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Externe und situative Wirkfaktoren auf das beruflich relevante Lernen

2. Theorien und Forschung zum beruflich relevanten Lernen von Frauen in

2.6. Externe und situative Wirkfaktoren auf das beruflich relevante Lernen

vante Lernen

In Analogie zu einem Teil der Berufswahltheorien, in denen gesellschaftliche Zuwei­

sungs- und Selektionsprozesse im Vordergrund stehen, beispielsweise in der Alloka­

tionstheorie (s. Seifert 1989), werden im Folgenden aus dieser theoretische Perspek­

tive externe Bedingungen und situative Merkmale von Frauen in der Familienphase aufgezeigt, die ihr beruflich relevantes Lernen beeinflussen.

Dass es mächtige situative oder strukturelle Barrieren und Einschränkungen für das beruflich relevante Lernen in der Familienphase geben muss, zeigt sich insbesondere in dem durchgängigen Befund der Forschungsbeiträge und Modellberichte, dass die Motivation an Weiterbildung teilzunehmen, als überdurchschnittlich wahrgenommen oder festgestellt wird, jedoch die Teilnahmequote weit unterdurchschnittlich ist. Dis­

kutiert werden daher das Geschlecht, die Elternschaft und Erwerbslosigkeit als Dis­

kriminierungsfaktoren sowie die situative Einschränkung durch die Unabkömmlich­

keit bei der Kinderbetreuung. Auch sozialökologische Dimensionen des Lernens und die Nachfrage der Arbeitgeber für Frauen, die sich in der Familienphase beruflich qualifiziert haben, werden als ein mögliche (jedoch empirisch nicht nachgewiesener) Wirkfaktoren für das Lernen betrachtet. Schließlich wird die Rolle der Einstellung und Unterstützung durch den Partner und weitere mögliche Einflüsse vorgestellt.

Gruppe Westen Osten

Erziehungsurlauberinnen im Jahr 2000¹ 9 8

Erziehungsurlauberinnen des Jahres 1992 ff. die im Jahr 2000 wie­

der berufstätig sind² 8 4

Tabelle 11: Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung während des Erziehungsurlaubes von Frauen. Quellen: IAB-Projekt 3-523, (¹N=316, Beckmann & Engelbrech 2001, S. 125; ²N wird nicht angegeben, Engelbrech 2001, S. 12).

Mit Ausnahme der Geschlechter differenzierenden Ansätze (Diskriminierung und Segregation) liegen keine expliziten Bezüge oder ausführliche theoretische Beschrei­

bungen bzw. Anpassungen an das Lernen von Frauen in der Familienphase vor. Ein­

gangs wird daher zunächst versucht, am Beispiel des sozialökologischen Ansatzes

„ökologische“ Merkmale der Lernens von Frauen in der Familienphase zu beschrei­

ben.

Diskriminierungsfaktoren Geschlecht, Elternschaft und Erwerbslosigkeit

Das Geschlecht (Frausein), Elternschaft (Muttersein) und die Erwerbslosigkeit bzw.

die Einschränkung der Erwerbstätigkeit erscheinen als zentrale Einflussgrößen auf das beruflich relevante Lernen, zumindest was die Weiterbildungsteilnahme betrifft.

So verweisen Friebel, Epskamp, Friebel & Toth (1996) auf die Teilnahmequoten an Weiterbildung eines Samples der Hamburger Schulabschlusskohorte von 1979, die im Rahmen einer Verlaufsstudie untersucht wurde: „Inwieweit geschlechtstypische Lebenszusammenhänge und Bildungsprozesse interkorrelieren, läßt sich hierzu bil­

derbuchhaft am Beispiel der Weiterbildung nachvollziehen.“ „Die Befunde der Wei­

terbildungsforschung spiegeln fast klischeehaft das 'Meisterwerk sozialer Mecha­

nik' (vgl. Bourdieu/Passeron 1971)“ (S. 28). Während noch 1991 die Beteiligung an Weiterbildung bei den Frauen größer war als bei den Männern, kippte dieses Ver­

hältnis 1992. Als Ursache sehen die Autoren für die weiter zu beobachtende „Abmel­

dung der Frauen“ und für die zunehmenden Weiterbildungsquote bei den männlichen Schulabgängern von 1976 den „geschlechtsspezifischen Lebenszusammenhang“ und konkretisieren dies anhand einer Auswertung an Hand der Elternschaft (vgl. Tabelle 12).

Die Auswertung deutet darauf hin, dass „Väter trotz oder gerade wegen Familie und Kind(ern) stärker an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, Familie (insb. Kernfa­

milie mit Kindern) bei Müttern aber deutlich als Hindernis [...] wirkt.“ (S. 29). Frie­

bel, Epskamp, Friebel und Toth (1996) folgern daraus: „Das Geschlecht gilt weiter als zentrales Organisationsprinzip sozialer Ungleichheit. Der Lebenslauf der Frau ist eine abhängige Variable des Standorts im Familienzyklus“ (S. 30).

Zu ähnlichen Ansichten kamen bereits auch Schulenberg, Loeber, Loeber-Pautsch &

Pühler (1979): „Schon die Richtung der Weiterbildungsinteressen, aber mehr noch die realen Bedingungen der Weiterbildungsteilnahme der Frauen werden von der fa­

milialen Situation stark bestimmt“ (S. 239).

Gruppe Weiterbildungsbeteiligung in Pro­

zent

Männer ohne Kinder 58

Männer mit Kindern 86

Frauen ohne Kinder 57

nicht erwerbstätige Frauen mit Kindern 27

Tabelle 12: Weiterbildungsbeteiligung eines Samples der Hamburger Schulabschlusskohor­

te von 1979 im Jahr 1994 in Prozent (N nicht im Artikel erwähnt). Quelle: Darstellung der Da­

ten aus Friebel, Eskamp, Friebel & Toth (1996, S. 28).

Für die Gruppe der hoch Qualifizierten haben Willich, Minks & Schäfer (2002) aktu­

elle Daten und Auswertungen vorgelegt, die zu ähnlichen Ergebnissen führen. Sie befragten 1998/99 über 6.000 Hochschulabsolventen fünf Jahre nach ihrem Examen zu ihrer Teilnahme an beruflicher Weiterbildung und u. a. deren Form, Finanzierung, Initiative. Sie untersuchten dabei, inwieweit die Weiterbildungsteilnahme u. a. mit der Beschäftigungsform, der Betriebsgröße, der Beschäftigungsdauer zusammen­

hängt.

Die Autoren stellen (überraschenderweise!) fest, dass es keine signifikanten Unter­

schiede der Geschlechter bei der Weiterbildungsteilnahme und Anzahl der Weiterbil­

dungen gibt (S. 13). Anschließend wurde mithilfe statistischer Verfahren auch unter­

sucht, inwieweit die Weiterbildungsteilnahme nach Geschlecht und Kindern variiert.

Das Ergebnis ist, dass Mütter (es wurde dabei nicht zwischen erwerbstätigen Mütter und Frauen in der Familienphase unterschieden) seltener an Weiterbildung teilneh­

men als Väter (S. 13). Die Autoren verweisen dabei darauf, dass die Weiterbildungs­

aktivitäten nicht zeitbezogen erhoben wurden, sodass keine kausale Erklärung mög­

lich ist. So ist beispielsweise aus Sicht der Autoren denkbar, dass Männer erst nach der Geburt ihrer Kinder verstärkt an Weiterbildung teilnehmen und/oder Mütter erst nach zeitintensiver Weiterbildung ihre Familie gründen (S. 13).

Außerdem zeigt sich: Frauen nutzen Weiterbildung häufiger zur Kompensation von Defiziten aus dem Studium oder zur Allgemeinbildung „Frauen und besonders Müt­

ter sind in ihren Weiterbildungszielen insgesamt weniger karriere- oder zukunftsori­

entiert als männliche Absolventen“ (S. 14). Deutlich wird die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Finanzierung von Weiterbildung: Nicht mal bei einem Drittel der Mütter, jedoch bei mehr als der Hälfte der männlichen Absolventen, wurden nur Weiterbildungen besucht, die vom Betrieb finanziert wurden. Bei den Müttern ist auch der Anteil am größten, der sich die Weiterbildung bisher ausschließlich selbst finanziert hat (S. 14).

Die beobachteten Differenzen zwischen Mütter und Väter führen die Autoren nicht allein auf das Geschlecht zurück, sondern „zum großen Teil auf Unterschiede in den Berufsverläufen und den Beschäftigungsstatus zurück“ (S. 16). Der Einfluss der Ge­

schlechts und des Familienstatus schwächt sich auch ab, wenn bei der statistischen Analyse als Einflussfaktoren die Initiierung und Finanzierung von Weiterbildung die Beschäftigungsform und -kontinuität hinzugezogen wird: „Frauen und Mütter wer­

den weniger direkt aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Kinder benachteiligt, son­

dern eher indirekt, aufgrund häufiger diskontinuierlicher Erwerbsverläufe und weni­

ger abgesicherter, lockerer Beschäftigungsverhältnisse“ (S. 18).

Inwieweit sich das Geschlecht und Mutterschaft auf das informelle Lernen auswirkt, ist nicht bekannt.

Situative Einschränkung: Notwendigkeit der Kinderbetreuung

Als zweiter Bereich externer Wirkfaktoren, die die Lernaktivitäten der Frauen in der Familienphase beeinflussen, wird ihre Unabkömmlichkeit bei der Kinderbetreuung und dem fehlen adäquater Kinderbetreuungseinrichtungen in den Fokus genommen.

Frauen in der Familienphase bleiben (heute) in aller Regel nicht zur Betreuung des Haushaltes zuhause, sondern wegen der Kinder. Häufig haben diese Frauen auch kei­

ne Kinderfrauen oder andere Betreuungspersonen, die die Betreuung nahtlos, den Ansprüchen und finanziellen Möglichkeiten entsprechend, übernimmt, wenn eine Weiterbildungsteilnahme ansteht.

Als zentrale Barriere für Frauen in der Familienphase wird daher immer an erster Stelle und von mehreren Seiten, nämlich der Frauen, der Bildungsanbieter und der Betriebe (vgl. Kaldewey & Küpper 1994, S. 153), ihre Zuständigkeit für die Kinder­

betreuung betrachtet.

Frauen in der Familienphase können zeitlich nur unter der Voraussetzung, dass sie eine geeignete Form der externen Kinderbetreuung wollen und finden, Weiterbil­

dungsveranstaltungen besuchen. Die vorhandenen „normalen“ Betreuungseinrichtun­

gen Kindergarten und Schule schränken die zeitlichen Möglichkeiten der Mütter stark ein. Im Krankheitsfalle der Kinder oder anderen organisatorischen Engpässen stehen diese Einrichtungen jedoch nicht zur Verfügung, sodass die Kursteilnahmen dann auch häufig kurzfristig abgesagt werden (Carle 1995a). Nach Carle (1995a) ist besonders der frühe Abend problematisch. Auch die Kinderbetreuungsangebote der Weiterbildungsanbieter können nicht in jedem Fall weiterhelfen, wenn es z. B. dar­

um geht, Kinder zur Schule oder Kindergarten zu bringen oder abzuholen.

Beispielweise in der Befragung von Kaldewey & Küpper (1994) wurden 222 Erzie­

hungsurlauberinnen (also Mütter mindestens eines Kleinkindes) befragt und eine Diskrepanz zwischen Nutzung und Interesse der Frauen an Weiterbildung festge­

stellt. Sie liegt, so vermuten die Autorinnen, wohl für die Mehrheit der Frauen in zeitlichen und organisatorischen Problemen (S. 154): Alle 222 Teilnehmerinnen der Befragung wurden nach den Gründen und Hindernissen gegen Weiterbildung be­

fragt. Mit Abstand an erster Stelle gab die Mehrheit der Frauen fehlende Kinderbe­

treuungsmöglichkeiten an: 59 Prozent nennen (auch) fehlende Kinderbetreuungs­

möglichkeiten als Grund, nicht an Weiterbildung teilzunehmen (S. 147). Auch die Betriebe sind der Ansicht, dass die Kinderbetreuungsmöglichkeiten der bedeutendste Faktor bei einer Inanspruchnahme von betrieblichen Angeboten zur Weiterbildung und Kontakthalteangebote ist (Kaldewey & Küpper 1994, S. 77).

Insbesondere Frauen mit jüngeren Kindern haben hier Schwierigkeiten: Dies liegt insbesondere daran, dass Erziehungsurlauberinnen in der Regel die Kinderbetreuung selbst übernommen haben und auf kein vorhandenes System von Kinderkrippe, Ta­

gesmutter oder sonstiger Betreuung zurückgreifen können. In einer Befragung von Teilnehmerinnen an Kursen für Frauen im Erziehungsurlaub zeigt sich, dass 87 Pro­

zent der befragten Teilnehmerinnen einen Kurs mit Kinderbetreuung besucht haben, dabei war das Angebot der Kinderbetreuung für mehr als drei Viertel von ihnen eine notwendig Voraussetzung. Lediglich 4 Prozent geben an, für sie wäre die Kinderbe­

treuung nicht notwendig gewesen (Zierau, Bartmann & Weiß 1997, S. 35 in John &

Schmidt 2001, S. 237).

Deutlich wirkt sich auch die Zahl der zu betreuenden Kinder auf die Weiterbildungs­

beteiligung aus. Während beim ersten Kind Frauen, die zwischen 1992 und 1994 in Erziehungsurlaub gingen und diesen wieder beendeten rund 9,1 Prozent an Aus- und Weiterbildung teil nahmen, halbiert sich die Teilnahmequote beim zweiten und fol­

genden Kind fast auf 5,5 Prozent (John & Schmidt 2001, S. 538).

Ob und wie sich die Anforderungen der Kinderbetreuung (Zahl und Alter der Kin­

der) auf das informelle Lernen von Frauen in der Familienphase auswirkt, ist nicht bekannt.

Sozialökologische Perspektive auf das Lernen in der Familienphase

Mit der sozialökologischen Perspektive auf das Lernen in der Familienphase wird ein theoretischer Zugang aufgegriffen, der ebenfalls die Situation als Einflussfaktor auf das Lernen beschreibt. Er wird im Folgenden auf das Lernen von Frauen in der Fa­

milienphase adaptiert.

Ökologische Dimension

Lernen mit Medien in privaten Räumen

Lernen in der Erwerbstätigkeit physikalische, dingli­

che und architektoni­

sche Dimension

Vorhandensein eines Arbeits-/

Schlafzimmers

persönliche Ausstattung mit Lern­

material

Ausstattung mit Medien (z. B.

Computer, Abonnements, Radio) Lärmbelästigung

betriebliche Ausstattung mit Lern­

material und Fachliteratur Gestaltung, Ausstattung und Lage der Seminarräume Gestaltung, Ausstattung und Lage des Arbeitsplatzes Lärmbelästigung Behavior Settings Privatheit

Art des Zimmers: Arbeits-, Wohn- o. Schlafzimmer

Freizeit

betriebliche Weiterbildung am Arbeitsplatz

Dimensionen der Or­

ganisationsstruktur Zahl und Alter der Kinder Kinderbetreuung

Regelung für Freistellung bei Fortbildung

Psychosoziales Klima Erlebte Anerkennung der Lernens Erlebte Unterstützung und Rück­

sichtsnahme

Erlebte Möglichkeit zur Selbstver­

wirklichung

Erlebte Förderung der Entwick­

lung und des Lernens Erlebte Anerkennung Erlebter Druck Funktionale Dimensio­

nen beruflicher Wiedereinstieg

beruflich auf dem Laufenden bleiben

Arbeitsplatzerhalt Einarbeitung

Tabelle 13: Ökologische Dimensionen und (hypothetische) Einzelmerkmale des Lernens mit Medien in privaten Räumen und des Lernens in der Erwerbstätigkeit von Frauen in der Fa­

milienphase. Quelle: Eigene Darstellung unter Nutzung der Dimensionen von Dreesmann (1993, S. 458 f., in Reck-Hog 1999, S. 149).

Mit dem Begriff „sozialökologisch“ werden „theoretische Konzepte und empirische Studien charakterisiert, die das Verhältnis von Individuum sowie sozialer und dingli­

cher Umwelt zu erfassen suchen“ (Reck-Hog 1999, S. 145). Zwar wird die menschli­

che Entwicklung als wechselseitige Beeinflussung von Person und Umwelt interpre­

tiert, die Sozialökologie konzentriert sich dabei jedoch auf die spezifischen Umwel­

ten, in denen Menschen leben und handeln (vgl. Reck-Hog 1999, S. 148). Der wohl bekannteste Ansatz ist die „Ökologie menschlicher Entwicklung“ von Bronfenbren­

ner (1981). Er betrachtet die für die individuelle Entwicklung bedeutsame Umwelt als „ineinandergeschachtelte Anordnung konzentrischer, jeweils von der nächsten umschlossen Struktur“ von Mikro-, Meso-, Exo-, Makro- und Chronosystemen (Bronfenbrenner 1981, S. 38). Nach Nuissl (1992) wird mit dem Begriff „Lernökolo­

gie“ zum Ausdruck gebracht werden, dass „der Lernort, seine Umgebung und der Zugang zu ihm für die Lernenden und für das Lernen wichtig sind“ (Nuissl 1992, S. 92).

In Anlehnung an Dreesmann (1993) und seiner Beschreibung ökologischer Dimen­

sionen in pädagogisch-psychologischen Feldern und den Überarbeitungen von Reck-Hog (1999, S. 149) werden in vgl. Tabelle 13 überblicksartig mögliche ökologische Merkmale für zwei ausgewählte Lernfelder von Frauen in der Familienphase skiz­

ziert, bei denen von einer Wirkung der ökologischen Dimensionen auf das berufliche Lernen ausgegangen werden könnte. Für das Lernen mit Medien in privaten Räumen werden im Folgenden relevante sozialökologische Dimensionen und Merkmale be­

nannt: Als physikalische, dingliche und architektonische Dimension erscheinen so die Beschaffenheit des Lernraums (Arbeits-, Wohn- oder Schlafzimmer), die persön­

liche Ausstattung mit Lernmaterial und Medien und auch der Lärmpegel von Bedeu­

tung. Als „Behavior Settings“ werden verhaltensbedeutende Umgebungsmerkmale beschrieben – eine Person verhält sich auf dem Friedhof anders als in einer Kneipe (s. a. Apel, de Haan & Siebert 1993, S. 112 f.). Kennzeichnend sind hierfür das Ler­

nen mit Medien von Frauen in der Familienphase in privaten Räumen eben die Priva­

theit (nicht Öffentlichkeit), dass es in der Freizeit erfolgt und auch die Art des Zim­

mers (ob an einem Esstisch oder an einem Arbeitstisch gelernt wird). Aspekte des psychosozialen Klimas könnten der erlebte Rückhalt in der Familie: die erlebte An­

erkennung des Lernens, die erlebte Unterstützung und Rücksichtsnahme oder die er­

lebte Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sein. Schließlich erscheinen bei der funktionalen Dimension insbesondere der berufliche Wiedereinstieg und der Qualifi­

kationserhalt von Bedeutung.

Nachfrage des Arbeitsmarkts nach Frauen, die sich in der Familienphase be­

ruflich qualifizieren

Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass das Arbeitsplatzangebot den Wieder­

einstieg beeinflusst. Im folgenden wird einer differenzierteren Frage nachgegangen, nämlich ob es eine Nachfrage an Frauen in der Familienphase, die sich qualifiziert haben gibt. Denn das Verhalten von Frauen in der Familienphase, insbesondere de­

ren Lernverhalten kann auch als ein Ergebnis der Bedingungen des Arbeitsmarktes betrachtet werden. Welche Erwartungen stellen die Betriebe („der regionale Arbeits­

markt“) an das beruflich relevante Lernverhalten an Frauen in der Familienphase?

Zum einen können das bestimmte berufliche Voraussetzungen sein, die eine Berufs­

rückkehrerin erfüllen muss, zum anderen auch Erwartungshaltungen an das berufli­

che Lernen von Bewerberinnen, die sich aus der Familienphase bei einem Unterneh­

men um einen Arbeitsplatz bemühen. Dass solche Erwartungshaltungen eine empiri­

sche bzw. praktische Relevanz für das Einstellungsverfahren ist wohl eher gering einzuschätzen, in aller Regel kommt es wohl nicht zu der Situation, dass sich nur Frauen aus der Familienphase für einen Arbeitsplatz bewerben, sie konkurrieren dort mit vielen anderen Erwerbstätigen.

In der Studie „Qualifizierung von Berufsrückkehrerinnen während des Erziehungsur­

laubs“ von Kaldewey & Küpper (1994) finden sich einige Hinweise zu den Einstel­

lungen und Auswahlkriterien von 96 Betriebe aus Nordrhein-Westfalen. Die Betriebe sollten u. a. folgende Aussage bewerten: „Berufsrückkehrerinnen bzw. Frauen, die nach dem Erziehungsurlaub in die Arbeitswelt zurückkehren und die während der Erwerbsunterbrechung an betrieblichen oder außerbetrieblichen Qualifizierungsmaß­

nahmen teilgenommen haben, sind für Arbeitgeber als Mitarbeiterinnen interessanter als jene, die keine Qualifikationsinvestitionen nachweisen können“ (S. 70). 82 Pro­

zent der Betriebe sind dieser Ansicht. In Abhängigkeit von Branche und Betriebsgrö­

ße variiert dieser Anteil zwischen 73 Prozent (Mittelbetriebe) und 100 Prozent (Großbetriebe) (S. 83). Laut Kaldewey & Küpper (1994) ist der Unterschied in Ab­

hängigkeit von Branche und Betriebsgröße „wohl weniger mit unterschiedlichen Qualifikationserwartungen zu erklären, sondern verweist vielmehr auf die unter­

schiedlichen Personalstrategien und Wettbewerbsmöglichkeiten der Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt.“ (S. 70).

Die weiteren Antworten der Betriebe überraschen kaum: Der Qualifizierungsbedarf der Berufsrückkehrerinnen hängt aus Sicht der Betriebe aller Wirtschaftsbereiche von der beruflichen Vorbildung ab: „Je höher und spezieller die Ausbildung, desto höher und umfangreicher ist auch der ständige Qualifizierungsbedarf“ (S. 80; vgl.

Tabelle 6). An hoch qualifizierte Frauen werden dabei besonders hohe Erwartungen gestellt: Einen besonderen Qualifizierungsbedarf sehen so 19 Prozent der Betriebe bei Beschäftigten mit hoch qualifizierter Ausbildung und 15 Prozent bei Beschäftig­

ten mit leitenden Personen (S. 81).

Besonderer Qualifizierungsbedarf besteht bei...

[Mehrfachnennungen möglich]

Gewerbe Handel Dienst­

leistung

gesamt

Un- und Angelernten 5 0 2 2

Angestellten 5 14 12 11

Beschäftigten mit einer Fachausbildung 5 10 16 12

Beschäftigten mit hoch qualifizierter Ausbildung 23 10 22 19

Beschäftigten in leitenden Positionen 14 14 16 15

Tabelle 14: Besonderer Qualifizierungsbedarf bestimmter Beschäftigungsgruppen nach Wirt­

schaftszweig (n=93; N=96). Ergebnisse der Betriebsbefragung zur Qualifizierung von Erzie­

hungsurlauberinnen. Quelle: Darstellung der Ergebnisse von Kaldewey & Küpper (1994, S. 81).

Insgesamt sehen die Mehrheit der Betriebe der Befragung von Kaldewey & Küpper (1994) aber keinen „besonderen“ Qualifizierungsbedarf für ihre (eigenen) Erzie­

hungsurlauberinnen. Auch der Anteil der Betriebe, aus deren Sicht der Wiederein­

stieg der Erziehungsurlauberinnen nur mit erfolgter Weiterqualifizierung erfolgen soll ist mit 4 Prozent denkbar gering (S. 89). Allerdings ist dabei anzumerken, dass Erziehungsurlauberinnen, sofern sie in den Betrieb zurückkehren, in aller Regel we­

niger als drei Jahre unterbrochen haben (außer, sie wurden im Erziehungsurlaub er­

neut schwanger) und es könnte sein, dass es in diesem Zeitraum aus Sicht der befrag­

ten Betriebe zu keinem bedeutenden Qualifikationsverlust kommt. Anzunehmen ist, dass bei Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit länger als drei Jahre unterbrochen haben und evtl. früher gar nicht in einem Betrieb gearbeitet haben die Betriebe von einem größeren Qualifizierungsbedarf ausgehen.

Gefragt danach. ob die Betriebe die zurückgekehrten Erziehungsurlauberinnen anlei­

ten müssen, antworten sie Folgendes: Es haben 75 Prozent der Betriebe die Erfah­

rung gemacht, dass Anleitung auf jeden Fall notwendig ist, für 32 Prozent ist sie nur notwendig bei komplizierten Aufgaben und für 33 Prozent ist Anleitung unnötig, wenn eine Weiterqualifizierung vorliegt. 26 Prozent der Betriebe haben die Erfah­

rung gemacht, dass Anleitung „durch hohes Fach-Knowhow“ notwendig ist. Die überwiegende Mehrheit (83 %) finden den Einstieg leichter, wenn zum Betrieb Kon­

takt gehalten wurde (S. 65).

Zu Frauen in der Familienphase im Allgemeinen, also nicht nur für Erziehungsurlau­

berinnen, liegen keine Daten vor.

Weitere mögliche externe und situative Wirkfaktoren

Zudem erscheinen folgende externen Bedingungen und Situationen von Frauen in der Familienphase bedeutend für das beruflich relevante Lernen von Frauen, insbe­

sondere für die Teilnahme an Weiterbildung:

Die Einstellung und Unterstützung des Partners erscheint als eine weitere mögli­

che situative Größe. In früheren Arbeiten (Bujok 1988) wurde die fehlende Unter­

stützung durch die Familie und Ehemann als Barriere in Betracht gezogen. Auch Zierau, Bartmann & Weiß (1997) berichten in ihrem Modellbericht über Orientie­

rungskurse von Erziehungsurlauberinnen (teilgenommen haben jedoch auch Müt­

ter älterer Kinder), dass bei den Teilnehmerinnen die Familie (der Mann) in der Regel positiv zur Kursteilnahme eingestellt ist (S. 41). Die Erziehungsurlauberin­

nen unter den Teilnehmerinnen haben dabei erstaunlicherweise mehr Unterstüt­

zung erhalten, „obwohl ihre Kinder jünger sind, eine Kursteilnahme u. U. also mit mehr Schwierigkeiten verbunden ist“ (S. 41). Letzteres wird als ein Hinweis dafür interpretiert, dass „berufliche oder außerfamiliäre Aktivitäten mit zunehmender Unterbrechungsdauer auf weniger Akzeptanz im familiären Umfeld stoßen, sie also leichter ermöglicht werden können, wenn sich eine veränderte Arbeitsteilung z. B. noch nicht fest eingefahren hat“ (S. 41).

Auch das Angebot an Weiterbildung ist beschränkt: Betriebliche Weiterbildung steht nur Betriebsangehörigen offen. Gerade hoch qualifizierte Frauen außerhalb von Großstädten ist ein ihren Voraussetzungen und Spezialisierungen entsprechen­

des Angebot oft schwer erreichbar. Auch der Zugang für ärztliche Weiterbildung steht Frauen in der Familienphase z. B. nicht ohne weiteres offen: Es gibt es für Ärzte eine Pflicht sich weiterzubilden, dies kann in der fachärztlichen Weiterbil­

dung jedoch nur ausnahmsweise als Teilzeitweiterbildung vorgenommen werden.

Dies trifft Frauen, die ihre Weiterbildungszeit mit familiären Aufgaben verbinden möchten oder auf eine Teilzeittätigkeit angewiesen sind (Seemann 1997, S. 25).

Schließlich ist auch das Angebot an Orientierungskursen abhängig von der öffent­

lichen und regionalen Förderpolitik und ist kein Regelangebot.

Damit spielen auch die finanziellen Möglichkeiten der Frauen bzw. ihrer Familien eine Rolle für die beruflichen Lernaktivitäten. So führen Kuwan, Graf-Cuiper &

Tippelt (2004) eine Analyse von soziodemografischen Einflussfaktoren auf das Weiterbildungsverhalten durch, zu der sie Kontrastgruppenanalysen ihrer Reprä­

sentativerhebung durchführten. Dabei wird u. a. dem Erwerbsstatus und der Be­

rufsbildung eine wichtige Rolle für die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung zugesprochen, und u. a. dem Alter und dem persönlichen Einkommen eine wichti­

ge Rolle für die Teilnahme an allgemeiner Weiterbildung (S. 81 ff.). Für beide Weiterbildungsbereiche sind die Merkmale Haushaltseinkommen und Berufsbil­

dung von Bedeutung (S. 85). So könnten u. a. die finanziellen Ressourcen der Frauen eine wichtige Einflussgröße für die Weiterbildungsbeteiligung und Lern­

verhalten sein: Beruflich relevantes Lernen bedeutet also nicht nur einen Einkom­

mensverlust (da zur gleichen Zeit auch gearbeitet werden könnte), sondern birgt Kosten für Fahrten, Teilnahmegebühren, Unterrichtsmaterial und evtl. Kinderbe­

treuung plus zusätzlicher Verpflegung). Für viele Frauen sollten durch mangelnde finanzielle Ressourcen Barrieren gesetzt sein.

Nicht zuletzt spielt auch der erlernte Beruf und die Branche eine Rolle. Die Daten zum Weiterbildungsverhalten von Frauen in der Familienphase von Bujok (1988) zeigen bei der Weiterbildungsbereitschaft der Erziehungsurlauberinnen große Un­

terschiede zwischen den Branchen19; so sind im Bereich Chemie vergleichsweise viele Frauen bereit, an Weiterbildung teilzunehmen, im Bereich Einzelhandel ist der Anteil nur sehr gering (Kaldewey & Küpper 1994, S. 139).

Neben diesen Hinweisen aus der Empirie erscheinen insbesondere lebenswelttheore­

tische Ansätze, insbesondere Milieus (vgl. Barz & Tippelt 1999), als weitere Mög­

lichkeit, sich mit externen und situativen Wirkfaktoren auf das beruflich relevante Lernen zu beschäftigen.

19 Leider liegen keine Daten vor, die direkt mit den Antworten der Betriebe zu vergleichen sind (bei­

spielsweise zu den Qualifikationen der Frauen oder der Größe der Betriebe der Erziehungsurlaube­