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Die Idee der FOCJ

II. Die Clubtheorie - Grundlagen

II.4. Weiterführende Ansätze in der Clubtheorie

II.4.8. Die Idee der FOCJ

Neben den bis hier aufgezeigten weiterführenden Ansätzen der Clubtheorie, die sich vor allem auf die Betrachtung der clubinternen Bereitstellungsbedingungen beziehen, existieren zusätzlich clubtheoretische Weiterentwicklungen, die sich in Bezug auf das Angebot von öffentlichen bzw. Clubgütern mit systemorientierten Fragestellungen beschäftigen. Wie in der Einleitung zu dieser Arbeit bereits be-schrieben worden ist, kann die EU als ein Integrationsraum verstanden werden, der eine Vielzahl von Jurisdiktionen beinhaltet, die alle Clubgüter anbieten und zueinander im Wettbewerb stehen. Auf Grundlage dieser Vorstellung entwickeln Casella/Frey (1992) das Konzept der FOCJ (functional, overlapping, competing jurisdictions).

Um diese Idee besser verstehen zu können, werden zunächst die dazu not-wendigen Grundlagen der ökonomischen Theorie des Föderalismus aufgezeigt.91

„Wie die gesamte moderne Wirtschaftswissenschaft baut auch die ökonomische Theorie des Föderalismus auf dem methodologischen Individualismus auf. Das Ziel des Wirtschaftens besteht somit darin, die Präferenzen der Individuen so-weit wie möglich zu erfüllen“ (Frey 1997, S. 29). Damit kommt die ökonomi-sche Theorie eindeutig zu dem Ergebnis, dass föderative (d.h. dezentralisierte) Staaten den zentralisierten überlegen sind. So muss zunächst festgestellt werden, dass nicht alle vom Staat angebotenen rein öffentlichen Güter gleichmäßig von den über die Gesamtfläche des Staates verteilten Individuen konsumiert werden.

Vielmehr haben viele den Charakter von lokalen öffentlichen Gütern, da ihre Nutzen auf bestimmte geographische Gebiete und die dort lebende Bevölkerung beschränkt sind (Arnold 1992, S. 277). Es ist dann unmittelbar einleuchtend, dass eine dezentrale Regierungsstruktur besser den Präferenzen der Bürger ent-spricht, da die öffentlich angebotenen Güter nun den regionalen oder lokalen Wünschen besser angepasst werden können, als wenn eine höhere Ebene über die Art des Angebots öffentlicher Güter auf lokalen Ebenen entscheiden würde.

So stellt Oates (1972, S. 35) das „Decentralization Theorem“ auf: „For a public good – the consumption of which is defined over geographical subsets of the total population, and for which the costs of providing each level of output of the good in each jurisdiction are the same for the central or the respective local ernment – it will always be more efficient (or at least as efficient) for local gov-ernments to provide the Pareto-efficient levels of output for their respective

91 Es werden hier nur die „general guidelines“ (Oates 1999, S. 1122) der ökonomischen Theorie des Föderalismus vorgestellt, die zum Verständnis der Clubtheorie bzw. der FOCJ in diesem Kontext notwendig sind. So steht die allokative Effizienz im Vorder-grund, während etwa Verteilungsaspekte nicht weiter berücksichtigt werden können.

Insbesondere Kirsch/Smekal/Zimmermann (1987) betonten den Unterschied zwischen ökonomischen und politischen Zielsetzungen. Zur ökonomischen Föderalismustheorie siehe Oates (1972, 1977, 1999), Bird (1993) sowie Inman/Rubinfeld (1997).

risdiction than for the central government to provide any specified and uniform level of output across all jurisdictions.”

Abb. 10: Das Dezentralisierungstheorem

Dieses „Dezentralisierungstheorem“ lässt sich graphisch mit Hilfe der Abb. 10 leicht verdeutlichen (vgl. Zimmermann/Kahlenborn 1994, S. 34 - 37): Eine Be-völkerung bestehe aus zwei gleichstarken Gruppen, deren Nachfragekurven nach öffentlichen Gütern für alle Individuen in jeder der beiden Gruppen iden-tisch seien. Die Nachfrage zwischen den beiden Gruppen sei jedoch unterschied-lich, so dass alle Individuen der ersten Gruppe die Nachfragekurve N1 und alle der zweiten Gruppe die Nachfragekurve N2 aufweisen. Das öffentliche Gut wer-de mit konstanten Kosten pro Kopf produziert und zu diesem Steuerpreis P* an-geboten. Unter diesen Umständen würde die erste Gruppe ein Niveau an öffent-lichen Gütern in Höhe von Q1 und die zweite Gruppe entsprechend ein Niveau in Höhe von Q2 nachfragen. Eine Zentralregierung würde jedoch ein nationales Niveau an öffentlichen Gütern, z.B. in Höhe von Qn, festlegen. Aufgrund der Zentralentscheidung anstelle einer dezentralen Willensbildung entstehen nun aber Wohlfahrtsverluste. Die Individuen der ersten Gruppe erfahren durch das uniforme Angebot einen Wohlfahrtsverlust in Höhe des Dreiecks abc, da der Staat nach ihren Präferenzen die Menge Q1Qn zu viel produziert. Der Wohl-fahrtsverlust bei der zweiten Gruppe (bed) ergibt sich analog aus der nun zu ge-ringen Produktion an öffentlichen Gütern. Der gesamte Wohlfahrtsverlust ent-spricht folglich der Summe der Flächen der beiden Dreiecke. Ebenfalls ist

vor-Q2

Qn

Q1

P*

f

e d

c b a

N1

N2

Preis

Menge an öffentlichen Gütern

stellbar, dass innerhalb des Staates eine Gruppe, beispielsweise die Gruppe 2, dominiert. In diesem Fall würde bei einem uniformen Angebot die Menge Q2

produziert, so dass die Gruppe 1 den gesamten Wohlfahrtsverlust in Höhe von aQ2e zu tragen hätte.92 Entsprechend würde bei einer Dominanz der Gruppe 1 ein Wohlfahrtsverlust in Höhe von aef bei der Gruppe 2 entstehen.

Allgemein bleibt somit die Aussage des Dezentralisierungstheorems festzu-halten, dass eine dezentralisierte Entscheidung immer effizienter als eine zentra-lisierte ist (Zimmermann/Kahlenborn 1994, S. 37). Existiert ein föderales Sys-tem mit lokalen öffentlichen Gütern, so ist aber weiter zu fragen, wie die jewei-ligen Anbieter dieser Güter (z.B. Gemeinden oder Regionen) über die Präferen-zen der dort lebenden Individuen informiert werden. Dies muss gegeben sein, um eine effiziente Ressourcenallokation überhaupt zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist die schon anfangs kurz erwähnte Arbeit von Tiebout (1956) als grundlegend anzusehen, da sein „voting-with-the-feet“-Mechansismus zu einer Offenlegung der Präferenzen führt. Tiebout (1956) geht davon aus, dass es eine große Anzahl von Gemeinden oder Regionen gibt, die jeweils ein unter-schiedliches Angebot an öffentlichen Gütern produzieren. Jedes Individuum wird seinen Wohnort dann so wählen, dass das Angebot an öffentlichen Gütern in Niveau und Struktur optimal seinen Präferenzen entspricht. „The act of mov-ing or failmov-ing to move is crucial. Movmov-ing or failmov-ing to move replaces the usual market test of willingness to buy a good and reveals the consumer-voter’s de-mand for public goods” (Tiebout 1956, S. 420). Zusätzlich führt der auf diese Weise eintretende Wettbewerb zwischen den Gemeinden dazu, dass diese ihr Angebot an lokalen öffentlichen Gütern kostenminimal produzieren. Es kommt so durch den Wettbewerbsdruck zu einer Gleichheit der Steuerpreise. Letztlich weisen alle Individuen nach ihren Wanderungsprozessen an den jeweiligen Or-ten die gleichen Präferenzen auf, so dass zwischen ihnen Einstimmigkeit bezüg-lich des Angebots an lokalen öffentbezüg-lichen Gütern herrscht. Damit ist die Alloka-tion der Ressourcen effizient und ein öffentliches Gleichgewicht erreicht, da die individuellen Grenznutzen dem individuellen Steuerpreis entsprechen (Zim-mermann/Kahlenborn 1994, S. 38 – 40).93 Auf die eingangs der Arbeit

92 Diese Konstellation ist mit Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland ver-gleichbar. Der „reiche“ Westen der BRD hat eine höhere Nachfrage (N2) nach öffentli-chen Gütern als der „arme“ Ost-Teil des Landes (N1). Trotzdem wird den neuen Bun-desländern von der Politik das Angebot an öffentlichen Gütern vorgegeben, das der Nachfrage der alten Bundesländer entspricht (hier die Menge Q2). Dies hat, wie be-schrieben, zur Folge, dass den neuen Bundesländern und damit der gesamten BRD hohe Wohlfahrtsverluste entstehen. Ein weiteres Beispiel für diese Analyse ist die Forderung der EU an potentielle Beitrittskandidaten, den „aquis communautaire“ vollständig zu akzeptieren, um Mitglied der EU werden zu können. Auch hier entstehen hohe Wohl-fahrtsverluste.

93 Zu einer formalen Darstellung des Tiebout-Modells siehe Wooders (1980, 1989). Das Gleichgewicht im Tiebout-Modell kommt jedoch nur unter sehr restriktiven Annahmen

stellte internationale Ebene bezogen, teilt Sinn (1992, S. 180) diesen beschrie-benen Anpassungsprozess in insgesamt drei Phasen auf: In der ersten Phase be-raten die Länder darüber, welche lokalen bzw. nationalen Güter sie anbieten wollen. Im zweiten Schritt entscheiden die Wirtschaftssubjekte, ob sie in den jeweiligen Ländern investieren oder gar leben wollen. In der dritten und letzten Phase reagieren die Länder auf diese Entscheidungen und treten untereinander in Wettbewerb. Dieser zwingt die jeweiligen Regierungen dazu, im Interesse der Individuen zu handeln: „In spite of being self interested, governments would be forced to act on behalf of their electorate in much the same way as the manage-ment of a club is forced to act in the interest of the club members“ (Sinn 1992, S. 187). Der Staat, aus der Leviathan-Perspektive betrachtet, kann seine Interes-sen nun nicht mehr verfolgen und ist „gezähmt“.94 Auf diese Weise zeigen be-reits allein das Dezentralisierungstheorem und die einfachen Überlegungen des Tiebout-Modells (1956), dass sowohl aus innerstaatlicher als auch aus internati-onaler Sicht politische Harmonisierungsbestrebungen zwischen Regionen oder Ländern zu Ineffizienzen und damit zu suboptimalen Ergebnissen führen. Dies gilt, wie zu Beginn der Arbeit betont, insbesondere für die EU (Streit 1996, Schäfer 1998, 2003).95 Die von den Politikern vorangetriebenen Harmonisierun-gen müssen jedoch von der Notwendigkeit mehrerer staatlicher Ebenen unter-schieden werden. Olson (1969, S. 482) betont drei Fälle, die bei der Bereitstel-lung eines lokalen öffentlichen Gutes durch eine Gemeinde bzw. eine Jurisdikti-on auftreten können. Im Idealfall stimmt die Größe der JurisdiktiJurisdikti-on mit den Grenzen überein, innerhalb derer dass öffentliche Gut konsumiert werden kann.

Zum zweiten ist es aber auch möglich, dass das lokale öffentliche Gut in gerin-gerem Ausmaß bereitgestellt wird, als es dem Gebiet der Jurisdiktion entspricht.

Drittens kann das lokale Gut aber auch über die Jurisdiktion hinaus Externalitä-ten verursachen, die dann auf die anderen (benachbarExternalitä-ten) Jurisdiktionen wirken.

(Tiebout 1956, S. 419), wie bspw. kostenlose und vollständige Mobilität, zustande. Au-ßerdem werden die durch die Clubtheorie besonders betonten Auswirkungen des Con-gestion-Effekts und mögliche Economies of Scale nicht beachtet (Zimmer-mann/Kahlenborn 1994, S. 42). Caplan (2001) betont dabei, dass bei der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter immer Ineffizienzen bestehen bleiben, da durch die jeweiligen Wahlen der lokalen Regierung die Bürger ihre Präferenzen nicht vollständig vermitteln können. Außerdem haben in lokalen Gemeinden dauerhaft sesshafte Bewohner seiner Meinung nach mehr Einflussmöglichkeiten auf die lokale Regierung und können ihre Interessen besser durchsetzen.

94 Apolte (2001) weist jedoch darauf hin, dass ein Wettbewerb zwischen den Staaten nicht unbedingt den einzelnen Staat „zähmen“ muss, da er nach wie vor eine gewisse Mono-polmacht gerade bei der Besteuerung von immobilen Faktoren besitzt.

95 Die EU betont, eine Politik der Förderung der Regionen zu betreiben. „Das typische Kennzeichen ‚Europäischer Regionen’ ist jedoch, dass sie durch Beschluss von oben festgelegt werden und ganz wesentlich von den Subventionen der EU (und nationaler Regierungen) abhängen“ (Frey 1997, S. 43).

Negative externe Effekte werden dann in zu großem und positive in zu geringem Ausmaß produziert, da sie durch den Produzenten nicht berücksichtigt werden.

Auf Grund der zweiten und dritten Beobachtung folgert Olson (1969, S. 483)

„that there is a need for a separate governmental institution for every collective good with a unique boundary, so that there can be a match between those who receive the benefits of a collective good and those who pay for it.” Erst dann ist der Zustand einer effizienten Ressourcenallokation erreicht, den Olson (1969, S.

483) als „fiscal equivalence“ bezeichnet.96 Jede Jurisdiktion sollte folglich derart gestaltet sein, dass sich Nutzenempfänger und Kostenträger jeweils entsprechen.

Eine „optimale“ Jurisdiktion verwirklicht auf diese Weise die Bedingungen ei-nes „optimalen“ Clubs. Aus ökonomischer Sicht sind somit ideologische und politische Zentralisierungs- und Dezentralisierungsbestrebungen abzulehnen.

Vielmehr erhalten die unterschiedlichen staatlichen Ebenen ihre Legitimation aus der Internalisierung der Externalitäten öffentlicher Güter. Dies schließt so-wohl internationale Organisationen als auch unterste lokale Ebenen ein. Zim-mermann/Kahlenborn (1994, S. 43) betonen jedoch, dass es trotz einer Internali-sierung der Externalitäten durch eine höhere staatliche Ebene zu Ineffizienzen kommt, da die einzelnen Individuen, in deren Interesse nun eine Institution ent-scheidet, nach wie vor unterschiedliche Präferenzen haben. Die Wahl der „bes-ten“ föderalen Ebenen führt in ihren Augen letztlich zu einem Abwägungspro-zess zwischen dem Grad der Verschiedenheit der Präferenzen und der relativen Größe der externen Effekte.97

Casella/Frey (1992) übertragen diese Gedankengänge auf die Entwicklung der EU. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Clubtheorie soll Europa in ihren Augen jedoch kein hierarchisches föderalistisches System mit einer Organisati-onsstruktur im Sinne einer Pyramide werden. Vielmehr stehen flexible

96 In einer weiteren Arbeit verdeutlicht Olson (1979, S. 183) seine Argumentation am Beispiel des Umweltschutzes: „We are considering an environmental problem, the ame-lioration of which would bring more gains than the costs, but there are more losers than gainers from solving the problem. If national taxes pay for the solution of the local envi-ronmental problem, then even if the benefits from dealing with local problem greatly exceed the costs, the number of losers will normally greatly exceed the number of gain-ers. Thus we cannot expect a national jurisdiction […] to deal adequately with local problems.” In einer interessanten Analyse wendet Sinn (1994) das Konzept des fiscal federalism auf die Aufgabengestaltung der EU an.

97 Hochman/Pines/Thisse (1995) heben besonders den Aspekt der geographischen Beson-derheiten in den jeweiligen lokalen Jurisdiktionen hervor. Während nach Olson (1969) jedes öffentliche Gut die Notwendigkeit einer bestimmten Regierungsebene hervorruft, führen sie „metropolitan governments“ ein, die innerhalb ihres Gebietes die gesamten lokalen öffentlichen Güter produzieren. „In consequence, decentralization à la Tiebout is now based on territories rather than goods as in club theory à la James M. Buchanan (1965), thus reversing the perspective of fiscal federalism” (Hochman/Pines/Thisse 1995, S. 1224). Siehe auch Scotchmer (2002).

tionsformen wie Clubs im Mittelpunkt ihrer Analyse: „In particular, Europe may be approaching a system of ‚functional federalism’: A regime where individuals organize themselves in a pattern of overlapping jurisdictions without explicit ranking, with each jurisdiction responsible for the provision of a specific class of public goods. […] regions belonging to different states may form cooperative agreements without passing through the higher jurisdictional level. The agree-ments have variable membership, depending on the scope of the policy under consideration, and each single unit may therefore form treaties with different other units, in a highly decentralized system of intersecting alliances”

(Casella/Frey 1992, S. 640). Auch Schäfer (1995) glaubt, dass mit Hilfe der Clubtheorie der Integrationsprozess der EU am effizientesten gestaltet werden kann. Sie erlaubt es, dass die Integration Europas, das einen sehr heterogenen Raum darstellt, nach ökonomischen Gesetzen und nicht nach politischen Ziel-setzungen verläuft. Jedes Individuum wird Mitglied verschiedener Clubs, die jeweils bestimmte öffentliche Güter anbieten. So kommt es letztlich zu einer be-stimmten Anzahl sich überlappender Jurisdiktionen, die sich allein durch die Nachfrage und somit Präferenzen der Individuen ergibt (Schäfer 1995, S. 56).

Da die Individuen ihre Clubs frei wählen können, entsteht zusätzlich Wettbe-werb zwischen den Jurisdiktionen. Dieser ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Clubmitgliedschaft nicht mehr vom Wohnort eines Individuums abhän-gig ist. Aus diesem Grund können die Individuen, im Sinne Tiebouts (1956), ih-ren Präfeih-renzen nahezu transaktionskostenfrei folgen. „To sum up, functional federalism in the concept of overlapping integration areas implies fiscal federal-ism, minimizes the costs of providing public (club) goods, and, because (club) members are mobile, forces institutions to compete with one another as well as to minimize fees and debts“ (Schäfer 1995, S. 58).98 Die unterschiedlichen regi-onalen Reichweiten der Clubs ergeben sich auf diese Weise nach Maßgabe der Bürgerpräferenzen und des Congestion-Effekts in Verbindung mit den Vorteilen der Kostenteilung, wobei sie sich in einem spontanen Marktprozess fortlaufend verändern können (Apolte 1995, S. 616).99 Dieses Konzept für die EU wird letztlich von Frey (1997, S. 9) als „FOCJ“ bezeichnet, das aus den Anfangs-buchstaben der vier Komponenten „Functional, Overlapping, Competing Jurisdictions“ gebildet wird. Es unterscheidet sich grundlegend vom heutigen Aufbau und Föderalismus der EU. Vielmehr bilden die FOCJ ein anpassungsfä-higes föderales Netz von Regierungseinheiten, das stets eng an die Präferenzen der Bürger gebunden bleibt und sich der „Geographie der Probleme“ (Frey 1997, S. 13) anpasst. FOCJ sind funktional. In den spezialisierten

98 Breuer (1999) diskutiert beispielsweise Ansätze einer wettbewerblichen Organisation der Sozialversicherung in westlichen Industrieländern mit Hilfe der Clubtheorie.

99 Schäfer (1995, S. 53) weist zudem darauf hin, dass durch den Wettbewerb rent seeking-Aktivitäten vermieden werden. Es ist nun nicht mehr möglich, politische Renten als be-triebswirtschaftliche Gewinne zu erzielen (Straubhaar 1996, S. 233).

ten entsprechen sich Leistungsempfänger und Kostenträger. Sie überlappen sich, da die Individuen ganz unterschiedlichen Bündeln von Jurisdiktionen angehö-ren. Darüber hinaus sind die FOCJ wettbewerblich geprägt. Zum einen herrscht durch die Austrittmöglichkeiten der Mitglieder Wettbewerb untereinander. Zum anderen sichert das Wahl- bzw. Stimmrecht der Mitglieder aber auch den politi-schen Wettbewerb innerhalb der FOCJ. Außerdem sind FOCJ Jurisdiktionen, da sie innerhalb ihrer jeweiligen Grenzen die Zwangsgewalt und Steuerhoheit be-sitzen (Frey 1997, S. 14 -17). Insgesamt sind sie derart konzipiert, dass sie die Vorteile des Föderalismus noch konsequenter ausnutzen.100 Das Angebot an öf-fentlichen Gütern wird gezielt nach den Präferenzen der Bürger ausgerichtet (werden müssen). Durch den Wettbewerb kommt es zu Angebotsdifferenzierung, Kostensenkung und Innovation (Frey 1997, S. 32 -33). Auch räumliche Externa-litäten werden vermieden, da sich die FOCJ entsprechend der Geographie der Probleme bilden und sich nicht etwa nach den traditionellen Grenzen richten.101 Ebenso können Economies of Scale bei der Bereitstellung der Güter ausgenutzt werden (Frey 1997, S. 34). Das Konzept der FOCJ hat daher nicht nur eine gro-ße Bedeutung für die aktuelle Situation der EU, sondern zeigt seine Vorteile be-sonders bei Fragen der EU-Erweiterung. Die Länder, die der EU beitreten wol-len, können nach dem Konzept der FOCJ auf den Feldern nach Kooperation su-chen, wo auch wirklich eine Nachfrage für Kooperation besteht. Sie werden durch die Politik nicht mehr zur Kooperation auf allen Gebieten unter bestimm-ten harmonisierbestimm-ten Regeln gezwungen, die die ökonomischen Probleme der In-tegration nicht lösen können.102 Vielmehr findet Integration nur noch dort statt, wo sowohl die EU-Mitglieder als auch die Beitrittskandidaten positive Nutzen für sich erwarten und wo ihre jeweilige Zahlungsbereitschaft entsprechend ge-geben ist. Dies senkt die Kosten der Integration, die nun keine

100 Frey (1997, S. 48 -50) betont, dass das Konzept der FOCJ die Gedanken von Tiebout (1956), Buchanan (1965) und Olson (1969) in sich vereinigt.

101 Die flexible Anpassung an auftretende Externalitäten ist eine entscheidende Stärke des Konzepts der FOCJ. So verdeutlichen Cremer/Marchand/Pestieau (1997) den Entschei-dungsprozess innerhalb einer Jurisdiktion, ein lokales öffentliches Gut zu produzieren, das positive externe Effekte für benachbarte Jurisdiktionen bewirkt. Fehlt es an der Fle-xibilität der FOCJ, so wird dieses Gut in zu geringem Umfang oder auch gar nicht be-reitgestellt. Darüber hinaus können die zwischen den Jurisdiktionen auftretenden Exter-nalitäten auch nicht im Sinne des Coase-Theorems durch eine Verhandlungslösung in-ternalisiert werden. Jéhiel (1997) zeigt, dass es dabei immer zu Ineffizienzen kommt.

102 Die heutigen Beitrittskandidaten sind beispielsweise verpflichtet, den „aquis commu-nautaire“, sowie konkrete Anforderungen an das politische System und die Wirtschafts-ordnung zu akzeptieren (Theurl/Meyer 2001, S. 49). Die beobachtbaren Differenzierun-gen bei der EU-Integration werden durch die Politik als zeitliche Ausnahmen und unwillkommene Abweichungen betrachtet (Frey/Eichenberger 2000, S. 9). Vgl. ebenso die Ausführungen zum Dezentralisierungstheorem nach Abb. 10.

Nichts“-Frage mehr darstellt (Frey/Eichenberger 2000, S. 9).103 Da durch die FOCJ der Integrationsprozess insgesamt präferenzsensibel wird, stärkt dies zu-sätzlich die Solidarität der Mitglieder untereinander, obwohl diese immer hete-rogener werden. Auch ist die EU auf diesem Weg in der Lage, ihr Demokratie-defizit abzubauen (Frey/Eichenberger 2000, S. 16).

Neben all diesen positiven Aspekten gibt es aber auch Bedenken, die im Zusammenhang mit FOCJ geäußert werden. So entstehen durch den Austritt einzelner Bürger und vor allem ganzer Gebietskörperschaften unerwünschte Allokationseffekte, die auch die Einkommensverteilung beeinflussen. Deshalb werden Austritt und Abwanderung nie auf die einmütige Zustimmung aller sto-ßen. Um diese hohen Kosten des Austritts vermeiden zu können, sind nach Frey (1997, S. 20) bereits bei der Gründung von FOCJ Verfahrensregeln einzuführen, die die notwendigen Modalitäten des Austritts festlegen. Darüber hinaus wehrt sich Frey (1997, S. 21) gegen das Argument, dass der einzelne Bürger in einem föderalen Netz von FOCJ überfordert sei, da in den einzelnen Jurisdiktionen

Neben all diesen positiven Aspekten gibt es aber auch Bedenken, die im Zusammenhang mit FOCJ geäußert werden. So entstehen durch den Austritt einzelner Bürger und vor allem ganzer Gebietskörperschaften unerwünschte Allokationseffekte, die auch die Einkommensverteilung beeinflussen. Deshalb werden Austritt und Abwanderung nie auf die einmütige Zustimmung aller sto-ßen. Um diese hohen Kosten des Austritts vermeiden zu können, sind nach Frey (1997, S. 20) bereits bei der Gründung von FOCJ Verfahrensregeln einzuführen, die die notwendigen Modalitäten des Austritts festlegen. Darüber hinaus wehrt sich Frey (1997, S. 21) gegen das Argument, dass der einzelne Bürger in einem föderalen Netz von FOCJ überfordert sei, da in den einzelnen Jurisdiktionen