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3 Theoretische Annäherung

3.3 Individuum und vernetzte Welten

3.3.4 Handeln

Wenn Lernen in Sozialen Online Netzwerken beschrieben werden soll, dann ist es bedeutend zu untersuchen, welche Erwartungen, Strategien und Routinen der Lerner mit diesem Netzwerk verbindet und in welchen Handlungen sich dies äußert, um am Ende Lernen in veränderter Reflexions- und Handlungskompetenz beschreiben zu können.

Lernen, eingeordnet als sozialer Prozess, in dem sich der Lerner mit seiner Umwelt auseinander setzen muss und das Gelernte reflektiert, erhält mit dem Sozialen Netzwerk die Plattform dafür. In Abhängigkeit von Motiven, gesuchten Gratifikationen und der Einbindung in weitere soziale Zusammenhänge bilden sich im Sozialen Online Netzwerk Regeln für den

Umgang mit der Software heraus: Gemeinsame Routinen und geteilte Erwartungen bestimmen die Nutzung der Software, anknüpfend an bereits bestehende mediale Nutzungsmuster. Gerahmt von den Bedingungen, welche die Software selbst vorgibt, kann der Nutzer im Sozialen Online Netzwerk interagieren und kommunizieren und damit aktiv gestaltend handeln. Die Grenzen zwischen virtueller und realer Welt werden für den Nutzer durchlässiger und verlangen von ihm, neben seinem realen Leben nun auch sein virtuelles Leben zu managen. Und dies schließt eine persönliche Weiterentwicklung durch Lernen – mit Hilfe der virtuellen Welt – mit ein.

Bezogen auf das Handeln in Sozialen Online Netzwerken sind nach Schmidt (2009) drei einander beeinflussende und teils ineinander übergehende Komponenten des Handelns auszumachen: das Identitäts-, das Beziehungs- und das Informations-management: Das Identitätsmanagement in Sozialen Online Netzwerken beschreibt die Präsentation des Selbst im Netz. Dazu zählen das bewusste und aktive Veröffentlichen von Inhalten ebenso wie zeitliche und örtliche Anhaltspunkte und die Qualität der Veröffentlichung. Sichtbar werden diese Aktivitäten u. a. durch Eintragungen auf Profilseiten, Beiträge in Blogs und das Bereitstellen eigener Videos und Musikstücke. All diese Aktivitäten (und auch NICHT-Aktivitäten) lassen Rückschlüsse zu auf das Individuum selbst, auf seine Meinungen, seine Vorlieben und Interessen. Gerahmt wird Identitätsmanagment durch die Erwartungen Anderer und durch (herausgebildete) Regeln über die Anzahl der Kontakte, die Besuchshäufigkeit und die Aktualität von Seiten im Sozialen Online Netzwerk. Auch der Software-Code selbst begrenzt die möglichen Handlungen, in dem sich das Individuum mit seiner Identität der Struktur von vorprogrammierten Datenbanken und Datenfeldern unterwerfen muss. War es in der realen (offline) Welt schon eine Herausforderung, seine eigene Identität zu managen, so ist dies in der virtuellen (online) Welt noch weit schwieriger. Hier können Inhalte durchsucht, sortiert und in einen anderen Kontext gesetzt werden. Informationen über Aktionen, die eine Person durchgeführt hat, über Wissen, das sie mit anderen geteilt hat, müssen nicht per se im eigenen Netzwerk verbleiben und können (in anderem Kontext) andere Rückschlüsse und Bewertungen durch Personen außerhalb des Netzwerkes zulassen. Die so entstehenden Teilöffentlichkeiten lassen eine vollständige Kontrolle des Identitätsmanagements ist nicht mehr zu, was übrigens auch in der „off-line“-Welt nicht absolut möglich ist (vgl.

Schmidt 2009).

Unter Beziehungsmanagement in Sozialen Online Netzwerken sind der Aufbau und die Pflege von Netzwerken durch beispielsweise Postings, Verlinkungen, das Annehmen neuer

Kontakte und die aktive Kontaktsuche selbst zu verstehen. Das Managen von Identitäten und Beziehungen ist eng miteinander verbunden, entsteht doch die Identität eines Individuums durch die vielfältigen Rollenbeziehungen, die es eingeht und durch die es sich definiert.

Gegenwärtig konstituiert sich der Mensch als „vernetztes Individuum“ geprägt durch Interaktionsmuster sozialer, zeitlicher und räumlicher Art. Die Entgrenzung von Lern-, Arbeits- und Lebenswelten bringen ständig wechselnde Bezugsgruppen der Personen in diesen Welten mit sich. Das zieht sowohl zeitlich als auch räumlich ein ständiges Aktiv-Sein- und Verfügbar-Sein-Wollen – die ständige Beziehungspflege von möglichst überall aus – nach sich. In der realen (offline) Welt bestehende Netzwerke werden auf die virtuelle (online) Welt ausgedehnt und wirken wieder zurück. Dies hat aber auch eine Verkomplizierung des Beziehungsmanagements zur Folge: Abhängig von der Art der Beziehung, der Kommunikationssituation, dem Ort und der Zeit und vom Netzwerk selbst gelten unterschiedliche Regeln wie Beziehungen zu „managen“ sind. Auch der Software-Code des Sozialen Online Netzwerkes selbst bestimmt – und beschränkt – das Beziehungsmanagement des Individuums. Das vielschichtige Konstrukt der „off-line“-Beziehung wird – und muss – einem vorgedachten Rahmen der Online-Beziehung unterworfen werden. Dem steht die fast uneingeschränkte Vernetzung mit Personen und Inhalten gegenüber, die jederzeit und überall verfügbar sind (vgl. Schmidt, 2009).

„Wenn Individualisierung und vernetzte Individualität die Leitbilder für Identitäts- und Beziehungsmanagement liefern, stellen Diagnosen wie Informations- oder Wissens-gesellschaft den Kontext für das Informationsmanagement dar.“ (Schmidt 2009, S. 47). Ohne an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Informations- und Wissensgesellschaft führen zu wollen, sei festgehalten, dass Informationen und Wissen in gegenwärtiger Gesellschaft inzwischen zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor geworden sind und als immaterielle Ressource auch in Unternehmen an Bedeutung gewinnen.

Und so steigt nicht mehr nur die Menge an Informationen, sondern auch die Anzahl der Personen in einem Sozialen Online Netzwerk. Diese stellen Informationen bereit, bearbeiten, teilen, verbreiten und bewerten diese. Kommunikationsrollen (Sender und Empfänger) verschwimmen und auch eine Unterscheidung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit ist kaum mehr möglich, was, wie zuvor ausgeführt, zur Entstehung von Teilöffentlichkeiten führt.

Basierend auf geteiltem Wissen und geteilten Themen bilden sich immer mehr und immer kleinere Gruppen heraus. Pluralisierung und Fragmentierung können die Folge sein.

Letztlich jedoch ist das Individuum nicht nur gezwungen, einen großen Strom von Informationen zu verarbeiten, sondern auch seine eigene „teilöffentliche“ Identität aktiv zu

managen. Informationsmanagement kann zutage treten bei der Suche nach relevanten Informationen und bei deren Verschlagwortung und Bewertung. Mit dem Nutzen eigener Beziehungen als Informationsressource, sowohl als Quelle als auch als Ziel, tritt ein weiterer Handlungsbereich von Informationsmanagement zutage (vgl. Schmidt 2009).

Abschließend sein festgehalten: Wenn ein Individuum ein Soziales Online Netzwerk – bewusst oder unbewusst – für Lernen oder Anhaltspunkte davon einsetzt, dann ist sein Handeln, und damit auch das Ergebnis dessen, ausgerichtet an den (äußeren) Bedingungen des Sozialen Online Netzwerkes, welches damit einen unmittelbaren Einfluss auf die dem Lerner eigenen (inneren) Bedingungen, wie Motivation, Verhalten, Information und Emotion hat (vgl. Straka 2000). Somit ist es relevant zu untersuchen, wie ein Individuum mit seiner Identität im Sozialen Online Netzwerk umgeht, wenn herausgefunden werden soll, ob Lernen in Sozialen Online Netzwerken stattfindet und unter welchen Bedingungen es entsteht.

Und weiter ist festzuhalten: Wenn es dem Individuum gelingt, die passende Person oder die passende Information in seinem Netzwerk zur benötigten Zeit ausfindig zu machen und zur eigenen Zielerreichung zu nutzen, dann kann ein Soziales Online Netzwerk das Lernen, bzw.

Anhaltspunkte dafür, unterstützen. Dies setzt aber eine aktive Auseinandersetzung mit Identität, Beziehungen und Informationen und mit den Welten voraus, was es in vorliegender Arbeit zu hinterfragen gilt (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7: Skizze: Aktionsrahmen eines Individuums

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