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Herleitung des statisch offenen Mengenmodells

4 Quantifizierung gesamtwirtschaftlicher Effekte mit Hilfe der IO-Rechnung

4.3 Input-Output-Analyse

4.3.2 Herleitung des statisch offenen Mengenmodells

In diesem Kapitel erfolgt die Herleitung des Analysemodells für die Ausstrahlef-fekte der Gesundheitswirtschaft. Die Herleitung erfolgt auf Basis der Gesund-heitswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und den darin enthaltenen speziellen Gesundheits-Input-Output-Tabellen (HIOT).192 Das Modell funktioniert ohne Einschränkung auch für die standardisierten IOTs des statistischen Bundesam-tes, da beide Basistabellen die gleiche Struktur besitzen.

Die Gesundheits-Input-Output-Tabellen (HIOT) der Gesundheitswirtschaft-lichen Gesamtrechnung als Grundlage der Input-Output-Analyse beschreiben quantitativ die güter- und produktionsmäßigen Verflechtungen zwischen den verschiedenen Gesundheitsbereichen, den Wirtschaftsbereichen der gesamten Volkswirtschaft sowie deren Beziehungen zur übrigen Welt über Export- und Importströme.193 Der rein deskriptive Charakter der HIOT wird anhand der IOA um die analytische Auswertung der Interdependenzen in der Leistungserstellung und der Beschäftigung der verschiedenen Wirtschaftssektoren erweitert. Sie dient als Grundlage für Strukturuntersuchungen der Gesundheitswirtschaft so-wie für Analysen der direkten, indirekten und induzierten Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft sowie auf einzelne Teilbereiche.194

Um die quantitative Beschreibung der Güter- und Produktionsverflechtun-gen der HIOT für analytische Zwecke nutzen zu können, wird die Formulierung eines ökonomischen Modells vorausgesetzt.195 Als methodischer Ansatz zur Er-mittlung der gesamtwirtschaftlichen bzw. sektoralen Effekte durch die Leis-tungserstellung innerhalb der Gesundheitswirtschaft wird das offene statische Mengenmodell der Input-Output-Rechnung verwendet. D.h. die Endnachfrage des Modells ist hauptsächlich exogen vorgegeben (offen) und die zeitliche Ab-folge von Reaktionen findet keine Berücksichtigung (statisch).

Auf Basis der Verflechtungsmatrix und Endnachfragematrix der HIOT wird in einem ersten Schritt für jede Gütergruppe eine Funktion des Gesamtaufkom-mens erstellt, die aus der Summe der jeweiligen Güter der intermediären Ver-wendung und Endnachfragekomponenten besteht. Es entsteht das folgende Glei-chungssystem:

192 Vgl. Kapitel 5

193 Vgl. Koschel, H.; Moslener, U.; Sturm, B.; Fahl, U.; Rühle, B; Wolf, H. (2006), S. 109 194 Vgl. Bleses, P. (2007), S. 86ff

195 Vgl. Bulwien, H., Hujer, R., Kokot, S. Mehlinger, C. Rürup, B. (1999b), S. 203

ݔଵଵ൅ ǥ ൅ݔଵ௝ ǥ ൅ݔଵ௡ ൅ܻ ൌ ܺ

ڭ ڭ ڭ ڭ ڭ

ݔ௜ଵ൅ ǥ ൅ݔ௜௝ ǥ ൅ݔ௜௡ ൅ܻ ൌ ܺ

ڭ ڭ ڭ ڭ ڭ

ݔ௡ଵ൅ ǥ ൅ݔ௡௝ ǥ ൅ݔ௡௡ ൅ܻ ൌ ܺ

Jede Zeile des abgebildeten linearen Gleichungssystems beschreibt den Ge-samtoutput (Bruttoproduktionswert) einer homogenen Gütergruppe. Er setzt sich aus den Anteilen der produzierten Güter für die intermediäre Verwendung in den Produktionsprozessen der Produktionsbereiche sowie dem Teil, der an die Endnachfrage geliefert wird, zusammen.196 Aufgrund mathematischer Nebenbe-dingungen darf die Endnachfrage ܻ insgesamt nicht negativ sein. Die Spalten geben an, welche Güter in welcher Höhe in den Produktionsprozess eines jeden homogenen Produktionsbereich einfließen bzw. als Vorleistungen bei der Her-stellung der bereichsspezifischen Produkte und Dienstleistungen verbraucht werden.

Im nächsten Schritt wird durch die Einführung der sogenannten Inputkoeffi-zienten der proportionale Zusammenhang zwischen dem gesamten Output des Sektors ݆ und den intermediären Vorleistungen abgebildet:

ܽ௜௝ൌݔ௜௝

ܺ

Anders formuliert geben die Inputkoeffizienten an, welchen Beitrag das Gut

݅ an der Produktion einer Einheit des Gutes ݆ leistet. Die Normierung der einzel-nen Elemente der Vorleistungsmatrix anhand der Spaltensummen entspricht produktionstheoretisch der Darstellung der durchschnittlichen Technologiestruk-tur des jeweiligen Produktionsbereichs.197 Diese branchenspezifischen Input-funktionen des Typš୧୨ൌ ƒ୧୨כ , werden in das obige lineare Gleichungssystem integriert. In der Matrixschreibweise entsteht folgende Gleichung:

ܣ כ ݔ ൅ ݕ ൌ ݔ

beschreibt eine quadratische nicht negative Matrix der auf das gesamte Aufkommen bezogenen Inputkoeffizienten, šden Spaltenvektor der Bruttopro-duktion und ݕ den Spaltenvektor der gesamten Endnachfrage.198 Zur Ermittlung des von einer exogenen Nachfrageänderung ausgehenden zusätzlichen Produkti-onsvolumens, z.B. als Folge der gestiegenen Nachfrage nach Gesundheitsgütern,

196 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 93

197 Vgl. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) (2004), S.53 198 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 94

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muss das Matrizengleichungssystem nach dem Vektor der Bruttoproduktion aufgelöst werden. Mit der Einheitsmatrix sieht die Lösung des statischen offe-nen Mengenmodells wie folgt aus:

ݔ ൌ ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ݕ

Die Matrix ൌ ൫ െ൯-1 ist unter dem Namen Leontief-Inverse bekannt.

Als Kernelement des offenen statischen Input-Output-Modells ist sie von zentra-ler Bedeutung für die Ermittlung der Auswirkungen auf die Bruttoproduktions-werte infolge einer exogenen Veränderung der Endnachfrageοݕ. Für die Leon-tief-Inverse gelten dabei folgende Feststellungen:199

• Ihre einzelnen Elemente geben an, um wie viele Einheiten sich die Produkti-on bzw. der Output des ProduktiProdukti-onsbereichs verändern muss, um eine Nach-fragesteigerung nach einer zusätzlichen Einheit des Sektors Œfür die End-nachfrage zu erstellen.

• Die sektoralen Spaltensummen der Leontief-Inversen beschreiben den zu-sätzlichen Output aller Sektoren, der infolge einer Nachfrageänderung um ei-ne Einheit nach Gütern des Produktionsbereichs erstellt werden muss (sekt-orale Produktionsmultiplikatoren).

• Die Summe der inversen Koeffizienten der Zeilen eines Produktionsbereichs bestimmt den zusätzlichen Output des Sektors, der benötigt wird, um die um eine Einheit gesteigerte exogenen Nachfrage nach Waren und Dienstleistun-gen aller Gütergruppen bereitstellen zu können.

Die Leontief-Inverse bildet den Ausgangspunkt für die Berechnung von indirek-ten und induzierindirek-ten Effekindirek-ten, die nachfolgend beschrieben wird.

4.3.2.1 Berechnung der indirekten Effekte

Indirekte Effekte beschreiben die ökonomische Wirkung der Produktion auf vorgelagerte Wirtschaftssektoren. Das offen statische Mengenmodell berechnet die Auswirkungen einer veränderten Nachfrage. Aus dieser Nachfrage entsteht zunächst ein Produktionswert in selber Höhe in den entsprechenden Produkti-onsbereichen deren Güter nachgefragt werden, auch direkter Effekt, Erstrunden-effekt oder InitialErstrunden-effekt genannt. Für diese Produktion werden Vorleistungen aus anderen Branchen der Wirtschaft nachgefragt, wodurch es auch dort zu gestei-gerten Produktionseffekten kommt. Diese wiederum beziehen ebenfalls Vorleis-tungen usw., sodass sich der anfängliche Nachfrageimpuls entlang der gesamten Wertschöpfungskette fortführt. Indirekte Effekte beschreiben somit die

199 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 103

chen Effekte, die über den direkten Erstrundeneffekt hinaus aufgrund der Wirt-schaftsverflechtungen in weiteren Wirkungsrunden entstehen, vgl. Abbildung 15. 200

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Arbeitsgemeinschaft Teil C, 1999 Abbildung 15: Wirkungszusammenhänge der indirekten Effekte

Die in jeder Runde entstehenden Produktionseffekte entsprechen dabei der Multiplikation der Koeffizienten der Leontief-Inversen mit dem jeweiligen Vor-rundeneffekt. Die Entwicklung dieses Multiplikatorprozesses über sämtliche Runden lässt sich als Potenzreihe darstellen deren Grenzwert gerade die Summe der Leontief-Inversen ergibt.201 Neben den indirekten Effekten auf den Produk-tionswert können u.a. auch die Ausstrahleffekte auf die Bruttowertschöpfung,

200 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 125 201 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 102ff

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Arbeitnehmereinkommen oder Beschäftige quantifiziert werden, wie die nach-folgende mathematische Herleitung zeigt.

Wie beschrieben ergibt die Multiplikation des Nachfragevektors οݕmit der Leontief-Inversen ൫ െ൯-1 den resultierenden Gesamteffektοݔௗା௜, der die zur Befriedigung der Nachfrageänderung notwendige direkte und indirekte Produk-tion nach ProdukProduk-tionsbereichen darstellt. Somit lassen sich die kumulierten indi-rekten Produktionseffekte folgendermaßen berechnen:

οݔௗା௜ൌ ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ο ݕ

Die Elemente der Leontief-Inversen stellen die sektoralen Produktionsmul-tiplikatoren dar. Sollen anstelle der kumulierten ausschließlich die indirekten Produktionswirkungen ausgewiesen werden, müssen lediglich die direkten An-stoßeffekte von dem generierten Gesamteffekt subtrahiert werden:

οݔൌ ο ݔௗା௜െ ο ݔ

Um neben den Produktionseffekten die durch die gesteigerte Produktion bewirkten Einkommenseffekte ermitteln zu können, muss der bisherige Ansatz um ein geeignetes Zurechnungsmodell erweitert werden. Durch die Erweiterung des offenen statischen Mengenmodells um Einkommensbestandteile ergibt sich folgende Gleichung:202

οݓ ൌ ቄܤ כ ൫ܫ െܣ൯ିଵቅ כ ο ݕ

Die Auswirkungen der Nachfrageänderung auf das sektorale Einkommen lassen sich durch die Multiplikation der Produktionseffekte mit der Diagonalma-trix ܤ ermitteln. Die Elemente der DiagonalmaDiagonalma-trix ܤ beschreiben dabei beson-dere Inputkoeffizienten der Form:203

ܾൌܹ

ܺ

Die Koeffizienten setzen sich aus der gesamten Lohn- und Gehaltssumme der Erwerbstätigen ܹ (Nettolöhne und Gehälter) und dem Produktionswert ܺ des Produktionsbereichs zusammen. Analog zu den sektoralen Produktionsmul-tiplikatoren enthält die neu entstandene Matrix in den geschweiften Klammern die sektoralen Einkommensmultiplikatoren. Wird anstelle einer

202 Vgl. Bulwien, H., Hujer, R., Kokot, S. Mehlinger, C. Rürup, B., Voßkamp, T. (1999b), S.

213f

203 Für die Modellierung der Einkommenseffekte wurden die in der HIOT ausgewiesenen Arbeitnehmerentgelte verwendet.

spezifischen Bezugsgröße die Wertschöpfung des jeweiligen Produktionsbe-reichs berücksichtigt, so lassen sich gemäß der beschriebenen Vorgehensweise auch die gesamtwirtschaftlichen bzw. sektoralen Wertschöpfungseffekte infolge der Produktionssteigerung berechnen.204

Um die Auswirkungen einer autonomen Nachfrageänderung auf die ge-samtwirtschaftliche bzw. sektorale Beschäftigung im Rahmen des offenen stati-schen IO-Modells ermitteln zu können, müssen zunächst sektorale Arbeitskoef-fizienten berechnet und in der Diagonalmatrix angeordnet werden.205 Unter der Annahme der Homogenität der Arbeitskräfte innerhalb eines Produktionsbe-reichs werden zur Berechnung der Beschäftigungseffekte zusätzliche Informati-onen über die sektoralen Erwerbstätigen benötigt.206 Auf Basis von Informatio-nen aus der HIOT beschreibt ein sektoraler Arbeitskoeffizient den Quotienten aus den gesamten in einem Produktionsbereich ݅ beschäftigten Erwerbstätigen und dem Produktionswert des entsprechenden Produktionsbereichs:207

ܣܭൌܤݏ

ܺ

Die ermittelten Arbeitskoeffizienten entsprechen dabei den Kehrwerten der sektoralen Arbeitsproduktivität. Durch die Multiplikation der Leontief-Inversen mit den Arbeitskoeffizienten208 ergeben sich letztendlich die resultierenden Be-schäftigungseffekteοܧ, für die gilt:209

οܧ ൌ ቄܣܭ כ ൫ܫ െܣ൯ିଵቅ כ ο ݕ ൌ ܣܭ כ ο ݔௗା௜

Durch Addition der einzelnen nachfrageinduzierten sektoralen Beschäfti-gungseffekte ergibt sich der gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffektοܧ. Der Wert für den gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekt variiert dabei in Abhängigkeit von den zugrundeliegenden Arbeitskoeffizienten. D.h. wenn zur Berechnung der Arbeitskoeffizienten die geleisteten Arbeitsstunden herangezo-gen werden, so beschreibt die Summe des Vektors den zusätzlichen Gesamtbe-darf an Arbeitsstunden als Resultat der gesteigerten Produktionstätigkeit. Dem-gegenüber wird bei der Verwendung sektoraler Erwerbstätigenzahlen der ent-standene Beschäftigungseffekt direkt in Personen ausgedrückt. Analog zu den

204 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 461ff

205 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 114 206 Erforderliche Daten der Erwerbstätigen befinden sich ebenfalls in den HIOTs.

207 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 148ff 208 Angeordnet in einer Diagonalmatrix

209 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 114 Sebastian Hesse - 978-3-653-02751-8

Produktions- und Einkommensmultiplikatoren lassen sich aus der Matrix in den geschweiften Klammern die sektoralen Beschäftigungsmultiplikatoren ablesen.

4.3.2.2 Berechnung der induzierten Effekte

Induzierte Effekte bilden ebenfalls die wirtschaftlichen Effekte mehrerer Wir-kungsrunden ab. Anstelle der Vorleistungswirkung der indirekten Effekte, quan-tifizieren induzierte Effekte allerdings die Wirkung des Einkommen-Konsum-Kreislaufs. Neben dem Einsatz von Vorleistungsgütern fließt in den Produkti-onsprozess hauptsächlich der Produktionsfaktor Arbeit der Erwerbstätigen ein.

Diese werden für ihre geleistete Arbeit entlohnt. Das entstandene Einkommen steht nun wiederum zum Konsum zur Verfügung und generiert zusätzliche Nachfrage, sodass ein mehrstufiger Kreislauf zwischen Produktion-Entlohnung-Konsumnachfrage entsteht, den die indirekten Effekte modellieren.

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Arbeitsgemeinschaft Teil C, 1999 Abbildung 16: Wirkungszusammenhänge zur Ermittlung der induzierten Effekte

Um dies im Leontief-Modell simulieren zu können, wird der private Kon-sum endogenisiert. Als Resultat der Wiederverausgabung von Löhnen und Ge-hältern lassen sich die induzierten Effekte als Rückkopplung zwischen den zu-sätzlichen, infolge der gesteigerten Nachfrage entstandenen, Einkommen und dem Konsum modellieren (vgl. Abbildung 16). Die Berücksichtigung des Ein-kommenskreislaufs basiert auf der Aufnahme einer Konsumfunktion in das sta-tische IO-Modell.

Die induzierten Wirkungen berücksichtigen die, durch die Konsumausgaben der Beschäftigten aller Sektoren ausgelösten ökonomischen Effekte, die infolge der gesteigerten Nachfrage mit der zusätzlichen Produktion von Gütern oder der Bereitstellung von Dienstleistungen beauftragt wurden. Um die volkswirtschaft-lich wirksamen Konsumausgaben zu quantifizieren, muss in einem ersten Schritt die aus der unmittelbaren Nachfragesteigerung resultierende Gesamtproduktion οšermittelt werden.210 Durch den zusätzlichen Output entsteht ein zusätzliches Einkommen in Höhe vonο™, das multipliziert mit den Konsumquoten zu zu-sätzlicher Konsumnachfrage ο…führt. Zur Befriedigung der aus diesem unmit-telbaren Rückkopplungseffekt resultierenden Nachfragesteigerung ist eine zu-sätzliche Produktion in Höhe von οšnotwendig. Demzufolge ergibt sich wie-derum eine Erhöhung des Einkommens umο™, dass unter Zugrundelegung der marginalen Konsumquote zum Teil erneut für den Konsum verwendet wird und infolgedessen wiederum zu einem Anstieg der entsprechenden Endnachfra-gekomponente ο™führt. Die gesteigerten Konsumausgaben in Höhe von ο…fallen dabei geringer aus als die Erstrundeneffekte. Dieser hier beschriebe-ne Rückkopplungseffekt zwischen Produktion, Einkommensentstehung und Konsumnachfrage setzt sich analog zum beschriebenen Wirkungsmechanismus theoretisch über unendlich viele Wirkungsrunden hin fort.211 Die Produktionsef-fekte schwächen sich dabei von Wirkungsrunde zu Wirkungsrunde ab, da je-weils nur ein Teil der zusätzlichen Einkommen für Konsumzwecke wiederver-ausgabt wird.

Die Berechnung des über alle Wirkungsrunden verteilten Gesamteffekts der Wiederverausgabung der Einkommen auf die Produktion kann unter Zuhilfen-ahme des folgenden Ansatzes erfolgen:212

οݔ௚௘௦௔௠௧ ൌ ቄ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ൫ܫ െ ܸ൯ିଵቅ כ ο ݕ

210 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 115 211 Vgl. Bulwien, H., Hujer, R., Kokot, S. Mehlinger, C. Rürup, B., Voßkamp, T. (1999b), S.

215ff

212 Vgl. Pischner, R., Stäglin, R. (1976), S. 345ff

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Das bereits bekannte statische Input-Output-Modell mit der Leontief-Inversen ൫ܫ െܣ൯-1 wird im Rahmen der Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen Effekte inklusive der induzierten Wirkungen um sektorale Verbrauchsmultipli-katoren in Form von Elementen der Matrix ൫ܫ െܸ൯-1 erweitert. Sie ergeben sich als Resultat des nachfragewirksamen Anstoßeffekts ο› und der daraus resultie-renden Folgewirkungen. Inhaltlich beschreiben die sektoralen Verbrauchsmulti-plikatoren, wie viel Nachfrage insgesamt im Produktionsbereich ‹ als Folge ei-ner gesteigerten Nachfrage nach Gütern des Produktionsbereichs unter Berück-sichtigung der sektoralen Produktionsverflechtungen, der im Rahmen der Wie-derverausgabung entstehenden Rückkopplungseffekte sowie der daraus resultie-renden gesteigerten Konsumnachfrage entsteht.213 Die zugrundeliegende Matrix ist dabei wie folgt definiert:

ܸ ൌ ܾή ܿή ൫ܫ െ ܣ൯ିଵǡ mit:

b = Inputkoeffizient für Löhne und Gehälter, c = Marginale Konsumquote.

Durch die Multiplikation der Matrix der sektoralen Verbrauchsmultiplikatoren mit der bekannten Leontief-Inversen entsteht eine erweiterte inverse Matrix der Form:൫ െ൯ିଵൌ ൫ െ൯ିଵכ ൫ െ൯ିଵ, die neben jenen auf Leontief zu-rückgehenden Produktionseffekten auch die multiplikativen Einkommenseffekte im Sinne von Keynes erfasst. Folglich stellen die Koeffizienten der erweiterten inversen Matrix ൫ െ൯ିଵunter Berücksichtigung der sektoralen Vorleistungs-verflechtungen die Gesamtproduktionsmultiplikatoren dar, die sich aufgrund der unternehmensinduzierten Nachfragesteigerung in Verbindung mit den daraus resultierenden konsumgetriebenen Folgewirkungen ergeben.214 Die neue Matrix setzt sich dabei folgendermaßen zusammen:

ܼ ൌ ൭ܽଵଵ൅ ܾכ ܿ ڮ ܽଵ௡൅ ܾכ ܿ

ڭ ڭ

ܽ௡ଵ൅ ܾכ ܿ ڮ ܽ௡௡൅ ܾכ ܿ൱ mit

ƒ୧୨ = Inputkoeffizient der Vorleistungsmatrix,

213 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 116 214 Vgl. Bulwien, H., Hujer, R., Kokot, S. Mehlinger, C. Rürup, B., Voßkamp, T. (1999b), S.

219

„ = Inputkoeffizient für die Löhne und Gehälter, … = Marginale Konsumquote.

Die induzierten Effekte als Resultat der Produktionssteigerung durch die Leis-tungserbringung der Gesundheitswirtschaft, die sich mit Hilfe des um einen Keynes'schen Einkommensmultiplikator erweiterten statisch offenen Leontief-Modells berechnen lassen, ergeben sich durch die Subtraktion der direkten und indirekten Produktionseffekte οݔௗା௜ von der Gesamtwirkung οݔgesamt. Durch die Rückkopplung von Einkommen und Konsum entstehen letztendlich folgende induzierten Effekte:

οݔ௜௡ௗ௨ൌ ο ݔ௚௘௦௔௠௧െ ο ݔௗା௜

οݔ௜௡ௗ௨ൌ ൫ܫ െܼ൯ିଵכ ο ݕ െ ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ο ݕ οݔ௜௡ௗ௨ൌ ቄ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ቂ൫ܫ െ ܸ൯ିଵെ ܫቃቅ כ ο ݕ

Wird der bisherige Ansatz um das bereits bekannte Zurechnungsmodell er-weitert, so ist es möglich auch die durch die gesteigerte Produktion entstehenden Wertschöpfungseffekte inklusive der induzierten Wirkungen zu berechnen. Es ergibt sich folgende Gleichung für die gesamten Wertschöpfungseffekte:

οܹܵ௚௘௦௔௠௧ ൌ ቄܹ כ ൫ܫ െܼ൯ିଵቅ כ ο ݕ ൌ ܹ כ ο ݔ௚௘௦௔௠௧

Die Auswirkungen der gesteigerten Nachfrage auf die Wertschöpfung der einzelnen Produktionsbereiche lassen sich durch die Multiplikation der gesamt-wirtschaftlichen Produktionseffekte οݔgesamt mit der Diagonalmatrix ܹ ermit-teln. Die Elemente auf der Hauptdiagonalen der Matrix ܹ beschreiben besonde-re Inputkoeffizienten der Form:

ݓൌܹܵ

ܺ

Die Koeffizienten ݓ setzen sich aus der produktionsbereichsspezifischen Wertschöpfung ܹܵ und dem Produktionswert ܺ des Produktionsbereichs ‹ zu-sammen. Analog zu den sektoralen Produktionsmultiplikatoren enthält die neu entstandene Matrix in den geschweiften Klammern ܹ כ ൫ܫ െܼ൯-1 die Wert-schöpfungsmultiplikatoren der verschiedenen Produktionsbereiche. Wird anstel-le einer wertschöpfenden Bezugsgröße für die sektorale Lohn- und Gehalts-summe der Erwerbstätigen des jeweiligen Produktionsbereichs berücksichtigt, so lassen sich analog auch die gesamtwirtschaftlichen bzw. sektoralen Einkom-menseffekte infolge der Produktionssteigerung unter Berücksichtigung der kon-sumtiven Wiederverwendung der Einkommen berechnen.

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Aus wirtschaftspolitischer Sicht sind vor allem die nachfrageinduzierten, ge-samtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte von großem Interesse, die sich an-hand der folgenden erweiterten Beschäftigungsinversen bestimmen lassen:215

ܤܫ௚௘௦௔௠௧ ൌ ܣܭ כ ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ൫ܫ െ ܸ൯ିଵൌ ܣܭ כ ൫ܫ െܼ൯ିଵ

Insgesamt ergibt sich durch die wirksame Nachfragesteigerung ο› somit folgender gesamtwirtschaftlicher Beschäftigungseffekt:

οܧ௚௘௦௔௠௧ ൌ ቄܣܭ כ ൫ܫ െܣ൯ିଵכ ൫ܫ െ ܸ൯ିଵቅ כ ο ݕ

ൌ ܤܫ௚௘௦௔௠௧כ ο ݕ ൌ ܣܭ כ ο ݔ௚௘௦௔௠௧

Die Diagonalelemente der erweiterten Beschäftigungsinversen ܤܫ௚௘௦௔௠௧ be-schreiben analog zu obigen Erkenntnissen wiederum die produktionsbereichs-spezifischen Beschäftigungsmultiplikatoren.

Sind die direkten Produktions-, Wertschöpfungs-, Einkommens- und Be-schäftigungseffekte durch die gesundheitswirtschaftsrelevanten Aktivitäten be-kannt, ist es unter Beachtung der im nachfolgenden Abschnitt angeführten An-nahmen und Restriktionen des offenen statischen Input-Output-Modells folglich möglich, die verschiedenen ökonomischen Ausstrahleffekte auf die deutsche Volkswirtschaft zu berechnen. Gemäß der beschriebenen Vorgehensweise im aktuellen und vorangegangenen Abschnitt können die indirekten und induzierten Produktions-, Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte als Resultat eines definierten Impulses berechnet werden.

4.3.2.3 Kritische Beurteilung des verwendeten Modells

Um einen umfassenden Einblick in die kurz- und mittelfristigen ökonomischen Wirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft als Folge der gesundheitswirt-schaftlichen Produktionstätigkeit zu erhalten, bietet sich das statische offene Mengenmodell der Input-Output-Rechnung als vergleichsweise einfaches In-strument der wissenschaftlichen Wirkungsforschung an. Bei der Interpretation und Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse dürfen jedoch die teilweise rest-riktiven Annahmen dieses Modells nicht vernachlässigt werden. Die wichtigsten Einschränkungen und methodischen Grenzen des zugrundeliegenden Modellan-satzes werden nachfolgend aufgezeigt:

• Als reines Mengenmodell bietet der vorgestellte Ansatz keinen mikroökono-misch fundierten, konsistenten und geschlossenen Modellrahmen, der eine to-talanalytische Betrachtungsweise ermöglicht und gleichzeitig

215 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 117

oretische Zusammenhänge hinreichend würdigt.Ϯϭϲ Aufgrund der Verwen-dung konstanter Vorleistungskoeffizienten als Resultat linearer Produktions-funktionen sowie der Nichtberücksichtigung von preisabhängigen Kosten-funktionen werden Preis- und Substitutionseffekte nicht endogen abgebildet.

D.h. Preise und Zinsen beispielsweise werden entgegen der Realität als kon-stant und gegeben angesehen. Zudem basieren die Beschäftigungs- und Vor-leistungskoeffizienten sowie die Ausgestaltung der Primärinputs lediglich auf DurchschnittswertenϮϭϳ, was die Aussagefähigkeit der Ergebnisse teilweise einschränkt.

• Der statische Ansatz der IO-Rechnung lässt des Weiteren den sektoralen technischen Fortschritt in Form exogen vorgegebener Änderungen im Pro-zessmix und in der Vorleistungsstruktur unberücksichtigt.Ϯϭϴ Hauptverant-wortlich für viele dieser Vereinfachungen sind die oftmals für eine fundierte IOA unzureichende Datenbasis und die zeitliche Verzögerung, mit der IOTs veröffentlicht werden.

• Dem zentralen Problem der fehlenden Berücksichtigung von Einkommens-kreisläufen im statischen IO-Modell konnte durch die Implementierung einer einfachen Konsumfunktion, d.h. durch Endogenisierung der Konsumnachfra-ge, begegnet werden. Die beschriebene Vorgehensweise zur Ermittlung der konsumtiven Einkommensverwendung soll allerdings nicht darüber hinweg-täuschen, dass eine Schätzung sektoraler Konsumfunktionen problematisch ist. Allerdings können ohne sie Rückkopplungen nur anhand eines sehr all-gemeinen Einkommensmultiplikators erfasst werden.Ϯϭϵ

• Der Vollständigkeit halber sind als weitere Schwachpunkte des statischen IO-Modells die Nichtberücksichtigung der Lagerhaltung, dynamischer Reaktio-nen, sogenannter Lagstrukturen und von Reaktionsschwellen zu nennen.ϮϮϬ

• Bei der Interpretation der im Rahmen der IOA ermittelten Beschäftigungsef-fekte treten ebenfalls methodische Defizite zu Tage, die von der proportiona-len Verknüpfung der Anzahl der Erwerbstätigen mit dem Output über das Fehlen von Rückkopplungen vom Arbeitsmarkt auf das IO-Modell bis hin zur Unterstellung einer sektoralen Homogenität der Arbeitskräfte reichen.

Auch kann mit Hilfe des Verfahrens keine Aussage darüber getroffen

216 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 126 217 Alle Unternehmen, die identische Produkte oder Dienstleistungen herstellen, werden zu

homogenen Produktionsbereichen mit identischen Inputstrukturen zusammengefasst.

Die Produktionsstrukturen in Form aufbereiteter Durchschnittswerte ergeben sich als Resultat statistischer Erhebungen.

218 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 83ff

219 Vgl. Koschel, H., Moslener, U., Sturm, B., Fahl, U., Rühle, H., Wolf, H. (2006), S. 127 220 Vgl. Holub, H.W., Schnabl, H. (1994a), S. 158ff

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den, inwiefern in den begünstigten Produktionsbereichen Arbeitsplätze gesi-chert oder neue geschaffen werden. Zudem erfolgt keine Unterscheidung nach der Art der entstandenen Beschäftigungsverhältnisse (z.B. in a-typische oder Vollzeitäquivalente).

• Das Problem der Zeitreihenbetrachtung auf Basis jeweiliger Preise: Um die Entwicklung bestimmter gesundheitsspezifischer Kenngrößen im Zeitverlauf möglichst realitätsgetreu darstellen zu können, ist die Normierung der Preise auf ein bestimmtes Basisjahr zielführend. Eine entsprechende Normierung der Preise wurde allerdings nicht vorgenommen, sodass Entwicklungen über den Zeitverlauf vor diesem Hintergrund zu interpretieren sind.

Angesicht der methodischen Defizite des offenen statischen Mengenmodells wäre für eine exakte Quantifizierung aller ökonomischen Effekte ein entspre-chend dem Erkenntnisziel aufbereitetes allgemeines Gleichgewichtsmodell wün-schenswert. Trotz der nachteiligen Annahmen und Restriktionen stellt der ver-wendete Ansatz dennoch ein geeignetes Instrument für eine richtungsweisende Abschätzung der ökonomischen Ausstrahleffekte der Gesundheitswirtschaft dar.

Der Zeit- und Kostenaspekt in Kombination mit fehlenden Informationen

Der Zeit- und Kostenaspekt in Kombination mit fehlenden Informationen