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Interne und externe Schließungen

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Eine besonders wichtige Frage ist im Vergleich westlicher Industriegesellschaften die nach den verschiedenen Beziehungen zwischen interner und externer Schließung. Hierzu drei Beispiele:

(1) Externe und interne politische Schließung: Länder wie Frankreich und Deutsch­

land neigen dazu, Immigration verhindern zu wollen. Nichtsdestoweniger akzeptie­

ren sie aber Einwanderung. In Deutschland führt dies zu einer internen politischen Schließung durch die Verweigerung der Staatsbürgerschaft für Einwanderer und teilweise auch für ihre Kinder. In Frankreich scheint eine politische Ungleichheit dieser Art nicht tolerabel, und zumindest Kinder von Immigranten bekommen leicht die französische Staatsbürgerschaft.

(2) Externe Öffnung und interne soziale Schließung: Betrachtet man traditionelle Einwanderungsländer - wie etwa die USA - so könnte vermutet werden, daß die zunehmende Segregation und Schließung von Nachbarschaften der verhältnismä­

ßigen Offenheit gegenüber der Immigration relativ verschiedener ethnischer Gruppen geschuldet ist.

(3) Externe Schließung und interne ökonomische Ungleichheit: In derselben Denkwei­

se könnte die Schließung von Grenzen als die Folge der Nichtakzeptanz von individueller ökonomischer Ungleichheit gesehen werden. In Deutschland leben viele Sinti und Roma in Verhältnissen, die die Mehrheit der Bevölkerung als inhu­

man ansieht. Dies führt zu einigen wenigen Maßnahmen, diese Verhältnisse zu verbessern, kann aber auch als Grund gelten, daß viele dieser Menschen repatriiert werden und so Grenzen geschlossen werden. In den USA scheint individuelle Armut eher akzeptiert zu sein, und die armseligen Lebensverhältnisse einiger Immigranten sind kein großes politisches Problem. Sogar illegale Immigration wird in einigen Regionen mit dem Argument toleriert, daß die schlimmen ökonomi­

schen Bedingungen, in denen diese Menschen leben, erheblich besser sind als in deren Heimatland.

4. Zusammenfassung

Blickt man auf das nordamerikanische und das kontinental-europäische Migrationssystem, für dessen Zentren beispielhaft die USA und Quebec einerseits und Frankreich und Deutsch­

land andererseits untersucht wurden, so lassen sich die wichtigsten Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg wie folgt zusammenfassen:

(1) Eine konstante bzw. anwachsende Einwanderung wird begleitet von einer zuneh­

m enden Diversifizierung der Immigrationsströme und einer Stabilisierung ethni­

scher Identitätsformationen.

(2) Ökonomische Schließung: Es existiert eine fortdauernde Heterogenität bezüglich ökonomischer Ungleichheit ethnischer Minderheiten (die sowohl Integrations- wie auch Marginalisierungstendenzen haben).

(3) Soziale Schließung: Es besteht eine räumliche Segregation ethnischer Gruppen zusammen mit einer Stabilisierung ethnischer Netzwerkstrukturen.

(4) Politische Schließung: Dies fällt zusammen mit einer zunehmenden externen Schließung und einer Delegitimierung des Konzepts der Staatsbürgerschaft.

Es läßt sich annehmen, daß in allen Industriestaaten Einwanderung ein Weg ist, viele Arten von Ungleichheit zu importieren. Blickt man auf die untersuchten Länder, so gibt es Unter­

schiede in der Akzeptanz von Ungleichheit. Ökonomische Ungleichheit scheint ein gerin­

geres Problem in den USA, solange sie als individuell gesehen werden kann. Die Intoleranz gegenüber Armut führt in Deutschland zu einer Verhinderung von Armutsimmigration, paradoxerweise parallel zu formaler Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Politische Ungleichheit ist teilweise in Deutschland akzeptiert, während sie in Frankreich wohl die geringste Akzeptanz hat. Soziale Ungleichheit wird in den USA erheblich stärker akzeptiert als in Quebec, Frankreich oder Deutschland.

In allen Industrienationen werden verschiedene Kriterien verwendet, um Menschen zu Außenseitern zu erklären, im Bezug auf Ethnizität ist es meist Abstammung, Sprache, “Ras­

se”, Religion oder Sitten. Ethnizität steht manchmal quer zu traditionellen Kategorien sozia­

ler Ungleichheit - wie Klasse oder Schicht - und manchmal fällt sie mit diesen zusammen.

Immer aber ist sie ein Mechanismus, um Menschen auszuschließen und um anderen den Zugriff auf Ressourcen und Lebenschancen, auf Netzwerke, Macht, Prestige oder Wohlstand zu ermöglichen.

Anmerkungen

1 Das hier Berichtete sind erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe Migration (Laura Alipranti, Roxane Silberman, Howard Bahr, Gary Caldwell und Mathias Bös) inner­

halb des Projekts: “Comparative Charting of Social Change”, dessen deutsche Leiter Wolfgang Glatzer und Karl Otto Hondrich sind.

2 Natürlich sind solche Netto-Migrationsraten nur sehr grobe Indikatoren. Eine niedrige Nettomigration kann zwei völlig unterschiedliche Situationen widerspie­

geln: zum einen praktisch keine oder nur geringe Migrationsprozesse oder immen­

se Zu- und Abflüsse von Menschen. Sie zeigt also nur, ob Flußgrößen sich ausglei- chen oder nicht.

3 Wenn ich das Wort ‘Schließung’ verwende, beziehe ich mich auf die Verwendung, wie sie sich schon bei Weber (1922) findet, und meine einfach, daß für eine gege­

bene soziale Beziehung Menschen, die in der Lage und geneigt sind teilzunehmen, dies verwehrt wird.

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Die Integration ausländischer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt

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