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Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

2 Ökonomische Stabilität als wirtschaftspolitisches Ziel

2.1 Definition und Erläuterung des Stabilitätsbegriffs

2.1.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Die Zielvorgabe ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu erreichen wird in der Literatur unterschiedlich interpretiert und hat spätestens mit der Einführung flexibler Wechselkurse an Bedeutung verloren. Bis dato hatten die Notenbanken in einem System fester Wechselkurse nur wenig Handlungsspielräume. Es galt primär wirtschaftliche Prozesse zu vermeiden, die die Teilnahme an diesem Sys-tem gefährden.32 Mit der Einführung flexibler Wechselkurse änderte sich die Bedeutung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und wird mittlerweile

31 Vgl. Sachverständigenrat (2011/2012), Nr. 64.

32 Vgl. Bofinger, P. (2003), S. 241

als nachrangiges Ziel hinter den anderen Komponenten des magischen Vierecks verstanden.33

In erster Linie soll sichergestellt werden, dass die Binnenwirtschaft keine negative Beeinflussung durch die Außenwirtschaft erfährt.34 Eine dauerhaft un-ausgeglichene Leistungsbilanz kann die Entwicklung eines Landes belasten. Ein kontinuierlich negativer Außenbeitrag führt zu Verschuldung, steigender Ar-beitslosigkeit und rückläufigem Wirtschaftswachstum. Für die binnenwirtschaft-liche Entwicklung ist die Stabilität der Außenwirtschaft daher als notwendige Voraussetzung anzusehen.35 Ein ständiger Leistungsüberschuss kann hingegen zu Inflation führen. Allerdings sind Szenarien denkbar, in denen temporäre Un-gleichgewichte aus stabilisierungspolitischer Sicht durchaus wünschenswert sind.36 Gerade für Deutschland als exportorientierte Nation gilt der Außenhandel als Konjunkturmotor.

Auskunft über wirtschaftliche Transaktionen zwischen Inland und Ausland und somit über die ökonomische Verflechtung gibt die Zahlungsbilanz. Sie stellt sämtliche Einnahmen und Ausgaben eines Landes gegenüber. Im Rahmen der Zahlungsbilanz gilt die Außenwirtschaft im Gleichgewicht, bei ausgeglichener Leistungsbilanz bzw. wenn der Außenbeitrag den Saldo der Bilanz der laufen-den Übertragungen deckt. Für einen geeigneten Indikator des Außenhandels ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen Außen- und Binnenwirtschaft darzu-stellen. Es werden daher neben den absoluten Größen der Zahlungsbilanz auch oft die Außenhandelsquote bzw. der Außenhandelsbeitrag (Nettoexporte) im Verhältnis zum BIP ausgewiesen:37

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Zum Vergleich der Außenhandelsaktivitäten verschiedener Länder sowie für Zeitreihenanalysen wird vorwiegend der normierte Außenhandelssaldo verwen-det, da er aussagekräftiger als der nominale Außenhandelssaldo ist. Er ist der Quotient aus Außenhandelssaldo und Außenhandelsvolumen:38

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37 Vgl. Zimmermann, H., Henke, K. D., Broer, M. (2009), S.321 38 Vgl. Loschky, A. (2010), S.354

Sebastian Hesse - 978-3-653-02751-8

Um den Einfluss von Exporten auf eine Volkswirtschaft zu messen bietet sich als Indikator die Exportquote an:

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Das Verhältnis zwischen Exporten und inländischer Produktion bietet gera-de im Zeitvergleich einen wichtigen Hinweis über die Exportabhängigkeit einer Wirtschaft. Für den Vergleich verschiedener Nationen ist dieser Indikator aller-dings nur begrenzt einsetzbar, da er bspw. bei Durchfuhrländern stark über-zeichnet ist. Alternativ wird als Indikator oftmals der Außenbeitrag verwendet, der anstelle der Exporte den Saldo des Außenhandels mit Waren und Dienstleis-tungen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt setzt. Anhand des Wachstums des Außenbeitrags wird der Einfluss des Außenhandels auf das reale Wirt-schaftswachstum einer Volkswirtschaft gemessen und gibt Aufschluss über die Veränderung des BIP in Abhängigkeit von steigenden bzw. sinkenden Außen-handelsbeiträgen. 39

In Abbildung 4 ist die Entwicklung der Einfuhren und Ausfuhren sowie der daraus resultierende Saldo abgebildet. Auffällig ist zunächst der nahezu parallele Verlauf beider Größen sowie der starke Einbruch im Winterhalbjahr 2008/09.

Dieser historische Exportrückgang ist auf den weltweit nahezu synchron verlau-fenden Nachfragerückgang zurückzuführen, von dem die deutsche Volkswirt-schaft im internationalen Vergleich besonders stark betroffen war. In der ersten Jahreshälfte 2009 sanken die Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 21,8%.40 Im Folgejahr konnten sich die Ausfuhren dank der weltweit verbesserten Wirt-schaftslage vor allem in den großen Schwellenländern wieder erholen und stie-gen bis zum zweiten Quartal 2011 um 27% gestie-genüber dem Tiefpunkt. Im Ver-gleich dazu lag die jährliche Wachstumsrate der Exporte in den bereits wachs-tumsstarken Jahren 2000 bis 2007 bei 7,1%. Nach diesem Aufholprozess und der sich abzeichnenden Verlangsamung der weltweiten Wachstumsdynamik rechnet der Sachverständigenrat mit einem Rückgang der Zuwachsrate auf etwa 3,2%.41

39 Vgl. Loschky, A. (2010), S.354

40 Vgl. Sachverständigenrat (2009/2010), Nr. 71 41 Vgl. Sachverständigenrat (2011/2012), Nr. 110

Quelle: Destatis, 2010 Abbildung 4: Entwicklung Einfuhren und Ausfuhren Deutschlands in Mrd. Euro

Für die Entwicklung der Importe zeichnet sich im Betrachtungszeitraum ein ähnlicher Verlauf ab. Nach dem starken Einbruch in den Jahren 2008 und 2009 erholten sich die Einfuhren insgesamt etwas schneller als die Ausfuhren und er-reichten bereits im Jahr 2010 wieder das Niveau vor Krisenbeginn, während die Exporte zu diesem Zeitpunkt noch 2,5% unter dem Höchstwert lagen. Der An-stieg der Importe um 21,3% im Jahr 2010 ist der stärkste seit der Ölkrise im Jahr 1973.42 Die Prognosen des Sachverständigenrats gehen von einer weiteren Ex-pansion der Importentwicklung in Höhe von 7,1% in 2011 und 4,2% in 2012 aus.43

Im Außenhandelssaldo wird die unterschiedliche Dynamik zwischen Im- und Export noch deutlicher. Obwohl dieser nominal im Jahr 2010 ebenfalls wie-der anstieg, wurde das Niveau aus wie-der Vorkrisenzeit nicht wiewie-der erreicht. Der

42 Vgl. Loschky, A. (2010), S.354

43 Vgl. Sachverständigenrat (2011/2012), Nr. 110

Sebastian Hesse - 978-3-653-02751-8

aussagekräftigere normierte Außenhandelssaldo nimmt seit 2008 kontinuierlich ab.44 Von 10% in 2008 sank er auf 9,4% in 2009 und lag 2010 bei 8,7%, dem niedrigsten Wert seit 2001 der damals 8,1% betrug.

In Tabelle 2 werden die anfangs erläuterten Indikatoren des Außenhandels für die Jahre 2000 bis 2010 noch einmal gegenübergestellt. Gerade die negativen Wachstumsraten des Außenhandelsbeitrags zeigen deutlich auf, dass der deut-sche Außenhandel in den Krisenjahren nicht wie üblich als Konjunkturmotor fungierte. Mehr als 60% des negativen Wachstums der deutschen Gesamtwirt-schaft von 4,7% sind auf den deutlichen Rückgang des Außenhandels im Jahr 2009 zurück zu führen. Im Jahr 2010 stieg der Außenbeitrag wieder und konnte einen Wachstumsbeitrag von 3,6% am BIP leisten. Das Niveau vor der Krise erreichte er jedoch nicht.45

Tabelle 2: Übersicht der Außenhandelsindikatoren für Deutschland Jahr Export Import Saldo BIP

Außen-

Datenbasis: Destatis, 2010; eigene Darstellung

44 Vgl. Formel am Anfang des Abschnitts 45 Vgl. Loschky, A. (2010), S.354