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Interkulturelle Kommunikation zwischen Deutschen und Chinesen…12

1. Einleitung

1.2 Forschungsstand zur interkulturellen Kommunikation

1.2.3 Interkulturelle Kommunikation zwischen Deutschen und Chinesen…12

Die Forschung zur IK zwischen Deutschen und Chinesischen erhält aufgrund der stetig steigenden Bedeutung Chinas in der Weltwirtschaft mehr Gewicht, was auch daran erkannt werden kann, dass interkulturelle Wirtschaftskommunikation auf Chinesisch an immer mehr deutschen Universitäten zum Forschungsschwerpunkt wird.44

Aus linguistischer Sicht werden die Kommunikationsprobleme zwischen Deutschen und Chinesen meistens in der interpretativen Soziolinguistik und Textlinguistik behandelt. In Anlehnung an die interpretative Soziolinguistik erforscht Günthner anhand informeller Ge-spräche zwischen den deutschen und chinesischen Studenten/Innen die Verschiedenheiten der jeweiligen Kommunikationsstrategien. Zur Begründung der Beleuchtung der unter-schiedlichen Kommunikationsstrategien wurde dabei auf die jeweilige Kultur bzw.

43 Vgl. Clyne (1993:7).

44 Z. B. in Friedrich-Schiller-Universität Jena, Georg-August-Universität Göttingen, Universität Trier.

che hingewiesen.45 Die Kommunikation zwischen Deutschen und Chinesen wurde weiter-hin aus kulturellen, linguistischen und wirtschaftlichen Blickwinkeln heraus sowohl in the-oretischer als auch praxisorientierter Hinsicht kontrastiv analysiert.46 Hierbei wurden kul-turell die Rituale bzw. die Symboliken in wirtschaftlichen Handlungen wie auch linguis-tisch die wirtschaftsbezogenen Fachausdrücke konkret veranschaulicht.47 Darüber hinaus erläutert Liang (1998) unter kulturellen und linguistischen Gesichtspunkten anhand der Höflichkeitsausdrücke im Chinesischen die grundlegenden Handlungsmuster der Chinesen im Zusammenhang mit den relevanten chinesischen Kultureigenschaften48 und weiterhin die darauf bezogenen lexikalischen Ausdrücke im modernen wie auch klassischen Chine-sisch, welche dabei als Stützpunkt für seine Argumente dienen.

1.3 Forschungsprobleme

Aufgrund der Tatsache, dass das Ergebnis einer verbalen face-to-face Kommunikation in interkulturellen Situationen das Resultat aus dem Zusammenspiel kultureller, psychologi-scher und kognitiver Faktoren darstellt und zudem von den sprachlichen Kenntnissen der Akteure abhängt, können exakte Forschungsergebnisse nur durch interdisziplinäre Arbeit erlangt werden. In der einschlägigen Diskursanalyse deutsch-chinesischer Gespräche do-miniert z. B. die Tendenz, die Ursachen für Missverständnisse lediglich auf kulturelle bzw.

prosodische oder paralinguistische Faktoren zu reduzieren und nicht-kulturellen Faktoren wie z. B. psychischer Zustand, soziale Schicht oder das Niveau in der KS der Kommunika-tionsteilnehmer, außer Acht zu lassen.49 Da es sich in der interkulturellen Kommunikation stets um eine ‚asymmetrische Kommunikation‘50 hinsichtlich des Sprachgebrauchs handelt,

45 Die Beiträge dazu sind z. B. Günthner (1993), (1994), (1998).

46 Die wichtigsten Beiträge im Rahmen dieser Zusammenarbeit sind z. B. Zhu/Fluck/Hoberg (2006); Zhu /Zimmer (2003).

47 Zum Beispiel Jia (2005b); Tang (2005), (2006)

48 Wie z. B. Harmonie und Gesichtskonzepte. Die Theorie des Gesichtskonzepts in der chinesischen Kultur ist ein sehr weit verbreiteter Ansatz, mit dem die Handlungsmuster von Chinesen interpretiert werden. Aus-führlich dazu siehe auch Chen (2004).

49 Zum Beispiel wird in der von Günthner durchgeführten Gesprächsforschung zur verbalen Interaktion zwischen deutschen Muttersprachlern und deutschsprechenden Chinesen, in der die deutsche Sprache als KS fungiert, die Sprachkenntnis der chinesischen Deutschsprecher/innen lediglich anhand eines Hinweises

„die chinesischen Deutschsprecher/innen verfügen über sehr gute deutsche Sprachkenntnis, da sie bereits seit längerer Zeit in der Bundesrepublik studieren“ in der Fußnote dokumentiert, siehe Günthner (1994:99).

Ähnliche Kritik findet man auch bei Auernheimer (2007:6).

50 Bezogen auf die Situation, in der einer der Kommunikationsteilnehmer die KS als Muttersprache bedient und der andere als Fremdsprache. Dies betrifft allerdings nur eine der Situationen interkultureller Kommu-nikation. Die interkulturellen Kommunikationssituationen werden in Kap. 2.1 dieser Arbeit genauer be-schrieben.

kann eine Fehlkommunikation aufgrund des Mangels an Kenntnis der KS entstehen. Aus kommunikationspsychologischer Sicht spielt in der asymmetrischen Kommunikation die Machtasymmetrie eine Rolle, die aufgrund einer Ungleichheit bei der Sprachkompetenz entsteht, und den Gesprächsverlauf beeinflussen kann, wie Auernheimer (2002) und Schulz von Thun (1992) bei der Kommunikation zwischen Deutschen und Ausländern beobachtet haben. Dies wird allerdings in der Diskursanalyse von Günthner ignoriert. Weiterhin be-trachtet Günthner in ihren Forschungen die Kommunikationsmerkmale wie z. B. Auslas-sung oder Tilgung bestimmter Satzglieder, welche bei den gezeigten Dialogen bei chinesi-schen Deutschlernenden aufgetreten sind, als kulturbedingtes Phänomen, welches mit der chinesischen Sprachkonstruktion zusammenhängt.51 Diese Betrachtung ist allerdings aus kognitiv-linguistischer Sicht bezüglich der Fremdsprachenproduktion fraglich. Denn, wie in der vorliegenden Arbeit noch gezeigt wird, treten der kognitiv-linguistischen Forschung zufolge die genannten Kommunikationsmerkmale generell bei der Fremdsprachenproduk-tion auf, und nicht nur bei chinesischen Deutschlernenden (s. Kap. 3.2.1).

In der Diskursanalyse von Deutschen und Chinesen zeigt sich darüber hinaus eine me-thodologische Lücke: Die Forschungsergebnisse resultieren sehr häufig aus den Ergebnis-sen einer relativ geringen Anzahl untersuchter Gespräche und werden dann als repräErgebnis-senta- repräsenta-tiv für die gesamte Kultur genommen. Diese methodologische Lücke hängt meines Erach-tens mit den Hintergründen des jeweiligen Forschungsansatzes zusammen. Das vorwie-gende Ziel der sich mit dem Thema der IK beschäftivorwie-genden Ethnographie der Kommunika-tion, die von D. Hymes und J. Gumperz begründet wurde und aus der sich die interaktiona-le Soziolinguistik52 entwickelt hat, ist es, die soziale Prägung mithilfe ihrer Platzierung in Sprechereignissen beim Sprachgebrauch des Individuums aufzuzeigen. Es wurde gezeigt, dass eine Reihe von sprachlichen Regelmäßigkeiten in den Unterschieden der individuellen Stile und situativen Register in einer ganzen Sprachgemeinschaft verteilt sind, wobei diese sprachlichen Merkmale als Indikatoren für bestimmte Sozialgruppen (wie z. B. ethnische Gruppen und Altersgruppen) fungieren.53 Dabei soll insbesondere gezeigt werden, dass der Sprachgebrauch ein konstitutiver Bestandteil sozialer Strukturen ist, und nicht eine

51 Die genannten Kommunikationsmerkmale wurden dabei als Kommunikationsstrategie interpretiert. Siehe Günthner (1993) Kap. 5.3; 5.4.

52 Die Forschungsansätze sowohl der Soziolinguistik also auch der Pragmatik basieren auf der postulierten Grundlage einer grundsätzlichen Idealisierung einer kulturell homogenen Sprachgemeinschaft bzw. einer Sprachgemeinschaft mit verschiedenen kulturellen Untergemeinschaften. Das heißt, die Sprachkompetenz der Kommunikationsteilnehmer wird dabei nicht in Frage gestellt und die sprachbedingten Missverständnis-se kommen daher dementsprechend in der Forschung nicht zum Tragen. Vgl. Levinson (1994:25).

53 Vgl. Labov (2004).

on von ihr.54 Ihre Forschungsgegenstände beziehen sich ursprünglich auf die Sprechhand-lungen ‚einer‘ Sprachgemeinschaft. In der interaktionalen Soziolinguistik wurde vor allem die Kommunikation zwischen Deutschen und deutschen Türken untersucht, die Deutsch als Zweitsprache erworben haben bzw. als Ethnolekt sprechen. Das Forschungsziel der in-teraktionalen Soziolinguistik, den Sprachgebrauch als einen konstitutiven Bestandteil sozi-aler Strukturen und nicht als eine Funktion von sozialen Strukturen zu zeigen, setzt voraus, dass alle Kommunikationsteilnehmer, unabhängig davon, ob sie Muttersprachler oder Zweitsprachler sind, die KS in ihrem sozialen Kontext durch natürliche Kommunikation erworben haben. Diese Voraussetzung erfüllen allerdings die chinesischen Kommunikati-onsteilnehmer, die Deutsch als Fremdsprache erlernt haben, nicht.55 In dieser Kommunika-tionssituation hat die verwendete KS (Deutsch) lediglich eine Kommunikationsfunktion.

Die Methode der ethnographischen Kommunikation weist im Hinblick auf die Analyse von Gesprächen chinesischer Deutschlernender zudem das Problem auf, dass sie die in der Soziolinguistik bereits aufgezeigte Tatsache, dassder Sprachgebrauch in einer Sprachge-meinschaft je nach Sozialgruppe variiert, vollständig ignoriert.56 Dem soziolinguistischen Ansatz zufolge sollten die in der Forschung beschriebenen Sprachphänomene der chinesi-schen Deutschlernenden theoretisch korrekt sich nur auf die untersuchte Studentengruppe beziehen, aber nicht auf die ganze chinesische Kultur übertragbar sein.