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3 MOTIVE UND AUSWIRKUNGEN VON UNTERNEHMENS-

4.1 Theoretische Studien zu horizontalen Fusionen

4.1.2 Die Einzelmarktbeherrschung

WILLIAMSON betrachtete bei seiner Untersuchung eine Konstellation, bei der sich auf einem Markt zwei Unternehmen zu einem Monopol zusammenschlossen. Wie später im rechtlichen Teil erläutert wird, ist ein solcher Zusammenschluss in der Realität selten anzutreffen. Vielmehr werden Oligopolstrukturen vorgefunden, wie es auch in der Zu-cker- und Milchindustrie der Fall ist (vgl. Kapitel 2). Bei einem Zusammenschluss ent-stehen Reaktionen der Insider (am Zusammenschluss beteiligt) und der Outsider (Marktteilnehmer, die nicht am Zusammenschluss beteiligt sind). Es kommt somit in-nerhalb eines Oligopolmodells zu Veränderungen des marktlichen Gleichgewichts (vgl.

Abbildung 18). Zur Illustration wird das Cournot-Nash-Gleichgewicht vor und nach einem Zusammenschluss in einem homogenen Modell mit drei Unternehmen (A+B schliessen sich zusammen, C verbleibt alleine) miteinander verglichen98.

Jeder Anbieter betrachtet die Angebotsmenge der beiden Konkurrenten als gegeben und maximiert seinen Gewinn entsprechend der Restnachfragefunktion99, wobei an-nahmegemäß alle Unternehmen identische Kostenfunktionen aufweisen. Daraus folgt, dass die beide sich zusammenschließenden Unternehmen die gleichen Ausbringungs-mengen im Gleichgewicht herstellen. Für die beiden Insider kann daher eine gemein-same Reaktionsfunktion (Rivor(xo)) in einem zweidimensionalen Koordinatensystem unterstellt werden. Der Ousider wählt bei gegebenen (gleichen) Absatzmengen der Insider die gewinnmaximale Menge, die sich aus der Reaktionsfunktion Ro(xi) ergibt.

Im Gegenzug dazu gibt die Reaktion der Insider dann an, welche (gleichen) Mengen die Insider bei gewählter Menge des Outsiders anbieten. Vor einem Zusammenschluss liegt das Marktgleichgewicht im Schnittpunkt der Reaktionskurven der Insider und des Outsiders (Punkt Cvor).

98 Beschreibung in Anlehnung an KINNE 2000, S. 43 ff.. SALANT/SWITZER/REYNOLDS (SSR) unterstellen bei Unternehmenszusammenschlüssen ein symmetrisches Cournot-Modell mit konstanten Grenzkosten und Mengenvariation. Die Symmetriebedingungen setzen das Vorliegen von gleich großen Unternehmen vor und nach einem Zusammenschluss voraus. Zur Erfüllung dieser Restriktion legen SSR eine komplette Einstellung der Produktion eines Fusionspartners zugrunde (Vgl. SALANT/SWITZER/REYNOLDS 1983, S. 191).

PERRY UND PORTER hingegen berücksichtigen in ihrem Modell Fixkosten mit den damit verbundenen poten-tiellen Einsparungseffekten. Asymmetrische Unternehmensgrößen werden danach durch eine unter-schiedliche Ausstattung mit dem fixen Faktor möglich (Vgl. PERRY/PORTER 1985, S. 218 f.; siehe auch die Arbeit von FARRELL/SHAPIRO 1990).

99 Die Restnachfrage bzw. Residualnachfrage ergibt sich aus der Gesamtnachfrage abzüglich der Angebots-mengen der beiden anderen Anbieter.

Abbildung 18: Veränderung des Cournot-Nash-Gleichgewichts durch einen Zusammenschluss

Nach der Fusion verändern sich Gewinnmaximierungs- sowie Reaktionsfunktion der Insider. Sie werden versuchen, ihre gesamte Ausbringungsmenge zu beschränken (Monopolverhalten), um höhere Preise am Markt durchzusetzen, wobei eine Verschie-bung der Reaktionsfunktion Rinach(xo) nach innen bewirkt wird100. Die Reaktionskurve des Outsiders (Ro(xi)) ändert sich dagegen nicht, da die angebotene Menge des Outsi-ders weiterhin von der abgesetzten Menge der Konkurrenten abhängt und es irrele-vant ist, welches Unternehmen das Gut herstellt. Der Outsider betrachtet die von den Insidern nicht mehr bediente Nachfrage als den ihm verbleibenden Teil der Nachfrage und wird entsprechend seine Produktion ausdehnen, soweit ausreichend verfügbare Produktionskapazitäten vorhanden sind. Der neue Marktgleichgewichtszustand stellt sich bei Punkt Cnach ein. Es zeigt sich, dass nach dem Zusammenschluss die Produkti-onsmenge der Insider im Vergleich zum Ausgangsgleichgewicht geringer (xinach < xivor) und die des Outsiders höher (xonach > xovor) ist.

Treffen Unternehmen mehrmals aufeinander (wie es in der Realität der Fall ist), müs-sen strategische Erwägungen und Einschätzungen des Verhaltens der Marktteilnehmer berücksichtigt werden (dynamische Modelle). Berücksichtigen Insider die

100 Siehe dazu formalisierte Darstellung bei WILLIG 1991, S. 295 f. sowie SALANT/SWITZER/REYNOLDS 1983, S. 190 ff.

vermutung des Outsiders (modelltheoretisch mit Hilfe konjekturaler Variationen), ver-ändern sich die Reaktionskurven entsprechend. Dies führt aber zu keinen gravierend abweichenden Ergebnissen, wie MCELROY zeigen konnte101. Mengenreduktionen und damit einhergehende Preissteigerungen sind demnach auch im dynamisierten Cour-not-Modell das Resultat von Unternehmenszusammenschlüssen102.

Die Mengenausdehnung kann durch den Verlauf der Reaktionskurve des Outsiders dargestellt werden, wobei die Mengenexpansion durch die Angebotselastizität (des Outsiders) bestimmt wird. Eine „flache“ (elastische) Reaktionskurve des Outsiders deutet somit auf eine „aggressive“ Mengenausdehnung als Reaktion auf Beschränkun-gen der Angebotsmenge der Insider hin103. Durch die (im dynamischen Cournot-Modell) Berücksichtigung dieses Zusammenhanges werden die Insider dementspre-chend weniger stark die Angebotsmenge reduzieren. Eine relativ „steile“ (unelastische) Reaktionskurve des Outsiders impliziert hingegen, dass dieser nur mit geringen Men-genausdehnungen auf die Mengenreduktion der Insider antwortet. In diesem Fall wird es den Insidern ermöglicht, die Angebotsmenge relativ stark zu verringern, ohne einen negativen Mengeneffekt des Outsiders befürchten zu müssen.

Da der erzielbare Marktpreis von der Gesamtmenge des Marktes determiniert wird, ist der zunächst erhoffte, höher liegende Preis der Insider (durch entsprechende Mengen-reduktion) aufgrund der Outsiderreaktion längerfristig nicht durchsetzbar. Das Ausmaß der Mengenänderung des Outsiders auf die Gewinnsituation der Insider wird durch Abbildung 19 veranschaulicht, wobei die Summe der Gewinne der Insider vor dem Zusammenschluss104 (Givor) und ihr Gesamtgewinn nach dem Zusammenschluss105 (Ginach) (beider Industrieunternehmen) als lineare Funktion der Ausbringungsmenge des Outsiders abgetragen wird.

101 Vgl. MCELROY 1991, S. 333 ff.

102 In den Bertrand-Modellen lassen sich analog Zusammenschlusseffekte bei Preiswettbewerb analysieren.

Auch hier zeigt sich, dass der zusammmenschlussbedingte Zuwachs an Marktmacht mit Preissteigerun-gen verbunden ist, wobei der Preisanstieg für die In- und Outsider allerdings unterschiedlich hoch ausfal-len kann. Vgl. dazu DENECKERE/DAVIDSON 1985, S. 473 ff.

103 Die aktuellen bzw. potentiellen Konkurrenten verfügen somit über eine hohe Angebotselastizität

104 Vor dem Zusammenschluss = premerger

Abbildung 19: Gewinne der Insider nach einem Zusammenschluss in Abhängigkeit der

Die postmergerGesamtgewinne der Insider können somit aufgrund der Mengenreakti-on der Outsider höher oder niedriger als die Summe der premerger Gewinne ausfallen.

Die Insider werden solange höhere Gewinne realisieren können (Givor > Ginach), wie die Mengenbeschränkung (der Insider) größer als die Mengenexpansion (des Outsiders) ist. Dabei erzielen die Insider einen maximalen postmerger Gewinn bei konstanter Ausbringungsmenge des Outsiders (Punkt Cinach(max)), und den gleichen Gewinn wie zuvor (Punkt Cinach(min)), wenn die Mengenausdehnung der Outsider identisch mit der Mengenbeschränkung der Insider ist (auch als kritische Ausbringungsmenge des Out-siders bezeichnet)106. Verluste bzw. geringere Gewinne (Ginach < Givor) resultieren bei allen Mengenausweitungen, die jenseits der kritischen Ausbringungsmenge (xO > xokrit) liegen.

Die Mengenanpassung des Outsiders beeinflußt somit den Erfolg eines Zusammen-schlusses. Solange Produktionskapazitäten unbeschränkt sind wird der Outsider seine Menge soweit ausdehnen, wie die Aussicht auf höhere Gewinne besteht. Durch die skizzierte Reaktionsverbundenheit kann die paradoxe Situation eintreten, dass der

105 Nach dem Zusammenschluss = postmerger

106 Analytische Bestimmung der kritischen Ausbringungsmenge in GAUDET/SALANT 1993, S. 143

Outsider stärker als die Insider von dem Zusammenlegen der Unternehmensressour-cen profitiert. Bei Vorhersehbarkeit der Reaktionen (strategische Erwägungen) von In- und Outsidern kämen dann in solchen Fällen Unternehmenszusammenschlüsse gar nicht erst zustande107. Für die Wettbewerbsbeurteilung resultiert daraus, dass den nicht am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen eine große Bedeutung bei der Erzielung marktbeherrschender Stellungen zukommen kann. Dies gilt gleichermaßen für neu in den Markt eintretende Unternehmen108.