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Empirie

6.3 Ergebnisse

6.3.4 Forschungsfrage 3: Lernzeiten

Das dritte Hypothesenbündel, welches im Rahmen der ersten Studie geprüft werden soll-te, betraf die Lernzeit. Operationalisiert wurde diese abhängige Variable, indem die Ver-weildauer der Versuchsteilnehmer auf den einzelnen HTML-Seiten gemessen wurde. Da-mit ergaben sich jeweils vier Bild- und vier Text-Messwert, wobei sich die theoretischen Vorhersagen vor allem auf die Verarbeitungszeit des verbalen Materials bezogen. Wie in den vorangegangenen Abschnitten sollte die Hypothesentestung mit varianzanalytischen Verfahren erfolgen, so dass zuerst die Voraussetzungen geprüft werden mussten. Tabelle 6.8 fasst die Ergebnisse für die Textseiten zusammen.

Wie zu erkennen ist, konnte man die Normalverteilungsannahme akzeptieren und von homogenen Fehlervarianzen ausgehen, da überzufällige Abweichungen nicht zu erken-nen waren. Auch ergab der Test von Box (1949), mit dem die Kovarianzmatritzen der ab-hängigen Variablen unter den verschiedenen Bedingungen auf Gleichheit geprüft werden, kein signifikantes Ergebnis (MBox=44.178,F =1.34,d f1=30,d f2=17596.18, p=.102).

Die Ergebnisse der MANCOVA ließen sich also ohne Bedenken interpretieren. Dabei zeigte sich, dass keine der Kontrollvariablen einen bedeutsamen Zusammenhang mit den Lesezeiten der Texte aufwies. Die Prüftststistiken derMotivation(V =.049,F(4;74)=0.963, p=.433,η¯2=.049), des Vorwissens (V =.055, F(4;74)=1.079, p=.373, η¯2=.055) und derVerarbeitungspräferenz (V =.017,F(4;74)=0.326,p=.860,η¯2=.017) hatten den

kri-Tabelle 6.6:Kolmogorow-Smirnow- und Levene-Tests für die Lesezeiten der Texte Irrtumswahr-Verfahren Prüfgröße Freiheitsgrade

scheinlichkeit LeveneTest F=0.52 d f1=3; d f2=80 p=.671 Lesezeit Text I

KSTest ZK−S=1.17 p=.127

LeveneTest F=1.52 d f1=3; d f2=80 p=.215 Lesezeit Text II

KSTest ZK−S=1.01 p=.258

LeveneTest F=1.32 d f1=3; d f2=80 p=.273 Lesezeit Text III

KSTest ZK−S=.74 p=.648

LeveneTest F=.99 d f1=3; d f2=80 p=.403 Lesezeit Text IV

KSTest ZK−S=1.20 p=.114

Anm.: K-S-Test = Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest; signifikante Abweichungen bzw. Unterschiede werden durch ein Sternchen (* < .05) bzw. durch zwei Sternchen (** < .01) hervorgehoben

tischen Wert jeweils verfehlt. Anders verhielt es sich mit den Haupteffeken Reihenfolge (V =.121,F(4;74)=2.547, p=.046,η¯2=.121) und demInformationsverhältnis (V =.396, F(4;74)=12.141,p< .001,η¯2=.396), die beide signifikant wurden. Die Interaktion der Fak-toren (V=.029,F(4;74)=0.545,p=.703,η¯2=.029) erwies sich dagegen als unbedeutsam.

Die Richtung der gefundenen Unterschiede lässt sich anhand Tabelle 6.7 ablesen.

Tabelle 6.7:Adjustierte Mittelwerte und deren Standardfehler für die Lesezeiten der Texte Versuchsbedingungen

Text vor Bild Text vor Bild Bild vor Text Bild vor Text kongruent komplementär kongruent komplementär M=200.05 M=179.43 M=163.73 M=136.98 Text I

SE=12.50 SE=12.56 SE=12.70 SE=12.46 M=175.03 M=115.98 M=141.33 M=90.73 Text II

SE=9.76 SE=9.81 SE=9.92 SE=9.73 M=144.74 M=112.77 M=132.46 M=103.41 Text III

SE=9.39 SE=9.22 SE=8.62 SE=8.67 M=145.83 M=97.91 M=126.35 M=94.53 Text IV

SE=8.62 SE=8.67 SE=8.76 SE=8.60

Anm.: M=Mittelwert;SE=Standardfehler des Mittelwerts, adjustiert nach den Kovariaten Vorwissen, Motivation und Verarbeitungspräferenz

Es ist gut zu erkennen, dass sämtliche Mittelwerte in die gleiche Richtung deuteten.

Ganz offensichtlich dauerte das Lesen der kongruenten Texte länger, was jedoch nicht wirklich überraschte. Sehr viel interessanter war dagegen der Effekt, den dieReihenfolge hatte. Hier zeigte sich, dass Versuchspersonen, die den Text zuerst erhielten, mehr Zeit in die Verarbeitung der verbalen Informationen investierten, als die Bild-vor-Text-Gruppen.

Vergleicht man die Ergebnisse in Tabelle 6.7 mit den Vorhersagen der beiden Hypothe-sen, dann ergibt sich wiederum kein eindeutiges Bild. Zunächst widersprach die kürzere Verarbeitungszeit der Bild-vor-Text-Gruppen eindeutig den Annahmen der Kapazitätshy-pothese, deren Erklärungsansatz damit wenig plausibel erschien. Aber auch die Überle-gungen auf der Basis des Modells von Schnotz (2005) trafen nur für das kongruente Ma-terial zu. Bei einem komplementären Informationsverhältnis hätte es keine Unterschiede bei der Verarbeitunsdauer der Textseiten geben dürfen, was jedoch der Fall war.

Um eine bessere Grundlage für die Deutung der Ergebnisse zu erhalten, wurde post hoc ein weitere Analyse durchgeführt, bei der auch die Betrachtungszeiten der Bilder berücksichtigt wurden. Dabei interessierte es weniger, welche Text- oder Bildseite die Teilnehmer am längsten betrachtet hatten. Von sehr viel größerer Bedeutung waren mög-liche Interaktionen zwischen den formatspezifischen Lernzeiten und den experimentellen Bedingungen. Daher wurden die insgesamt 8 Messwerte zu einer Gesamtbetrachtungs-zeit Text und einer Gesamtbetrachtungszeit Bild aggregiert und aus Gründen der Ver-gleichbarkeit z-standardisiert (Bortz & Döring, 2006). Diese beiden Werte wurden dann wie zwei Messzeitpunkte einer Variablen varianzanalytisch ausgewertet. Zuvor mussten jedoch die Voraussetzungen geprüft werden, was in Tabelle 6.8 dargestellt ist.

Tabelle 6.8:Kolmogorow-Smirnow- und Levene-Tests für die formatspezifischen Lernzeiten Irrtumswahr-Verfahren Prüfgröße Freiheitsgrade

scheinlichkeit LeveneTest F=0.87 d f1=3; d f2=80 p=.462 Gesamtlernzeit Text

KSTest ZK−S=.94 p=.335

LeveneTest F=1.23 d f1=3; d f2=80 p=.303 Gesamtlernzeit Bild

KSTest ZK−S=.86 p=.447

Gesamtlernzeit LeveneTest F=1.47 d f1=3; d f2=80 p=.230 (Text+Bild) KSTest ZK−S=1.27 p=.081

Anm.: K-S-Test = Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest; signifikante Abweichungen bzw. Unterschiede werden durch ein Sternchen (* < .05) bzw. durch zwei Sternchen (** <

.01) hervorgehoben

Die Ergebnisse zeigen, dass die Normalverteilungsannahme gegeben und die Fehler-varianzen homogen waren, da keiner der entsprechenden Tests signifikant wurde. Außer-dem entfiel bei nur einem Messwertpaar die Prüfung der Sphärizität, so dass sich die re-sultierenden F-Werte ohne Einschränkungen interpretiert ließen. Im Grunde handelte es bei dem verwendeten Verfahren um eine dreifaktorielle Varianzanalyse mit zweinormalen und einem Messwiederholungsfaktor. Demnach konnte man zwischen drei Haupteffekten, drei Interkationseffekten erster Ordnung und einem Interaktionseffekt zweiter Ordnung unterscheiden. Hinzu kamen die Kovariaten, die auch bei dieser Analyse berücksichtigt wurden. Dabei zeigte sich, dass dieMotivation (F(1;77)=.262, p=.610,η¯2=.003) offen-sichtlich nicht dazu beigetragen hatte, die Fehlervarianz zu reduzieren. Anders verhielt es sich mit den KontrollvariablenVorwissen (F(1;77)=7.136, p=.009,η¯2=.085) und der

Verarbeitungspräferenz(F(1;77)=3.991,p=.049,η¯2=.049), deren Prüfgröße jeweils über dem kritischen Wert lagen.

Betrachtete man den Messwiederholungsfaktor (F(1;77)=3.607, p=.061, η¯2=.045), dann fiel auf, dass es keinen bedeutsamen Unterschied zwischen der standardisierten Betrachtungszeiten der Texte und Bilder gab. Der Faktor Reihenfolge (F(1;77)=1.669, p=.200,η¯2=.021) wurde ebenfalls nicht signifikant, während für das Informationaverhält-nis(F(1;77)=25.431,p< .001,η¯2=.248) ein starker Effekt nachgewiesen werden konnte.

Von den drei möglichen Interaktionen erster Ordnung erwies sich allein die Wechselwir-kung der FaktorenZeit undReihenfolge(F(1;77)=58.206,p< .001,η¯2=.430) als bedeut-sam. Dementsprechend blieben die Prüfgrößen der Interaktionen zwischen den Faktoren Zeit und dem Informationsverhältnis(F(1;77)=.336, p=.564,η¯2=.004) sowie zwischen derReihenfolgeund demInformationsverhältnis(F(1;77)=.695,p=.407,η¯2=.009) jeweils unter unter dem kritischen Wert. Besonders interessant ist vor allem der Befund, dass die Interaktion zweiter Ordnung (F(1;77)=4.879,p=.030,η¯2=.060) signifikant wurde. Um die einzelnen Zusammenhänge besser deuten zu können, erschien es hilfreich, die einzelnen Effekte grafisch zu veranschaulichen. So zeigt Abbildung 6.3 zunächst den signifikanten Zusammenhang zwischen dem Informationverhältnis und der durchschnittlichen Gesamt-lesezeit.

Abbildung 6.3:Mittlere adjustierte Gesamtlesezeit

Es ist sehr deutlich zu erkennen, dass die kongruenten Formate sehr viel länger be-trachtet bzw. gelesen wurden, als die komplementären Text oder Bilder. Allerdings ist dieser Zusammenhang äußerst trivial, da die Versuchsteilnehmer mit den kongruenten Formaten deutlich mehr Worte und Bildelemente zu verarbeiten hatten.

Etwas weniger vorhersehbar war dagegen der Interaktionseffekt zwischen der Reihen-folge und dem Messwiederholungsfaktor, wie Abbildung 6.4 für die kongruenten

Bedin-Abbildung 6.4:Darstellung der Interaktion Zeit*Reihenfolge für die kongruente Bedingung

gungen veranschaulicht. Offensichtlich haben sich die Studierenden mit dem Format, das Ihnen als erstes präsentiert wurde, am intensivsten auseinandergesetzt, was sich in den Betrachtungszeiten und der dargestellten Wechselwirkung wiederspiegelt. So haben Ver-suchsteilnehmer, die zuerst den Text lasen, vergleichsweise wenig Zeit darauf verwendet das nachfolgende Bild zu verarbeiten. Studierende, die sich zuerst mit dem Bild auseinan-dersetzen mussten, benötigten zwar auch weniger Zeit, um den entsprechenden Text zu lesen, doch ist der Unterschied bei weitem nicht so deutlich. Stellt man den gleichen Zu-sammenhang für die komplementären Bedingungen dar, ergibt sich auf den ersten Blick ein ähnliches Bild, wie Abbildung 6.5 zeigt.

Wenn man diese Darstellung mit Abbildung 6.4 vergleicht, fällt jedoch auf, dass beide Linien etwas flacher ausfallen. Der Interaktionseffekt variiert demnach mit dem Informati-onsverhältnis bzw. schwächt sich unter der komplementären Bedingung ab. Aus diesem Grund liegt es nahe, dass die Wechselwirkung zwischen dem Messwiederholungsfak-tor, der Reihenfolge und dem Informationsverhältnis signifikant wurde. Hätte man diese Interaktion für die kongruente (F(1;37)=43.595, p< .001, η¯2=.541) und komplementäre Bedingungen (F(1;37)=17.320, p< .001, η¯2=.319) getrennt berechnet, so wäre der Effekt zwar deutlich geringer ausgefallen, aber immer noch sehr stark gewesen. Zusammenfas-send ließ sich festhalten, dass immer das Format, dessen zuerst erfolgt war, zumindest zeitlich am intensivsten verarbeitet wurde. Dieser Effekt konnte selbst dann beobachtet werden, wenn Text und Bild in einem komplementären Informationsverhältnis zueinander standen.

Abbildung 6.5:Darstellung der Interaktion Zeit*Reihenfolge für die komplementäre Bedingung