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3 MOTIVE UND AUSWIRKUNGEN VON UNTERNEHMENS-

5.1 Die Zusammenschlusskontrolle im deutschen Recht

5.1.2 Geltungs- und Anwendungsbereich

5.1.2.1 Der fusionsrechtliche Unternehmensbegriff

Der Unternehmensbegriff im Sinne der Zusammenschlusskontrolle ist funktional zu verstehen. Grundsätzlich genügt jede selbständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen151. Jede natürliche oder juristische Person kann Unternehmen sein, solange sie nur am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Weder die Rechtsform, noch eine Gewinnerzielungsabsicht sind von Belang. Selbst gemein-nützige Unternehmen sind an das GWB gebunden152. Die umstrittene Frage, ob Kon-zerne Unternehmenseigenschaft im Innenverhältnis zu den Konzerntochtergesellschaf-ten besitzen, wird nach heutiger allgemeiner Auffassung bejaht153. Werden mehrere Rechtsträger zusammen mit anderen unternehmerisch tätig, ohne dass dadurch eine juristische Person entsteht, z.B. bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Offenen

151 Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ) 19, 72 (79 f.) = Neue Juristische Wochen-schrift (NJW) 1956, 341; BGHZ 36, 91 (102 ff.) = NJW 1962, 196; BGHZ 52, 65 (66) = NJW 1969, 1716;

BGHZ 64, 232 (234 f.) = NJW 1975, 1223 = JuS 1975, 662 Nr. 8; BGHZ (GS) 67, 81 (84) = NJW 1976, 1941; BGHZ 69, 59 (60) = NJW 1977, 2121; BGHZ 74, 359 (354 f.) = NJW 1979, 2401 = JuS 1980, 227 Nr. 11; BGHZ 137, 297 (304) = NJW 1998, 756 = Juristische Schulung (JuS) 1998, 461 Nr. 10 „DFB“

152 Grdlg. BGHZ 137, 297 (311 f.) = NJW 1998, 756 = JuS 1998, 461 Nr. 10 „DFB“

153 Vgl. IMMENGA/MESTMÄCKER 1997, § 1, Rdnr. 65

Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft, dann ist im Zweifel die schaft als Teilnehmer am Wirtschaftsleben das Unternehmen, wenn sich die Gesell-schaft selbständig am Geschäftsverkehr beteiligt154. Der oder die Gesellschafter sind für sich nur dann Unternehmer, wenn sie in ihrer Person die Voraussetzungen erfül-len155.

5.1.2.2 Die Tatbestände des § 37 GWB

1. Vermögenserwerb: Als Zusammenschluss im Sinne des Gesetzes gilt der Erwerb von Vermögen eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil durch Verschmelzung, Umwandlung oder sonstige Weise, wobei es keine Rolle spielt, ob der Vermögenserwerb auf Vertrag oder Gesetz beruht, so dass in der Regel zugleich ein Kontrollerwerb im Sinne Nr. 2 des § 37 I vorliegen dürfte156. Neben objektiven, geldwerten Gütern und Rechten gehören subjektive Rechte und Chancen zum Vermögen, sofern sie nur im Verkehr gehandelt werden157. Als Erwerb werden neben dem Verkauf von Unternehmensteilen die Verschmelzung, die überragende Umwandlung sowie die Vermögensübertragung im Wege der Liquidation oder bei Auflösung eines Gemeinschaftsunternehmens158 verstanden. Der Begriff „wesentlicher Teil“ (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) beinhaltet nicht nur Vermögensteile, die in ihrem Verhältnis zum Gesamtvermögen des Veräußerers quantitativ ausreichend hoch sind.

Wesentlich ist ein Vermögensteil vielmehr stets dann, wenn ihm im Hinblick auf die Produktion, die Vertriebsziele und die jeweiligen Marktverhältnisse eine eigenständige Bedeutung zukommt und er deshalb als ein vom übrigen Vermögen des Veräußerers abtrennbarer einheitlicher Teil erscheint159. Das können beispielsweise eine Betriebsstätte (z.B. Filiale eines Lebensmittelhandelsunternehmens160), ein Geschäftsbereich (z.B. der Bereich „Tiefkühlkost“ eines Nahrungsmittelherstellers), ein

154 Vgl. IMMENGA/MESTMÄCKER 1997, § 1, Rdnr. 69

155 Vgl. LANGEN/BUNTE 2001, § 1, Rdnr. 6, zitiert nach Burkhardt 1995, S. 30

156 BGHZ 119, 117 (125f.) = LM § 23 GWB Nr. 17 = Die AG 1993, 36 = NJW 1993, 264 „Melitta/Kraft (Fra-pan)“

157 Vgl. EMMERICH 1999, S. 282

158 Vgl. KG, WuW/E OLG 2007 f.

159 in Anlehnung an: BUNDESKARTELLAMT 2000, Merkblatt Fusionskontrolle, S. 11

160 Vgl. KG, WuW/E OLG 3591 = Die AG 1986, 230 „Coop SH/Deutscher Supermarkt“; BkartA, Die AG 1984, 159

„Tiefkühlkost“ eines Nahrungsmittelherstellers), ein Warenzeichen161 oder die Verlags- und Titelrechte einer Zeitung sein162.

2. Kontrollerwerb: Der Begriff des Kontrollerwerbes wurde in Anlehnung an Art. 3 der europäischen Fusionskontrollverordnung durch die 6. Novelle in das Gesetz eingeführt.

Kontrolle liegt danach vor, wenn auf die Tätigkeit eines anderen Unternehmens ein bestimmter Einfluss ausgeübt werden kann163. Durch diese Generalklausel sollen sämtliche Konstruktionen erfasst werden, mit denen ein steuernder unternehmerischer Einfluss erreicht wird - einschließlich Minderheitsbeteiligungen164 (Reaktion des Ge-setzgebers auf mögliche Umgehungsstrategien in der früheren Gesetzgebung). Dabei kann die Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen erworben werden; die Erwer-ber brauchen nicht miteinander verbunden zu sein. Für die gemeinsame Kontrolle reicht es aus, dass Unternehmen aufgrund einer gemeinsamen Unternehmenspolitik die eigenen Wettbewerbsinteressen im Verhältnis zueinander und gegenüber dem ab-hängigen Unternehmen abstimmen und durchsetzen können, z.B. aufgrund von Pool-verträgen, erhöhten Zustimmungserfordernissen in der Gesellschafterversammlung, oder weil aufgrund einer auf Dauer angelegten Interessensgleichheit eine einheitliche Einflussnahme gesichert ist. Begründen mehrere Unternehmen die gemeinsame Kon-trolle über ein anderes Unternehmen, so sind alle mitkontrollierenden Unternehmen und die Zielgesellschaft am Zusammenschluss beteiligt. Beispiel: Fünf Unternehmen mit je 150 Mio. € Umsatz gründen ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem sie sich mit jeweils 20 % beteiligen, und sehen vor, dass alle wichtigen Entscheidungen mit der Mehrheit von 81 % getroffen werden. Hier liegt ein kontrollpflichtiger Zusammen-schluss vor165. Ein weiterer Tatbestand ist der Übergang von gemeinsamer zu alleini-ger Kontrolle. Beispielsweise sind an einem Unternehmen Gesellschafter A mit 60 % und Gesellschafter B mit 40 % beteiligt. Alle Entscheidungen werden mit Zweidrittel-mehrheit getroffen (A und B kontrollieren somit gemeinsam). Erwirbt A nun die restli-chen 40 % der Anteile, ist der Zusammenschluss kontrollpflichtig. Entsprerestli-chendes gilt bei dem Übergang von der Kontrolle durch drei auf zwei Unternehmen166. Ein weiterer Aspekt betrifft den Erwerb einer gesicherten Hauptversammlungsmehrheit. So genügt

161 Vgl. WUW/E BGH 2783 „Warenzeichenerwerb“

162 Vgl. WUW/E OLG 4637 „Bote vom Grabfeld/Main-Post“

163 Vgl. BUNDESKARTELLAMT 2000, Merkblatt Fusionskontrolle, S. 12

164 Begr. zum RegE, BT-Dr. 13/9720, S. 43

165 Erklärung und Beispiel weitgehend aus BUNDESKARTELLAMT 2000, Merkblatt Fusionskontrolle, S. 12 über-nommen

166 Vgl. BUNDESKARTELLAMT 2000, Merkblatt Fusionskontrolle, S. 12

beispielsweise eine Beteiligung von 35 % an einer AG, wenn die Hauptversamm-lungsmehrheit nachhaltig nur bei unter 70 % liegt (Streubesitz)167.

3. Anteilserwerb: Der Anteilserwerb ist in der Praxis der wichtigste Zusammenschluss-tatbestand168. Seit der 5. GWB Novelle (1989) werden Stimmrechts- und Kapitalan-teilserwerb durchgehend gleich behandelt. Anteile im Sinne dieser Vorschriften sind solche an Unternehmen in Gesellschaftsform, d.h. in der Regel nicht an Einzelunter-nehmen169. Der Erwerb einer Option dagegen gilt nicht als Zusammenschlusstatbe-stand170. Erfasst werden neben den Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH) auch Personengesellschaften (OHG, KG, GbR) sowie Genossenschaften, Versicherungsverei-ne auf Gegenseitigkeit oder – wenn sie UnterVersicherungsverei-nehmen sind – VereiVersicherungsverei-ne des bürgerlichen Rechts. Auch stille Beteiligungen können erfasst sein, wenn der stille Gesellschafter an der Geschäftsführung maßgeblich beteiligt ist oder im Innenverhältnis über Stimm-rechte verfügt171. In Ergänzung zum Kontrollerwerb greift der Anteilserwerb ab 25 % der Stimmrechts- oder Kapitalbeteiligung anderer Unternehmen. Additiv werden neben den eigenen Anteilen des Unternehmens auch Anteile hinzugerechnet, die einem ande-ren auf Rechnung dieses Unternehmens gehöande-ren und, wenn der Inhaber des Unter-nehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inha-bers sind172. Erwerben mehrere Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander im vor-bezeichnetem Umfang Anteile an einem anderen Unternehmen, gilt dies hinsichtlich der Märkte, auf denen das andere Unternehmen tätig ist, auch als Zusammenschluss der sich beteiligten Unternehmen untereinander (Gemeinschaftsunternehmen)173. 4. Sonstige Verbindungen: Ziel dieser Generalklausel ist es, alle sonstigen Möglichkei-ten der Einflussnahme von Unternehmen zu erfassen, die durch die o.g. Tatbestände nicht erfasst werden. So gab es in der Vergangenheit beispielsweise Beteiligungen, die von Umgehungskonstruktionen (24,9 %-Fälle174) geprägt wurden, so dass wettbe-werblich erheblicher Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausgeübt werden konnte.

Hierbei sind sämtliche faktischen und rechtlichen Elemente des Sachverhalts zu

167 Vgl. BOSCH/SCHÜTZ 2000, § 37, Rdnr. 27

168 Vgl. MÖSCHEL 1983, S. 470

169 Vgl. MÜLLER-URI, Rdnr. 274

170 WUW/E BGH 2276, 2283 „Süddeutscher Verlag/Donau-Kurier”

171 Vgl. BURKHARDT 1995, S. 179

172 Vgl. Zurechnungsklausel in EMMERICH 1999, S. 291

173 Vgl. Teilfusion der Mütter in EMMERICH 1999, S. 294

174 Begr. zum RegE von 1989 (BT-Dr. 11/4610), S. 18 f.

rücksichtigen175. Beispiele sind die Aufteilung des Beteiligungserwerbs auf mehrere Unternehmen, die auch sonst kooperieren176, oder auf sonst verbundene und befreun-dete Unternehmen oder Familienangehörige, so dass die Gruppe insgesamt über eine Mehrheit verfügt177.

5.1.2.3 Voraussetzungen der Anmeldepflicht

Nach dem deutschen Wettbewerbsrecht werden kontrollpflichtige und nicht kontroll-pflichtige Zusammenschlüsse unterschieden. Kontrollpflichtig sind diejenigen Koopera-tionen, in denen die beteiligten Unternehmen insgesamt auf weltweite Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro kommen und außerdem mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Millionen Euro erzielt hat (§ 35 Abs. 1). Nicht kontroll- und anzeigepflichtig sind Zusammenschlüsse dann, wenn ers-tens der Zusammenschluss keine Inlandsauswirkung zur Folge hat178, zweitens die zuvor genannten Umsatzschwellen nicht erreicht werden, drittens die de minimis-Klausel179 erfüllt ist oder viertens die Bagatellmarktklausel anwendbar ist.

1. Inlandsauswirkung: Angewendet wird das Gesetz, sobald sich der Zusammen-schluss auf dem Inland auswirkt, auch wenn er außerhalb des Geltungsbereiches reali-siert wurde (§ 130 Abs. 2). Von einer Auswirkung ist dann auszugehen, wenn der In-landsumsatz der beteiligten Unternehmen 25 Millionen Euro überschreitet (§ 35 Abs. 1 Nr. 2). Dabei werden verschiedene Fallkonstruktionen erfasst:

a) Ein Zusammenschluss wird im Inland realisiert. Dabei ist belanglos, ob ein aus-ländischer Konzern beteiligt ist oder nicht. Beispiel: Nordzucker AG erwirbt sämtliche Anteile der Union Zucker.

b) Ein Zusammenschluss wird im Ausland realisiert. Inlandsauswirkung entsteht, sobald mindestens ein Unternehmen im Inland tätig war oder aber auch wenn durch den Zusammenschluss die inländische Marktstruktur verändert wird. Bei-spiel: Südzucker AG Deutschland erwirbt Mehrheit an Saint Louis Sucre in Frankreich.

2. Umsatzschwellen: Es gelten die Umsatzerlöse des letzten Geschäftsjahres. Die ge-naue Ermittlung erfolgt nach § 38 Abs. 1 GWB bzw. § 277 Abs. 1 HGB. Die Mehrwert-

175 in Anlehnung an EMMERICH 1999, S. 299

176 BUNDESKARTELLAMT, TB 1991/92, S. 130

177 BUNDESKARTELLAMT, TB 1991/92, S. 24, 139 „Allianz/Dresdener Bank“

178 Es gilt das Auswirkungsprinzip eines Zusammenschlusses im Sinne von § 130 Abs. 2 GWB.

179 Begriff de minimis-Klausel ersetzt den bisherigen Begriff der Anschlussklausel

und Verbrauchssteuer werden nicht berücksichtigt. Darüber hinaus bleiben bei Kon-zernen Innenumsatzerlöse außer Betracht. Zu beachten sind außerdem die Sonderre-gelungen einzelner Branchen180, die unter § 38 Abs. 2 ff. beschrieben werden.

3. De minimis-Klausel: Die de minimis-Klausel ist erfüllt, soweit ein Unternehmen nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 GWB abhängig181 ist und im letzten Geschäftsjahr weltweite Umsatzerlöse von weniger als zwanzig Millionen Deutsche Mark erzielt hat.

Obwohl es bei einem Zusammenschluss mit einem Großunternehmen zum Überschrei-ten der in § 35 Abs. 1 genannÜberschrei-ten Umsatzschwellen käme, soll kleineren und mittleren Unternehmen ein zusätzlicher Weg eröffnet werden, sich ungehindert Großunterneh-men anzuschließen, um so Strukturwandel zu ermöglichen182.

4. Bagatellmarktklausel: Die Fusionskontrolle findet keine Anwendung, sobald es sich um einen Bagatellmarkt handelt: Ein Markt ist betroffen, auf dem seit mindestens fünf Jahren183 Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und im letzten Ka-lenderjahr weniger als 15 Millionen Euro umgesetzt wurden. Das Bundeskartellamt reagiert auf wettbewerbsbeschränkende Gesamtstrategien von Großunternehmen wie z.B. die künstliche Marktaufteilung in Teilmärkte unter 15 Mio. Euro184 mit der Bündel-theorie, wonach im Rahmen der Bagatellmarktklausel benachbarte, im wesentlichen übereinstimmende Märkte zusammenzurechnen sind185.