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Individuum und Medien

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3 Theoretische Annäherung

3.4 Lernen, Medien und Gesellschaft

3.4.1 Individuum und Medien

Nach Siemens können Netzwerke, Komplexität und Chaos in der Welt nicht ohne Auswirkungen auf das Lernen bleiben. Wenn Lernen nicht länger „linear“ erfolgt und bestimmte kognitive Anforderungen durch Technologien übernommen werden, wie können dann Lerneraufgaben definiert werden, zumal Wissensfelder immer komplexer und vernetzter werden? Wie kann sich ein Lerner kompetent in der sich stetig verändernden technologischen Welt bewegen und wie soll er handeln, wenn in (komplexen) Situationen Entscheidungen gefragt sind, der Lerner aber das Thema nicht (oder noch nicht) vollständig erfassen kann?

Lernen wird sich zukünftig verändern. U. a. werden viele Lerner im Laufe ihres Lebens auf unterschiedlichen und möglicherweise einander nicht ähnlichen Gebieten tätig sein. Damit kann formale Bildung nicht länger die Hauptlernquelle sein. Lernen wird zu einem

kontinuierlichen und lebenslangen Prozess, bei dem informelles Lernen an Bedeutung gewinnt, also Lernen in Communities, im persönlichen on- und offline Netzwerk, durch Aufgaben im Arbeitsleben usw. Lernen und Arbeiten sind nicht länger als getrennt voneinander zu betrachten. In vielen Situationen verschmelzen sie miteinander.

Wissensmanagement erfährt eine stärkere Bedeutung (vgl. Siemens 2005a, 2005b).

Diesen Prozess erfolgreich zu gestalten verlangt sowohl vom Lerner, der stärker selbst verantwortet und lebenslang zu lernen gefordert ist, als auch von der Gesellschaft, die durch das Schaffen von Rahmenbedingungen für eben dieses herausgefordert ist, ein Neudenken und Neubewerten von Lernen und Bildung – und dies nicht nur in Form freier gestaltbarer Curricula. Lernen und Bildung erfordern einen neuen Platz, und zwar in der Mitte der Gesellschaft, einer Gesellschaft, in der Informationen und Wissen bereits heute einen großen Anteil zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen beitragen.

Der Lerner seinerseits ist in dieser zunehmend vernetzten Welt, die Vernetzung von Personen und Informationen miteinander hergehend, aufgefordert Schritt zu halten, Informationen zu filtern, zu bewerten und zu verarbeiten, mit andern Informationen in Beziehung zu setzen, um am Ende beispielsweise die Komplexität von Fachgebieten überblicken und entsprechend handeln zu können. Diesen Schritt kann er nicht mehr ohne die Nutzung von Medien vollziehen. Selbst der Versuch dazu wäre zum Scheitern verurteilt, denn sobald er sich mit seinen (außerhalb von Medien erworbenen) Erkenntnissen der Diskussion eines Expertennetzwerkes stellen würde, würde die Begrenztheit seiner Informationen, seines Wissen aufgrund mangelnder Aktualität und eingeschränkter Sichtweisen zutage treten.

Der Lerner muss sich folglich zu einer Person entwickeln, die Medien entsprechend eigener Erfordernisse kompetent nutzen, einsetzen und in den Alltag integrieren kann.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Begriff Medium keineswegs einheitlich verwendet wird. Aus dem Lateinischen stammend, wird Medium sprachlich als das „in der Mitte Befindliche“ bezeichnet, also etwas, das eine Vermittlung zwischen beispielsweise Personen ermöglicht. Vom universalen Medienbegriff nach McLuhan (das Medium als Mittel) über den technischen Medienbegriff (Primär- bis Quartärmedien mit Sender und Empfänger), dem soziologischen Medienbegriff (Medien in der Wechselbeziehung mit der Gesellschaft beruhend auf Individual- und Massenkommunikation) und dem systemischen Medienbegriff

(Medien als Voraussetzung und Ergebnis von Kommunikation) ist die Perspektive für das Verständnis des Medienbegriffes entscheidend (vgl. Batinic 2008 , Six et al.2007).

Für diese Arbeit ist das Verständnis eines Medienbegriffes aus soziologischer und technischer Sicht hilfreich, geht es doch auf der einen Seite um Lernen als einem sozialen Prozess, in dem Kommunikation und Interaktion eine bedeutende Rolle spielen, und auf der anderen Seite um die Nutzung technologischer Mittel, um ebendieses zu ermöglichen. Und so sollen Medien hier verstanden werden als auf Technologien basierende Mittel zur Kommunikation und Interaktion.

Medien an sich und besonders in vernetzten Welten kompetent einzusetzen wird also zu einem Erfordernis, um, wie an anderer Stelle ausgeführt, den sich wandelnden Lebens- und Arbeitswelten begegnen zu können, sie mitgestalten und teilhaben zu können im Sinne einer selbstwussten Partizipation einer Individuums. Doch wie kann ein Lerner nun in dieser Weise medienkompetent werden?

Medienkompetenz selbst ist, ähnlich wie der Begriff des Mediums, schwer zu verorten.

Theoretische Bezüge und Debatten aus den Perspektiven verschiedenster Wissenschaften beleuchten je andere Dimensionen des Begriffes, was eine Einordnung, um im Alltag handhabbar damit umgehen zu können, erschwert. Um sich dem Begriff Medienkompetenz zu nähern, sei zunächst Kompetenz im Sinne von Weinert definiert als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert 2001, S. 27f). In dem Versuch nun eine Brücke zu Medien-Kompetenz zu schlagen, führen Modelle weiter, die sozial- und medienwissenschaftliche Sichtweisen verbinden, was Baacke gelingt, in dem er davon ausgeht, dass der Mensch grundsätzlich ein kompetentes Wesen ist und Medienkompetenz als besondere Form von kommunikativer Kompetenz (alle Sinnesakte der Wahrnehmung einschließend) und Handlungskompetenz (im Sinne von „Weltermächtigung“

und handelnder „Weltveränderung“) angesehen wird. Das von ihm erarbeitete Konzept ist im thematischen Sinne dieser Arbeit weiterführend, da es durch seine mehrdimensionale Ausprägung die Kompetenz eines Individuums nicht nur auf das Wissen und Können, Nutzen und Einsetzen von Medien beschränkt, sondern zugleich Raum lässt für einen kritischen, reflektierten und gestalterischen Umgang mit diesen. Medienkompetenz ist so beschreibbar durch die Dimensionen Medienkunde (das informative Wissen über Mediensysteme und Wissensbestände und die technische Fertigkeit, mit Medien umgehen zu können), durch

Mediennutzung (die Fähigkeit, Gesehenes verarbeiten, einordnen und interaktiv handeln zu können), durch Medienkritik (eigenes Handeln reflektieren, Wissen und Prozesse analysieren sowie ethisch verantwortungsvoll handeln zu können) und schließlich durch Mediengestaltung (als kreative und innovative Veränderung und Weiterentwicklung von Mediensystemen) (Baacke 1996).

Medienkompetenz „meint also grundlegend nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen.“ (Baacke 1996, S. 119).

Wenn denn, wie Baacke meint, alle Menschen grundsätzlich mit der Fähigkeit ausgestattet sind, sich in der Welt erfolgreich und sozial zu bewegen und nur ihre Fähigkeit gefördert werden muss, sich dahingehend zu entwickeln und diese Fähigkeiten auch zeigen zu können, so ist dies ein Aufruf an die Gesellschaft, sich der Entwicklung eines Individuums noch ernsthafter als bisher anzunehmen. Sie muss Möglichkeiten zur Entfaltung des Individuums schaffen, um am Ende, rückwirkend auf die Belange der Gesellschaft, mit (medien-) kompetenten Individuen eine Gesellschaft gestalten zu können, in der Komplexität und Vernetzung von Problemen und Ereignissen durch Antizipation und Partizipation der Mitglieder dieser Gesellschaft beherrschbar sind, unterstützt durch mediale Anwendungen, die Informationsströme filtern und bewerten können und die Experten global und nicht nur lokal verbinden.

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