• Keine Ergebnisse gefunden

1. Einleitung

1.5. Funktionen von HAX1 und Charakterisierung der Mutationen

1.5.2. HAX1 und Apoptose

Die Homöostase in einem Gewebe ist abhängig von Zellproliferation und Zelltod. In einer Zelle gibt es zwei verschiedene Arten von Zelltod: Apoptose (griechisch - das Fallen der Blätter) und Nekrose (griechisch – Tod, Absterben). Der Unterschied zwischen Apoptose und Nekrose be-steht darin, dass Nekrose mit einer Entzündungsreaktion verbunden ist, da sich die Permeabilität der Zellmembran erhöht und unkontrolliert intrazelluläre Bestandteile in die Zellumgebung ausgeschüttet werden, während Apoptose als programmierter Zelltod bezeichnet wird. Morpho-logisch zeichnet sich Apoptose durch Chromatinkondensation, Blasenbildung der Membran, Schrumpfung der Zelle, Auflösung der Kernmembran und Formung von Apoptosekörperchen aus. Diese Abschnürungen der Zellmembran werden von benachbarten Zellen oder Makropha-gen phagozytiert, um eine Entzündungsreaktion zu vermeiden (Kerr et al., 1972). Der Apopto-seprozess kann 30-60 min andauern (Thornberry und Lazebnik, 1998). Deregulierung führt zu vielen Erkrankungen wie Krebs, Immunerkrankungen und neurodegenerativen Erkrankungen (Thompson, 1995).

Apoptose wird durch unterschiedliche Stimuli wie DNA-Schäden oder death receptor-Aktivierung ausgelöst. Dadurch wird entweder über innere Stimuli der intrinsische, mito-chondriale Weg oder über äußere Stimuli, die zur Aktivierung des death receptor führen, der extrinsische Weg der Apoptose ausgelöst (Antonsson, 2001). Beide Wege haben die gleiche Endstrecke, indem sie die Cystein-Proteasen (Caspasen) 3 und 7 aktivieren (Thornberry und Lazebnik, 1998; Yan und Shi, 2005). Caspasen sind inaktive Zymogene, die durch

proteolyti-sche Spaltung aktiviert werden. Eine ihrer Funktionen ist, Proteine zu inaktivieren, die die Zelle vor dem Zelltod schützen (antiapoptotische Proteine), oder auch direkt Zellstrukturen wie die Kernlamina abzubauen, was zur Chromatinkondensation beiträgt (Thornberry und Lazebnik, 1998). Caspasen lassen sich einteilen in Initiatorcaspasen (Caspasen 2, 8, 9, 10), die sich unter apoptotischen Bedingungen durch autokatalytische Spaltung selbst aktivieren, und Effektor-caspasen (Caspasen 3, 6, 7), die durch andere InitiatorEffektor-caspasen aktiviert werden (Shi, 2002). Sie liegen in der Zelle in ihrer inaktiven Form als Vorstufen (Procaspasen) vor, die nur eine geringe katalytische Aktivität vorweisen (Thornberry und Lazebnik, 1998).

Der intrinsische Weg der Apoptose zeichnet sich dadurch aus, dass Mitglieder der Bcl-2-Proteinfamilie durch innere Stimuli wie DNA-Schäden post-translational oder durch Konforma-tionsänderung aktiviert werden. Die Mitglieder der Bcl-2-Familie teilen sich in proapoptotische und antiapoptotische Proteine. Zu der proapoptotischen Untergruppe gehören die Multidomän-Besitzer Bax und Bak und die Proteine, die nur eine BH3-Domäne besitzen (Bid, Bad, Box, Bim, PUMA, NOXA). Bcl-2, Bcl-xL, Bcl-w und Mcl-1 repräsentieren Mitglieder der antiapop-totischen Untergruppe (Cory et al., 2003; Jiang und Wang, 2004; Youle und Strasser, 2008).

Überwiegen die proapoptotischen Mitglieder der Bcl-2-Familie, sinkt das mitochondriale Membranpotential, und proapoptotische Faktoren wie Cytochrom c, AIF (apoptosis inducing factor), Endonuclease G (Endo G), Omi/HtrA2 (high temperature requirement A2) und Smac/DIABLO (second mitochondria derived activator of Caspases/ direct IAP-binding protein with low pI) werden aus dem Intermembranraum der Mitochondrien freigesetzt (Antonsson, 2001; Garrido und Kroemer, 2004). Dort bildet sich das Apoptosom, ein heptago-naler Komplex aus Cytochrom c, Apaf-1 (apoptotic protease activating factor 1) und (d)ATP, der die Selbstaktivierung der Initiatorcaspase des intrinsischen Systems (Procaspase 9) bewirkt (Li et al., 1997; Boatright und Salvesen, 2003). Daraus folgt die Aktivierungskaskade der Effek-torcaspasen 3 und 7, die durch Caspase 9 in ihre aktive Form gespalten werden (Li et al., 1997).

Die anderen aus den Mitochondrien freigesetzten Moleküle Smac/DIABLO und Omi/HtrA2 verstärken die Apoptose durch Hemmung von IAPs (inhibitory apoptosis proteins), deren Auf-gabe es ist Caspasen zu inhibieren. Zudem steigert Omi/HtrA2 die Caspasenaktivität (Hegde et al., 2002; Martins et al., 2002). Endo G bewirkt nach Freisetzung ins Zytosol und Translokation in den Nukleus die Fragmentation von DNA (Garrido und Kroemer, 2004). AIF markiert die apoptotischen Zellen für Makrophagen durch Externalisierung von Phosphatidylserin auf die Außenseite der Plasmamembran. Des weiteren transloziert AIF zum Nukleus und induziert die Kondensation von Chromatin (Susin et al., 1999; Ye et al., 2002). (Siehe Abbildung 4)

Der extrinsische Weg der Apoptose wird durch Bindung von Todesliganden der TNF (Tumor Nekrose Faktor)- Rezeptorfamilie wie TNF-α, Fas/CD95 Ligand und Apo2 Ligand/TRAIL (TNF-related apoptosis inducing ligand) an einen membranständigen Todesrezeptor ausgelöst (Ashkenazi und Dixit, 1998; Yan und Shi, 2005). Todesrezeptoren der TNF-Rezeptorproteinfamilie (TNFR1, Fas, Apo2) besitzen eine konservierte, zytoplasmatische

To-desdomäne, die bei Bindung des Todesliganden trimerisiert wird. Dadurch wird das apoptoti-sche Signal intrazellulär weitergeleitet. Rezeptor-assoziierte Adaptermoleküle wie FADD (Fas associated death domain) und TRADD (TNF receptor associated death domain) und andere Effektorproteine interagieren mit dieser Todesdomäne und bilden einen Komplex. Dieser wird als DISC (death inducing signaling complex) bezeichnet. Durch die Todeseffektordomäne (DED) von FADD werden drei Procaspasen 8 rekrutiert, die durch die hohe räumliche Konzent-ration von Procaspase-Molekülen von ihrer latenten Pro-Form in aktive Proteasen prozessiert werden (Yan und Shi, 2005). Caspase 8 liegt durch die Aktivierung als Heterotetramer vor und kann Caspase 3 aktivieren, wodurch wiederum Caspase 7 aktiviert wird (Caspasen-Kaskade).

Zusätzlich spaltet Caspase 8 ein weiteres Substrat, das proapoptotische Mitglied der Bcl-2-Familie Bid, das in seiner gekürzten Form (tBid) zu den Mitochondrien transloziert und dort durch Freisetzung proapoptotischer Faktoren (u.a. Cytochrom c) eine Verbindung zum intrinsi-schen Weg der Apoptose herstellt (Luo et al., 1998; Yan und Shi, 2005).

Die Caspasen-Kaskade übernimmt schließlich die Ausführung der Apoptose. Beteiligt sind die Effektorcaspasen 3, 6 und 7, die durch proteolytische Spaltung von verschiedenen Substraten die Struktur der Zelle zerstören. Letztlich wird sie durch Abschnürungen der Zellmembran in kleinen Vesikel (Apoptosekörperchen) abgebaut und von Fresszellen phagozytiert.

Mitochondrialer

Abbildung 4: Schematische Darstellung des extrinsischen und intrinsischen Weges der Apoptose.

In der Literatur werden mehrere Interaktionspartner von HAX1 im Zusammenhang mit Apopto-se erwähnt, weshalb eine antiapoptotische Rolle von HAX1 nahe liegend ist. Die antiapoptoti-sche Funktion von HAX1 wurde durch Interaktion mit viralen Proteinen, der proapoptotiantiapoptoti-schen Protease Omi/HtrA2, dem Transmembranprotein Phospholamban, Caspase 3 und 9 und bei der Untersuchung des mitochondrialen Membranpotentials beschrieben, die im Folgenden erläutert werden. Außerdem wurde durch Analyse der Genstruktur festgestellt, dass HAX1 entfernte Homologien zu Bcl-2-Domänen und Nip3 besitzt (Suzuki et al., 1997).

Viren machen sich multiple antiapoptotische Strategien zunutze, um die apoptotischen Mecha-nismen der Wirtszelle als Zellantwort auf virale Infektionen zu antagonisieren (Thomson, 2001). Die antiapoptotische Funktion von HAX1 wurde bei der Interaktion von HAX1 mit drei viralen Proteinen beschrieben: Kaposi Sarkom assoziiertes Herpes Virus, HIV (Human immu-nodeficiency virus), EBV (Epstein-Barr Virus).

K15 ist ein Protein des Kaposi Sarkom assoziierten Herpes Virus, das die Genexpression der Wirtszelle beeinflussen kann und an der Signaltransduktion beteiligt ist (Schulz, 2000;

Brink-mann et al., 2007). HAX1 und K15 interagieren miteinander und befinden sich laut Sharp et al.

beide im endoplasmatischen Retikulum und in den Mitochondrien. Außerdem wurde gezeigt, dass Bax-induzierte Apoptose durch HAX1 inhibiert werden kann, worauf K15 jedoch keinen Einfluss hat (Sharp et al., 2002).

Vpr (HIV 1 viral protein R) ist bei einer HIV-1-Infektion am nukleären Import des HIV-1 Präin-tegrationskomplexes und der Transaktivierung von LTR (Long terminal repeat) und Zielgenen beteiligt. Zudem ist Vpr bei Apoptose, der Verbesserung der Genauigkeit der reversen Transkriptase und der Arretierung des Zellzyklus in der G2-Phase involviert (Andersen und Planelles, 2005; Le Rouzic und Benichou, 2005; Dehart und Planelles, 2008). Vpr depolarisiert bei Apoptose das mitochondriale Transmembranpotential, was die Freisetzung von Proteinen aus den Mitochondrien zur Folge hat (Jacotot et al., 2000). Yedavalli et al. stellten fest, dass Vpr an HAX1 bindet und HAX1 ins Zytoplasma transloziert, wenn durch Vpr-Überexpression Apoptose ausgelöst wird. Die Überexpression von HAX1 bewirkte einen antiapoptotischen Effekt (Yedavalli et al., 2005).

Die viralen Proteine EBNA (EBV nuclear antigen) -1, -2, -3A, 3C, -LP (leader protein) und LMP-1 (latent membrane protein 1) spielen im Rahmen einer EBV-Infektion bei der Immortali-sierung von B-Zellen eine Rolle. HAX1 interagiert mit EBNA-LP und EBNA-5 (Kawaguchi et al., 2000; Dufva et al., 2001). EBNA-LP ist ein Phosphoprotein, das die EBV-induzierte Trans-formation des B-Zellwachstums reguliert (Mannick et al., 1991). Durch seine Interaktion mit HAX1 könnte EBNA-LP dessen Funktion (Apoptoseregulation und Rezeptor-vermittelte Signaltransduktion) im B-Zell-Immortalisierung-Prozess beeinflussen (Kawaguchi et al., 2000).

Außerdem zeigten Matsuda et al., dass EBNA-LP in Anwesenheit von HAX1 virale und zellu-läre Bcl-2-Proteine wie Bcl-2 und BHRF1 (BamHI fragment H rightward open reading frame 1) beeinflusst und in vitro mit diesen einen Komplex bildet (Matsuda et al., 2003).

Auch bei der Interaktion mit anderen Proteinen ließ sich die antiapoptotische Funktion von HAX1 beobachten. Humanes Prohibitin 2 (PHB2), ein Tumorsuppressorgen, bildet mit HAX1 einen Komplex im Mitochondrium. Der Knockdown von PHB2 löst in HeLa-Zellen Apoptose aus. Kasashima und Kollegen vermuteten, dass sich dies durch Herunterregulation von HAX1 erklären lässt, was zu Caspase abhängiger Apoptose führt (Kasashima et al., 2006). Mirmo-hammadsadegh machte bei der Untersuchung von psoriatrischen Keratinozyten ähnliche Beo-bachtungen der Apoptosesteigerung bei verminderter HAX1-Expression (Mirmohammadsadegh et al., 2003).

Cilenti und Kollegen entdeckten HAX1 als ein Substrat der proapoptotischen, mitochondrialen Serinprotease Omi/HtrA2 (Cilenti et al., 2004). Es wurde gezeigt, dass HAX1 das mito-chondriale Membranpotential stabilisiert und bei Apoptoseinduktion noch im Mitochondrium von Omi/HtrA2 gespalten und inaktiviert wird, bevor Omi/HtrA2 ins Zytoplasma transloziert.

Chao und Mitarbeiter zeigten zudem, dass Hax1 mit der mitochondrialen Protease PARL

(pre-senilin-associated, rhomboid-like) interagiert, wodurch PARL Omi/HtrA2 zur aktiven Protease prozessiert (Chao et al., 2008). Das prozessierte Omi/HtrA2 wird in den Intermembranraum freigesetzt und verhindert die Anreicherung von Bax und somit die Apoptoseauslösung.

HAX1 greift über die Inhibition von Caspasen in die Apoptose ein. Han und Kollegen zeigten die Interaktion von HAX1 mit Caspase 9. In kardialen Myozyten stellten sie eine erhöhte Caspase-9 Expression fest, jedoch eine erniedrigte Apoptoserate und Caspase 9-Aktivierung (Han et al., 2006). Fluoreszenzmikroskopisch wurde nach Apoptoseinduktion die Translokation von Caspase 9 in die Mitochondrien festgestellt, wo ihre Aktivierung vermutlich von HAX1 inhibiert wird. Die exakte Wirkungsweise, ob direkt oder indirekt über andere Adapterproteine, wird in diesem Zusammenhang noch diskutiert (Shaw und Kirshenbaum, 2006).

Vafiadaki und Mitarbeiter zeigten, dass HAX1 mit Phospholamban (PLN) interagiert und Caspase 3 inhibiert (Vafiadaki et al., 2007). PLN ist ein Transmembranprotein des kardialen sarkoplasmatischen Retikulums, das für Ca2+-Homöostase und Kontraktilität verantwortlich ist (MacLennan und Kranias, 2003). Mit myc-HAX1 transient transfizierte HEK293-Zellen zeigten erhöhte Resistenz gegenüber dem Apoptose auslösenden Stimulus H2O2. Dieser protektive Ef-fekt von HAX1 konnte durch Co-TransEf-fektion mit PLN noch gesteigert werden. Vafiadaki schloss daraus, dass HAX1 durch Caspase 3-Inhibition antiapoptotisch wirkt, da die Expression von Caspase 3 in den Zellen erniedrigt war (Vafiadaki et al., 2007). Außerdem sei es möglich, dass HAX1 wie Bcl-2 das Überleben von Zellen durch Regulation der Ca2+-Homöostase im ER moduliert (Vafiadaki et al., 2007; Vafiadaki et al., 2008).

Zudem wirkt HAX1 modulierend in den Mitochondrien. Die Mitochondrien üben eine Schlüs-selfunktion in der Apoptose aus, da durch Permeabilisierung der inneren Mitochondrienmemb-ran Apoptose eingeleitet wird. Die Veränderung des MembMitochondrienmemb-ranpotentials wurde deshalb durch unsere Arbeitsgruppe an HAX1-defizienten Patienten- und Normalspenderzellen untersucht (Klein et al., 2007). HAX1-defiziente Neutrophile und Fibroblasten wiesen im Vergleich zu Normalspendern eine höhere spontane und durch TNF-α bzw. Valinomycin ausgelöste Apopto-serate auf. Beide HAX1-defizienten Zellarten zeigten eine schnellere Depolarisation des mito-chondrialen Membranpotentials. Zudem nahm die Spaltung von Caspase 3 und 7 zu. HAX1 ist demnach an der Stabilisierung des mitochondrialen Membranpotentials beteiligt. Dies bestätigt die These von Carlsson und Mitarbeiter, die noch vor der Entdeckung des Gendefekts beim Kostmann-Syndrom die gestörte mitochondriale Apoptose als ursächlichen Pathomechanismus für den Reifearrest in der Myelopoese annahmen (Carlsson et al., 2004; Palmblad und Papadaki, 2008). Bei HAX1-Defizienz führt nur die Funktionsstörung in den hämatopoetischen Zellen zum Krankheitsbild SCN, obwohl HAX1 ubiquitär exprimiert wird. Es bleibt deshalb noch un-klar, warum auch Fibroblasten als nicht hämatopoetische Zellen einen erhöhten Membranpoten-tialverlust bei Apoptoseinduktion aufweisen, dies jedoch auf den Phänotyp der Erkrankung kei-ne Auswirkungen zu haben scheint (Klein et al., 2007).

Abbildung 5: Hypotheti-sches Apoptoseschema mit der Rolle von HAX1. Durch mitochondrialen Stress oder Stimulation mit Bid wird Cytochrom c aus dem Mito-chondrium freigesetzt, was zur Bildung des Apoptosoms mit Apaf-1 und dATP führt.

Dadurch kann sich Procaspa-se 9 Procaspa-selbst aktivieren und die Caspasen-Kaskade wird aus-gelöst, was zur Exekution der Apoptose führt. HAX1 und IAPs können die Caspasen inhibieren und werden selbst durch Smac und Omi/HtrA2 gehemmt.

Modifiziert nach (Crow et al., 2004; Carlsson et al., 2007)