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3 Übertragung der Stabilitätskriterien auf die Gesundheitswirtschaft

3.1 Beitrag der Gesundheitswirtschaft zu den einzelnen Stabilitätszielen

3.1.1 Beschäftigung

Zwischen Gesundheitswirtschaft und Beschäftigung bestehen vielschichtige Zu-sammenhänge: Einerseits als Teil des Humankapitals, welches sich aus der Symbiose von Bildung und Gesundheit ergibt und eine wichtige strategische

116 Henke, K. D., Troppens, S., Braeseke, G., Dreher, B., Merda, M. (2011b), S. 23 Sebastian Hesse - 978-3-653-02751-8

Ressource für eine Volkswirtschaft darstellt.117 Andererseits stellt die Gesund-heitswirtschaft als personalintensive Dienstleistungsbranche selbst eine große Anzahl an Arbeitsplätzen zur Verfügung. Die Nachfrage nach Arbeitskräften in diesem Bereich wird durch die demographische Entwicklung und ein zuneh-mendes Aufweichen familiärer Bindungen zukünftig noch steigen.

Die Quantität und Qualität des verfügbaren Humankapitals ist ein entschei-dender Wachstumsfaktor. Dabei ist Gesundheit zugleich entscheidende Vorrau-setzung um einen hohen Bildungsstand zu erreichen. Laut „Weltentwicklungs-bericht 2007“ sind Investitionen in Gesundheit und Bildung entscheidende Vo-raussetzungen, um im global orientierten Wettbewerb erfolgreich zu sein. Ge-sundheit garantiert den Erhalt der Erwerbsfähigkeit und somit die Möglichkeit dauerhaft Wohlstand zu erhalten bzw. neuen zu generieren. Entscheidend ist da-bei, geeignete Entscheidungen zur Erhaltung der Gesundheit zu treffen, um ein lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Der Gesundheitszustand einer Bevölke-rung ist daher ein wichtiger Einflussfaktor für Arbeitsproduktivität, Arbeitsan-gebot, Bildung und Vermögen, vgl. Abbildung 10.118

Quelle: Henke et al., 2009; nach Decaillet (2007).

Abbildung 10: Wirkung von Gesundheit auf Wirtschaft

117 Vgl. Henke, K. D. (2008)

118 Vgl. Henke, K. D., Neumann, K., Schneider, M. (2009), S. 71

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Zudem ist die Qualität des Gesundheitssystems auschlaggebendes Kriterium für die Fehlzeiten von Beschäftigten. Der Krankenstand der GKV-Mitglieder, d.h. der Prozentsatz der gemeldeten Arbeitsunfähigen an den gesamtversicherten Arbeitnehmern, beträgt 3,7% für das Jahr 2010. Im Jahr 1995 lag dieser Wert noch bei 5,1%, nahm kontinuierlich bis 2007 auf 3,2% ab und stieg anschlie-ßend wieder leicht.119 Diese Entwicklung in den vergangenen Jahren ist aller-dings nur bedingt Veränderungen in der Gesundheitswirtschaft zu zuschreiben.

Umfrageergebnissen zur Folge beruhen die überdurchschnittlich geringen Fehl-zeiten in der Krisenzeit aus der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Über 70% der Befragten verzichteten demnach darauf, aufgrund von einer Erkran-kung dem Arbeitsplatz fern zu bleiben, 30% davon sogar trotz ärztlicher Emp-fehlung.120 In Kalendertagen ausgedrückt fehlte im Jahr 2010 jeder Arbeitneh-mer durchschnittlich 13,5 Tage. Im Jahr 1995 waren es zum Vergleich noch 18,5 Tage.

Es lässt sich somit auf eine Korrelation zwischen der Qualität der gesund-heitlichen Versorgung und der Anzahl an krankheitsbedingten Fehltagen der Arbeitnehmer innerhalb einer Volkswirtschaft schließen. Die Qualität der ge-sundheitlichen Versorgung hat dem zufolge auch einen Einfluss auf die Produk-tivität einer Volkswirtschaft. Ob und inwiefern über diese Beziehung jedoch das allgemeine Beschäftigungsniveau vom Grad der Gesundheitsversorgung abhängt kann anhand dieser Zahlen nicht belegt werden.

Die Gesundheitswirtschaft ist - wie kaum eine andere Branche - stark vom Einsatz menschlicher Arbeitskraft geprägt und stellt als Branche einen hohen Anteil der in Deutschland verfügbaren Arbeitsplätze. Nach Angaben der Ge-sundheitspersonalrechnung (GPR) 121 waren im Jahr 2010 etwa 4,8 Mio. Be-schäftigte in der Gesundheitswirtschaft tätig. Dies entspricht 13,4% aller Arbeit-nehmer in Deutschland bzw. jedem siebten ArbeitArbeit-nehmer.

In Tabelle 5ist die Entwicklung der Beschäftigten der Gesundheitswirtschaft nach Art der Einrichtungen für die Jahre 2000 bis 2010 abgebildet. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse kontinuierlich um insge-samt 17,4%. Der überwiegende Teil ist dabei in den personalintensiven Dienst-leistungsbranchen der ambulanten Einrichtungen (44%) und stationären-Teilstationären (40%) Einrichtungen beschäftigt.

119 Datenquelle: gbe-bund.de

120 Vgl. Henke, K. D., Troppens, S., Braeseke, G., Dreher, B., Merda, M. (2011), S. 73 und vgl. Badura, B. (2008)

121 Vgl. Henke, K. D., Neumann, K., Schneider, M. (2009), S.46ff

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Tabelle 5: Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft

Art der Einrichtung 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Einrichtungen insgesamt 4.115 4.420 4.463 4.540 4.632 4.738 4.829

Gesundheitsschutz 42 41 41 40 40 40 39

Ambulante Einrichtungen 1.688 1.907 1.918 1.972 2.018 2.074 2.118

Arztpraxen 608 675 673 676 681 686 689

Zahnarztpraxen 305 340 338 339 342 347 351

Praxen sonstiger med. Berufe 226 292 303 323 341 362 379

Apotheken 164 169 171 172 175 176 178

Gesundheitshandwerk/-einzelhandel 168 166 163 162 161 162 165

Ambulante Pflege 187 214 215 236 251 269 282

Sonstige ambulante Einrichtungen 32 50 55 64 66 73 74 Stationäre/teilstationäre Einrichtungen 1.729 1.772 1.790 1.809 1.849 1.892 1.926

Krankenhäuser 1.109 1.071 1.072 1.075 1.086 1.104 1.121

Vorsorge-/Rehabilitationseinrichtungen 152 155 157 160 163 167 169 Stationäre/teilstationäre Pflege 468 546 561 574 600 621 636

Rettungsdienste 44 47 47 48 49 52 56

Verwaltung 214 206 208 201 195 198 199

Sonstige Einrichtungen 112 144 151 155 161 175 178

Vorleistungsindustrien 286 303 307 316 320 308 312 Pharmazeutische Industrie 113 113 114 115 116 107 106

Medizintechn. u. augenoptische Industrie 102 111 112 118 121 119 123 Med. Laboratorien und Großhandel 71 79 81 83 84 82 84 in 1000 Beschäftigte

Quelle: GPR

3.1.2 Preisniveaustabilität

In Dienstleistungsbranchen wie der Gesundheitswirtschaft sind Preis- und Vo-lumenmessungen anhand definierter Warenkörbe grundsätzlich schwer zu reali-sieren, vgl. Kapitel 2.1.2. Zum einen besteht das Problem der generellen Defini-tion des Outputs und zum anderen sind Dienstleistungen hinsichtlich Quantität

und Qualität nur schwer zu bewerten. Aus diesem Grund verwendet das Statisti-sche Bundesamt derzeit eine neue Methode zur Preisbereinigung der Dienstleis-tungen von Krankenhäusern.122 Diese orientieren sich seit 2004 am System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG-Fallpauschalen123), dem Abrech-nungsverfahren der Krankenhäuser mit den Krankenkassen. Für den Bereich des Sozialwesens wird hingegen weiterhin eine direkte Volumenmessung ange-wandt.124

In Tabelle 6 sind die gesundheitsrelevanten Anteile am Verbraucherpreisin-dex sortiert nach Verwendungszwecken seit dem Basisjahr 2005 abgebildet. Im Vergleich zum Gesamtindex verzeichnen die Preise für Güter der Gesundheits-pflege etwa halb so starke Wachstumsraten. Während der VPI im Zeitraum 2005 bis 2010 um 10,7% zulegte, stiegen die gesundheitsrelevanten Komponenten um insgesamt 5,5%.

Auffällig gering entwickelten sich die darin enthaltenen Dienstleistungs-branchen. Preise für Dienstleistungen ambulanter Einrichtungen stiegen um 2,8% und die von stationären Einrichtungen sanken sogar um 0,3%. Die Ent-wicklung der Preise der produzierenden Gesundheitswirtschaft entspricht mit 10,2% in etwa der des Gesamtindex. Verantwortlich hierfür sind vor allem die Preise pharmazeutischer Erzeugnisse, die mit 13,6% überdurchschnittlich stark anstiegen.

Im Jahr der Rezession 2009 verlangsamte sich das Wachstum des VPI auf lediglich 0,4% und lag somit unter seinen durchschnittlichen Wachstumswerten.

Diese Tendenz spiegelt sich in den gesundheitsrelevanten Sektoren nicht wider, ein Zeichen dafür, dass der Gesundheitssektor von der rückläufigen Wirtschafts-lage weniger unter Preisdruck geraten ist.

122 Vgl. Pierdzioch, S. (2008) 123 diagnostic related groups

124 Vgl. Statistisches Bundesamt (2003)

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Tabelle 6: Gesundheitsrelevante Anteile am VPI nach Verwendungszweck

Gewich-tung am VPI in ‰

2006 2007 2008 2009 2010 2011 Veränderung gegenüber Vorjahr in % Gesamtindex VPI 1000 1,6 2,3 2,6 0,4 1,1 2,3 Gesundheitspflege 40,27 0,5 0,8 1,7 1,0 0,7 0,8 Medizinische Erzeugnisse,

Ge-räte und Ausrüstungen 17,55 0,8 2,4 2,1 1,9 1,2 1,4 Pharmazeutische Erzeugnisse 9,83 0,5 3,4 3,1 3,0 1,6 1,3 Andere medizinische Erzeugnisse 1,21 0,2 1,5 1,2 0,9 1,0 1,0 Therapeutische Geräte und

Aus-rüstungen 6,51 1,2 1,0 1,1 0,5 0,6 1,3

Ambulante

Gesundheitsdienst-leistungen 16,1 0,5 0,7 0,5 0,3 0,5 0,3

Ärztliche Dienstleistungen 8,32 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Zahnärztliche Dienstleistungen 5,59 1,2 0,8 1,4 0,4 1,2 1,0 Dienstleistungen nichtärztlicher

Gesundheitsdienstberufe 2,19 0,2 3,2 0,7 0,4 0,8 0,2

Stationäre

Gesundheitsdienst-leistungen 6,62 -0,3 -2,8 3,2 0,1 -0,6 0,2 Datenbasis: Destatis, 2012; eigene Darstellung