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Grundstimmung und Atmosph¨ are im Kinderzimmer

5.2 Wie erleben Heranwachsende ihr Kinderzimmer?

5.2.1 Grundstimmung und Atmosph¨ are im Kinderzimmer

Ersten Erinnerungen sind zum Teil eng mit der Familie, insbesondere den Geschwistern verbunden. Befragte, die mehrere Geschwister hatten, schildern den Raum h¨aufig als zentralen Bereich ihrer fr¨uhen Kindheit. Hier spielte sich ihr Leben ab bzw. hier machten sie wichtige Erfahrungen in ihren Beziehun-gen zu anderen. Atmosph¨are und Grundstimmung im Raum werden dabei anschaulich wiedergegeben: im Vordergrund stand das gemeinsame T¨ atig-sein. Die Betonung liegt dabei auf zusammen und gemeinsam und bringt das Gef¨uhl, in einer Gemeinschaft heimisch zu sein, zum Ausdruck. Bettina erz¨ahlt:

”Ich denke als ers – als allererstes f¨allt mir meine Familie ein, beson-ders meine Geschwister. Also ich hab zwei Schwestern und wir hatten immer ein Kinderzimmer gemeinsam“. Ihre auch r¨aumlich enge Beziehung zu ihren Geschwistern bestimmt die Grundstimmung und Atmosph¨are im Raum, an-dere Aspekte bleiben zun¨achst im Hintergrund. Annika erinnert sich spontan:

”Das Zimmer an sich war eigentlich nie wichtig, richtig wichtig. Das war-es war – wir haben ganz h¨aufig umger¨aumt . . . ¨Ahm. Was da drin besonders wichtig war, war die Puppenstube, weil also in som – ja halt – wir hatten jeder zwei oder drei Puppen, also St. , E. und ich, wir haben immer zu dritt Puppen gespielt, ganze Nachmittage lang“. Beide Erinnerungen dr¨ucken ein harmonisches auf Gemeinsamkeit und N¨ahe basierendes Stimmungsbild aus.

In einem sp¨ateren Interviewausschnitt erg¨anzt Annika ihre Aussage, indem sie betont, welchen zentralen Stellenwert das Kinderzimmer in ihrer fr¨uhen

Kindheit hatte.

”Zentrum des Lebens in der Familie. Zentrum wirklich. Weil da ist die geballte Energie. Es is, da spielt das Leben. Also fr¨uher auf jeden Fall, mittlerweile hat sich das eher, also jetzt [I.: hmm]. Das spielt sich jetzt auch nicht mehr so ab“. Daß zwischenmenschliche N¨ahe einen hohen Stel-lenwert f¨ur Kinder besitzt und ¨außerst positiv bewertet wird, zeigt ebenfalls Melanies Beschreibung fr¨uher Kindheitserfahrungen:

”Und haben eigentlich dann ganz viel zusammen gemacht und das ¨ah. Wir haben uns dann auch abends, manchmal sollten wa schon lange schlafen, lagen wa in den Betten und haben uns dann noch ¨ahm gegenseitig noch irgendwelche Geschichten erz¨ahlt. Und ¨ahm das stand auch g¨unstig. Wir lagen so quasi ¨uber Eck [lacht]

und dann mitn K¨opfen so ziemlich dicht zu einander dann, war das richtig sch¨on. Obwohl man eigentlich l¨angst schlafen sollten und haben und so, und unsere Eltern habn gesch-gesagt, [lacht] ja nun wollt a nich mal ans Schla-fen denken. Und habn wa einfach, ¨ahm ja war eigentlich immer viel Freude“.

Vertrauensvolle N¨ahe und unbeschwerte Momente mit ihrem Zwillingsbruder bringt Melanie in ihrem Stimmungsbild zum Ausdruck.

Grundstimmung und Atmosph¨are eines Zimmers werden von ihren Bewoh-nern durchaus unterschiedlich nuanciert erlebt. Elisa, Annikas j¨ungere Schwe-ster, berichtet:

”Ja, wir warn ganz am Anfang drei Leute im Kinderzimmer, also Annika, E. und ich. Na ja, ich hatte ’n Gitterbett hier in der Ecke [lacht]

und die andern beiden haben im Hochbett geschlafen. Na ja, es war eigent-lich immer ziemeigent-lich praktisch eingerichtet und ¨ah ja ¨ahm wir habn eigentlich alles da drin gemacht, auch mal gegessen. [Beide lachen] ¨Ahm ja, wir hatten ne Zeitlang nen richtig großen Maltisch da stehn und immer ganz viel gemalt und ne Puppenecke, in der habe ich aber nich soviel gespielt, muß ich echt so sagen. Die anderen haben da mehr mit gespielt. Ich hab mehr mit M. gespielt, wir waren fast wie ¨ah Schwestern“. Obwohl Elisas erste Erinnerungen eben-falls den Geschwistern gelten, liegt der Akzent auf der Anzahl der Personen, auf diese Weise werden durch einen feinen Unterton personale Distanzen ge-setzt. In den n¨achsten beiden S¨atzen baut sie diese zum Kontrast aus: a) ihr Gitterbett steht in der Ecke, w¨ahrend beide Schwestern im Hochbett schla-fen, b) sie malt lieber, w¨ahrend die Schwestern in der Puppenecke spielen, c) die Schwestern spielen mit Puppen, Elisa mit ihrer Freundin. Durch Alters-unterschiede und den daraus folgenden InteressensAlters-unterschieden sowie ihrer dadurch bedingten distanzierten Perspektive wird eine andere

Grundstim-mung und Atmosph¨are in Elisas Schilderung aufgebaut. Elisa erlebt sich als jemanden, der zur schwesterlichen Spielwelt keinen Zugang findet.

Andere Befragte beziehen sich direkt auf den Raum und schildern, wie sie ihn erlebt haben. Grundstimmung und Atmosph¨are des Raumes stehen im Mit-telpunkt ihrer Erinnerungen; weniger der Beziehungsaspekt, sondern r¨ aum-liche Kriterien wie Helligkeit, W¨arme, Gr¨oße, Lage, Funktion und Entwick-lungsaspekte sind bedeutsame Komponenten ihrer ersten Raumskizzen. Ka-thryn bevorzugt ihr zweites Zimmer gegen¨uber ihrem ersten Raum und nennt einige Kriterien f¨ur ihre Wahl:

”Es muß gem¨utlich sein, so warm. [I.: ne warme Atmosph¨are?] Genau. Also, ich mag auch nich so große R¨aume. Wir haben son großes Wohnzimmer, das mag ich nich n¨amlich nicht so. [I.: hmm] Lieber sch¨on klein, also kleiner und gem¨utlicher.“ Ein weiteres Beispiel f¨ur diesen st¨arker raumorientierten Zugang findet man bei Bettinas ¨alteren Schwester Cora:

”Es war ein sehr großer und sehr heller, aber dabei auch gleichzeitig warmer Raum. Es ist der w¨armste Raum im Hause gewesen. Ein Eckzim-mer mit drei riesengroßen Fenstern und das is ziemlich wichtig auch heute noch f¨ur mich, daß ich ein Zimmer bewohne, das hell ist. Ich f¨uhle mich in dunklen R¨aumen nich wohl und ich denke, das is einfach Gewohnheitssache, weil ich immer in hellen R¨aumen gewohnt habe.“ Cora f¨uhrt hier allgemeine weniger kindorientierte Raumkriterien an, die in ihrem Kindheitszimmer f¨ur eine angenehm behagliche Atmosph¨are sorgten.

Helligkeit und Gr¨oße sind auch f¨ur Philipp Kriterien, die sein Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen:

”Und das erste, was mir einf¨allt, ist das es recht dun-kel war, also mir kam – es gab nur ein Fenster, [I.: hmm] das zwar recht groß war, aber in Norddeutschland ist ja auch nicht immer soviel Sonnenschein, und es war-war mir immer zu dunkel eigentlich. Auch wenn die W¨ande weiß gestrichen waren, was en bißchen aufhellt. [I.: hmm] Das war en bißchen zu-viel, auch weil ich die W¨ande immer gerne vollgeh¨angt habe mit Postern und allem M¨oglichen, wurds nat¨urlich doch wieder etwas dunkler. [I.: hmm] Das h¨att dann – da h¨att ich gern mehr gehabt. – Es war immer recht groß mein Zimmer, das hab ich damals, also als – ich bin der ¨alteste von drei Br¨udern, und ich hatte immer en gr¨oßeres Zimmer als meine beiden Br¨uder. Und das war auch nie ne Frage, ob ich das krieg oder nich, und – das hab ich auch selber als selbstverst¨andlich angesehen, daß ich das gr¨oßte Zimmer nehmen darf und – das hat mir nat¨urlich auch ganz gut gefallen, [I.: ja] obwohl ich

nat¨urlich nicht den ganzen Raum ausgenutzt habe“. Philipp w¨agt zun¨achst die positiven und die negativen Eigenschaften des Raumes gegeneinander ab.

Der nachdenkliche, leicht bedauernde Unterton im Interviewausschnitt kann als Hinweis gewertet werden, daß die Atmosph¨are zeitweilig eher d¨ampfend als anregend empfunden wurde. Außerdem deutet sein

”Das war en bißchen zuviel“ an, daß das Zimmer vor allem an tr¨uben Tagen etwas erdr¨uckend wirkte. Diese Grundstimmung wird wahrscheinlich durch die Gr¨oße und Far-be des Raumes, der gar nicht voll ausgenutzt werden konnte, Far-besonders Far- be-tont. Durch die starke Bebilderung des Zimmers, die Freir¨aume ausgleichen bzw. verdecken sollte, wurde dieser Aspekt meiner Meinung nach eher noch verst¨arkt.

Michael beginnt ebenfalls mit einer Schilderung seines Zimmer aus der sp¨aten Kindheit. Lichtverh¨altnisse, Gr¨oße und Inventar sind wichtige Gesichtspunk-te seiner Betrachtung:

”Was f¨allt mir da spontan ein? Ja, en sch¨ones großes Fenster, ¨ahm en Hochbett, was ich da stehn hatte, ¨ahm ¨ah die Wand, die ich ausgeschm¨uckt hab mit alten Computerteilen, [I.: hmm] ¨ahm die ich damit dekoriert hab, was mir gefallen hat. Ja, dann hatte ich noch en großes B¨ ucher-regal in der Ecke stehn ¨ahm mit allem m¨oglichen Krams sehr tief, und da warn, was weiß ich alles drin. Ja, dann hatte ich noch ne Stereoanlage irgend-wo stehn, irgend-wo ich gerne Musik mit geh¨ort hab und ¨ahm en Schreibtisch, der immer voll war mit allem m¨oglichen Ger¨umpel oder. Das war durchaus cha-rakteristisch f¨ur mein Zimmer, auch f¨ur das andere von mir“. F¨ulle und eine starke individuelle Note, die Michael seinem Zimmer durch Ausschm¨uckung und Ordnung verliehen hat, sind charakteristisch f¨ur die Atmosph¨are, die sein Raum ausstrahlt.

Maiks erste Erinnerungen reichen bis in die fr¨uhe Kindheit zur¨uck:

”Das erste, woran ich mich erinnern kann, mein Zimmer stand en Bett drin, en Kinderbett mit na ja so ner Seitenbegrenzung in Stangenform, daß man halt nicht einfach so herauskommen konnte und en Wickeltisch. Das is so ziemlich das erste, was ich noch weiß. Das Zimmer selber ja klein und vor allen Dingen die H¨alfte des Daches war schr¨ag, weil das war unterm Dachboden praktisch ausgebaut, ¨ahm so wo ich wirklich sagen k¨onnte, das is mehr geworden, als einfach nur so, wo ich halt mal geschlafen habe in der Zeit, sondern Kinder-zimmer. ¨Ahm, das w¨urd ich mal sagen – vier oder f¨unf Jahren – so Vorschule praktisch, wos dann langsam anfing mit etwas umfangreicheren Spielzeugen,

die konnte man halt dann nicht immer alle halbe Stunden runter in die Stube schleppen und wieder zur¨uck“. Die Beschreibung des Zimmers und auch die des Bettes erwecken den Eindruck von Enge und Begrenzung. Die kleine ab-gelegene Dachkammer wird tags¨uber nur selten aufgesucht und bleibt lange Zeit lediglich Schlafraum. Erst als Maik in der Lage ist, allein zu bleiben und zu spielen, gewinnt sie an Bedeutung. Allerdings wird sie zu keiner Zeit zu einem zentralen Ort seiner Kindheit.

Falks erste Erinnerungen gelten markanten Daten und Gegenst¨anden wie verschiedenen Umz¨ugen und entsprechenden Ver¨anderungen seines Zimmers.

Spontan erinnert er sich an das Kinderzimmer als seinen h¨auslichen Spielbe-reich:

”So und, was mir eigentlich so spontan einf¨allt, [kurze Pause] ja, das Zimmer – hatte – en Schreibtisch, da hab ich dann die Hausaufgaben vorwie-gend dran gemacht, wenn’s denn welche gab, und dann hab ich das Zimmer – ja fast ausschließlich zum Spielen benutzt. Das war also – wirklich en reines Spielzimmer. Und eigentlich – so viel Zeit hab ich da nicht drin verbracht

¨ahhh ich hatte – auch ¨ahh bedingt dann durch die Schchulzeit, war ich ja viel in der Schule, und nach der Schule hatte ich dann auch immer noch an-dere Aktivit¨aten, zum Beispiel Sport hatte ich da sehr intensiv betrieben, in ner Mathematik-Arbeitsgemeinschaft war ich dann noch, die hat dann auch viel Zeit in Anspruch genommen [I.:ja] und, ja, so daß ich dann eben [kurze Pause] ja viellei also am vorwiegend am Wochenende im Zimmer war. Und – da hab ich dann eben ja hatte ich so verschiedene Spielsachen [beide lachen kurz auf] Da hat ich erst mal hat ich ziziemlich viele Kuscheltiere, die – ja, mit denen konnte man sich dann auch sehr gut unterhalten, weil ich ja nun auch Einzelkind war, da hab ich, war ich – ziemlich viel alleine in dem Kin-derzimmer, und – hab dann viel mit den Tieren gespielt, das war so, ja als ich in die Schule gekommen bin, in dem Alter war das ungef¨ahr, war das ziem-lich stark, . . . “. Falk hat die ersten zehn Jahre seiner Kindheit in der DDR verbracht. Den ¨uberwiegenden Teil des Tages hat er außerhalb der Wohnung verbracht. Das Verh¨altnis zu seinem Zimmer gestaltete sich haupts¨achlich

¨uber Spielt¨atigkeiten. In einer ruhigen ungest¨orten Atmosph¨are konnte er seinen Spielen und Hausaufgaben nachgehen.

Auch f¨ur Marc stehen Raumbezug und T¨atigkeitsaspekt im Vordergrund:

”Also erstmal zwei im gleichen Haus, eins zum Schlafen und eins zum Spie-len, das war im Keller. Also, pers¨onlich jetzt mess ich dem-dem

Spielzim-mer an sich jetzt, das SpielzimSpielzim-mer als so sogenannt gr¨oßere Bedeutung zu, vor allem weil da durfte ich mich entfalten. Und das war ein G¨astezimmer umfunktioniert als Kinderzimmer. War dementsprechend eigentlich nicht als Kinderzimmer eingerichtet. Es war, glaub ich, en Waschbecken drin, son Lino-leumboden, das war damals auch so, sechziger Jahre so, wurde das eingerich-tet. ¨Ahm beige, so total h¨aßlich eigentlich, ne. Milchglasscheiben waren drin, vergitterte Fenster, weils im Keller war.“ Trotz seiner d¨usteren, wenig anhei-melnd und kindorientierten Kelleratmosph¨are gewinnt Marc seinem ersten Zimmer durchaus positive Seiten ab. Der etwas d¨ustere unheimliche Keller-raum bietet ihm vor allem FreiKeller-raum, jede Menge anregende Ecken, Nischen und Verstecke, die seine Phantasie und Vorstellungskraft anregen. Allerdings ist bei dieser Raumbeschreibung eine gewisse Unsicherheit und Distanzie-rung beim Befragten zu sp¨uren, hinter der sich das Gef¨uhl von Einsamkeit und Verbannung verbergen kann, da der f¨ur ihn vorgesehene Bereich weder in die Gesamtwohnung integriert war, noch standen ihm andere Bereiche der Wohnung als Spielbereich offen.

So vielf¨altig und individuell unterschiedlich die Beispiele sind, kommen doch zwei Komponenten deutlich zum Ausdruck. Je nachdem ob Heranwachsende

¨uber ihren eigenen Raum verf¨ugen oder ihn mit ihren Geschwistern teilen, pr¨agen entweder der Raumbezug oder Beziehungsaspekte ihr Raumerleben.

Raumstimmung und -atmosph¨are in Gemeinschaftszimmern variieren indi-viduell erheblich von friedlich und harmonisch bis kontrastreich und span-nungsgeladen. Das Kinderzimmer kann gerade bei drei und mehr Kindern zum zentralen Ort des Familienlebens werden. Eltern, die sich auf kindliche Spiele einstellen oder daran teilnehmen, f¨ordern und verst¨arken die Grund-stimmung im Raum und sind im Kinderzimmer willkommen. Andere Formen der Erwachsenenpr¨asenz – wie gerechtfertigt sie auch sein mag – wird eher als Eingriff erlebt und abgelehnt, insbesondere wenn sie mit den Themen Ordnung oder Regeln verbunden sind, da Kinder heutzutage diesen Raum st¨arker als ihren Privatbereich bzw. ihr eigenes Reich erleben.

Einklang und Harmonie sind in gemeinsamen Kinderzimmern st¨andig durch viele unterschiedliche Interessen gef¨ahrdet. Streit um Gegenst¨ande und Do-minanz entsteht schnell, und bei zus¨atzlichen Alters- und Temperamentsun-terschieden kann es leicht, wie im Fall von Elisa, zu pers¨onlichen Spannun-gen und Distanzierungsversuchen kommen. Das Spielparadies kann sich zum

Kampfplatz wandeln, an dem Phasen der Harmonie und der Auseinanderset-zung einander abwechseln und von Kindern zeitweilig als ¨außerst anstrengend und belastend erlebt werden, insbesondere wenn r¨aumliche Alternativen und individuelle R¨uckzugsm¨oglichkeiten nur begrenzt zur Verf¨ugung stehen. Co-ra, Annika und Elisa besch¨aftigen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dieser Problematik und schildern diese Auseinandersetzungen um die Platz-frage vor allem als lange Kette von Abgrenzungsversuchen. Falk und Marc hingegen ist die anregende abenteuerliche Spielatmosph¨are in Erinnerung geblieben, die Marc trotz abgesonderter Lage positiv bewertet. K¨orperliche N¨ahe gerade in den Abendstunden l¨aßt, so schildert es Melanie, eine beson-ders vertrauliche Atmosph¨are entstehen, solange Heranwachsende ¨uber einen ausreichend großen Privatbereich verf¨ugen.

Bettina weist auf den unterschiedlichen Charakter von eigenem Zimmer und Kinderzimmer hin. Das eigene Zimmer bedeutet f¨ur sie:

”mein Zimmer wie ich schon sagte, das ist eben mein Zimmer [I.: hmm] und mein Zimmer ist der der Ort im Haus, wo ich mich absolut gehen lassen kann, wo ich – wo ich alles machen kann, was ich will – na gut, außer nat¨urlich sonstewas, weil meine Großmutter genau drunter wohnt, aber [beide lachen, B.: ¨ahm, I.: hmm] das ist eigen, ich meine, das ist eben mein Zimmer, wo ich dann auch sagen kann, nein, ich m¨ochte nicht, daß du im Moment rein kommst.

Ich brauch mal meine Ruhe oder wo ich meine Freunde mit hin nehmen kann und eigentlich - ja so wo ich einfach mal in Ruhe gelassen werden kann.

[I.: hmm, hmm] Weil ich das ¨ofter auch mal brauche, einfach nur mal f¨ur mich zu sein“. W¨ahrend das Kinderzimmer in erster Linie als Familienraum charakterisiert wird, in den sogar die gesamte Familie einbezogen ist, wird das eigene Zimmer von Bettina als eigenes Reich bzw. R¨uckzugsort definiert.

”Jetzt zum Kinderzimmer – fr¨uher: da da geh¨orten mein meine Geschwister – meine Geschwister und meine Mutter [I.: hmm] – ja und mein Vater abends.

Und – ja – und ja – ja eben meine Familie und alles was die gesagt und getan haben. Das ist eigentlich das wichtigste im Kinderzimmer. [I.: hmm] Sonst – und sonst so, die ¨ahm die Ausf¨uhrungsm¨oglichkeiten, die man f¨ur die Ideen eben brauchte“.

Die Erinnerungen an das eigene Zimmer sind in allen Interviews von einer gewissen Nachdenklichkeit und Distanz gepr¨agt. Die Befragten geben direkte Einblicke in ihr Raumempfinden, erkunden ihre Vorlieben und Abneigungen

und setzen sich mit den Vor- und Nachteilen ihres Zimmers auseinander.

Das eigene Zimmer wird im R¨uckblick vor allem als Spielst¨atte und R¨ uck-zugsort dargestellt. Spielm¨oglichkeiten sowie Ungest¨ortheit und Privatheit sind wichtige Punkte ihrer Reflexionen. Raumkomponenten, wie hell-dunkel, warm-kalt, eng-ger¨aumig, offen-gesondert, stehen im Mittelpunkt ihrer ersten spontanen Reflexionen und geben dem Raum seine spezifische Atmosph¨are, die als d¨uster, beengend, offen, warm oder freilassend empfunden wird. Erst in zweiter Linie werden soziale Aspekte wie Integration, Ausschluß, Ruhe, Ordnung und Regeln erw¨ahnt. Dem Beziehungsaspekt wird dagegen seltener Priorit¨at einger¨aumt als im gemeinsamen Kinderzimmer, er ist lediglich ein Punkt unter anderen im Verh¨altnis der Befragten zum eigenen Zimmer. Das bedeutet, daß der Raumcharakter – vor allem Licht- und Farbverh¨altnisse sowie W¨arme – von zentraler Bedeutung f¨ur das individuelle Wohlbefinden ist.

Einzelzimmer bedeuten, wie Melanie es ausdr¨uckte,

”daß jeder seinen ge-trennten Bereich hat“ und

”daß wir uns da nicht in die Quere kamen“. Phi-lipp pr¨azisiert sein Verh¨altnis zum eigenen Zimmer folgendermaßen,

”das war mehr, mehr mein privater Raum so“. Cora berichtet, wie schwer es ihr im Alter von zwei Jahren gefallen ist, ihr Zimmer pl¨otzlich mit einer Schwe-ster zu teilen, ¨uber ihr sp¨ateres eigenes Zimmer berichtet sie,

”das war eben mein Zimmer, und ich konnte meine-meine Tapete versch¨onern, wie ich woll-te, ohne das mir einer gesagt hat: laß das oder tu dies oder tu das.“ Die Beispiele unterstreichen, daß ‘Ungest¨ort-Sein’ eine der Qualit¨aten ist, die die Attraktivit¨at des eigenen Zimmers im wesentlichen ausmachen.