 Vgl. DE SMEDT,E.J.,Das Priestertum der Gläubigen, in: BARAÚNA,G.(Hrsg.),De Ecclesia I. Beiträ-ge zur Konstitution „Über die Kirche“ des Zweiten Vatikanischen Konzils, Freiburg i. Br. 1966, 380-392, 381.

645 PESCH,Zweites Vatikanisches Konzil, 180. Das Neue Testament kennt „Priester“ nicht im Sinne einer Funktionsbezeichnung, sondern spricht vielmehr im Sinn einer „Priestermetapher“ (i`era,teuma) von der Würde und Erwählung der Christen (1 Petr 2,5.9; ähnlich Offb) bzw. von der Heilsbedeu-tung von Tod und Auferstehung Christi (Hebr). Vgl. MÜLLER,J.,In der Kirche Priester sein. Das Priesterbild in der deutschsprachigen katholischen Dogmatik des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2001, 157-160.

646 Die Konzilstexte verwenden „sacerdotium“ („Priesteramt“) – in deutscher Übersetzung i.d.R. wie-dergegeben mit „Priestertum“ –, so dass es tatsächlich für alle Glieder der Kirche Geltung beanspru-chen kann. In den Konzilsaussagen zu Dienst und Leben der Priester wird der Begriff „sacerdos“

vermieden und stattdessen „presbyter“ verwendet.

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Zunächst lässt sich hier tatsächlich eine Unterscheidung zwischen dem „gemeinsamen Priestertum der Gläubigen“ (sacerdotium commune fidelium)647 und dem „amtlichen bzw. hierarchischen Priestertum“ (sacerdotium ministeriale seu hierarchicum)648 aus-machen: Sie tritt zu Tage in der Formel „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“

(essentia et non gradu tantum).649 Im Anschluss daran spricht der Konzilstext jedoch von einer Zuordnung der beiden Arten des Priestertums. Die Frage nach der Gemein-samkeit und Verschiedenheit von „gemeinsamem Priestertum der Gläubigen“ und

„Priestertum des Dienstes“ zählt zu einer der am meisten diskutierten Fragen der nachkonziliaren Rezeption und Diskussion, dementsprechend bringt die Kurzformel aus LG 10 einiges an Erklärungsbedarf mit sich:650

647 Der Entwurf des zweiten Kirchenschemas „De Ecclesia“ von 1963 verwendete den Ausdruck „all-gemeines Priestertum“ (sacerdotium universale). An dieser Bezeichnung wurde im Lauf der Diskus-sionen aber kritisiert, dass „universal“ dahingehend gedeutet werden kann, dass es „alles“ (universa) umfasst. Diese Kritik wurde von der Theologischen Kommission bei der Überarbeitung des Kirchen-schemas beachtet und sie legte schließlich die Bezeichnung „gemeinsames Priestertum“ (sacer-dotium commune) vor, die von den Konzilsvätern 1964 angenommen wurde. Vgl. GRILLMEIER, Kommentar zum II. Kapitel, 181.

648 Die ältere deutsche Übersetzung der Konzilstexte (LThK.E) formulierte an dieser Stelle in Form einer Wiederholung „das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum“ für das lateinische „sacerdotium ministeriale seu hierarchicum“.

Im Vergleich zur neuen deutschen Übersetzung wird die ältere Version hier dem Text und seiner Intention mehr gerecht, wenn es vom „Priestertum des Dienstes“ (sacerdotium ministeriale) spricht, das nämlich „im Dienst“ des gemeinsamen Priestertums steht – wörtlich übersetzt müsste man for-mulieren „dienstliches Priestertum“. B.J.HILBERATH plädiert hier für die Übersetzung „ordiniertes Priestertum“ im Unterschied zum gemeinsamen Priestertum (vgl. DERS.,Zwischen Vision und Wirk-lichkeit, 76). Der neue Übersetzungsvorschlag „Amtspriestertum“ von P.HÜNERMANN u.a. (HThK Vat.II) wird dem lateinischen Originaltext dagegen weniger gerecht bzw. übersetzt ihn falsch, sodass der Aspekt der dienenden Funktion des besonderen Priestertums zugunsten seiner Institutionalisie-rung verloren geht. Allein im erläuternden Kommentar zu LG 10 verwendet P. HÜNERMANN einmal die Formel „ministerielles Priestertum“ und spricht ansonsten vom „Priestertum des Amtes“, ohne dies näher zu begründen, hinzu kommt, dass er durchgehend von den „Amtsträgern“ spricht. Vgl.

DERS.,Theologischer Kommentar, 375.

649 Der direkte Ursprung dieser Formel und ihre Bezugnahme auf das Priestertum geht auf Papst Pius XII. zurück, der sie in dieser Form in der Ansprache „Magnificate Dominum“ (1954) sowie in der Enzyklika „Mediator Dei“ (1947) verwendet hatte. Allerdings wird in beiden Fällen die Abgren-zung aus einer anderen Perspektive als im Konzilsdokument vorgenommen. Der Fokus liegt dort nämlich auf der spezifischen Vollmacht bzw. Gewalt des (Amts-)Priesters für das Opfer, das die Gläubigen als Gemeinde in der Eucharistie darbringen. Das bedeutet also, dass die Formel „essentia et non gradu tantum“ ursprünglich in einem ganz anderen Kontext steht als im endgültigen Konzils-text von LG 10. Im Laufe der Konzilsarbeit an den Schemata war durch die Umstellung des Ab-schnitts die Betonung auf das „gemeinsame Priestertum aller Gläubigen“ hinzu gekommen. Die ur-sprüngliche Formel wurde damit aus dem relativ kleinen Rahmen der eucharistischen Konsekrati-onsgewalt in das noch relative große, weil neue Themen- und Bezugsfeld der Volk-Gottes-Theologie gestellt. Vgl. HILBERATH,B.J.,Das Verhältnis von gemeinsamem und amtlichem Priestertum in der Perspektive von LG 10, in: TThZ 94 (1985) 311-326, 313-322.

650 Der Kommentar von A.GRILLMEIER zu LG 10 veranschaulicht das Ringen der Konzilsväter um die Terminologie in den Konzilstexten: „Um falschen Deutungen vorzugreifen, musste der Unterschied zwischen dem gemeinsamen und dem besonderen, hierarchischen Priestertum eigens hervorgehoben werden. Verschiedene Vorschläge zur Bestimmung des Unterschiedes wurden gemacht. Wie sollte die Stufung deutlich gemacht werden? Man versuchte es auf dem Wege einer gewissen Abwertung des gemeinsamen Priestertums: es sei ein ,uneigentliches‘ oder ,anfängliches‘ (incohativum) oder ein ,gewisses‘ Priestertum, das also von sich aus diesen Namen nicht verdiene. Diese Lösung wurde nicht angenommen. Andere, die den ,eigentlichen‘ Charakter dieses Priestertums anerkannten, woll-ten den Unterschied mit dem Begriff der ,Analogie‘ deutlich machen. Dies ist eigentlich eine Selbst-verständlichkeit. Es kam aber gerade darauf an, in der Ähnlichkeit von gemeinsamem und besonde-rem Priestertum die Unähnlichkeit zu bestimmen. Verschiedene Väter versuchten dies auf dem Wege

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- Beide Arten des Priestertums leiten sich nach LG 10 von dem „einen Priestertum Christi“ (unum sacerdotium Christi)651 ab.

- Beide Arten sind als eigentliches, wahres, gültiges, Priestertum zu verstehen, und zwar genauer als je verschiedene Partizipationsformen am einen Priestertum Christi.652 Das meint einmal, dass das Priestertum der Glaubenden nicht bloß ein

„anfanghaftes“ ist – was letztlich ja einen graduellen Unterschied zum Priester-tum bedeuten würde; vielmehr ist es vollendetes, „gemeinsames“ PriesterPriester-tum und von nicht geringerem (Stellen-)Wert als sein korrespondierendes Pendant.

Zum zweiten ist damit gemeint, dass auch das gemeinsame Priestertum direkten Anteil am Priestertum Jesu Christi hat und seinen Anteil nicht erst in Vermitt-lung durch das ordinierte bzw. hierarchische Priestertum erhält.

- Beide Arten des Priestertums „unterscheiden sich voneinander“ (differant), und zwar „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ (essentia et non gradu tantum). Diese Formel lässt sich nicht absolut, sondern nur relativ, das heißt un-ter Berücksichtigung der Aussage über die grundlegende Gemeinsamkeit erklä-ren: die Teilnahme am „einen Priestertum Christi“ kennt keine Grade, das heißt Stufen oder Abstufungen – sonst wäre das hierarchische Priestertum eine Steige-rung des gemeinsamen.653 Der Unterschied ist ein „wesentlicher“, was aber nicht bedeutet, dass der hierarchische Priester ein „höheres Wesen“ ist oder hat, vielmehr ist gemeint, dass der Inhaber des hierarchischen Priestertums eine we-sentlich andere Berufung hat als die, die ihm als Getaufter und Gefirmter im Rahmen des gemeinsamen Priestertums des Volkes Gottes zukommt. Er erhält kein anderes Wesen, das ihn zur Ausübung bestimmter Funktionen befähigen würden, sondern er wird berufen und gesendet zum Dienst am Volk Gottes, und

einer besonderen Bezeichnung. So sollte das gemeinsame Priestertum des Volkes Gottes und seiner Glieder als ein ,geistliches Priestertum‘ (sacerdotium spirituale) vom Amtspriestertum abgehoben werden. Doch ist diese Eigenschaft, geistlich zu sein, beiden gemeinsam. Der Entwurf von 1963 sprach von dem ,allgemeinen Priestertum‘ (sacerdotium commune). Es kommt allen Getauften zu und ist damit auch im geweihten Amtspriester nicht ausgelöscht. Eben darum kann man auch richtig von einem allen Gliedern des Gottesvolkes ,gemeinsamen‘ und so auch ,allgemeinen‘ (universale) Priestertum sprechen. Eine andere Möglichkeit war, eine genauere Bezeichnung für das Amtspries-tertum zu finden und dadurch den Unterschied gegenüber dem geweihten PriesAmtspries-tertum zu erfassen. So sollte dem Weihepriestertum die Besonderheit zugeschrieben werden, ,sakramentales‘ Priestertum zu sein, oder auch ,stellvertretendes‘ Priestertum (sacerdotium repraesentans). Denn dem geweihten Priester komme es zu, die Gläubigen vor Gott zu vertreten. Aber auch das Priestertum der Gläubigen hat einen sakramentalen Grund und ,Stellvertretung‘ ist nicht das einzige unterscheidende Merkmal zwischen gemeinsamem und besonderem Priestertum. Die Konstitution beansprucht nicht, die letzte gültige Bezeichnung gefunden zu haben. Ihr Anliegen ist es aber, auch für das Priestertum der Gläu-bigen eine positive Aussage zu finden und dennoch das Weihepriestertum davon abzuheben.“

GRILLMEIER,Kommentar zum II. Kapitel, 181f.

651 Die neue deutsche Übersetzung des lateinischen Konzilstextes von P.HÜNERMANN u.a. übersetzt hier genauer als die Übersetzung (LThK.E) von 1966: In der älteren Übersetzung wurde das „unum“

(bzw. „uno“) im Deutschen einfach weggelassen („nimmt am Priestertum Christi teil“), die neuere Übersetzung übersetzt nun richtiger „nimmt am einen Priestertum Christi teil“.

652 Vgl. GRILLMEIER,Kommentar zum II. Kapitel, 182; DE SMEDT,Priestertum der Gläubigen, 382f.

653 Die lange Zeit unbedacht gebrauchte Rede und Übersetzung vom „allgemeinen“ und „besonderen“

Priestertum suggeriert genau diesen Sachverhalt.

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dieser Dienst ist etwas wesentlich anderes als die Ausübung des gemeinsamen Priestertums.654

- Zur Erklärung, was der Unterschied „dem Wesen nach“ bedeutet, führt der Kon-zilstext weiter aus: „Der Amtspriester nämlich bildet aufgrund der heiligen Vollmacht, derer er sich erfreut, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar“ (LG 10). Demnach hat das „amtliche bzw. hierar-chische Priestertum“ die besondere Aufgabe, dem „gemeinsamen Priestertum al-ler Gläubigen“ Christus zu vergegenwärtigen. Es steht damit „im Dienst“ des gemeinsamen Priestertums und ihm gerade nicht gegenüber,655 was besonders durch die Beschreibung als „sacerdotium ministeriale“ ausgedrückt wird.656 - In der Kirche, als Fülle Christi gewertet, stellt folglich keine dieser beiden

Teil-habearten allein die volle Repräsentation des einen Priestertums Christi dar; das eine Priestertum bedarf des anderen im Hinblick auf das eine Priestertum Chris-ti. Das begründet gerade kein Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden, son-dern Kooperation und Koordination, schließlich sind sie einander zugeordnet (ad invicem ordinantur). „Beide Gestalten sind in ihrer Differenz wesentlich und somit unverzichtbar für die Kirche auf ihrem Pilgerweg in die Vollendung und zwar als Gestalten der Vermittlung. Das gemeinsame Ziel und die Substanz ihrer je unterschiedlichen Vermittlung liegt darin, das Volk Gottes, die Christifideles, im Glauben an Christus und in der Teilnahme an Christi erlösender Sendung in die Welt zu fördern, das Reich Gottes zu bezeugen und zu verwirklichen.“657 Trotz dieser Klärungsversuche zur Verhältnisbestimmung von „gemeinsamem Priester-tum“ und „hierarchischem PriesterPriester-tum“ bleibt an dieser Textstelle von LG 10 das unbe-friedigende Ergebnis einer Uneindeutigkeit. Was ist das entscheidend Unterscheidende zwischen gemeinsamem Priestertum der Gläubigen und dem hierarchischen Priestertum des Dienstes? Die folgenden Sätze in LG 10 versuchen sich an einer Konkretisierung der vorherigen abstrakten Formulierung und beschreiben hierzu zunächst die Spezifika des „besonderen Priestertums“.658 Aufgrund seiner Weihe erhält der „Amtspriester“ die

„heilige Vollmacht“ (sacra potestas) zur Heranbildung und Leitung des „priesterlichen Volkes“ und zum Vollzug und zur Darbringung der Eucharistie, er handelt „in persona Christi“. Die „Gläubigen“ (christifideles) üben das gemeinsame Priestertum aus „kraft

654 Vgl. HILBERATH,Zwischen Vision und Wirklichkeit, 76.

655 Der Hinweis HÜNERMANNS, dass „Laie“ und nicht „Christifidelis“ der „Gegenbegriff“ zum „pries-terlichen Ministerium“ ist, ist leicht missverständlich formuliert. Der Intention nach ist die Aussage sinnvoll und notwendig, allerdings wäre die Wortwahl „korrespondierender“ Begriff, Vergleichspa-rameter o.Ä. passender.

656 Vgl. GRILLMEIER,Kommentar zum II. Kapitel, 182f.

657 HÜNERMANN,Theologischer Kommentar, 379.

658 Die Reihenfolge der vorherigen Beschreibung wird damit umgekehrt. Vor dem „gemeinsamen Pries-tertum“ wird nun das „hierarchische PriesPries-tertum“ beschrieben. In dieser Reihung liegt ein möglicher Ansatzpunkt zur missverständlichen Rede vom „besonderen Priestertum“.

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ihres königlichen Priestertums“: in Form der Mitwirkung an der Darbringung der Eu-charistie, im Empfang der Sakramente, in Gebet, Danksagung und heiligmäßigem Le-ben. Zu Recht hat P.HÜNERMANN auf die Unschärfe dieser Textstelle aufmerksam ge-macht, wonach die Beschreibung der (passiven) Mitwirkung des gemeinsamen Priester-tums mehr auf „Laien“ zutrifft als auf alle Gläubigen.659 Die nachgeschobenen Erläute-rungen zum gemeinsamen und hierarchischen Priestertum in LG 10 tragen also nicht zum besseren Verständnis des Sachverhalts bei. In Korrespondenz zum hierarchischen Priestertum wäre es vielmehr notwendig gewesen, nicht auf die Befähigung aller Gläu-bigen zum gemeinsamen Priestertum „kraft königlichem Priestertum (Christi)“, sondern kraft der fundamentalen Gleichheit und Würde aller Gläubigen durch die Taufe in Christus zu rekurrieren.660

Aus der Perspektive von Kirche als Heilssakrament ist die theologische Idee des ge-meinsamen Priestertums aller Gläubigen im Volk Gottes logische und notwendige Kon-sequenz: durch die Taufe in Christus ist jeder Gläubige berufen zur Mitwirkung am Sendungsauftrag der Kirche, das heißt: zu priesterlichem Wirken im Dienst des Sakra-ments Kirche.