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Interkulturelle Trainingsformen und -methoden

Im Dokument Interkulturelle Kommunikation (Seite 92-102)

Interkulturelle Trainings stellen Formen der Vorbereitung auf interkulturelle Situatio-nen und Erfahrungen dar (Brislin/Yoshida 1994), wie sie sich beispielsweise bei der Auslandsentsendung von Führungskräften (Seemann 2000), im Personalwesen mul-tinationaler Unternehmen, bei Verhandlungs- und Verkaufsgesprächen mit auslän-dischen Geschäftspartnern, bei Schüler- und Studierendenaustauschprogrammen oder im Rahmen institutioneller, universitärer oder wirtschaftlicher Kooperationen ergeben. Als Ergebnis einer empirischen Studie zu Führungskräften des internatio-nal agierenden Stahlunternehmens Thyssen AG hat N. Warhum folgende Problem-bereicheherausgearbeitet, die aus der Sicht der Befragten die Notwendigkeit einer besseren interkulturellen Vorbereitung, etwa in Form interkultureller Trainings, auf-zeigt:

»kulturell bedingte Unterschiede im Kommunikationsstil und Sprachprobleme«;

»Unterschiede im Verständnis von Zeit und Technik«;

»Probleme, die sich aus der Dynamik der interkulturellen Situation als solcher er-geben, wie Stereotypisierungen oder das strategische Ausnutzen der interkultu-rellen Situation« (Warthun 1998, 124–126).

G. Stahl unterscheidet ergänzend in seiner Studie zum internationalen Einsatz von Führungskräften folgende»Problemklassen«, die sich aus der – häufig zu wenig vorbereiteten – interkulturellen Erfahrung eines längeren Auslandsaufenthalts erge-ben können (Stahl 1998, 157, 171; hier zit. nach Bolten 2001, 82). Die Probleme stellen sich zudem bei einem weniger als zwei Jahre dauernden Auslandsaufenthalt anders dar als bei einer längeren, sich über 2 bis 6 Jahre erstreckenden Entsendung:

Wie auch in der Studie von A. Seemann zur Auslandsentsendung deutscher Füh-rungskräfte nach Frankreich und in anderen einschlägigen Studien (Kühlmann 2004;

Bolten 2015, 196–209, 213–217) wird hier zum einen die Notwendigkeit deutlich, bei interkulturellen Trainingsmaßnahmen neben dem beruflichen Kontext auch die so-zialen und privaten Kontexte von Interaktion und Integration zu berücksichtigen, die unter den genannten Problembereichen jeweils auch einen wichtigen Stellenwert einnehmen (»Gastlandkontakte«, »Sprache/Kommunikation«, »Ehepartner«). Die Trennung in private und berufliche Integration sei, so Seemann (2000, 269), »auch deshalb sinnvoll, weil nachgewiesen werden konnte, daß die private Integration von Entsandten ungleich schwerer fällt als die berufliche«.

Das Ziel interkultureller Trainings besteht allgemein darin, interkulturelle Handlungskompetenz zu vermitteln, durch die eine möglichst effiziente Vorberei-tung auf interkulturelle Interaktionssituationen sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext gewährleistet werden soll. Bei der Definition der interkulturellen

Problemklasse < 2 Jahre Problemklasse 2–6 Jahre

Sprache/Kommunikation

Abb. 3.4 Probleme entsandter Manager (bei Aufenthalten unter 2 Jahren und bei 2­ bis 6­jährigen Aufenthalten nach G. Stahl; Quelle: Bolten 2001, 82)

Handlungskompetenz hat sich die von Gersten (1990) vorgeschlagene Unterschei-dung von affektiven, kognitiven und verhaltensbezogenen Dimensionen durch-gesetzt. Diese lassen sich wie folgt strukturieren:

Im geschäftlichen Bereich besteht interkulturelle Handlungskompetenz in der »Quali-fizierung der Teilnehmer zum Erkennen und zur konstruktiven und effektiven Bewäl-tigung der spezifischen Managementaufgaben, die sich ihnen gerade unter den für sie fremden Kulturbedingungen und in der Interaktion mit fremdkulturell geprägten Per-sonen stellen« (Thomas/Hagemann/Stumpf 2003, 238 f.). Im Vordergrund wirt-schaftsbezogener Trainingsstehen Trainingsmodule, die auf den Wirtschaftsalltag, die in diesem Kontext relevanten Kommunikations- und Verhaltensstile, landeskundliche Informationen sowie »Business«-Etikette (die sogenannten »Do’s and Dont’s«, häufig allerdings recht stereotypisierten Verhaltensregeln) bezogen sind. Neben dem wirt-schaftlichen Bereich spielen jedoch interkulturelle Trainings im Non-Profit-Bereich (Entwicklungshilfe, Schüler-, Jugend- und Studierendenaustausch), der für ihre Ent-wicklung eine Vorreiterrolle gespielt hatte, weiterhin eine wichtige Rolle.

Die Vielzahl der Trainingsformen basiert im Wesentlichen auf den Parametern

›kulturübergreifend/kulturspezifisch‹ und ›informationsorientiert/erfahrungsorien-tiert‹. Auf dieser Grundlage lassen sichvier Trainingstypen unterscheiden (nach Schugk 2004, 250; Bolten 2000, 72; Bolten 2001, 88–98; Gudykunst/Hammer 1983):

1. Kulturübergreifend-informatorische Trainings 2. Kulturspezifisch-informatorische Trainings

3. Kulturübergreifend-interaktionsorientierte Trainings 4. Kulturspezifisch-interaktionsorientierte Trainings

1. Die kulturübergreifend-informatorischen Trainingsbasieren im Wesentlichen auf Vorträgen, Diskussionen, Foto- und Videomaterial sowie Dokumentationen zum Verlauf interkultureller Kommunikationsprozesse. Sie zielen auf eine generelle Sen-sibilisierung für Probleme, die in interkulturellen Kommunikationssituationen auf-treten können. Diegängigsten Trainingsverfahrensind hierbei:

Culture Assimilator:Dieser Trainingstyp basiert aufCritical Incidents(s. Kap. 2.2.2) und umfasst die Analyse kritischer Interaktionssituationen nach einem

Multiple-Affektive Dimension Kognitive Dimension Verhaltensbezogene Dimension

󠀂 Ambiguitätstoleranz Kulturphäno-mens in Bezug auf Wahrneh-mung, Denken, Einstellungen Kommuni-kation aus kritischer Distanz zu sehen)

Abb. 3.5 Dimensionen interkultureller Handlungskompetenz (nach Bolten 2000, 68)

Choice-Verfahren, in dem verschiedene Erklärungs- und Lösungsmöglichkeiten angeboten werden (z. B. psychologischer, rechtlicher, politischer, sprachlicher und kultureller Art sowie durch unterschiedliche Kulturstandards) (Schugk 2004, 251; Brislin/Cushner u. a. 1986, 25–48).

DasCultural Awareness-Trainingumfasst ein kulturallgemeines Sensibilisierungs-training und zielt auf die Vermittlung einer allgemeinen interkulturellen Hand-lungskompetenz. Im Vordergrund stehen hier die Sensibilisierung für kulturelle Differenz und für die kulturelle Prägung des eigenen kommunikativen Handelns, unterschiedliche Kulturstandards, die Beziehung von Eigenem und Fremdem so-wie Strategien der Verhaltensveränderung und -anpassung in fremdkulturellen Kontexten (Thomas/Kinast/Schroll-Machl 2000). Andere kognitive Trainingsme-thoden zur allgemeinen interkulturellen Sensibilisierung betreffen die Bild-, Foto-und Filmanalyse sowie die Assoziationsanalyse, die eine ähnliche Zielsetzung verfolgen.

– Bei derBild-, Foto- und Filmanalyse sollen Vorurteilsstrukturen bewusst ge-macht werden, indem »am Beispiel von vermeintlich ›typischen‹ Personen-oder Situationsdarstellungen (z. B. Mann mit dunkler Sonnenbrille und Anzug;

Feier mit weiß gekleideten Personen etc.) Symbolattribuierungen gesammelt werden (aus deutscher Sicht vermutlich ›Mafioso‹, ›Hochzeit‹), die auf den fremdkulturellen Kontext, in dem die Bilder entstanden sind, gerade nicht an-wendbar sind. Diese Einsicht kann dazu beitragen, den eigenen kulturellen Standpunkt zu relativieren und die kulturell bestimmte Wahrnehmung zu er-kennen« (Bolten 2001, 90–91).

– Bei der Assoziationsanalyseerhalten die Teilnehmer/innen – »sofern sie aus unterschiedlichen Kulturen stammen – eine Wortliste (z. B. ›Kuss‹, ›Heimat‹,

›sauber‹ etc.). Zu den Ausgangswörtern werden Assoziationen gebildet, notiert und danach mit den Ergebnissen einer anderen Kulturgruppe verglichen«

(ebd., 91).

DasLinguistic Awareness of Cultures-Training(LAC) zielt darauf ab, linguistische Kategorien zur Beschreibung typischer interkultureller Interaktionssituationen zu vermitteln. Es basiert im Wesentlichen auf dem von Müller-Jacquier (1999) zur Analyse von interkulturellen Interaktionssituationen entwickelten Raster (s. Kap. 3.2) und versteht sich als komplementäre Ergänzung zumCultural Aware-ness-Training. Im Zentrum stehen auch hierCritical Incidents, die jedoch gezielt auf die in ihnen beobachtbaren Kommunikationsregeln hinterfragt werden. Die Trainees»sollen in die Lage versetzt werden, interkulturelle Situationen systema-tisch auf mögliche sprachliche Gründe für Missverständnisse hin zu analysieren.

[...]. Die in den Fallstudien sichtbaren Verhaltensformen werden als Problem der Proxemik, der unterschiedlichen Sprechhandlungsrealisierung, der Pausengestal-tung oder der Interpretation nonverbaler Signale benannt« (Müller-Jacquier 2000, 40 f.).

2. Kulturspezifisch-informatorische Trainings: Dieser häufigste, vor allem auch bei Auslandsentsendungen angewandte Trainingstyp legt im Unterschied zu den kulturübergreifenden Trainings einen Schwerpunkt auf die Vermittlung landeskund-licher und kultureller Fakten, Informationen und Daten hinsichtlich einer spezi-fischen Kultur. Hinsichtlich der Methoden wird jedoch weitgehend auf die drei zuvor genannten Trainingstypen (Culture Assimilator, Culture-Awareness, LAC) zurück-gegriffen, die in diesem Fall nicht kulturübergreifend, sondern kulturspezifisch

aus-gerichtet sind. Dieser Trainingstyp wird häufig ergänzt durch Business-Ratgeber, die sehr unterschiedlicher Qualität sein können. Ein Best-Practice-Beispiel in diesem Bereich stellt das fundierteBusiness Know-How Frankreichvon C. Barmeyer und S.

von Wietersheim (2007) dar. Es vermittelt für die Zielgruppe »Geschäftsleute« grund-legende Kenntnisse, die von der Geographie Frankreichs über Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft bis hin zu Verhalten und Besonderheiten im französischen Geschäfts-leben reichen. Zu letzteren zählen Informationen zu interkulturell häufig zu Miss-verständnissen und Fehlwahrnehmungen führenden Aspekten wie Arbeitskultur und Arbeitsgepflogenheiten, Kleidungscodes, Präsentationsstile und Begrüßungs-formeln.

3. Kulturübergreifend-interaktionsorientierte Trainings:Dieser Typ interkulturel-ler Trainings ist erfahrungsorientiert. Sein Ziel ist es, für interkulturelle Unterschiede und Erfahrungen zu sensibilisieren: d. h. »Interkulturalität – und stärker noch Fremdheit – durch Simulationen und Rollenspiele erfahrbar zu machen, indem Zusammenhänge konstruiert werden, die aus Teilnehmersicht jedweder Vertrautheit entbehren und Normalitätserwartungen unerfüllt lassen« (Bolten 2001, 91). Bei Simulationsspielen nehmen die Teilnehmer/innen probeweise eine fremdkulturelle Rolle ein, gestalten diese in einem komplexen Handlungsrahmen aus und erfahren die Reaktionen der anderen Beteiligten hierauf. Hierdurch wird, im Allgemeinen durch den Rückgriff auf stereotype Vorstellungsmuster, die sukzessive in Frage gestellt und überwunden werden sollen, ein interkultureller Perspektivenwechsel intendiert, bis zur Erfahrung von und Reflexion über Mehrperspektivität. Die gän-gigsten Übungsmethodenin diesem Zusammenhang sind:

Kultursimulationsspiele:

a) BAFA BAFA: Hierbei übernehmen die Teilnehmer/innen die Rollen von Ange-hörigen zweier sehr gegensätzlich konstruierter Phantasiekulturen und führen Verhandlungen: »Dabei kennen die der einen Phantasiekultur zugeordneten Teilnehmer die Spielregeln und das Verhalten der Teilnehmer, die der anderen Phantasiekultur zugeordnet sind, nicht von Anfang an. Auf diese Weise soll dazu angeregt werden, sich eine unbekannte Kultur durch ›hypothesengeleite-tes Explorationsverhalten‹ sukzessive selbst zu erschließen. Affektive und ver-haltensorientierte Lernziele, etwa Empathie, Ambiguitätstoleranz sowie der Umgang mit Plausibilitätsdefiziten, stehen somit im Mittelpunkt« (Schugk 2004, 253; Brot für alle 1993).

b) Barnga: Eine weitere klassische Kultursimulation stellt das Kartenspiel Barnga dar, in dem kulturelle Unterschiede durch verschiedene Spielregeln fassbar und erfahrbar gemacht werden. Angesichts von uneindeutigen Situationen und Kommunikationsbarrieren müssen die Teilnehmer/innen lernen, diese Unterschiede zu überwinden, um als kulturelle Gruppe erfolgreich zu sein (Thiagarajan/Steinwachs 1990).

c) InterAct: Planspiele sind als interaktive, komplexe Szenarien konzipiert und sollen dazu dienen, »interkulturelle Handlungsfähigkeit im bewußten Zusam-menspiel von individueller, sozialer, strategischer und fachlicher Kompetenz unter Beweis zu stellen. Auf diese Weise wird der faktisch ganzheitliche Cha-rakter interkulturellen Handelns in einem für Trainings off-the-job optimalen Maß realisiert« (Bolten 1999). »Die Effizienz derartiger Trainings ist zuletzt deshalb sehr hoch, weil sie zumindest indirekt auch zu einer Verbesserung von fremdsprachlichen Kompetenzen beitragen« (Bolten 2001, 97). Ein Beispiel

hierfür wäre InterAct, ein Planspiel aus dem Textilbereich. Es geht davon aus, dass Unternehmen, die beispielsweise Jogging-Anzüge herstellen, sich lang-fristig nur behaupten können, wenn sie international kooperieren. Ein Joint-Venture zwischen den Betrieben E und F hat dazu geführt, dass die konkurrie-renden Unternehmen A, B, C und D erhebliche Umsatzeinbußen erlitten ha-ben, die sie zurückerobern möchten: »An dieser Stelle setzt das sowohl be-triebswirtschaftlich wie interkulturell konzipierte Planspiel ein. Die Unternehmen A-D werden durch Teilnehmer aus jeweils unterschiedlichen Kulturen repräsentiert, so dass beispielsweise ein deutsches, ein französisches, ein russisches und ein britisches Team versuchen müssen, von dem (compu-tersimulierten) Joint-Venture E/F Marktanteile zurückzugewinnen. Neben mehrsprachigen Kooperationsverhandlungen besteht das Planspielszenario aus zahlreichen Aufgaben wie etwa der Erstellung von gemeinsamen Werbe-strategien und Unternehmensgrundsätzen oder auch der Anforderung, kon-krete Marktentscheidungen im Hinblick darauf zu treffen, wie viel auf den ein-zelnen Märkten zu welchem Preis abgesetzt werden kann« (ebd., 97).

Workshopdesigns:

Die Analyse der Interaktionsprozesse unter den Teilnehmern/innen eines interna-tional zusammengesetzten Workshops, z. B. in Form von Video-Analysen und -Feedbacks (Schugk 2004, 253).

Selbstbewertungsverfahren:

Die Einschätzung der interkulturellen Kommunikationskompetenz durch die Teil-nehmer/innen eines Seminars oder Workshops. Grundlage hierfür sind in erster Linie Fragebögen, durch die die Einstellungen der Teilnehmer zu anderen Kultu-ren erfasst werden sollen, beispielsweise hinsichtlich FaktoKultu-ren wie Unsicherheit, Angst oder auch der eigenen Tendenz zur Stereotypisierung und Vorurteilsbil-dung (Schugk 2004, 253; Thomas/Hagemann/Stumpf 2003, 254).

4. Kulturspezifisch-interaktionsorientierte Trainings:Bei den kulturspezifischen erfahrungsorientierten Trainings wird im Wesentlichen auf die gleichen Methoden zurückgegriffen wie bei den kulturübergreifend ausgerichteten Trainingsformen.

Statt fiktiver Kulturen beziehen sich die Simulations- und Rollenspiele jedoch hier auf reale Kulturen, häufig die Ausgangs- und Zielkulturen der Teilnehmer/innen. Je nach Zusammensetzung der Teilnehmergruppe ergeben sich auch die Möglichkeiten der bikulturellen Verteilung der Rollen und der bikulturellen Workshopdesigns. Bei letzteren ist es »von besonderer Wichtigkeit, dass umfassende Interaktionserfahrun-gen mit der jeweils anderen Kultur zugelassen werden. Nach erfolgter Bearbeitung der Inhalte sind die Interaktionserfahrungen und Interaktionsprozesse gemeinsam einer Analyse und Reflexion zu unterziehen, um letztlich handlungsrelevantes Wis-sen über die jeweils fremde Kultur bei den Teilnehmern aufzubauen. Der Trainer nimmt während des Workshops die Rolle des Moderators ein, der Unterstützung bei der Aufarbeitung der Erlebnisse zu geben hat« (Schugk 2004, 255).

ZweiEntwicklungstendenzenlassen sich im Bereich der interkulturellen Trai-nings erkennen:

Zum einen besteht im Anwendungsbereich(Trainings off-the-job)eine zuneh-mende Tendenz, verschiedene Trainingstypen zu verknüpfen. So werden zum Beispiel zur Vorbereitung auf die interkulturellen Kontakte mit einer Zielkultur wie Frankreich, China oder den USA in wachsendem Maße die kulturspezifisch ausgerichtetenCulture AwarenessundLinguistic Awareness of Cultures-Trainings

mit gleichfalls kulturspezifisch ausgerichteten Rollenspielen eines Trainingspro-gramms verknüpft. Die unterschiedenen Trainingstypen werden kaum in ›Rein-form‹ angewandt, sondern in komplexeren Trainingsdesigns in einem Mix aus verschiedenen Trainingstypen und Übungsmethoden.

Zum anderen besteht eine wachsende Tendenz, die sich stellenden interkulturel-len Problemeon-the-job, d. h. vor Ort, mit den Betroffenen und unter Heranzie-hung außenstehender interkultureller Berater aufzuarbeiten und zu lösen, auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass mit einer zunehmenden Beschleunigung der Internationalisierung und Globalisierung Personal- und Marketingentschei-dungen schneller gefasst werden müssen, was keine Zeit für vorbereitende inter-kulturelle Trainings lässt. Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere die inter-kulturelle Mediation(Bolten 2001, 98–99; Busch 2005) und dasinterkulturelle Coaching.

– Unterinterkultureller Mediationversteht man im Wirtschaftsbereich die »Mitt-lertätigkeit bei offenen und verdeckten Konflikten in multikulturellen Teams«

(Bolten 2001, 98). DerMediatorfungiert hier als »Konfliktmanager«, der Kon-flikte zur Sprache bringt, mit den Beteiligten zu erörtern sucht, gegebenenfalls durch gemeinsame Videoanalyse und die Thematisierung kultureller Ursa-chen. Allgemein lässt sich Mediation definieren als »die Einschaltung eines (meist) neutralen und unparteiischen Dritten in einen Konflikt, der die Par-teien bei ihren Verhandlungs- und Lösungsversuchen unterstützt, jedoch über keine eigene Konflikt-Entscheidungskompetenzverfügt« (Breidenbach 1995, 4;

auch zit. von Busch 2007, 18).

Interkulturelles Coachinglässt sich definieren als »Betreuung und Supervision multikultureller Teams mit dem Ziel, eigenes kulturspezifisches Handeln be-wusst zu machen, zu thematisieren und Synergiepotentiale als Zielvorgaben zu formulieren« (Bolten 2001, 98). DerCoachnimmt die Rolle des Moderators, Fachexperten und »Metakommunikators« ein, um latente oder unbewusste Missverständnisse zu thematisieren und zur Synergienfindung beizutragen.

Coaching-Methoden sind in erster Linie: Interaktionsbegleitung, Interaktions-beschreibung, Kommunikationsanalyse, u. a. durch Analyse von Videoauf-zeichnungen; Thematisierung, gemeinsame Aufarbeitung und Erklärung von Missverständnissen; individuelle Stärke- und Schwächeanalysen der Teammit-glieder in Bezug auf interkulturelle Handlungskompetenz; Absprache von Ziel-vereinbarungen mit den Teammitgliedern für gemeinsames künftiges Handeln (»Synergiepotenziale«) (Bolten 2001, 99; vgl. auch Nazarkiewicz/Krämer 2012).

Insbesondere dieinterkulturelle Mediationhat in den letzten Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit in der Wissenschaft gefunden und in der interkulturellen Praxis kommt ihr eine zunehmende Bedeutung zu. Interkulturelle Mediation repräsentiert eine strukturierte ›triadische‹ Konfliktlösungsstrategie, bei der ein von außen kom-mender Vermittler versucht, durch Formen der Verständnisförderung einen Konflikt zwischen mehreren Parteien aus unterschiedlichen Kulturen zu lösen. Die wesentli-chen Formen der Verständigungsförderung, die in der interkulturellen Mediation (nach Busch 2007) zum Tragen kommen, sind:

Perspektivenwechsel,

Humor,

Themenverlagerung,

Distanzierung vom Konfliktthema sowie

Transformation eines personalen in einen Sachkonflikt.

Hinzu kommt die Verständigungsförderung durch Medienreferenz, das heißt, inter-personale Konflikte werden anhand von analogen Mediendarstellungen – also in indirekter und distanzierter Weise – angesprochen und diskutiert. Mediation lässt sich schematisch als ein spiralförmiges Trialogverfahren beschreiben, das sich nach einer Anfangs- bzw. Vorbereitungsphase in Phasen der Erklärung, der Selbsterklä-rung, des verständnisorientierten Dialogs und der dialogischen Problemlösung untergliedern und schematisieren lässt (s. Abb. 3.6).

Ausgangslage und Verlauf einer Mediation sollen anhand des folgenden, sehr praxisnahen Fallbeispiels einer deutsch-kolumbianischen Konfliktkonfiguration skizziert werden (nach Barrios 2008, 265):

Nach einer intensiven Vorbereitungsphase, in der die Mediatorin die Beteiligten näher kennenlernt und ihre jeweiligen Sichtweisen des Konflikts herausarbeitet, werden in der eigentlichen Phase der Mediation folgende Schritte zur Konfliktlö-sung unternommen: Nach Übungen aus interkulturellen Trainings, durch die sich die Beteiligten ihrer Prägung durch unterschiedlich gelagerte Werte und Kultur-standards bewusst werden (»Selbstklärung I«, »Dialog I«), findet in einem weiteren Schritt ein »vertiefender Dialog über die wesentlichen Konfliktpunkte« (ebd., 302) statt. In einer ersten Klärungsphase (»Erklären I«) wird angestrebt, gemeinsam Erklärungsansätze für die entstandenen Konflikte zu suchen – im vorliegenden Fall sind dies sehr unterschiedliche Kommunikationsstile (direkte/indirekte Kom-Erklären und Lösen II

Selbstklärung II

Selbstklärung I Dialog I

Lösen I Abschluss

Dialog II

Erklären I

Anfangsphase

Auftragsklärung und Vorbereitung

Nachsorge und Transferbegleitung

eigentliche Mediation

Abb. 3.6 Phasen der interkulturellen Mediation: die »Klärungshilfe­Spirale«

(Quelle: Barrios 2008, 300)

munikation), eine völlig andere Gewichtung von Sachorientierung und Bezie-hungsorientierung, eine andere Auffassung der Trennung von ›Privatem‹ und

›Geschäftlichem‹ sowie ein differentes Zeitverständnis (monochrones versus poly-chrones Zeitverständnis). »Es sei schwer und ungewohnt«, so die Konfliktparteien am Ende des ersten Mediationstages in informeller Runde (beim Abendessen),

»gleichzeitig aber sehr erleichternd, sich über die Unterschiede bezogen auf den Grad der Beziehungsorientierung auszutauschen, man wisse ja schon lange, in welchen Punkten man sich gegenseitig »nerve«, habe sich aber bisher noch nie getraut, »das Kind beim Namen zu nennen« (ebd., 305).

Die folgenden Phasen der Mediation dienen dazu, gegenseitiges Verständnis auf-zubauen und die Neugierde auf die Innenwelt des Vertreters der Gegenseite (ebd., 306) zu wecken (»Dialog II«), die wichtigsten Konfliktpunkte nunmehr auch im

›offiziellen‹ Rahmen zu benennen und zu diskutieren (»Selbstklärung II«) und gemeinsam nach Lösungs- und Kompromissmöglichkeiten zu suchen (»Erklären und Lösen II«). »Im nun anschließenden ›Dialog der Wahrheit‹«, so die Mediatorin über den Abschluss des Mediationsprozesses, »geht es um den Austausch über die hinter dem sichtbaren Konfliktpotential stehenden Gefühle der drei Beteiligten.

[...]. Es stellt sich heraus, dass sowohl er als auch die beiden Lateinamerikaner unter einem enormen Erfolgsdruck stehen. Herr Westermann ist erstaunt und beschämt, als sich herausstellt, wie viel García und Vives arbeiten, ohne dass er es bisher mitbekommen hat. Die beiden wiederum waren sich nicht bewusst, dass Herr Westermann zu einem großen Teil das kolumbianische ›Geschäftsprinzip Langsamkeit‹ sogar bewundert, es ihn gleichzeitig aber stark am Erfolg der Pro-jekte zweifeln lässt« (ebd., 307).

Das Mediationsverfahren, das in dem skizzierten Fall positiv verlaufen ist, schließt mit detaillierten Vereinbarungen über die zukünftige Zusammenarbeit untereinan-der und Verabredungen zur Kontrolle ihrer Umsetzung ab, bei untereinan-der die Mediatorin im Rahmen der »Nachsorge und Transferbegleitung« zunächst für einen begrenz-ten Zeitraum eine gewisse Rolle behält.

Es lässt sich somit ein deutlicher Trend beobachten, von formalisierten interkulturel-len Trainings zu gezielten Beratungsmaßnahmen überzugehen. Dieser Trend erfolgt nicht nur aufgrund äußerer Zwänge zeitlicher und finanzieller Art, sondern auch vor dem Hintergrund, dass interkulturelle Trainingselemente bereits in vielfältiger Weise in unterschiedlichen Formen des Bildungs- und auch des Hochschulwesens präsent sind und vermittelt werden. Vor allem bei jüngeren multikulturellen Teams, etwa von Unternehmen, kann somit tendenziell eine größere interkulturelle Aufgeschlos-senheit und ein breiteres interkulturelles Wissen als noch vor zwei oder drei Jahr-zehnten vorausgesetzt werden.

Die traditionellen Trainingskomponenten ›Kulturstandards‹ und ›Critical Inci-dents‹ spielen jedoch, trotz der Kritik, die an ihnen geübt worden ist, weiterhin in interkulturellen Trainings, bei interkulturellen Fortbildungsmaßnahmen und auch bei interkulturellen Unterrichtsprogrammen an Schulen und Hochschulen eine ge-wisse Rolle. Wie problematisch die gängige Verwendung von sogenannten ›Critical Incidents‹ (die sog. CI-Methode), die sehr häufig von den präzisen sprachlichen Ver-mittlungsformen und Kontexten abstrahieren, zur Vermittlung interkultureller Kom-petenz sein kann, veranschaulicht Heringer (2011, 54–55) an folgendem Beispiel:

Ein ›Critical‹ Incident

»Ein Reisender kommt nach einer Nachtfahrt auf dem Busbahnhof in Istanbul an.

Er sucht nach einem Bus, der zum Flughafen fährt.

Der erste Busfahrer, den er fragt, nickt bedächtig mit dem Kopf. Zufrieden steigt er ein. Ihm wird jedoch durch die anderen Mitfahrer bedeutet, dass der Bus nicht zum Flughafen fährt. Zu müde, um sich über den Fahrer zu ärgern, steigt er aus und versucht sein Glück noch einige Male in anderen Bussen, immer mit dem glei-chen Erfolg. Schließlich fährt er mit einem Taxi.« (Heringer 2011, 54–55).

Heringer kritisiert an gängigen ›Critical Incidents‹ wie dem zitierten, sie seien nicht authentisch, zu undifferenziert und häufig »voreilig (und teilweise entstellend didak-tisiert)« sowie vor allem, dass sie nicht in der Sprache der Beteiligten wiedergegeben

Heringer kritisiert an gängigen ›Critical Incidents‹ wie dem zitierten, sie seien nicht authentisch, zu undifferenziert und häufig »voreilig (und teilweise entstellend didak-tisiert)« sowie vor allem, dass sie nicht in der Sprache der Beteiligten wiedergegeben

Im Dokument Interkulturelle Kommunikation (Seite 92-102)