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DNA-Ligasen stellen eine große Familie von evolutionär konservierten Proteinen dar, die Ligationen bei zahlreichen DNA-abhängigen Prozessen durchführen. Hierzu zählen chromosomale DNA-Replikation, sowie DNA-Reparatur und –Rekombination (Martin et al.

2002; Timson et al. 2000). Die Ligasen lassen sich in zwei Subfamilien unterteilen, gestützt auf die Notwendigkeit bestimmter Kofaktoren. Die meisten eubakteriellen Enzyme nutzen NAD+ als Kofaktor. Im Gegensatz dazu fallen die meisten eukaryotischen DNA-Ligasen, gemeinsam mit Enzymen der Archaea und von Bakteriophagen, unter die zweite Subfamilie, deren Enzyme ATP als Kofaktor nutzen (Martin et al. 2002).

Wirbeltierzellen weisen drei mittlerweile gut charakterisierte Ligasen auf, die DNA-Ligasen I, III und IV, die sich wahrscheinlich aus einem archetypischen Nukleotidyltransferase-Enzym entwickelt haben (siehe Abbildung 1-11).

Die DNA-Ligase I ist scheinbar in allen eukaryotischen Organismen vorhanden: Orthologe Enzyme konnten bei zahlreichen Organismen, Hefe und Säugetiere inbegriffen, nachgewiesen werden und spielen eine wichtige Rolle bei der nukleären DNA-Replikation, -Reparatur und – Rekombination. In Hefezellen fungiert eine Form der DNA-Ligase I darüber hinaus bei der mitochondrialen DNA-Replikation und –Reparatur, diese Funktion wird bei höheren eukaryotischen Zellen von der DNA-Ligase III übernommen. Dieses Enzym konnte bisher nur in Wirbeltierzellen nachgewiesen werden, ist neben den Mitochondrien ebenfalls im Zellkern präsent und ist an der DNA-Einzelstrangbruch-Reparatur und scheinbar auch an meiotischen Rekombinationsprozessen beteiligt. Wie bei der DNA-Ligase I ist es ebenso bei der DNA-Ligase IV wahrscheinlich, dass das Enzym bei allen eukaryotischen Organismen konserviert ist, da orthologe Enzyme der DNA-Ligase IV bei Hefen, höheren Pflanzen und Wirbeltieren identifiziert werden konnten. Diese Studien lassen ferner die lebenswichtige Rolle dieses Enzyms bei nukleären DNA-Reparaturmechanismen nahe liegen (Martin et al.

2002).

Die DNA-Ligase IV ist eine ATP-abhängige DNA-Ligase, die ausschließlich kernständig vorkommt. Das Protein besitzt aminoterminal eine Katalytische Domäne und carboxyterminal zwei BRCT-(BRCA1 carboxy-terminal domain = BRCA carboxy-terminale Domäne)-Domänen (Martin et al. 2002; Wei et al. 1995; Wilson et al. 1997). BRCT-Domäne)-Domänen sind sich autonom faltende Proteinmodule von etwa 95 Aminosäuren, die zum ersten Mal in der carboxy-terminalen Region des Tumorsuppressorproteins BRCA1 identifiziert wurden, seitdem jedoch bei zahlreichen Proteinen nachgewiesen konnten, die bei der DNA-Replikation, DNA-Reparatur und Kontrollpunktsteuerung beteiligt sind (Martin et al. 2002;

Bork et al. 1997). Die beiden im DNA-Ligase IV-Protein vorhandenen BRCT-Domänen werden durch eine kürzere Verbindungssequenz, die aus etwa 100 Aminosäuren besteht, unterbrochen. Diese beinhaltet den konservierten Bindungsort der DNA-Ligase IV für den Bindungspartner (BX), das Protein XRCC4 (Martin et al. 2002; Grawunder et al. 1998;

Sibanda et al. 2001).

Die Katalytische Domäne (catalytic domain = CD) beinhaltet sechs konservierte Sequenzmotive (I, III, IIIa, IV, V-VI), die eine Familie von verwandten Nukleotidyl-Transferasen definieren. Hierzu gehören auch eukaryotische GTP-abhängige Ligasen für bekappte mRNA-Enzyme, sowie eubakterielle NAD+-abhängige Ligasen (Martin et al. 2002;

Shuman et al. 1995). Motiv I beinhaltet ein Lysin, welches während des ersten Schrittes der Ligation adenyliert wird.

E i n l e i t u n g 19 Des weiteren weist die DNA-Ligase IV eine nicht-katalytische Domäne (non-catalytic domain

= NCD) auf, die bei verschiedenen Proteinfamilienmitgliedern zu unterschiedlichem Grade konserviert ist. Allerdings ist die Funktion der Domäne gegenwärtig noch nicht geklärt (Martin et al. 2002).

Abbildung 1-11: DNA-Ligase IV und die „Urligase“/archetypische Ligase (Martin et al. 2002)

Die Abbildung stellt die DNA-Ligase IV im Vergleich zur archetypischen Ligase inclusive der entsprechenden funktionellen Gruppen dar.

BX

Mittlerweile konnte die Struktur der DNA-Ligase IV im Komplex mit einem XRCC4-Homodimer genauer charakterisiert werden (Martin et al. 2002; Sibanda et al. 2001). Das XRCC4-Protein besitzt aminoterminal eine globuläre Domäne ("Head"), gefolgt von langen helikalen Domänen ("Tail"). Ein Polypeptid der DNA-Ligase IV, das 36 Aminosäuren zwischen den carboxy-terminalen BRCT-Domänen entspricht, interagiert simultan mit den Schwanzdomänen beider XRCC4-Monomere (Abbildung 1-12), allerdings in asymmetrischer Weise. Das Peptid faltet sich zu einem Scheiben-ähnlichen Motiv, hierin sind eine β -Haarnadelstruktur und daran anschließend eine kurze α-Helix enthalten. Dieses liegt quer über den XRCC4-Carboxytermini (Martin et al. 2002).

Abbildung 1-12: DNA-Ligase IV/XRCC4-Komplex (Martin et al. 2002)

Hier wird die räumliche Interaktion des DNA-Ligase IV/XRCC4-Komplexes schematisch dargestellt.

Forschungsarbeiten mit Säugetier- und Hefezellen haben gezeigt, dass XRCC4 das DNA-Ligase IV-Protein stabilisiert und darüber hinaus die Aktivität der DNA-Ligase stimuliert. Dieses wird dadurch verdeutlicht, dass Zellen, denen das Protein XRCC4 fehlt, ebenso wie Zellen, die XRCC4-defizient sind, niedrige Level an DNA-Ligase IV beinhalten (Lees-Miller et al.

E i n l e i t u n g 20 2003; Grawunder et al. 1997; Frank et al. 1998). Ferner sorgt XRCC4 dafür, dass die DNA-Ligase IV an den entsprechenden Orten der DNA-Doppelstrangbrüche lokalisiert wird.

DNA-Ligase IV ist ein ausschließlich nukleär zu findendes Protein. Es übernimmt wichtige Aufgaben im NHEJ-Reparaturweg (Martin et al. 2002; Timson et al. 2000; Featherstone et al.

1999; zu NHEJ siehe auch Kapitel 1.4.). Interessanterweise zeigen Mäuse, denen Ligase IV fehlt, embryonale Lethalität. Es konnte gezeigt werden, dass der Verlust von DNA-Ligase IV zu massiver neuronaler Apoptose führt, die den Tod während der Embryogenese nach sich zieht (Lees Miller et al. 2003; Barnes et al. 1998; Frank et al. 1998). Diese Resultate lassen vermuten, dass das Enzym auch eine essentielle Funktion in der frühen Entwicklung übernimmt.

1.5.2. RINT1

RINT1 ist ein mit Rad50 interagierendes Protein ("Rad50-interacting protein") und wurde als Bindungspartner von Rad50 identifiziert.

Rad50 wiederum ist ein Bestandteil des Mre11/Rad50/NBS1-Komplexes (siehe 1.4.3.).

Das Protein RINT1 weist 87 kDa auf, und seine cDNA umfasst 2,855 Nukleotide. Sie beinhaltet ein Translations-Initiationskodon, das erste Methionin an Position 111, welches einen offenen Leserahmen von 792 Aminosäuren einleitet. Bisher sind neben einigen Leucin-Heptat-Repeats im Bereich des N-Terminus keine funktionellen Domänen innerhalb des Proteins identifiziert worden.

Interessanterweise kodiert RINT1 für ein menschliches Protein (hsRINT1), welches signifikante Homologien mit dem Genprodukt CG8605 der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, auch als dmRINT1 bezeichnet, besitzt. Gegenwärtig ist die biologische Funktion des dmRINT1 nicht bekannt (Xiao et al. 2001; Adams et al. 2000). Beide Sequenzen besitzen die gleichen Leucin-Heptat-Repeats innerhalb ihrer N-terminalen Region (siehe Abbildung 1-13, Box A). Zwei weitere Regionen, zum einen die in der Abbildung 1-13 als Box B gekennzeichnete, die die Aminosäuren 220-565 des hsRINT1 umfasst, und zum anderen Box D, die sich über die Aminosäuren 659-751 des hsRINT1 erstreckt, weisen 35-39% Homologie mit den entsprechenden Regionen des dmRINT1 auf. Darüberhinaus besitzt das hsRINT1 eine zusätzliche Sequenz, die zwischen den konservierten Regionen gelegen ist und in der Abbildung 1-13 als Box C gekennzeichnet ist (Xiao et al. 2001).

Abbildung 1-13: Sequenzvergleich zwischen hsRINT1 und dmRINT1 (Xiao et al. 2001)

Hier werden die funktionellen Strukturen des hsRINT1 und dmRINT1 verglichen.

Weitere Forschungen haben gezeigt, dass das hsRINT1-Gen auf dem Chromosom 7q22.1, zwischen den Markern D7S2545 und D7S2420, lokalisiert ist. Eine Deletion dieser Region ist häufig mit Akuter Myeloischer Leukämie (AML), dem Myelodysplastischen Syndrom, Brust- und Ovarialadenokarzinomen, sowie weiteren Malignomen verbunden (Xiao et al. 2001, Mitelman 1991).

E i n l e i t u n g 21 Zur Interaktion mit Rad50 nutzt RINT1 dessen zweites Leucin-Heptat-Repeat. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass für das RINT1-Protein die Regionen B, C und D zur Interaktion wichtig sind. Diese bezeichnen insbesondere die Aminosäuren 257-792 (Xiao et al. 2001).

Desweiteren konnten zwei im SDS-Polyacrylamidgel unterschiedlich schnell wandernde Formen des RINT1-Proteins identifiziert werden. Die schnellere Form entspricht wohl der, die durch eine Translations-Initiation am ersten Methioninkodon entsteht. Im Gegensatz dazu wurde zunächst angenommen, dass die langsamere Form das Produkt posttranslationaler Modifikationen darstellt, eine Phosphorylierung konnte in Experimenten mit Alkalischer Phosphatase jedoch nicht bestätigt werden. Aufgrunddessen werden nun andere zelluläre Vorgänge hierfür verantwortlich gemacht. Eine Möglichkeit stellt eine alternative Translations-Initiation dar, die nicht die typische AUG-Startkodonkonstellation nutzt.

Tatsächlich ist eine längere RINT1-cDNA, die bereits vor dem ersten AUG-Kodon beginnt, in vitro transkribiert und translatiert worden. Diese Resultate zeigen, dass die langsamere Form einem Polypeptid entspricht, dessen Translation bereits an einem früheren nicht-AUG-Kodon beginnt. Weitere Analysen der 5´-Sequenz der RINT1-cDNA nach nicht-AUG-Start-Kodons (Xiao et al 2001; Boeck et al. 1994) haben zwei potenzielle CUG-Startregionen identifiziert.

Beide dieser Kodons sind durch Purine an den Positionen -3 und +4 flankiert, welches eines oder sogar beide Kodons als Translations-Initiationsstellen qualifiziert. Insgesamt konnte jedoch festgestellt werden, dass die schnellere Form die dominierende darstellt. Letzlich wird also bei der Immunpräzipitation des RINT1 ein Doublet detektiert, welches in allen bisher untersuchten humanen Zellen exprimiert wird (Xiao et al. 2001).

Nach Ergebnissen von Xiao et al. wird RINT1 während des gesamten Zellzyklus exprimiert, eine Interaktion mit Rad50 findet jedoch lediglich in der späten S-, der G2/ und der M-Phase statt. Beide Banden des Doublets werden mit Rad50 koimmunpräzipitiert, obgleich die größere RINT1-Isoform wahrscheinlich bevorzugt an Rad50 bindet. In jedem Fall lässt die spezifische Interaktion zwischen den beiden Proteinen in bestimmten Phasen des Zellzyklus vermuten, dass RINT1 während dieses Zeitfensters eine Rolle im Zellzykus spielt (Xiao et al.

2001).

Weiterführend konnte gezeigt werden, dass ein verkürztes RINT1-Protein, dessen N-terminale Region inaktiviert bzw. abgetrennt wurde, zu Fehlern der G2M-Kontrolle führt.

Möglicherweise könnte das Protein mit Verlust der N-terminalen Region zu einer Störung der biologischen Funktion des RINT1 bezüglich der Bindung mit Rad50 führen. Untersuchungen haben zunächst gezeigt, dass die Expression des N-terminal-verkürzten RINT1-Proteins, welches die Rad50-bindende Region beinhaltet, zu einer unmittelbaren Verzögerung des strahleninduzierten G2/M-Kontrollpunktes nach DNA-Schädigung führt. Aufgrunddessen scheint es nahe liegend, dass der RINT1/Rad50-Komplex eine wichtige Rolle in der Steuerung und Kontrolle des G2/M-Kontrollpunktes in der Antwort auf DNA-Schäden spielt (Xiao et al. 2001).

Interessanterweise kann BRCA1, ein mit familiärem Brust- und Ovarialkrebs verbundener Tumorsuppressor (siehe 1.4.3.), mit Rad50 assoziiert sein (Zhong et al. 1999, Wang et al.

2000, Xiao et al. 2001). Zusätzlich zu Prozessen wie Trankriptioneller Regulation, Zellwachstum und –differenzierung und DNA-Reparaturvorgängen ist BRCA1 außerdem an der Zellzykluskontrolle beteiligt. Deletionen des Exons 11 von BRCA1 führen zu fehlerhafter G2/M-Kontrolle nach IR und Methylmethansulfonat-Zugabe (Xiao et al. 2001, Xu et al. 1999).

Es ist entweder möglich, dass RINT1 unabhängig von oder gemeinsam mit dem Rad50-BRCA1-Komplex fungiert, um eine angemessene G2/M-Kontrolle zu gewährleisten (Xiao et al. 2001). Dieses ist jedoch gegenwärtig ungeklärt. Doch wird die weitere Erforschung dieses Proteins sicherlich zu einem besseren Verständnis der Vorgänge bei der Zellzykluskontrolle führen.

Weitere Forschungsarbeiten identifizierten RINT1 kürzlich als Tumorsupressor mit

besonderer Rolle in der frühen Mitose, welches die dynamische Integrität des Golgi-Aparates

E i n l e i t u n g 22 und der Centrosomen als Vorbedingung für die Koordination während der Zellteilung sichert (Lin et al. 2007).