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Begriffliche Einordnung

Im Dokument Lern en i m S oci al Web (Seite 36-41)

3 Theoretische Annäherung

3.2 Soziale Online Netzwerke

3.2.1 Begriffliche Einordnung

Der Begriff des Sozialen Online Netzwerkes ist keineswegs einheitlich definiert. Zum einen wird er sprachlich, zum anderen aber auch inhaltlich unterschiedlich verwendet. Im deutschsprachigen Raum sind die Begriffe Soziales Netzwerk (Social Network) und Social Software gebräuchlich. Unterschiedliches meinend, werden sie aber oft synonym verwendet.

Im englischsprachigen Raum wird unterschieden zwischen Social Network Site und Social Software.

Die Verwendung des Begriffes Social Software ist recht einheitlich und bezeichnet die Software, die innerhalb eines Sozialen Online Netzwerkes eingesetzt wird. Sie dient der Nutzung des Netzwerkes und stellt verschiedene Funktionsmöglichkeiten zur Verfügung.

Der Begriff „Soziales Netzwerk“ lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten, wie der soziologischen, der systemtheoretischen oder auch der informationstechnischen Perspektive und wird hier später um die Online-Komponente solcher Netzwerke erweitert.

Lernen ist zuvor als sozialer Prozess beschrieben worden, in dem der Lerner mit seiner Umwelt in den Austausch tritt, das Gelernte in Frage gestellt, erweitert oder ergänzt wird, neue Fragen oder Perspektiven aufgeworfen und untersucht werden und – bei dem sich die handelnden Personen untereinander vernetzen; einem Prozess also, bei dem zwangsläufig Netzwerke entstehen, gleich ob in der realen oder virtuellen Welt. Diese Netzwerke bilden gleichsam Strukturen innerhalb menschlicher Gruppen, Gemeinschaften oder Gesellschaften ab, womit die soziologische Perspektive eines Netzwerkes näher zu beleuchten wäre.

Aus dieser Perspektive heraus beschreibt der Begriff des Sozialen Netzwerkes eine soziale Interaktion zwischen Personen, wobei die Personen eines solchen Netzwerkes durchaus unterschiedliche Ziele verfolgen können. Hier lassen sich Soziale Netzwerke beschreiben durch den Umfang und die Dichte des Netzwerkes, durch die Qualität der Beziehungen innerhalb des Netzwerkes und durch die Ziele, die mit dem Netzwerk verfolgt werden (vgl. Clausen 2007, S. 456f). Sind die Personen in einem Sozialen Netzwerk eng miteinander verbunden, kennen sie sich sehr gut und interagieren häufig miteinander, so wird das Netzwerk als sehr „dicht“ bezeichnet und eher als eine verlässliche, und damit auch vertrauenswürdige, Ressource angesehen, auf die zurückgegriffen werden kann (zur Bedeutung von Vertrauensbildung in einem Netzwerk vgl. auch Kerres, Hölterhof und Nattland, 2011; Stephenson, Kleiner, 2002).

Der Umfang eines Netzwerkes, also die Anzahl der miteinander verbundenen Personen, ist, je nach Lebensphase, unterschiedlich und von verschiedensten Bedingungen beeinflusst. Ob ein Soziales Netzwerk letztlich wirklich eine Ressource darstellt, die in ihrem Geben und Nehmen – ganz im Sinne des reziproken Determinismus Banduras – der eigenen weiteren Entwicklung, der Erlangung neuer Informationen u. a. m. dient, hängt nicht zuletzt ab von der Qualität der Beziehungen innerhalb eines solchen Sozialen Netzwerkes, die wiederum zurückwirkt auf die Interaktion und das Vertrauen im Netzwerk selbst. Hier sind schwache Beziehungen (weak ties), also eher Bekanntschaften, und starke Beziehungen (strong ties), also eher langandauernde Beziehungen, zu unterscheiden, die aber je ihren eigenen Beitrag leisten. Messbar ist die Qualität der Beziehungen beispielsweise durch den Zeitraum, über den

Personen miteinander verbunden sind, durch die entstandene Vertrautheit und/oder Intimität, die sich in den Interaktionen, Gesprächen u. a. widerspiegelt und der empfangenen oder selbst weitergegebenen Informationen, Beiträge u. a. m. (vgl. Granovetter 1973, S. 1361).

Soziale Netzwerke sind weiter unterscheidbar in dem von den vernetzten Personen verfolgten Ziel, mit dem sie einem Netzwerk beitreten und in ihm interagieren. So kann gelegentlicher Austausch über beispielsweise sportliche, fachliche, gesundheitliche oder partnerschaftliche Themen genauso eine Motivation sein, sich in einem Netzwerk zu engagieren, wie die Erwartung, Unterstützung für das berufliche Fortkommen zu erhalten. Mit Hilfe von Netzwerkanalysen, wie sie Weyer (2011) für die Sozialwissenschaft beschreibt, können Strukturen und Verbindungen sichtbar gemacht werden, beispielsweise durch mathematische Modelle.

An dieser Stelle soll Erwähnung finden, dass in einem Sozialen Netzwerk, auch in einem (relativ) abgrenzbaren realen Kontext oder, wie in der virtuellen Welt, unter einem (relativ) einheitlichen (technischen) Aufbau „versteckt“ gleichsam mehrere Netzwerke existieren, die einander beeinflussen und in denen Personen, ob bewusst oder unbewusst, unterschiedliche Rollen wahrnehmen. Dies konnte beispielsweise Stephenson (vgl. Kleiner 2002) anhand vieler Studien in Unternehmen nachweisen und dabei, bezogen auf das Wissen, in einem Sozialen Netzwerk weitere „Subnetzwerke“, „each with its own informal network of people exchanging conversation“, ausmachen. So werden das Arbeitsnetzwerk genannt („With whom do you exchange information as part of your daily routines?“), das Soziale Netzwerk (“With whom do you “check in”, inside and outside the office, to find out what is going on?”), das Innovationsnetzwerk (“With whom do you collaborate or kick around new ideas?”), das Expertenwissen-Netzwerk (“To whom do you turn for expertise or advice?”), das Karriere- oder strategische Netzwerk (“Whom do you go to for advice about the future?”) und das Lern-Netzwerk (“Whom do you work with to improve existing processes or methods?”) (Kleiner 2002, S. 11). Diese Ausführungen verdeutlichen, wie vielfältig, ja komplex die Beziehungen in Sozialen Netzwerken sein können, die sich möglicherweise erst unter Anwendung verschiedenster Methoden und Modelle offenbaren.

Die aus der Interaktion von Personen entstehenden Sozialen Netzwerke lassen die Akteure in diesem Netzwerk Teil eines Ganzen, eines Systems, werden, welches wiederum zu anderen Netzwerken, Systemen, in Beziehung steht. Aus der Makroperspektive heraus betrachtet beeinflussen die Interaktionen einzelner Personen das System als Ganzes und definieren

dadurch die Eigenschaften des Systems oder, um es mit Aristoteles auszudrücken: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.

Daraus ergibt sich auch der Anspruch von Sozialen Netzwerken, durch die Vernetzung von Personen in ebendiesen untereinander neue Impulse für die Entwicklung sowohl der eigenen Persönlichkeit als auch von Organisationen und Unternehmen zu erhalten und sogenannte synergetische Effekte zu erzielen.

Ein Soziales Netzwerk bezeichnet in diesem Sinne ein System vernetzt handelnder Akteure, wobei nach Weyer (2011, S. 60ff) die Verzahnung von Personen und Institutionen bzw.

Organisationen und deren gegenseitiges Zurückwirken auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden kann (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Netzwerke als Mikro-Makro-Struktur

(nach Weyer 2011, S. 63)

Die zuvor gemachten Ausführungen begründen sich auf – nach wie vor aktuellen – Untersuchungen vergangener Jahre und fokussieren zumeist auf Soziale Netzwerke in realen Welten. Wenn denn nun Soziale Netzwerke ihre Erweiterung im virtuellen Raum erfahren können, also zuvor bestehende soziale Beziehungen der Ausgangspunkt für Verbindungen in virtuellen Netzwerken sind, um diese zu erhalten und zu stärken (vgl. Boyd und Ellison, 2007), dann müssten letztlich die oben beschriebenen Beziehungen, Interaktionen usw. auch hier zu finden sein, was im Verlaufe dieser Arbeit weiter herausgearbeitet wird.

Um nun aber die Sozialen Netzwerke der realen Welt (vorerst begrifflich) abzugrenzen von

Strukturebene (Makro)

Mesoebene

Handlungsebene

(Mikro) Akteure Akteure

Institutionen

Netzwerke Netzwerke

denen, die in virtuellen Welten zu finden sind, wird eine neue oder zumindest erweiterte Perspektive des Begriffes Soziales Netzwerk erforderlich.

Aus der informationstechnischen Perspektive betrachtet, findet die Vernetzung der Personen webbasiert, also online, statt, womit der Zusatz „online“ im Begriff Soziales Netzwerk eine passende Abgrenzung bietet (englischsprachiges Äquivalent ist die Bezeichnung Social Network Sites, SNS). Hier ist nun weiter eine Abgrenzung zu anderen Diensten und Anwendungen nötig, um den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit genauer zu umreißen.

Soziale Online Netzwerke erlauben es den Mitgliedern, halb-öffentliche oder öffentliche Profile zu erstellen, eine durchsuchbare Kontaktliste anzeigen zu lassen, aus der ersichtlich ist, mit wem die Person vernetzt ist, sowie Inhalte (User-Generated-Content) zu erstellen und die eigenen und die Inhalte anderer Personen mit diesen zu teilen und diese zu kommentieren (Boyd und Ellison, 2007).

An dieser Stelle soll eine Abgrenzung von Anwendungen vorgenommen werden, die wohl einzelne der oben genannten Merkmale aufweisen, bei denen aber die Vernetzung nicht im Fokus der Anwendung steht, sondern lediglich ein Erweiterungsmerkmal darstellt wie beispielsweise Learning Management Systeme oder Foren.

Basierend auf dem soziologischen und systemtheoretischen Verständnis, erweitert um die informationstechnische Perspektive, wird der Begriff Soziales Online Netzwerk im Kontext dieser Arbeit verstanden als webbasiertes Netzwerk, welches durch Interaktion von Personen entsteht. Die Akteure in diesem Netzwerk werden als Teil eines Systems begriffen, welches wiederum zu anderen Netzwerken (Systemen) in Beziehung steht und diese dadurch beeinflusst. Soziale Online Netzwerke sind beschreibbar durch den Umfang und die Dichte des Netzwerkes, durch die Qualität der Beziehungen innerhalb dieses Netzwerkes und die Ziele, welche das Netzwerk hat. Es erlaubt den Mitgliedern Profile zu erstellen, Kontaktlisten anzeigen und durchsuchen zu lassen, eigene Inhalte zu erstellen und diese, sowie die Inhalte anderer Personen, zu teilen und zu kommentieren.

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