Vor kurzem
1kam
mir zu Ohren, daß ein Student der Universität eine wissenschaftliche Studie vorlegte, in der er beweist, daß der Islam ein feudalistischesSystem
ist,und
daß der Besagte dadurch den Magistergrad erlangte! Ichwar
über dieMeinung
der Professoren noch weitausmehr
erstaunt als über die des Studenten, denn dieser
mag
unwissend sein oder schlechte Absichten verfolgen.Wie
ist es jedoch möglich, daß Universitatsprofessorcn, die die Elite der Wissenschaft darstellenund
über ein fundiertes geschichtliches Wissen verfugen sollten, im Verständnisvon
sozio-ökonomischc Verhältnissenund
Systemen auf ein derart niedriges Niveau sinkenkönnen?
Meine Verwunderung
legte sich jedoch sehr bald weder, als ichmich
daranerinnerte, aus welcher Schule diese "hervorragenden" Wissenschaftler kamen. Sic
waren
es, die der bedauernswerten Generation entstammten, die nach der westlichen Fasson erzogen würden, und die speziell dafür nach Europa geschickt wurden,um
"ihrWissen zu erweitern", wiees hieß.Nun, ehrenwerte Wissenschaftler,
was
ist der Feudalismus wirklich,und was
sind seine Eigenschaften?
Ich will hier eine Definition zitieren, die ich
dem Buch "An-Nizham
AMschliraki" ("Das sozialistische System") von Dr. Raschid Al-Barawientnommen
habe: "Der Feudalismus ist die Bezeichnung fiir eineAn
der Produktion, der auf der andauernden Leibeigenschaft (engl : Serfdom)besteht. In diesem System ist der eigentliche Produzent seinem Herrn
verpflichtet,
ihm
bestimmte wirtschaftliche Forderungen zu erfüllen, dieentweder in
Form von
Diensten, oder durch Bezahlung mit Geld oder Naturalien geleistet werden."Um
dies alles noch etwas näher zu erklären,kann man
sagen, daß das feudalistische System sich in zwei Klassenaufteilte: Die erste, die sich aus
den
Großgrundbesitzern zusammensetzte,und
die zweite Klasse derjenigen, die das Land bebauten,und
die je nachihrer Tätigkeit in verschiedene Lohnklasscn aufgeteilt waren. So gab es Bauern. Knechte
und
Landarbeiter. Die Bauern waren die eigentlichen Produzenten. denen das Recht auf ein Fleckchen Erde gegeben war. auf das sich ihr gesamter Lebensunterhalt begründete. Ebenso betrieben sie in ihren Häusern einlache Hnndwcrksarbcil. die mit der Landwirtschaft inZusammenhang
stand. Afs Gegenleistung dafttfmußten
sie vielerlei Dieses Hucherschien in seiner KrsUtusgahebereiteimJahre I95KDienstleistungen vollbringen, wie z.B. den
Grund und Boden
der Herrschaft mit ihren Gerätenund
ihrem Vieh bebauen,außerdem
waren siewährend
der Erntezeit zu zusätzlichen Arbeiten verpflichtet, so wie sie auch bei den verschiedenen Festenund
feierlichen Anlässen der Herrschaft Geschenke darbieten mußten. Zusätzlichwaren sie verpflichtet, dieMühlen
oder Pressen des Gutsbesitzers zu benutzen, wofürjener natürlich Bezahlung verlangteDem
Gutsherrn oblag außerdem die Gerichtsbarkeit, das heißt, er verwaltete das gesamte gesellschaftspolitische Lebenssystem seiner Untertanen"...Außerdem erfreute sich dieser eigentliche Produzent
im
feudalistischenSystem
nicht der "Freiheit"im
heutigen Verständnis des Wortes, dennihm
gehörte eigentlich nicht wirklich der Boden, vondem
er lebte, da er inkeinerWeise
das Recht hatte, darüber zu verfugen, sei es durch Verkauf, Vererbung oder Schenkung. Trotzdem er seinen eigenen Vorteil dabei oft in den Hintergrund stellen mußte, hatte er für den Boden, der seiner Herrschaft gehörte, harte Arbeit zu leisten. Zusätzlich hatte er seinem Herrn auch Steuern zu bezahlen, deren Höhe keine Grenzen kannte.Dadurch
bekannte sich der Leibeigene zu seinerihm
zugeschriebenen Natur,und
er mußte es auf sichnehmen,
samtdem
Grundbesitz weilergegeben zu werden, wie esden Feudalherren gefiel. Er besaß
außerdem
kein Recht dazu, seinen Arbeitsplatz zu verlassen oder unter einem anderen Herrn zu dienen. Der Leibeigenenimmt
also die Mittelstellung zwischendem
Sklaven in alter Zeitund dem
freien Bauern in der neuen Zeit ein."Der
Grundbesitzer bestimmte die Größe der Bodcnflache, die erdem
Bauern überließ,um
sie für seine eigenenZwecke
zu bebauen. Er setzte auch dasMaß
der übrigen Dienstleistungen fesl, die ervom
Pächter verlangte, undjeder der Feudalherren
war
in seinen Entscheidungenund Bestimmungen
völlig frei
und
unabhängig,Im
allgemeinennahm
er auch auf dieForderungen
und
Nöte seiner Leibeigenen keine Rücksicht.Al-Barawi fuhrt weiter aus, daß im 13. Jahrhundert die Bauern
immer
öfter versuchten, aus ihrer bedrückenden Lage zu endlichen,und
es setzte diesogenannte "Bauernflucht" ein. Die Adeligen beantworteten dies, indem sie sich untereinander verbündeten, so daß jeder Bauer, egal auf wessen Grundstück er angetroffen wurde, zu ergreifen
und gefangenzunehmen
war.Was
die Adeligen beunruhigte, war, daß dies eine allgemeine Erscheinung geworden war,und
sieum
ihre eigene Abhängigkeit von diesen Arbeitskräften wußten. IhreBemühungen,
die alten Zustände wiederherzusteilen, scheiterten schließlich,und
so waren sie gezwungen, nach einer anderen Lösung zu suchen.Man
bot den Leibeigenen die Möglichkeit, sich ausdem
Frondienst loskaufen zukönnen
und auf dieseWeise ihre Leibeigenschaftbeenden zu können.
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Vielen der Bauern gelang es sodann, die Not der adeligen Feudalherren auszunutzen
und
sich ihre persönliche Freiheit zu erwerben. Diese Entwicklungen blieben zwar nicht vorherrschend bis ins 14, Jahrhundert, aber das Entscheidende daran ist, daß derZusammenbruch
der feudalistischen Gesellschaft begonnen hatte,und
er sich in den darauffolgenden Jahrhunderten fortsetzte.1Dies sind die wesentlichen kennzeichnenden Punkte des Feudalsystems, die wir
im
Detail beschrieben haben,um
jedes Mißverständnis oder jedeVerwechslung
mit anderen Begriffen und Systemen zu verhindern.Nun
lautet
meine
Frage:Wo
undwann
finden sich diese Elementeim
Islam?Ich
nehme
an,daß
jene "Wissenschaftler" die Feudalwirtschalt mit einerEntwicklung der islamischen Gesellschaft verwechseln, die zu einer Aufteilung zwischen Landguibcsitzern
und
Bauern führte, die dieseLändereien bewirtschafteten. Dies ist jedoch eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise, die nicht durch Fakten begründbar ist.
Um
näher darauf einzugehen kehren wir zu den kennzeichnenden Faktoren der Leibeigenschaft zurück,um
sie Punkt für Punkt mitdem
zu vergleichen, wasin der islamischen Gesellschaft passierte.
1. Die andauernde Leibeigenschaft (engl.: Serfdom)
2. Die Verpflichtungen, die der Bauer gegenüber seinem Herren
übernehmen
mußte,und
die bestanden aus:a) Unbezahlter Zwangsarbeit auf
dem Grund und Boden
des Herrn einenTag
in der
Woche,
b) Frondienst wälircnd der Erntezeiten,
c) er
Abgabe von
Geschenken zu verschiedenen Festtagenund
feierlichenAnlässen (Es ist dabei besonders zu bemerken, daß der
Arme dem
Reichen etwas schenkenmußte
f),d)
dem Mahlen
des Kornes in denMühlen
des Grundherrn (wobei wir das Pressen der Weintrauben hier übergehen wollen, da Alkoholim
Islam verboten ist).3.
Das
Recht des Adeligen, nach seinem eigenenErmessen
dasAusmaß
derGrundfläche zu bestimmen, die der Leibeigene für sich zugesprochen bekam.
Außerdem
setzte er alleine fest, welche Arbeitenund
Steuern zu leistenwaren.
______^_________
vgj,dazu"An-NizhamAl-Isdftiraki" S. 22 bis33
4. Die
Ausübung
der alleinigen Gerichtsbarkeit durch den Adeligen, der jenach seiner Laune und seinem
Gutdünken
über die Leibeigenen verfügen konnte» da es kein allgemeingültiges Gesetz gab.5,
Der Zwang,
daß die Bauern sich ihre Freiheit erkaufen mußten, als diesesSystem ins
Wanken
geriet.Nun.
nach diesen Ausführungen, siehtjedem
derWeg
offen, in der islamischen Geschichte nacheinem
solchen System zu suchen!Was
die fortdauernde Leibeigenschaft anbelangt, so kennt und kannte der Islam außerhalb der Einrichtung der Sklaverei einen solchenGedanken
überhaupt nicht,und was
dieGründe und
Ursachen bzw. die Möglichkeiten der Befreiung waren, das haben wir zurGenüge im
vorangegangenen Kapitel behandelt. Fest steht, daßim
Islam eine Leibeigenschaft in bezug aufGrund und Boden
nichl existiert. Die Sklaven, die durch den Krieggewonnen wurden
und. jedenfallsim
Verhältnis zurGcsamtbevölkemng
f eine Minderheit waren, arbeiteten für ihre Herren im Landbau, falls sie nicht freigelassen wurden oder sich durch dieMukaiaba
ihre Freiheit erwerben wollten. Es gibt aber hier einen Bedcutungsunlerschicd, da mit den Leibeigenen sowohl Bauern als auch sämtliches anderes Arbcitspersonal gemeint war. diedem Grund und Boden
"gehörten", und nicht wie die Sklaven, einem Herren. Sie besaßen weder das Recht, diesen Boden zu verlassen, noch sichvon
den Pflichten, die ihnen auferlegt waren, zubefreien.
Diese Art der Sklaverei bzw. Leibeigenschaft gab es im Islam tatsächlich nicht, da es grundsätzlich nur eine wirkliche Abhängigkeit geben kann, nämlich die gegenüber Gott,
dem
Schöpfer des Lebens. Der Gedanke,von
Einern Geschöpf Allahs besessen zu werden, wird
vom
Islam grundsatzlich abgelehntWenn
es diese Erscheinung in der Sklaverei vorübergehend gegeben hatte, so nur, weil sie eine unumgängliche Notwendigkeit gewesen war, deren Wurzelnman
zu vernichten trachtete, und bei der der Staat selbst allesunternommen
hatte» Hilfestellungund Unicruüuung
in jeder Weise zu gebenAußerdem
begründete der Islam niemals seineÖkonomie
aufdem
System der Abhängigkeit einesMenschen
gegenübereinem
anderen.Wie
wir bereits wiederholt darstellten, gab es für die Sklaverei keinerlei wirtschaftliche Notwendigkeit,und
daher tat der Islamund
der islamische Staat alles dazu, diese Sklaven zu selbständigen Individuen zu erziehen, so daß sie für ihr eigenes Dasein verantwortlich sein konnten.Der
Islam begründet seinSystem auf der Freiheit der Arbeit, auf der Zusammenarbeit
und
auf der gegenseitigen Unterstützung aller.Der
Staat ist jedoch stets präsent,um
helfend einzuspringen, falls
jemand
ans irgendeinemGrund
nicht fähig zur Arbeit ist.Wenn
also der Schutz des Staates stets vorhanden ist und fürjeden offen steht, gibt es keinerlei Anlaß, daß sichjemand einem
anderen oderdem
Grundbesitz
zum
Sklaven macht, da er seine Freiheit und die Erfüllung der Grundanforderungen des Lebens auf andereWeise
besitzt.Was
das Verhältnis von Bauerund
Grundbesitzer anbelangt, so kannte der Islam jene Verpflichtungen des Frondienstesund
andere überhaupt nicht.Die Beziehung, die zwischen