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Das MDC1-Gen wurde zunächst als anonymes Gen KIAA-0170 bei Sequenzierungen der cDNA von humanen myeloischen Zell-Linien entdeckt (Shang et al. 2003; Nagase et al.

1996). Es ist lokalisiert auf dem kurzen Arm von Chromosom 6 (6pter-p21.31, www.ensembl.org oder www.gene.ucl.ac.uk). Das Protein hat eine relative Molekulare Masse von 250 kDa (Mr 250K; p250) und besteht aus 2089 Aminosäuren mit einer Mr von etwa 226,5 KDa (Goldberg et al. 2003; Shang et al 2003). Das Protein weist N-terminal ein FHA-Motiv und C-terminal zwei BRCT-Domänen auf (Goldberg et al. 2003; Shang et al. 2003;

Hofmann et al. 1995). Aufgrunddessen wurde KIAA-0170 auch der Name NFBD1 (nuclear factor with BRCT domains = nukleärer Faktor mit BRCT-Domänen) zugeschrieben (Goldberg et al. 2003; Shang et al. 2003; Ozaki et al. 2000). BRCT-Domänen sind häufig bei Proteinen zu finden, die entweder in die Zellzykluskontrolle oder die Antwort auf Schäden involviert sind (Goldberg et al. 2003), beispielsweise BRCA1, NBS1 oder DNA-Ligase IV.

Angelehnt an die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekannten Funktionen und Aufgaben des Proteins hat sich der Name MDC1 (mediator of DNA damage checkpoint protein 1) für das Protein durchgesetzt (Goldberg et al. 2003).

Ungewöhnlicherweise weist MDC1 einen Bereich von 13 internen Wiederholungssequenz-Abschnitten auf, wobei jeder dieser "Repeats" aus 41 Aminosäuren besteht und außerordentlich reich an Serin, Threonin und Prolin ist. Potenzielle ATM/ATR- und CDK-Phosphorylierungsstellen sind über das Protein verteilt (Abbildung 1-14).

Abbildung 1-14: Proteinstruktur des Proteins MDC1 (Stewart et al. 2003)

Abbildung a zeigt die funktionellen Gruppen des MDC1; Abbildung b verdeutlicht den hoch repetitiven Bereich in Exon 9 des MDC1, jeweils mit Position der Aminosäuren der 13 dargestellten Repeats.

Beginnende Aminosäure des nächsten Repeats

E i n l e i t u n g 23 In Immunoblotanalysen werden mittels Anti-MDC1-Antikörper drei Banden von Mr > 210 KDa und maximal 250 KDa detektiert, die wahrscheinlich alternativ-gespleißte Formen des Proteins MDC1 repräsentieren (Stewart et al. 2003). In der Tat hat die Erforschung der humanen exprimierten Sequenz die Existenz von alternativen Spleißprodukten des MDC1-Proteins belegt (Goldberg et al. 2003). Ferner konnte gezeigt werden, dass IR-exponierte Zellen zu einer reduzierten Mobilität aller drei Formen des MDC1 in SDS-Polyacrylamidgelen führt. Dieser "Shift" ist durch Phosphatasebehandlung eliminierbar, dieses belegt die durch IR-induzierte Hyperphosphorylierung des MDC1-Poteins. Dieser Vorgang ist ATM-abhängig (Goldberg et al. 2003).

Proteine, die an der Reparatur von Schäden beteiligt sind, formieren sich nach DNA-Schädigung zu kernständigen Foci, so beispielsweise auch NBS1, Rad50, Mre11, BRCA1 und 53BP1 (Shang et al. 2003; Schultz et al. 2000; Rappold et al. 2001; Zhong et al. 1999;

siehe Kapitel 1.4.3.; siehe Abbildung 1-15).

Neuere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass MDC1 ebenfalls Foci nach Behandlung mit IR bildet. Daraufhin wurden andere Agenzien hinsichtlich der Focusbildung von MDC1 getestet. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass sowohl Camptothecin, ein DNA-Topoisomerase I-Inhibitor, als auch Etoposid, ein DNA-Topoisomerase II-Inhibitor, die beide Einzel- und Doppelstrangbrüche der DNA bewirken, zur Bildung von MDC1-Foci führen.

Diese Resultate konnten ferner bei Zellen beobachtet werden, die mit dem alkylierenden Agens Methylmethansulfonat oder dem kreuzvernetzenden Agens Mitomycin C behandelt wurden (beide verursachen synthetische Strangbrüche). Zellen, die UV-Licht ausgesetzt wurden, welches Thymidindimere, nicht aber Doppelstrangbrüche bewirkt, zeigten hingegen nur wenige MDC1-Foci. Diese Ergebnisse unterstreichen die schadenspezifische Rekrutierung des Proteins MDC1 zu Reparaturfoci während der zellulären Antwort auf DNA-Schäden (Shang et al. 2003).

MDC1-Foci formieren sich bereits sehr früh (< 5 Minuten) nach γ-Bestrahlung. Die Zahl der MDC1-positiven Foci pro Zelle nimmt mit der Zeit zu und erreicht ihren Spitzenwert 30 Minuten nach der Bestrahlung; innerhalb von vier Stunden nimmt sie wieder bis auf Hintergrundwerte ab. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Zellen, ungeachtet der Zellzyklusphase, mit IR-induzierter Bildung von MDC1-Foci antworten. Offenbar wird MDC1 zu Strangbrüchen transloziert und nimmt an der frühen Antwort auf DNA-Schäden teil (Shang et al. 2003). Goldberg et al. kamen zu hiervon leicht differierenden Ergebnissen. Bei ihnen bildeten sich die MDC1-Foci erst 15 Minuten nach IR, waren nach 12 Stunden noch immer präsent und erst allmählich nach 24 Stunden verschwunden (2003).

Die oben beschriebene Kinetik der MDC1-positiven Focusbildung entspricht auch der des γ -H2AX (Shang et al. 2003; Rogakou et al. 1998; Paull et al. 2000). Es konnte außerdem gezeigt werden, dass Chk2T68P und MDC1 für die Zeit von 15 Minuten bis 4 Stunden nach IR in den IR-induzierten Foci kolokalisiert sind.

Zusammengenommen ergeben diese Resultate, dass MDC1, ebenso wie γ-H2AX und Chk2T68P, an DNA-Doppelstrangbruch-Stellen in der frühen Phase nach dem DNA-Schaden rekrutiert werden (Shang et al. 2003). Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass MDC1 sowohl für die Rekrutierung des γ-H2AX, als auch des Chk2T68P zu DNA-Strangbruchstellen wichtig ist (Shang et al. 2003). Bemerkenswert ist jedoch, dass Chk2 hierbei sowohl phosphorylierungsabhängige, als auch -unabhängige Interaktionen bewirkt (Goldberg et al. 2003).

E i n l e i t u n g 24 Wie bereits beschrieben, besitzt MDC1 mindestens drei verschiedene Domänen. Jedes dieser Motive könnte für die Übernahme der Funktion des Proteins bei der Antwort auf DNA-Schäden essenziell sein. Der Verlust des C-terminalen BRCT-Motivs, nicht jedoch des N-terminalen FHA-Motivs oder der 13 internen Repeats, vermindert die Translokation des MDC1 zu den IR-induzierten Foci, sodass das BRCT-Motiv offenbar essenziell für die Lokalisation des Proteins ist (Shang et al. 2003). Umgekehrt scheinen isolierte BRCT-Motive einen dominant-negativen Effekt auf die MDC1-Lokalisation zu haben (Shang et al. 2003).

Ebenso wie MDC1 bilden auch die Komponenten des MRN-Komplexes IR-induzierte Foci, wobei der Komplex bei DNA-Schäden gemeinsam mit den Proteinen 53BP1 und γ-H2AX an den DNA-Doppelstrangbruch-Stellen zu finden ist wird. Desweiteren wird MDC1 gemeinsam mit Mre11, Rad50 und NBS1 koimmunpräzipiert, dieses legt eine Interaktion von MDC1 und dem Mre11-Komplex nahe. Die MDC1-Foci kolokalisieren sowohl mit γ-H2AX-, als auch mit 53BP1-Foci (Abbildung 1-15), nicht jedoch mit den Foci des im HR-Signalweg (homologous recombination = homologe Rekombination) involvierten Proteins Rad51.

Goldberg et al. (2003) konnten zeigen, dass die FHA-Domäne des MDC1 an den Mre11-Komplex direkt oder indirekt bindet, wahrscheinlich in einer Phosphorylierungs-abhängigen Weise. Hierbei scheint die MDC1-Focusbildung von mehreren Mitgliedern der PIKK-Familie (Phoshatidylinositol-3-OH-Kinase-ähnliche Kinase), zu der beispielsweise auch ATM und ATR (ataxia teleangiectasia and Rad3-related = AT- und Rad3-bezogen), sowie DNA-PK (DNA-dependent protein kinase = DNA-abhängige Proteinkinase) gehören, getriggert werden zu können, wobei die Focusbildung jedoch keine ATM-abhängige MDC1-Hyperphosphorylierung voraussetzt. Darüber hinaus ist MDC1 auch in der Abwesenheit von funktionellen Mre11-Komplex-Komponenten an den DNA-Schäden lokalisiert. Die FHA-Domäne des MDC1 stellt in einem Interaktionsmodell jene Komponente dar, die die fokale Konzentration des Mre11-Komplexes an die Stellen des DNA-Schadens bewirkt. Vermutlich erfolgt die Rekrutierung des Mre11-Komplexes MDC1-abhängig an DNA-Doppelstrangbrüche und dieses gilt als essenzieller Schritt bei der effizienten Induktion und/oder Fortführung des intra-S-Phase-Kontrollpunktes, für die die FHA-Domäne des MDC1 demnach eine Schlüsselrolle einnimmt (Goldberg et al. 2003).

Abbildung 1-15: ATM-Aktivierung und Rekrutierung weiterer Reparaturproteine (Bakkenist et al. 2004)

Die Abbildung zeigt die ATM-Aktivierung und damit verbundene Rekrutierung weiterer Reparaturproteine in schematischer Weise.

E i n l e i t u n g 25 Darüber hinaus konnten Stewart et al. zeigen, dass MDC1 gemeinsam mit H2AX nicht nur an der Rekrutierung von Reparaturproteinen beteiligt ist, sondern auch für die Kontrolle des schadensinduzierten Zellzyklusarrestes eine wichtige Rolle übernimmt. MDC1 bildet Komplexe mit phosphoryliertem H2AX. Diese Interaktion ist phosphorylierungsabhängig, da gezeigt werden konnte, dass Peptide, die die Phosphorylierungsstelle des H2AX besitzen, MDC1 in einer phosphorylierungsabhängigen Weise binden können. Ferner konnten Stewart et al. mittels siRNA (small interfering RNA = kleine inhibitorische RNA) zeigen, dass Zellen, denen MDC1 fehlt, sehr strahlensensibel sind und MDC1 die Bildung von schadensinduzierten 53BP1-, BRCA1- und MRN-Foci kontrolliert, teilweise durch die Förderung einer effizienten H2AX-Phosphorylierung. Außerdem sind Zellen, denen MDC1 fehlt, nicht in der Lage, die Intra-S-Phase- und G2/M-Phase-Zellkontrollpunkte nach IR zu aktivieren. Dieses liegt möglicherweise darin begründet, dass die Zellen Chk1 nicht angemessen regulieren können. Diese Ergebnisse legen eine entscheidende Rolle des MDC1 bei der Transduktion des DNA-Schadensignals nahe (Stewart et al. 2003).

E i n l e i t u n g 26 1.6. Zielsetzung

Im Rahmen der vorliegenden Dissertation zum Thema „Strahlensensibilitätsgenvarianten als potenzielle Ursache des Nijmegen Breakage Syndroms und bei Patienten mit bilateralem Mammakarzinom“ sollten Sequenzänderungen in den zu Beginn meiner Doktorarbeit weitgehend unerforschten Reparaturgenen RINT1 und MDC1 und der bekannteren DNA-Ligase IV bei Patienten mit Nijmegen Breakage Syndrom-ähnlichen Symptomen identifiziert und diagnostische Testverfahren hierfür etabliert werden. Ausgewählte Mutationen sollten anschließend an etablierten Zell-Linien funktionell charakterisiert werden. Desweiteren sollte die Prävalenz häufiger Genvarianten in Kollektiven von Patienten mit bilateralem Mammakarzinom, unilateralem Mammakarzinom sowie einer Stichprobe aus der Durchschnittsbevölkerung (Kollektivgröße jeweils 133 Personen) vergleichend mittels der zuvor etablierten Testverfahren untersucht werden.

Abschließend sollte der klinische Verlauf der Erkrankung bei allen Trägerinnen ausgewählter Genvarianten im Vergleich zu Nichtträgerinnen ausgewertet werden.

Durch die vorliegende Dissertation sollten also neue Reparaturgenvarianten identifiziert und diese in einem potentiellen Zusammenhang zum Nijmegen Breakage Syndrom oder Mammakarzinom charakterisiert werden.

M a t e r i a l 27 2. Material

2.1. Chemikalien