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7 BERÜCKSICHTIGUNG UND WERTUNG WICHTIGER KOMPONENTEN

7.1 Konzepte der Marktabgrenzung und ihre Problematik

7.1.5 Empirische Tests zur räumlichen Marktabgrenzung relevanter Märkte

7.1.5.1 Preisdaten

Anhand von Preisdaten wird versucht, einen räumlich relevanten Markt abzugrenzen.

Dabei werden verschiedene Testkonzepte genutzt. HOROWITZs Test (Test auf uniforme Preisentwicklung) beruht auf der Vorstellung, dass sich verschiedene Regionen eines

411 Vgl. KOTTMANN 2000, S. 46

412 Vgl. NEEDHAM 1978, S. 113 ff.; STEGEMANN 1974, S. 151 ff.

413 Vgl. SCHENGBER 1996, S. 117

414 Vgl. BAUER 1989, S. 53

Marktes langfristig durch eine stabile Preisrelation zueinander auszeichnen, die mit Hilfe eines statistischen Regressionsverfahrens identifiziert werden kann415. HOROWITZ

geht davon aus, dass sich durch exogene Schocks verursachte, schwankende Preisdif-ferenzen zwischen Teilgebieten eines Marktes im Zeitablauf immer wieder auf eine

„natürliche“ Preisdifferenz bewegen. Unter den Bedingungen einer sich dynamisch entwickelnden Umwelt ist der Test von HOROWITZ zur räumlichen Marktabgrenzung daher wenig geeignet. Der Test zeigt zum Beispiel fälschlicherweise getrennte Märkte an, wenn sich die Preise innerhalb eines räumlichen Marktes langfristig infolge stei-gender Markttransparenz und sinkender Transportkosten annähern. Es bleibt unklar, welche Zeitperiode zu betrachten ist. Das Schätzverfahren ist sehr aufwendig, weil alle Faktoren, von denen die Preise an den Standorten gemeinsam beeinflusst werden416, einzubeziehen sind. Trotz der angeführten Schwachpunkte konnten erhebliche Fort-schritte bei der Anwendung dieser Modelle erreicht werden. So können mittlerweile bei ausreichender Datengrundlage über sogenannte Marktintegrationsmodelle (besonders Cointegrationsmodelle) statistisch signifikante Preisbeziehungen zwischen Märkten definiert werden417

Eine Alternative zu dem unmittelbaren Preisvergleich zwischen verschiedenen Regio-nen bildet der von STIGLER und SHERWIN vorgeschlagene Test auf die Ähnlichkeit von Preisschwankungen in verschiedenen Gebieten418 (Test auf parallele Preisentwicklung).

Zwei Regionen bilden dann einen gemeinsamen Markt, wenn sich die regionalen Preise im Zeitablauf parallel entwickelt haben, d.h., wenn der Test eine signifikante Korrelati-on zwischen den an verschiedenen Orten gemessenen Preisserien ergibt. Lassen sich über einen gewissen Zeitraum Unterschiede in der regionalen Preisentwicklung beo-bachten, die nicht auf eine Veränderung der Transportkosten zurückzuführen sind, gilt dies als ein Indiz dafür, dass die betroffenden Gebiete verschiedenen Märkten zuzu-ordnen sind419.

Ohne die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Preistests detailliert zu be-schreiben, werden im folgenden prinzipielle Eigenschaften der Preistests zusammenge-fasst420:

415 Vgl. HOROWITZ 1981

416 Kritisch auch KALLFASS 1996, S. 6

417 Vgl. CRAMON-TAUBADEL/LOY/MUSFELDT 1995, S. 119 ff.

418 Vgl. STIGLER/SHERWIN 1985, S. 557 ff.

419 Vgl. KOTTMANN 2000, S. 53

420 In Anlehnung an KOTTMANN 2000, S. 55

- Sie unterstellen eine umkehrbar eindeutige Beziehung zwischen Preisen und den verursachenden Marktstrukturen.

- Sie erfassen Zusammenhänge zu bestimmten Zeitpunkten und sind nur für komparativ-statische Analysen geeignet. Eine dynamische Entwicklung der Umweltbedingungen kann nur schwer berücksichtigt werden. Eine hohe Volatili-tät der empirisch ermittelten Daten erschwert ihre Interpretation im Rahmen der Tests.

- Empirisch ermittelte Preisdaten unvollkommener Märkte müssen auf einheitli-che Produktvarianten normiert werden. Ausgeprägte sachlieinheitli-che und persönlieinheitli-che Präferenzen erschweren die Interpretation der Daten.

- Da exogene Einflüsse zu Scheinkorrelationen führen oder bestehende Korrelati-onen überdecken können, müssen sie in den Tests vollständig und richtig be-rücksichtigt werden.

- Tests auf der Basis von Preisdaten können nicht zwischen dem Einfluss aktuel-ler und potentielaktuel-ler Konkurrenten differenzieren.

7.1.5.2 Handelsströme und Marktanteile

Auch Daten über Lieferstrukturen können als geeignete Indikatoren für die räumliche Ausdehnung eines relevanten Marktes angesehen werden421. Vorausgesetzt für die Integration regionaler Teilmärkte zu einem zusammenhängenden relevanten Markt sei, dass Anreize für einen überregionalen Handel bestehen und die erforderliche Mobi-lität der Marktteilnehmer nicht durch hohe Transportkosten oder andere Handels-hemmnisse behindert wird. ELZINGA (1981) wies darauf hin, dass eine explizite Prüfung dieser Faktoren nicht erforderlich sei, wenn sich ihre Wirkung aus Daten über Im- und Exporte oder aus der regionalen Verteilung von Marktanteilen ableiten lässt422. Auch bei diesen Ansätzen zur räumlichen Marktabgrenzung wird unterstellt, dass Arbitrage-prozesse verschiedene Regionen zu einem einheitlichen räumlichen Markt integrieren.

Im Unterschied zu den oben beschriebenen Tests werden aber nicht Preisbewegungen, sondern Mengenbewegungen bzw. Marktanteile als Resultat der Mengenbewegung betrachtet423. Die Ansätze legen zugrunde, dass Arbitrageprozesse Handelsströme auf der Angebots- und Nachfrageseite des betrachteten Marktes erzeugen. Alternativ zu

421 Solche Daten sind oft nur bei der Abgrenzung nationaler Märkte verfügbar, weil die Daten in der Regel nur an Ländergrenzen erhoben werden.

422 Vgl. ELZINGER 1981, S. 742

423 Vgl. KOTTMANN 2000, S. 57

den Verfahren, die an den Preisdaten als Ergebnis der Arbitrageprozesse ansetzen, kann die räumliche Marktabgrenzung daher auf einer Analyse der beobachtbaren Lie-ferstruktur aufbauen. Auf eine detaillierte Darstellung einzelner Modelle wird verzich-tet424. Für eine speziellere Darstellung sei auf die Literatur von ELZINGA und HOGARTY

(1973), SHRIEVES (1978) sowie LANDES und POSNER (1981) verwiesen. Zusammenfas-send werden Eigenschaften der auf Mengen basierenden Tests hervorgehoben425:

- Sie unterstellen die parallele Entwicklung von Mengen- und Preisbewegungen.

- Sie erfassen Zusammenhänge zu bestimmten Zeitpunkten und sind nur für komparative Statistiken geeignet. Eine dynamische Entwicklung der Umweltbe-dingungen kann nur schwer berücksichtigt werden. Eine hohe Volatilität der empirisch ermittelten Daten erschwert ihre Interpretation im Rahmen der Tests.

- Mengenbewegungen enthalten keine Informationen über die Lieferkonditionen.

Fälle, in denen ein Anbieter mehrere gesonderte Märkte beliefert, können nicht unterschieden werden von Fällen, in denen das gesamte Absatzgebiet zu ein-heitlichen Konditionen beliefert wird.

- Das Ausmaß, in dem Mengenbewegungen Einfluss auf die Verhaltensspielräume der Anbieter ausüben, ist abhängig von den regionalen Angebots- und Nachfra-geelastizitäten.

- Daten über Mengenbewegungen können oft auch dann noch sinnvoll interpre-tiert werden, wenn sie sich nicht auf eine einheitliche Produktvariante beziehen bzw. Ausdruck verschiedener Marktunvollkommenheiten sind.

7.1.5.3 Preiserhöhungstest

Der Preiserhöhungstest basiert nicht auf der Analyse von einzelnen Wettbewerbsbe-ziehungen zwischen regionalen (Teil-)Märkten, sondern auf der Erfassung der Ge-samtwirkung aller Wettbewerbsbeziehungen, unabhängig von welchen „Quellen“ sie im einzelnen ausgehen. Durch die Unterstellung eines hypothetischen Monopols bildet der Zusammenhang zwischen der „Weite“ eines Marktes, der Preiselastizität der Markt-nachfrage und dem Ausmaß an Marktmacht die Grundlage dieses Verfahrens. Ziel ist es zu prüfen, über welche Regionen sich der Einfluss eines hypothetischen

424 Beschreibung mit Beispiel in KALLFASS 1996, S. 10 ff.

425 In Anlehnung an KOTTMANN 2000, S. 62

ten insgesamt erstrecken müsste, damit dieser dort dauerhaft einen signifikanten Preisanstieg durchsetzen könnte426. Der Preissetzungsspielraum bzw. die Marktmacht, über die der regionale Monopolist verfügen kann, ist abhängig von den Substitutions-möglichkeiten der Nachfrager in den betrachteten Regionen. Eine geringe Preiselastizi-tät ist somit Indiz für Substitutionslücken und markiert die Grenze eines Marktes. Zur räumlichen Abgrenzung eines Marktes im Rahmen des Preiserhöhungstests werden Schätzungen über die Preiselastizität der Nachfrage bei räumlich unterschiedlich weit abgegrenzten Märkten vorgenommen. Ein Markt wird dabei durch die schrittweise In-tegration weiterer Substitute solange erweitert, bis die auf diesen Markt gerichtete Nachfrage relativ preisunelastisch geworden ist427. Angewendet wird der Preiserhö-hungstest sowohl von den US-amerikanischen als auch den europäischen Wettbe-werbsbehörden. In den USA wird im Rahmen des SSNIP-Tests (small but significant and nontransitory increase in price) eine fünfprozentige hypothetische Preiserhöhung analysiert428. Der Schwellenwert ist theoretisch nicht begründbar und auch die Be-trachtung von Fixkosten wird vernachlässigt, da ausschließlich Grenzkosten berück-sichtigt werden. Dennoch wird diese Methodik als wettbewerbspolitisch akzeptabel interpretiert, weil aufgrund fehlender Information ein für alle denkbaren Fälle optima-ler Schwellenwert nicht angegeben werden kann. Die Festlegung eines „offiziellen“

Schwellenwertes hat jedoch den Vorteil, dass sich Unternehmen aufgrund ihrer eige-nen Informatioeige-nen auf die Rahmenbedingungen einstellen köneige-nen429.

An dieser Stelle sollen die Eigenschaften solcher auf Preis-Mengen-Reaktionen basie-renden Tests stichpunktartig zusammengefasst werden430:

- Die bei der Definition partieller Elastizitäten unterstellten c.p.-Bedingungen können nicht eingehalten werden. Auf realen Märkten wird die Interpretation der gemessenen Zusammenhänge zwischen Preisen und Mengenbewegungen durch Angebotsrestriktionen, regionale Einkommensschwankungen usw. er-schwert.

426 Vgl. KOTTMANN 2000, S. 66

427 Vgl. KOTTMANN 2000, S. 67

428 Die europäische Wettbewerbsbehörde führt Preiskorrelationsanalysen mit Stationaritätstests durch. Dazu ausführlich LEXECON 2001.

429 Ausführlich zu den Vor- und Nachteilen von Preiserhöhungstests in CAMESASCA 2000, S. 84 ff. und der dort zitierten Literatur

430 In Anlehnung an KOTTMANN 2000, S. 69; kritisch KALLFASS 1996, S. 17 ff.

- Sie erfassen Zusammenhänge zu bestimmten Zeitpunkten und sind nur für komparativ-statische Analysen geeignet. Die Aussagen beruhen auf Daten, die in der Vergangenheit erhoben wurden. Eine dynamische Entwicklung der Um-weltbedingungen kann nur schwer berücksichtigt werden. Eine hohe Volatilität der empirisch ermittelten Daten erschwert eine Interpretation im Rahmen der Tests.

- Der Preiserhöhungstest erfordert regional begrenzte und voneinander unab-hängige exogene Schocks.

- Die Weite der Marktabgrenzung wird beeinflusst von der zum Betrachtungszeit-punkt herrschenden Wettbewerbssituation bzw. den Preissetzungsspielräumen regionaler Anbieter.

- Kreuzpreiselastizitäten werden durch große Differenzen im Mengenvolumen der regionalen Teilmärkte beeinflusst.

7.1.6 Praktische Implementierung im deutschen und europäischen