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Entwicklung einer Fortschreibungsmethodik

5 GGR als Datenbasis zur Stabilitätsanalyse der Gesundheitswirtschaft

5.4 Struktur der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnungen

5.4.4 Entwicklung einer Fortschreibungsmethodik

Ein großes Problem bei der Erstellung des Satellitensystems der GGR liegt in der späten Veröffentlichung der verwendeten Grunddaten. Das Statistische Bun-desamt veröffentlicht erst 36 Monate nach Ablauf der jeweiligen Berichtsperio-de das vollständige Tabellenangebot Berichtsperio-der Input-Output-Rechnung. ZuBerichtsperio-dem erfolgt wie bereits angesprochen eine grundlegende Umstellung der Wirtschafts-zweigklassifikation von WZ03 auf WZ08, sodass die zum Zeitpunkt der Be-rechnung der GGR aktuellsten IOTs des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2007 in konsistenter Systematik vorlagen. Die Veröffentlichung der IOTs für 2008 ist für den Herbst 2012 angekündigt und wird allerdings aufgrund der Um-stellung der Systematik nicht mehr vergleichbar mit den vorherigen Jahren sein.

Um der Lücke zwischen den letzten Jahren und der letzten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes entgegenzuwirken, wurde eine

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thodik entwickelt, um die GGR auch für die Jahre 2008 und 2009 erstellen zu können. Dieser Fortschreibungsprozess wir nachfolgend erklärt.272

Die letzte Berichtsperiode, für welche die HIOT der GGR gemäß der im Methodenhandbuch beschriebenen Vorgehensweise aktualisiert werden können, ist das Jahr 2007. D.h. für 2007 liegen noch alle Grundtabellen des Statistischen Bundesamts vor, die für die konsistente Berechnung der HIOT 2007 benötigt werden. Für die Jahre 2008 und 2009 können aufgrund der verzögerten Daten-aufbereitung im Ausgangsdatenmaterial die Berechnungen der jeweiligen HI-OTs nicht mehr routinemäßig durchgeführt werden und die nachfolgend be-schriebene Fortschreibungsmethodik kam zur Anwendung. Für die Jahre 2010 sowie 2011 lieferte dieses Verfahren aufgrund der noch geringen Verfügbarkeit keine belastbaren Ergebnissen, sodass trotz großem Interesse für diese Arbeit von einer Veröffentlichung abgesehen wurde.

In Abbildung 28 ist das entwickelte Verfahren schematisch für das Jahr 2008 dargestellt. Der Fortschreibungsprozess lässt sich dabei in drei Schritte un-terteilen: In die Fortschreibung der benötigten allgemeinwirtschaftlichen Grund-tabellen, die Aktualisierung der gesundheitsbezogenen Sekundarquellen und die Zusammenführung beider Ergebnisse zur HIOT des neuen Berichtsjahres.

Quelle: Eigene Darstellung Abbildung 28: Schematische Darstellung des Fortschreibungsverfahrens

272 Für eine detaillierte Beschreibung des Fortschreibungsprozess sei an dieser Stelle auf die Zwischenberichte I und II der GGR sowie das separat erhältliche Methodenhandbuch der Fortschreibungsmethode verwiesen.

Im Mittelpunkt der volkswirtschaftlichen Grundtabellen stehen die standar-disierten IOTs des Statistischen Bundesamtes, die zunächst für die Jahre 2008 und 2009 fortgeschrieben wurden. Dabei wurden in einem ersten Schritt die Wachstumsraten der einzelnen Komponenten der Aufkommens- und Verwen-dungsseite der 71 Gütergruppen bzw. Produktionsbereiche gegenüber dem Vor-jahr anhand der detaillierten Jahresergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesam-trechnungen bestimmt.273 Hierfür wurde zunächst eine Überleitungstabelle er-stellt, die den Input-Output-Tabellen in CPA-Klassifikation zugrundeliegenden Gütergruppen Wirtschaftszweige der WZ08-Gliederung zuordnet. Dies erfolgte unter anderem für den Produktionswert, Vorleistungen, Bruttowertschöpfung, Arbeitnehmerentgelte, Arbeitnehmer- und Erwerbstätigenzahlen. Da Importe und Exporte noch nicht in der entsprechenden Gliederung veröffentlicht wurden, erfolgte hier die Bestimmung der Wachstumsrate anhand der Klassifikation nach Güterabteilungen des Güterverzeichnisses für die Produktionsstatistik.274 Die Wachstumsraten für den privaten Konsum basieren hingegen auf der Klassifika-tion nach 59 Gütergruppen.275 Bei den restlichen Komponenten der letzten Ver-wendung wurde anhand der Verflechtungen des Vorjahres fortgeschrieben.

Nach der Fortschreibung der Input-Output-Tabelle 2008 mittels der zuvor berechneten Wachstumsraten wurden in einem zweiten Schritt sämtliche Teilbe-reiche der Bruttowertschöpfung und letzten Verwendung anhand der Randsum-men niveauadjustiert. Um methodische Brüche gegenüber den Vorjahren zu vermeiden wurden dabei die Eckwerte auf Basis der WZ03-Gliederung verwen-det, die im Gegensatz zu den tiefgegliederten Angaben noch auf Basis der alten WZ03 Klassifikation veröffentlicht wurden.276

In Abbildung 29 ist die Berechnung noch einmal schematisch dargestellt.

Rot markiert sind dabei Felder der Endnachfragematrix und der Matrix der Pri-märinputs, die anhand der wirtschaftszweigspezifischen Wachstumsraten sowie der verfügbaren Zeilensummen berechnet wurden. Für die blau hinterlegte Vor-leistungsmatrix konnten auf diese Weise ebenfalls die Randsummen jedes Wirt-schaftszweigs für Vorleistungen und intermediäre Verwendung bestimmt wer-den. Zur Fortschreibung des Kerns der Vorleistungsmatrix wurde auf ein ma-schinelles Verfahren zurückgegriffen.

Zur Ermittlung der einzelnen Werte der Vorleistungsmatrix führt die alleini-ge Fortschreibung anhand von Wachstumswerten zu Verletzunalleini-gen der

273 Vgl. Statistisches Bundesamt (2011c)

274 Vgl. Statistisches Bundesamt (2011c) Tabelle 1.11.1.

275 Vgl. Statistisches Bundesamt (2011c) Tabelle 3.3.5.

276 Im Gegensatz zu den tiefgegliederten Angaben enthält die Fachserie 18 Reihe 1.4 vom 28.05.2010 aggregierte Werte für die Gesamtwirtschaft auf Basis der vorherigen WZ03 Klassifikation.

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riebedingungen, d.h. die Zeilen- und Spaltensummen der neu berechneten Mat-rix stimmen nicht mit den vorgegebenen Ist-Werten überein. Deshalb muss auf ein maschinelles Verfahren zurückgegriffen werden, das durch eine Vielzahl iterativer Schritte diese Differenz beseitigt und somit die Konsistenz zwischen den berechneten Koeffizienten und den vorgegebenen Randsummen herstellt.

Verwendet wurde dazu das von Stone entwickelte RAS-Verfahren.277 Dies ist ein bivariates Modell dessen Name sich aus der Reihenfolge der Berechnungs-schritte ergibt; R steht in dem Fall für die Diagonalmatrix der zeilenweisen Kor-rekturfaktoren, A für die Matrix der Input-Koeffizienten und S für die Diago-nalmatrix der Spaltenkorrekturfaktoren.278. Die einzelnen Elemente der Ver-flechtungsmatrix werden dabei iterativ zeilen- und spaltenweise unter Zuhilfen-ahme geeigneter Korrekturfaktoren solange angepasst, bis die vorgegebenen Randsummen der Verflechtungsmatrix mit den berechneten übereinstimmen.

Quelle: Eigene Darstellung Abbildung 29: Unterschiedliche Quadranten der Input-Output-Tabelle

Da es sich beim RAS-Verfahren um ein mathematisch-statistisches Modell handelt, werden Strukturänderungen wie der Einfluss des technischen Fort-schritts bzw. auftretende Veränderungen in der Produktionsstruktur der

277 Vgl. Stone, D. (1963) 278 Vgl. Eurostat (2008), S. 451

schiedenen Sektoren nicht berücksichtigt.279 Dennoch hat sich das RAS-Verfahren zu einem zielführenden Ansatz für die Fortschreibung von Koeffi-zientenmatrizen auf Basis geeigneter Spalten- und Zeilensummen entwickelt.

Die Abweichungen zwischen der neu berechneten Koeffizientenmatrix und der Ausgangsmatrix werden während des iterativen Prozesses so gering wie möglich gehalten, weil aufgrund mangelnder Informationen die Verflechtungsstruktur der Ausgangsmatrix als beste Vergleichsbasis dient. Das RAS-Verfahren zeich-net sich dadurch aus, dass gemäß der Ausgangssituation positive Koeffizienten nicht negativ werden und ursprüngliche Nullelemente ihren Wert beibehalten.

Dies bedeutet, dass keine neuen Inputs aufgenommen werden und sich dadurch die Produktionsstrukturen nur in ihrer Höhe an die neuen Randsummen anpas-sen.280 Bei größeren strukturellen Veränderungen, relativen Preisänderungen und technologischem Fortschritt ist für die Gewährung einer hohen Qualität das Ein-binden von weiteren Datenquellen unausweichlich. Da es sich bei der Fort-schreibung der IOTs für die Jahre 2008 und 2009 nur um einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum handelt, sind derartige Strukturveränderungen nicht anzuneh-men, sodass das RAS-Verfahren für die Herstellung der Symmetrie geeignet ist.

Der zweite Arbeitsschritt im Fortschreibungsprozess ist die Bestimmung der Gesundheitskoeffizienten für das jeweilige Berichtsjahr. Diese Geben an zu welchem Anteil ein jeweiliges Gut gesundheitsrelevant ist und ob es dem Kern-gesundheitsmarkt oder dem erweiterten Markt zugerechnet wird. Aufgrund der Datenverfügbarkeit der GAR und GPR sowie den weiteren Sekundärstatistiken bis einschließlich 2009, können diese analog zur Berechnung der Jahre 2005 bis 2007 aktualisiert werden.

Auf Grundlage der neu berechneten IOT und den dazugehörigen Gesund-heitskoeffizienten werden anschließend drei IOTs in der standardisierten 72x72 Struktur erstellt, jeweils eine mit den Werten der Kerngesundheitswirtschaft, des erweiterten Gesundheitsmarktes und der übrigen Wirtschaft ohne direkten Ge-sundheitsbezug,. die zusammengeführt eine 216x216 Matrix ergeben.

Die anschließende Aggregation auf die Gliederungstiefe 85x85 der HIOT, bestehend aus 14 Gesundheitsbranchen und 71 restlichen Wirtschaftszweigen, folgt der normalen Vorgehensweise des Erstellungsprozesses. Abschließend er-folgt eine Plausibilisierung der Ergebnisse anhand der Daten der VGR sowie den verwendeten Sekundärstatistiken und eine letzte Korrektur der Verflechtun-gen mit Hilfe des RAS-Verfahrens.

Mit Hilfe dieses entwickelten Fortschreibungsverfahrens konnte die GGR bis einschließlich 2009 berechnet werden. Die Ergebnisse wurden fortlaufend

279 Vgl. Eurostat (2008), S. 452 280 Vgl. Eurostat (2008), S. 455

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von Auftraggebern des BMWi sowie des Statistischen Bundesamtes und BASYS den Entwicklern des Initialprojektes GSK geprüft und in Rücksprache anschließend revidiert, sodass nach dem momentanen Erkenntnisstand die GGR auch für die fortgeschriebenen Jahre belastbare Daten über die Gesundheitswirt-schaft bereithält.

Im nächsten Kapitel werden die Ergebnisse der GGR für die Jahre 2005 bis 2009 ausführlich vorgestellt.