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Herausforderungen bezüglich der Beteiligung der Medien

Es sind keine proaktiven Ansätze der Regierung bekannt, die darauf abzielen, die Medien in Deutsch-land dazu zu ermutigen, zu der Erarbeitung lokaler, regionaler oder nationaler politischer Ansätze beizutragen und sich um die Verhütung von Gewalt gegen Frauen zu bemühen und an deren Um-setzung mitzuwirken.

Der in Deutschland für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geltende Rahmen (Rund-funkstaatsvertrag und Rundfunkordnung/allgemeine Programmgrundsätze für Rundfunk und Te-lemedien) sowie die Systeme branchenspezifischer Selbstkontrolle (der Deutsche Presserat, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und die Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadienst-anbieter, Pressekodex) gehen nicht spezifisch auf Gewalt gegen Frauen und Geschlechtergerechtig-keit ein. Somit hängt es ab von der Haltung und dem Problemverständnis der einzelnen Entschei-der*innen, inwiefern in ihrem Rahmen Gewalt gegen Frauen und/oder der Gleichstellung von Frauen und Männern (z. B. Verzicht auf weibliche Stereotype und die Vermittlung erniedrigender Bilder von Frauen, welche sie mit Gewalt und Sex in Verbindung bringen) thematisiert werden. Konkrete Ver-haltenskodizes zu diesen Themenfeldern sind nicht formuliert.

Ein Beispiel einer öffentlich geförderten Initiative ist die Sensibilisierung von Medienschaffenden in Schleswig-Holstein im Rahmen des vom Land finanzierten SCHIFF-Projekts. Ein weiteres öffent-lich gefördertes Projekt für genderbewussten Journalismus (die Online-Plattform genderleicht.de) wird ohne Aussicht auf Anschlussfinanzierung im Sommer 2021 enden. Die aktuellen Dialogforen zu Sexismus, den Bereich Kultur und Medien eingeschlossen, des BMFSFJ und EAF, sind zu begrüßen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Maßnahmen, die daraus hervorgehen werden, einen Beitrag zur Um-setzung von Artikel 17 mit Bezug auf die Medien leisten werden.

Es gibt weitere positive Maßnahmen im Medienbereich in Deutschland, die nicht auf Impulse der Regierung zurückzuführen sind.

Nach starken Impulsen aus der Zivilgesellschaft hat sich im November 2019 die Deutsche Pres-seagentur selbst verpflichtet, bestimmte verzerrende und verharmlosende Begriffe in der Berichter-stattung zu Gewalt gegen Frauen nicht mehr zu verwenden84. Die Selbstverpflichtung „Gemeinsam für Gendergerechtigkeit“ von sechs deutschen Filmhochschulen85, in denen sowohl Nulltoleranz im Umgang mit sexualisierter Gewalt und jeder Form der Diskriminierung an den Hochschulen als auch Gendergerechtigkeit in den Inhalten der Forschung und Lehre thematisiert werden, ist ein weiteres Beispiel. Ebenfalls unabhängig von öffentlicher Unterstützung werden seit wenigen Jahren Sensibi-lisierungs- und Fortbildungsangebote (z. B. Workshops) zum Thema genderbewusstes Erzählen für Medienschaffende organisiert. Eine erste repräsentative Studie zum Thema Darstellung von Gewalt gegen Frauen im deutschen TV wurde ebenfalls ohne Beteiligung der Regierung von zivilgesell-schaftlichen Akteur*innen und Partnern aus der Branche im Herbst 2020 auf den Weg gebracht (Ergebnisse werden im Sommer 2021 erwartet).

Während die Bundesregierung in Deutschland also nicht proaktiv die Medien dazu ermutigt, im Zuge der Selbstregulierung Richtlinien und Normen zu erstellen, um den Respekt der Würde der Frauen zu stärken und somit zur Verhütung von gegen sie gerichteter Gewalt beizutragen, unter-stützt sie diese Arbeit anderer Staaten im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit (zuletzt im

84 Borgers, Michael 2019: Mord ist Mord ist Mord, in: Deutschlandfunk, 25.11.2019, [online] https://www.deutschland-funk.de/berichterstattung-ueber-gewalt-an-frauen-mord-ist-mord-ist.2907.de.html?dram:article_id=464247 (aufgerufen am 15.01.2021).

85 Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin et al. 2018: Gemeinsam für Gender-Gerechtigkeit, Februar 2018, [online] https://www.filmuniversitaet.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Gleichstellung/2018-02-07_Gender-Pa-per_final.docx.pdf (aufgerufen am 15.01.2021).

Rahmen des BMZ-finanzierten und von GIZ und Partner*innen umgesetzten Projekts “Step it Up for Gender Equality in South African Media”86, davor im Teilprojekt „Gewalt gegen Frauen im Blickfeld der Medien“ in Bolivien (im Rahmen des GIZ-Regionalvorhabens „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Lateinamerika (Com-VoMujer)”87) und im 2018 gestarteten bilateralen Vorhaben „Präven-tion der Gewalt gegen Frauen“ (PreViMujer) in Ecuador88.

Empfehlungen

Wir empfehlen der Bundesregierung und den Bundesländern,

» die Anwendung der Empfehlungen in der Europarat-Handreichung „Encouraging the Partici-pation of the Private Sector and the Media in the Prevention of Violence Against Women and Domestic Violence: Article 17 of the Istanbul Convention. A collection of papers on the Council of Europe Convention on preventing and combating violence against women and domestic violence“ (siehe insb. die “Checklist”, S. 41 ff.)89.

Wir empfehlen der Bundesregierung zur Bekämpfung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz,

» zielgerichtet hochrangige Vertreter*innen aus dem privaten Sektor proaktiv und direkt anzu-sprechen. Dazu gehören insbesondere auch Dachorganisationen und Interessensvertretungen der Branchen und Arbeitgeber*innen. Diese müssen als Vorbilder und Leitplanken der privat-wirtschaftlichen Unternehmen fungieren.

» die Erfüllung der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Pflichten, d. h. das Vor-handensein von Strukturen und Zuständigkeiten für den Umgang mit Belästigung am Arbeits-platz als Auswahlkriterium zu nutzen und bspw. als Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzusetzen.

» zu prüfen, welche Akteur*in welche Form der Sanktionen gegenüber Unternehmen geltend machen könnte, die ihre Pflichten aus dem AGG zum Schutz vor sexueller Belästigung am Ar-beitsplatz nicht erfüllen. Dabei sollten insbesondere auch die präventiv zu ergreifenden Maß-nahmen, wie der Aufbau einer Beschwerdestelle und die Information der Arbeitnehmer*innen, in den Fokus genommen werden90. Wenn Präventivmaßnahmen nicht ergriffen werden, z. B.

keine Beschwerdestelle aufgebaut und Arbeitnehmer*innen nicht informiert werden, sollte das sanktioniert werden.

86 GIZ 2020: South Africa: Step It Up for Gender Equality in South African Media, [online] https://gender-works.

giz.de/competitions2020/south-africa-step-it-up-for-gender-equality-in-south-african-media/ (aufgerufen am 15.01.2021).

87 GIZ 2016: Gewalt gegen Frauen im Blickfeld der Medien, [online] https://info.comvomujer.org.pe/catalogocomvo/

productoscatalogos2016/17_ComVoMujer_Hoja%20informativa_Periodismo%20libre%20de%20violencia%20 contra%20las%20mujeres_ALEMAN_REG_2016%20(1).pdf (aufgerufen am 15.01.2021).

88 GIZ 2018: Gewalt gegen Frauen verhindern, [online] https://www.giz.de/de/weltweit/73665.html (aufgerufen am 15.01.2021).

89 Council of Europe 2016: Encouraging the participation of the private sector and the media in the prevention of violence against women and domestic violence: Article 17 of the Istanbul Convention, Januar 2016, [online]

https://edoc.coe.int/en/violence-against-women/6804-encouraging-the-participation-of-the-private-sec- tor-and-the-media-in-the-prevention-of-violence-against-women-and-domestic-violence-article-17-of-the-is-tanbul-convention.html (aufgerufen am 15.01.2021).

90 So empfiehlt die o.g.repräsentative Studie aus dem Jahr 2019 diesbezüglich die „Prüfung der Möglichkeiten von Sanktionen gegenüber Arbeitgeber_innen, die ihren Schutz- und Fürsorgepflichten nicht ausreichend nachkom-men und zu wenig aktiv in der Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind. Diesbezüglich bietet sich insbesondere eine Prüfung der Möglichkeit von Verbandsklagerechten an, um eine angemessene Rechts-durchsetzung zu gewährleisten.“ Schröttle et al. 2019, S. 207 (s. Fußnote 83).

Artikel 17 Beteiligung des privaten Sektors und der Medien 59

Wir empfehlen Bundesministerien und anderen öffentlichen Stellen zur Bekämpfung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz,

» auf die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen personeller und finanzieller Art für die Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hinzuweisen – und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, so dass Strukturen etabliert und Verantwortliche durch qualifizierte Maßnahmen fortgebildet werden können.

» die Initiierung und Unterstützung branchenspezifischer Anlaufstellen für Betroffene von se-xueller Gewalt am Arbeitsplatz sowie regelmäßiger betrieblicher Schulungen durch Fachkräfte aus dem Unterstützungssystem zu gewährleisten.

Wir empfehlen der Bundesregierung und dem Gesetzgeber zur Bekämpfung von digitaler Gewalt,

» dafür Sorge zu tragen, dass funktionierende Meldewege in Sozialen Netzwerken, bei Seiten-betreiber*innen, Anbieter*innen von Online-Diensten sowie Software- und Produktentwick-ler*innen geschaffen werden müssen, wenn mit ihrem Produkt digitale geschlechtsspezifische Gewalt ausgeübt werden kann.

» die Unternehmen und IT-Dienste durch eine Digitalsteuer in die Verantwortung für die mas-senhafte gewalttätige Anwendung ihrer Produkte zu nehmen, deren Ertrag Angeboten zur Prävention und Intervention bei digitaler Gewalt zugutekommt.

» dafür Sorge zu tragen, dass alle Produkte, mit denen Spionage und andere Formen digitaler Gewalt unerkannt ausgeübt werden können, gekennzeichnet werden müssen sowie Nutzer*in-nen automatisch benachrichtigt werden müssen.

Wir empfehlen der Bundesregierung in Bezug auf Medien,

» die Umsetzung der Empfehlung Nr. R (84) 17 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zur Gleichstellung von Frau und Mann in den Medien; der Empfehlung 1555 (2002) der Parlamen-tarischen Versammlung des Europarats zum Bild der Frau in den Medien; der Empfehlung 1799 (2007) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Bild der Frau in der Werbung; der Resolution 1751 (2010) und Empfehlung 1931 (2010) der Parlamentarischen Ver-sammlung des Europarats zur Bekämpfung sexistischer Stereotype in den Medien und der Empfehlung für die Gleichstellung von Frauen und Männern im audiovisuellen Bereich (CM/

Rec(2017)9).

Wir empfehlen der Bundesregierung und den Bundesländern in Bezug auf Medien,

» die Förderung von Maßnahmen, die Medienhäuser und Medienschaffende darin unterstützen, sich angemessen mit ihrer Verantwortung in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und der Gleich-stellung der Geschlechter auseinanderzusetzen (bspw. durch die Entwicklung von Normen der Selbstregulierung, Verhaltenskodizes und belgeitenden konkrete Maßnahmen für ihre Einfüh-rung und das Monitoring ihrer Umsetzung), insbesondere unter Einbeziehung der relevanten Fachexpertise aus Praxis und Forschung, sowie der Erfahrungen mit entsprechender Arbeit im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.