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III. Das politische System der Europäischen Union

III.2. Exkurs: Multi-Level-Governance

III.3.2. Die Eurozone

Unter dem Begriff „Eurozone“ werden im Folgenden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammengefasst, die im Rahmen der Europäischen Wirt-schafts- und Währungsunion (EWWU) die gemeinsame europäische Währung, den „Euro“, eingeführt haben. Die Eurozone besteht zurzeit aus insgesamt 16 Mitgliedstaaten.225 Diese haben einen wesentlichen Teil ihrer staatlichen Souve-ränität und Kompetenzen im Bereich der Geldpolitik an das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) bzw. an die Europäische Zentralbank (EZB) abgege-ben. Das Europäische System der Zentralbanken umfasst die Europäische Zent-ralbank und alle nationalen ZentZent-ralbanken der 27 EU-Mitgliedstaaten. Da die Rechtstexte, die das ESZB begründen, von der Annahme ausgehen, dass alle EU-Mitglieder den Euro einführen werden, muss – bis dies der Fall ist – eine weitere begriffliche Unterscheidung gemacht werden: Die EZB und die Natio-nalbanken der EU-Mitgliedsländer, die den Euro bereits eingeführt haben, wer-den unter dem Begriff „Eurosystem“ zusammengefasst. Das Eurosystem ist also eine Teilmenge des ESZB. Um sich in dieser komplexen Thematik leichter ori-entieren zu können, bietet sich zunächst ein historischer Rückblick auf die Ent-wicklungen der EWWU an.

III.3.2.1. Die Schritte zur Verwirklichung der EWWU

Der Ausgangspunkt zur Realisierung der heutigen Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion war der so genannte Werner-Plan von 1970. Dieser sah vor, in Europa innerhalb von drei Phasen eine Wirtschafts- und Währungsunion zu verwirklichen. Der Begriff „Wirtschaftsunion“ bezeichnet dabei einen einheitli-chen Markt mit freiem Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr.

Eine „Währungsunion“ stellt einen Raum dar, in dem im Hinblick auf gemein-same makroökonomische Ziele die Politiken gemeinsam gestaltet werden. Zu-dem ist sie durch eine uneingeschränkte, irreversible Konvertibilität der Wäh-rungen, eine vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs sowie eine volle Integration der Banken- und sonstigen Finanzmärkte gekennzeichnet (vgl. Ver-dun 2003, S. 315). Rückwirkend betrachtet war der Werner-Plan seiner Zeit vo-raus und scheiterte vor allem daran, dass durch den Zusammenbruch des bis da-hin bestehenden Bretton-Woods-Systems226 im Jahr 1973 die internationale Währungsordnung komplett in Umbruch geriet. Nach einer Übergangszeit in

225 Diese sind: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern (Stand Februar 2009).

226 Im Bretton-Woods-System waren alle Währungen durch feste Wechselkurse an den US-Dollar gekoppelt, während der US-US-Dollar an Gold gebunden war (vgl. Ellerbeck/Harant 2005, S. 3)

den 70er Jahren trat dann 1979 der Europäische Wechselkursverbund in Kraft, dem formal alle EG-Mitglieder angehörten. Kern war die Einführung eines Wechselkursmechanismus in Form der „European Currency Unit“ (ECU). Durch den festgelegten ECU-Leitkurs als Bezugsgröße wurden die Wechselkurse aller beteiligten Staaten untereinander bestimmt. Die tatsächlichen Wechselkurse durften von ihrem mit Hilfe des ECU festgelegten Wechselkurs nur um 2,25%

nach oben oder unten abweichen. Gab es eine stärke Abweichung, so mussten die Notenbanken beider Länder entsprechend auf dem Devisenmarkt eingreifen, bis sich der Kurs wieder in der definierten Bandbreite befand. Auf Antrag konn-ten die Gewichte der Währungen untereinander alle fünf Jahre überprüft und erforderlichenfalls revidiert werden. Voraussetzung hierfür war die Zustimmung aller Mitglieder des Europäischen Wechselkursverbundes.

Im Zuge der Einheitlichen Europäischen Akte erhielt die Europäische Kommission unter dem Vorsitz von Jacques Delors den Auftrag, konkrete Schritte zu einer Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion zu erar-beiten. Der darauf vorgelegte Bericht lehnte sich inhaltlich eng an den Werner-Entwurf aus dem Jahr 1970 an und beinhaltete ebenfalls drei Phasen zur Ent-wicklung der Wirtschafts- und Währungsunion.227 Die erste Phase forderte die Vollendung des Binnenmarktes auch für den Kapitalverkehr. Als zweite Stufe war der Beitritt der EG-Mitgliedstaaten in das Europäischen Währungssystem vorgesehen. Dabei sollten die Bandbreiten der Wechselkurse innerhalb des Eu-ropäischen Währungssystems schrittweise verengt und Anpassungen nur noch in Ausnahmesituationen zugelassen werden. Ungleichgewichte zwischen den Mit-gliedsländern sollten durch eine intensive Überwachung der Wirtschaftsentwick-lung und Haushaltspolitik der jeweiligen Staaten vermieden werden. Die dritte Phase bedeutete die Abgabe der geldpolitischen Kompetenzen an eine Europäi-sche Zentralbank, die den Status eines Organs der EuropäiEuropäi-schen Gemeinschaft bekommen sollte. Dabei war geplant, die Wechselkurse zwischen den europäi-schen Währungen unwiderruflich festzuschreiben und eine europäische Wäh-rung einzuführen. Das Europäische Zentralbanksystem sollte aus einem institut und den nationalen Zentralbanken bestehen. Die Europäische Zentral-bank als Zentralinstitut sollte die Geldpolitik und die Wechselkurspolitik gegen-über Drittstaaten gegen-übernehmen. Die nationalen Zentralbanken sollten die Be-schlüsse der Europäischen Zentralbank entsprechend umsetzen. Des Weiteren legte der Delors-Bericht als Ziel des europäischen Zentralbanksystems die Preis-stabilität fest und bestimmte die Unabhängigkeit des Zentralbanksystems von Weisungen der nationalen Regierungen und Gemeinschaftsorgane Europas.

Dieser Bericht wurde vom Europäischen Rat 1989 in Madrid als Strategie zur Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

227 Vgl. ebenfalls McNamara (2005), Verdun (2003) und Scheller (2004), der die hier auf-gezeigte Entwicklung sehr detailliert darstellen.

nommen. Er stellte die Grundlage für die 1991 folgenden Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs in Maastricht dar. So wurden in dem Vertrag von Maast-richt, der erst 1993 in Kraft trat, die entscheidenden vertraglichen Abmachungen zur Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion inner-halb der ersten Säule der Europäischen Union getroffen.228 Begünstigend für diese Entwicklung waren zudem die Ereignisse im Zusammenhang mit der deut-schen Wiedervereinigung. Zum einen hatte sich die D-Mark im europäideut-schen Wechselkursverbund zur Leitwährung entwickelt. Zum anderen veränderte das vereinigte Deutschland das bisher gültige Machtgefüge in Europa, so dass insbe-sondere Frankreich aber auch weitere EU-Mitglieder darauf achteten, Deutsch-land stärker in die Gemeinschaft einzubinden. Um den Einfluss der Deutschen Bundesbank auf die eigene Geldpolitik nicht zu groß werden zu lassen, wollte Frankreich durch die Einführung des Euro Einfluss auf die Geldpolitik zurück-gewinnen. Daher drang es auf einen Übergang zu einer Währungsunion spätes-tens bis zum 1. Januar 1999.

Zusammenfassend beurteilt stellen die Entscheidungen von Maastricht ei-nen Kompromiss zwischen der deutschen und der französischen Verhandlungs-position dar. Frankreich pochte auf die schnelle Einführung einer europäischen Währung, während Deutschland eine parallele politische und wirtschaftliche In-tegration forderte. Letztlich wurde die Einführung der Währungsunion beschlos-sen. Dem gegenüber stand jedoch eine Reihe von stabilitätspolitischen Vorkeh-rungen. Zusätzlich wurde die europäische Zentralbank nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität verpflichtet und es wurde ihr eine weitgehende Weisungsunabhängigkeit von anderen Ge-meinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten eingeräumt (vgl. Tilch 2000, S. 5 – 15). Wie ursprünglich durch Werner und Delors vorgesehen können zur Verwirk-lichung der EWWU insgesamt drei Abschnitte identifiziert werden (vgl. Ellerb-eck/Harant 2005, S. 6 – 7).229 Die erste Stufe bedeutete die Vollendung des EU-Binnenmarktes mit seinen vier Freiheiten (freier Verkehr für Personen, Güter, Dienstleistungen und Kapital). Weitere Punkte waren hier die Einbeziehung aller EU-Staaten in den Wechselkursmechanismus, die Konsolidierung der öffentli-chen Haushalte und die Harmonisierung der Geld- und Währungspolitik sowie der Bankenaufsicht der Mitgliedstaaten. Prägend für die zweite Stufe ist die Gründung des Europäischen Währungsinstituts als Vorläufer der Europäischen Zentralbank. Ziel war es, die Geldpolitik der EU-Mitgliedstaaten stärker zu ko-ordinieren und die nationalen Rechtsvorschriften an die zukünftige ESZB-Satzung anzupassen. Dies galt insbesondere für die Unabhängigkeit der Zentral-banken und das Verbot der Kreditvergabe an staatliche Haushalte. Die dritte Stu-fe wurde am 1. Januar 1999 rechtsverbindlich wirksam. Als Wichtigstes ist hier

228 Vgl. Kapitel III.3.1.

229 Siehe ebenfalls Tilch (2000, S. 13 – 36) und Scheller (2004, S. 20 – 28).

der Übergang der geld- und währungspolitischen Zuständigkeit von den nationa-len Zentralbanken auf das Europäische System der Zentralbanken zu nennen, welches sich, wie eingangs beschrieben, aus der EZB und den nationalen No-tenbanken zusammensetzt. Ebenso erfolgte die unwiderrufliche Fixierung der Wechselkurse der nationalen Währungen untereinander und damit auch zum Eu-ro. Dieser wurde als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt und ersetzte den ECU im Kurs 1:1. So ist die Einführung des Euro als eine Währungsumstellung und nicht als eine Währungsreform zu beurteilen. Die Ausgabe der Euro-Banknoten und Münzen erfolgte 2002. Diejenigen Mitgliedstaaten, die nicht an der Währungsunion teilnehmen, sind von allen Rechten und Verpflichtungen des ESZB entbunden. Sie behalten ihre nationalen geld- und währungspolitischen Kompetenzen. Zudem ruht das Stimmrecht dieser Staaten bei Beschlüssen des Rats zu Fragen der Wirtschafts- und Währungspolitik (Tilch 2000, S. 34).

„In a nutshell, the period between 1957 and 1998 led from the signing of the Treaty of Rome to the single currency. It was also a period when people learned to manage an entirely fiduciary currency whose purchasing power is based on trust rather than intrinsic value. The Treaty of Maastricht sanctions principles of central banking and monetary policy that were identified through scholarly research and policy experience. These principles have gained growing support in the public opinion, and were finally adopted by a wide component of the political spectrum. In a sense, the Treaty embodies what was learned about central bank policies throughout the twentieth century” (Padoa-Schioppa 2004, S. 19). Zur Abrundung der Historie ist natürlich noch zu hinterfragen, welche Ziele neben den dargestellten machtpolitischen Aspekten mit der Einführung der EWWU „offiziell“ verfolgt wurden. Diese sind in Artikel 2 und 3 des Vertrags von Maastricht enthalten: „Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errich-tung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 3a genannten gemein-samen Politiken oder Maßnahmen eine harmonische und ausgewogene Entwick-lung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, ein beständiges, nicht-inflationäres Wachstum, einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleis-tungen, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozia-len Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern“

(Art. 2 EUV). Somit finden sich in dem Auszug aus dem Vertrag von Maastricht alle Eckpunkte des so genannten volkswirtschaftlichen „magischen Vierecks“

wieder: Stetiges Wirtschaftswachstum, Preisniveaustabilität, Zahlungsbilanzaus-gleich und Vollbeschäftigung. Das Ziel der EWWU ist es folglich, den Erhalt des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“, welches sich bei Erfüllung aller vier Eckpunkte ergibt, dauerhaft zu sichern und auf diese Weise den engeren Zu-sammenhalt und die Integrationsdynamik der Europäischen Union zu erhöhen (vgl. Renne 2001, S. 43). Eine ökonomische Vertiefung wird somit der

politi-schen Integration vorangestellt (vgl. Hillenbrand 2007b). Um dies zu erreichen, beruht die EWWU – wie die Bezeichnung bereits deutlich macht – auf zwei eng zusammenhängenden Komponenten, die im Folgenden aufgezeigt werden sol-len. Die erste Komponente ist die Koordinierung der Wirtschafts- und Budget-politik der einzelnen Mitgliedstaaten. Dabei sind diese Politikbereiche in der Verantwortung der Nationalstaaten verblieben. Dennoch muss hier ein Abstim-mungsprozess untereinander erfolgen, um den Integrationsraum Europa derart zu harmonisieren, dass bei Wachstum, Inflation und Beschäftigung in den Mit-gliedstaaten vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können. Dies ist das Auf-gabenfeld der Wirtschaftsunion, die zudem eine Politik verfolgen muss, die der Politik der zweiten Komponente nicht zuwiderläuft. Diese wird eben durch die Währungsunion dargestellt, die mit dem ESZB bzw. der EZB das vorrangige Ziel der Preisstabilität verfolgt. Abschließend wird dann die besondere Rolle der Eurozone beleuchtet, also der Mitgliedstaaten, die innerhalb der EWWU als ein-zige Länder die Gemeinschaftswährung Euro eingeführt haben.

III.3.2.2. Die Wirtschaftsunion

Die Wirtschaftsunion ist durch die vier Freiheiten des Binnenmarktes und durch das Subsidiaritätsprinzip sehr dezentral geprägt. Abgesehen von der Außenwirt-schafts-, der Agrar- und der Struktur- und Regionalpolitik sind in den europäi-schen Verträgen keine Kompetenzen für eine zentrale Wirtschaftspolitik auf die EU-Ebene übertragen worden, so dass die Wirtschaftspolitik primär in der Ver-antwortung der Mitgliedstaaten liegt (vgl. Böttcher 2007). Um die jedoch oben bereits angesprochene notwendige Vereinbarkeit und Abstimmung der nationa-len Wirtschaftspolitiken der Länder mit der europäischen wirtschaftspolitischen Zielsetzung und der europäischen Geldpolitik zu erreichen, sind Koordinie-rungsverfahren vorgesehen. Bei der Betrachtung der europäischen Wirtschafts-union muss man sich folglich stets bewusst sein, dass hier die europäische Ebe-ne lediglich die politischen Ziele bzw. Werte vorgibt.230 Die Umsetzung der Maßnahmen zur Erreichung dieser Zielvorgaben erfolgt dann durch die Ent-scheidungen der Mitgliedstaaten, deren Handeln zudem in die europäische Geldpolitik eingebettet ist. Somit kommt der Koordinierung der Wirtschaftspoli-tik in Europa die entscheidende Bedeutung zu: „The entire matter of the EU economic constitution’s effectiveness hinges on the effectiveness of its policy coordination“ (Padoa-Schioppa 2004, S. 46). Auf diese Weise wird die Koordi-nierung von Politikbereichen zu einem Verfahren des Regierens. „Weder werden auf der Unionsebene im Rat rechtlich verbindliche Politikentscheidungen wie bei der intergouvernementalen Zusammenarbeit getroffen, noch findet eine

230 Renne (2001, S. 48) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Gemeinschaftsdiszip-lin“, nach der die Mitgliedstaaten mit ihrer Wirtschaftspolitik „einem Grundkanon ge-meinsamer wirtschaftspolitischer Werte“ folgen.

Vergemeinschaftung wie bei der so genannten Gemeinschaftsmethode statt. Das Ziel ist nicht die Schaffung, Harmonisierung oder Supranationalisierung allge-meinverbindlicher Regeln und Institutionen, sondern eine Konvergenz und An-passung nationaler Politiken oder von Politikergebnissen“ (Linsenmann 2007a, S. 294).

Der Prozess der Politikgestaltung lässt sich grundsätzlich wie folgt charak-terisieren: Der Europäische Rat verabschiedet in bestimmten Abständen wirt-schaftspolitische Schlussfolgerungen und wirkt in den betreffenden Bereichen als oberste Instanz zur Setzung von Leitideen. Die eigentliche Koordinierung der Politik findet jedoch durch den Rat der Europäischen Union statt. Hier nimmt der Ecofin-Rat, der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (Economic and Financial), die zentrale Position ein. Er tagt mindestens monatlich und trifft in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Beamtengremien, den Fachausschüs-sen sowie mit Arbeitsgruppen, in denen auch Beamte der Kommission, der Mit-gliedstaaten oder auch der EZB zu finden sind, seine Entscheidungen. Der Kommission fällt die Rolle zu, Vorschläge für Leitlinien und Empfehlungen zu entwickeln und Berichte im Rahmen der Überwachung der Mitgliedstaaten zu erstellen. Auf der „Arbeitsebene“ leistet sie somit auch einen Teil der organisato-rischen Arbeit. Das Europäische Parlament wird in der Regel nur unterrichtet bzw. angehört. Es kann selbst nur durch Initiativberichte zur europäischen Mei-nungsbildung beitragen.231 Die aus diesen Prozessen entstehenden Methoden der Koordinierung lassen sich grundsätzlich in „weiche“ und „harte“ Methoden un-terscheiden. Je nach Politikbereich haben sich so unterschiedliche Entschei-dungs- und Führungsprozesse entwickelt, die hier jedoch nicht umfassend dar-gestellt werden können. Nach Padoa-Schioppa (2004, S. 46 – 47) lassen sie sich allerdings wie folgt weiter strukturieren, um einen kleinen Einblick zu bekom-men. So fallen unter die „weiche“ Koordinierung zum einen die Formen der po-litischen Konsultationen bzw. der Überwachung von Mitgliedstaaten. Zum ande-ren stellt aber auch der geförderte Wettbewerb untereinander eine weiche Koor-dinierungsmaßnahme der europäischen Wirtschaftspolitik dar. Das entscheiden-de Kennzeichen entscheiden-der weichen Koordinierungsformen besteht somit darin, dass seitens der europäischen Union keine weitergehenden Sanktionen gegen Mit-gliedstaaten verhängt werden können, die von den vom Rat verabschiedeten Leitideen abweichen. Die einzige Form der Sanktion besteht hier darin, die meist auf Berichten der Kommission beruhenden Empfehlungen des Rats für einzelne abweichende Mitgliedstaaten offen darzulegen, um so durch öffentli-chen Druck die weitere Zusammenarbeit innerhalb Europas erreiöffentli-chen und för-dern zu können. Auch die bereits erwähnte „Offene Methode der Koordinie-rung“232 stellt eine „weiche“ Maßnahme zur Weiterentwicklung der

231 Vgl. zur Charakterisierung des Politikprozesses Wessels (2008, S. 368 – 369).

232 Vgl. Kapitel III.3.1.3.

schen Wirtschaftspolitik dar. Insgesamt urteilt Wessels (2008, S. 384), dass die Mitgliedstaaten mit den bisher erreichten Ergebnissen durch die „weichen“

Koordinierungsmaßnahmen selbst nicht einverstanden sind. Daher wurde durch den Europäischen Rat im Jahr 2000 die Lissabon-Strategie entwickelt, die 2005 weiterentwickelt worden ist. Im Vordergrund steht hier, wirtschafts- und be-schäftigungspolitische Maßnahmen stärker zu verknüpfen und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unter eine regelmäßige und genauere Revision zu stellen.233

Die „harten“ Koordinierungsmaßnahmen stellen hingegen die Fälle dar, in denen Sanktionen erstens aufgrund übertragender Kompetenzen oder zweitens aufgrund geltenden Gemeinschaftsrechts gegen Mitgliedstaaten getroffen wer-den können. So stellt die alleinige Autorität der EZB für die Geldpolitik der Eu-ropäischen Union den ersten Fall einer „harten“ Form der Politikkoordinierung dar. Als Beispiel für den zweiten Fall kann der europäische „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ (SWP) genannt werden, der zur Vermeidung von Konflikten zwischen der Wirtschafts- und Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten und der Geldpo-litik der EZB beschlossen worden ist. Mit diesem Pakt soll die notwendige Dis-ziplin aber auch Flexibilität für eine nachhaltige wirtschaftspolitische Leistungs-fähigkeit der Mitgliedstaaten gewährleistet werden (Padoa-Schioppa 2004, S.

54). Der SWP beinhaltet vier Bedingungen, die jeder Mitgliedstaat beim Eintritt in die Währungsunion und auch nach Eintritt in die Eurozone erfüllen muss. Sie werden als die so genannten „Maastrichtkriterien“ bezeichnet (vgl. Ellerb-eck/Harant 2005, S. 13): (1) Preisniveaustabilität, (2) eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand (Schuldenstand des Staates darf maximal 60%

des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und das öffentliche Defizit maximal 3 % des BIP betragen), (3) Einhaltung der normalen Brandbreite des Wechselkursmecha-nismus und (4) Konvergenz der langfristigen Zinssätze. Zur Einhaltung dieser Vorgaben unterliegt die Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten einer nahezu lückenlo-sen Kontrolle:234 Im Sinne „weicher“ Koordinierungsmaßnahmen überwacht die

233 Nach der Reform der Lissabon-Strategie 2005 legt der Europäische Rat auf Grundlage eines Strategieberichts der Kommission eine integrierte Leitidee fest. Zu dieser Vorgabe haben die Mitgliedstaaten dann nationale Reformprogramme zu erstellen und jährlich den Fortschritt an die Kommission zu berichten. Die Kommission selbst beurteilt das nationale Reformprogramm nach den wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Zielvorstellungen der entwickelten Leitidee entwickelt selbst als Gegenstück zu den einzelstaatlichen Programmen ein „Lissabon-Programm der Gemeinschaft“, dass alle auf Gemeinschaftsebene zu treffenden Maßnahmen umfasst. Die Kommission berichtet hierzu jährlich an den Europäischen Rat, so dass dieser bereits jährlich die erzielten Fortschritte kommentieren kann. Am Ende eines Zyklus von drei Jahren werden die in-tegrierten Leitideen, die nationalen Reformprogramme und das Lissabon-Programm der Gemeinschaft auf Grundlage eines neuen Strategieberichts nach den beschriebenen Ver-fahren erneuert und wiederum für drei Jahre umgesetzt. Vgl. Wessels (2008, S. 382 – 383).

234 Die hier kurz beschriebenen Verfahren werden sowohl bei Ellerbeck/Harant (2005, S.

Kommission in Form von Berichten die Lage der Mitgliedsländer. Sollten sich Abweichungen von den formulierten Zielen ergeben, kann der Rat Empfehlun-gen an die betreffenden Mitgliedstaaten richten, die die Funktion einer frühzeiti-gen Warnung besitzen. Eine verschärfte Version stellt die öffentliche Warnung eines Mitgliedlandes dar. Die „harte“ Seite des SWP findet sich in der Vermei-dung eines übermäßigen Haushaltsdefizits. Sollten die Frühwarnungen keine Wirkung erzeugen, kann der Rat nach Feststellung eines übermäßigen Defizits auf Empfehlung der Kommission in einem mehrstufigen Prozess Sanktionen verhängen und verschärfen, wofür zwei Drittel der gewogenen Stimmen der Mitgliedstaaten notwendig sind. Der betroffene Staat selbst darf nicht abstim-men. So kann von einem Staat, der sein Haushaltdefizit nicht bekämpft, die Hin-terlegung einer unverzinslichen Einlage verlangt werden. Diese wird in einem weiteren Schritt in eine Geldbuße verwandelt, sollte das Haushaltsdefizit trotz Einlage nicht innerhalb von zwei Jahren behoben werden. In der Praxis jedoch hat der Ecofin-Rat bisher nicht die notwendigen Mehrheiten erreicht, um trotz fortdauernder Haushaltsdefizite Sanktionen zu verhängen, so dass eine heftige Debatte um die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit entstanden ist.235 Daher

Kommission in Form von Berichten die Lage der Mitgliedsländer. Sollten sich Abweichungen von den formulierten Zielen ergeben, kann der Rat Empfehlun-gen an die betreffenden Mitgliedstaaten richten, die die Funktion einer frühzeiti-gen Warnung besitzen. Eine verschärfte Version stellt die öffentliche Warnung eines Mitgliedlandes dar. Die „harte“ Seite des SWP findet sich in der Vermei-dung eines übermäßigen Haushaltsdefizits. Sollten die Frühwarnungen keine Wirkung erzeugen, kann der Rat nach Feststellung eines übermäßigen Defizits auf Empfehlung der Kommission in einem mehrstufigen Prozess Sanktionen verhängen und verschärfen, wofür zwei Drittel der gewogenen Stimmen der Mitgliedstaaten notwendig sind. Der betroffene Staat selbst darf nicht abstim-men. So kann von einem Staat, der sein Haushaltdefizit nicht bekämpft, die Hin-terlegung einer unverzinslichen Einlage verlangt werden. Diese wird in einem weiteren Schritt in eine Geldbuße verwandelt, sollte das Haushaltsdefizit trotz Einlage nicht innerhalb von zwei Jahren behoben werden. In der Praxis jedoch hat der Ecofin-Rat bisher nicht die notwendigen Mehrheiten erreicht, um trotz fortdauernder Haushaltsdefizite Sanktionen zu verhängen, so dass eine heftige Debatte um die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit entstanden ist.235 Daher

Im Dokument Europa als ein Club voller Clubs W S W (Seite 184-200)