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Beruflich relevantes Lernen handelnder Subjekte

2. Theorien und Forschung zum beruflich relevanten Lernen von Frauen in

2.7. Beruflich relevantes Lernen handelnder Subjekte

Als ökonomische Theorie nimmt sie in dieser Arbeit eine Sonderstellung ein, die sich darin begründet, dass ihre Annahmen Ausgangslage für viele vorgestellten Ver­

öffentlichungen sind (vgl. Einleitung S. 15). Qualifizierung wird aus dieser Sicht als eine Möglichkeit betrachtet, dass Frauen ihr Humankapital aufstocken können, um der drohenden Lohnsenkung entgegenzuwirken (Radke & Störmann 1998, S. 106).

Kaldewey & Küpper (1994) führten im Rahmen ihrer umfangreichen Studien auch eine Gesprächsrunde mit 7 Teilnehmerinnen eines Qualifizierungskurses und einer Gruppendiskussion mit 11 Frauen im „Elternurlaub“ eines Großunternehmens (S. 97). Letztere beiden ergaben aus Sicht von Kaldewey & Küpper (1994), dass „die Frauen zwar einen je individuell geprägten beruflichen und familiären 'Background' haben, die verbalisierten Lösungsansätze für die Vereinbarkeit von Familie und Be­

ruf jedoch übergreifend durchaus Gemeinsamkeiten hinsichtlich der weiteren Le­

bens- und Berufsplanung sichtbar machen“ (S. 97). So wird die „Notwendigkeit 'be­

ruflich auf dem Laufenden zu sein' [..] von den Frauen übereinstimmend als Voraus­

setzung für einen problemlosen Wiedereinstieg gewertet“ (S. 100).

„Die Frauen sind selbst schuld, wenn sie beim Wiedereinstieg Probleme kriegen, wenn sie sich um nichts kümmern. Ich denke, das ist einfach blauäugig, drei Jahre auszuset­

zen und dann zu meinen, daß man sich in dieser Zeit nicht für Beruf engagieren muß“ (Frau D., Apothekerin; Kaldewey & Küpper 1994, S. 100)

Abbildung 17: Humankapitalinvestitionen und Einkommensprofil bei Zusatzausbildung und unterbrochenem Erwerbsverlauf (in blau). Quelle: Geringfügig überarbeitete Darstellung nach Bauer (2000, S. 42, dieser in Anlehnung an Weck-Hannemann 1993).

Der zentrale Kritikpunkt an der Theorie des Humankapitals ist die Annahme rationa­

ler Entscheidungen; neben „Rentabilitätsüberlegungen dürfte der Ausbildungsent­

scheid durch eine Vielzahl von sozialen und kulturellen Faktoren mindestens ebenso stark beeinflusst werden“, zudem blendet er auch Unsicherheiten über den zukünfti­

gen Lebensweg aus (Bauer 1999, S. 43). Phänomene wie die „gläserne Decke“, mit der die unsichtbare Schranke bezeichnet wird, die insbesondere hoch qualifizierten Frauen den Weg in das höhere Management versperrt, bleiben völlig unerklärt (Wimbauer 1999, S. 32).

Tatsächlich ist die Richtigkeit der Annahmen der Humankapitaltheorie nur einge­

schränkt empirisch nachzuweisen: Im Bezug auf Frauen stellt Bauer (2000) in einer ökonomischen Analyse der unterschiedlichen Auswirkungen der Familiensituation auf die Erwerbsbiografie für Frauen und Männer fest, dass z. B. der durchschnittlich um 25 Prozent geringere Verdienst der Frauen nur zu rund einem Drittel mit einer ungleichen Ausstattung mit Humankapital erklärt werden kann, die restlichen 17 Prozent Unterschied begründet Bauer mit der „ungleichen Verteilung von Män­

nern und Frauen auf die geschlechtsspezifischen Segmente und mit der direkten Lohndiskriminierung innerhalb der Segmente“ (S. 9).

Auch das überraschende Ergebnis eines Vergleichs von Kohorten zum Aus- und Wiedereinstiegs bei Frauen widersprechen dem, von der Humankapitaltheorie unter­

stelltem Zusammenhang von Bildungsniveau und Ausmaß der Erwerbsbeteiligung, zumindest bei den älteren Kohorten: „Unabhängig von ökonomischen Interessen und dem Erwerbsstatus hatte für diese Frauen [der ältesten untersuchen Kohorte] die hö­

here Bildung eine weitaus höhere Bedeutung als sozialer Status, der eher zur Wah­

rung der Chancen auf dem Heiratsmarkt als auf dem Arbeitsmarkt diente“ (Lauter­

bach, Huinink & Becker 1994, S. 187).

Die Humankapitaltheorie vereinfacht stark, wenn die traditionelle Rollenteilung zwi­

schen Männern und Frauen auf „ein durch keine äusseren Zwänge eingeschränktes nutzenmaximierendes Verhalten der einzelnen Akteurinnen und Akteure“ zurückge­

führt wird – unter anderem auch, weil es keinen völlig flexiblen Arbeitsmarkt, son­

dern einen segmentierten gibt (Bauer 2000, S. 153).

Lernmotivation als Faktor des Lernhandelns

Als zweite Größe wird die Lernmotivation als subjektive Faktoren des Lernhandelns beschrieben.

Als eine zentrale Größe für das Lernen betrachtet die Psychologie die Motivation.

Lernmotivation kann dabei als ein Sammelbegriff für emotionale und kognitiven Pro­

zesse verstanden werden, die Unterschiede im Lernverhalten erklären können. Aus Sicht der Psychologie ist die rationale Abwägung des Aufwands und der Rendite von Bildungsinvestitionen eine mögliche Quelle für die Motivation, zu lernen. Leistungs­

motive, Kontrollüberzeugungen, Selbstwirksamkeitserwartungen sind motivationale Größen, die das Lernverhalten und Lernerfolge beeinflussen. So werden immer auch Motive für Weiterbildungsteilnahmen erfragt, die Quelle der Motivation sein kön­

nen.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die Motivation, beruflich Relevantes zu lernen und an Weiterbildung teilzunehmen, bei Frauen in der Familienphase (sehr) hoch ist:

Kaldewey & Küpper (1994) befragten 222 Erziehungsurlauberinnen (also Mütter min. eines Kleinkindes). Ihr Interesse an Qualifizierungsangeboten ist groß: so geben 45 Prozent an, sie würden gerne ihre fachlichen Kenntnisse auffrischen, 43 Prozent, sie würden ihre fachlichen Kenntnisse gerne erweitern, 42 Prozent würden Urlaubs- und Krankheitsvertretungen annehmen, 29 Prozent sind an einer Teilzeitstelle inter­

essiert, 24 Prozent an Beratungsangeboten, 20 Prozent an Gesprächskreisen (S. 155).

Erhalten die Frauen betriebliche Angebote, ist die Inanspruchnahme jedoch deutlich geringer als das bekundete Interesse.

Auch der Hinweis, dass nicht erwerbstätige Mütter ihre Weiterbildung zum großen Teil selbst finanzieren (Willich, Minks & Schaeper 2002) weist auf eine große Be­

reitschaft der Frauen hin, sich am beruflichen Lernen zu beteiligen, erklärt aber auch die Differenzen zwischen Motivation und Wahrnehmung von Angeboten.

Berufs- und Erwerbsorientierung

Als kognitive Größe beeinflusst die Berufsorientierung sowie die Erwerbsorientie­

rung der Frauen ihr berufliches Lernen maßgeblich. Sie ist bereits für die Entschei­

dung für oder gegen Kinder von Bedeutung und wird häufig als divergierend mit der Familienorientierung beschrieben (u. a. Fux 1992). Das bedeutet jedoch nicht, dass Mütter grundsätzlich nicht berufsorientiert sind: Frauen, die Kinder haben und auch Frauen, die deswegen ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, weisen ganz unter­

schiedliche Berufs- und Erwerbsorientierungen auf.

Feider (2006) befasst sich in ihrer Dissertation mit der Frage „welche Prozesse die Frauen, die durch eine Qualifizierungsmaßnahme auf die Rückkehr ins Erwerbsleben vorbereitet wurden, durchlaufen, in welcher persönlichen, beruflichen und familiären Situation sie sich mehrere Jahre nach Maßnahmeende befinden und wie sie ihre Le­

bens- und Berufsentscheidungen erklären“ (S. 10). Dazu führt sie narrative Inter­

views durch, die sie mit einander vergleicht und sechs Typen von Erwerbs- und Fa­

milienverläufen von Berufsrückkehrerinnen nach Qualifizierungsmaßnahmen bildet.

Dabei zeigen sich ganz unterschiedliche Werthaltungen und Interessen: Die Typen sind gekennzeichnet durch „hohe Erwartungen an Erwerbsarbeit und Familie“, „fa­

miliäre Gebundenheit vor beruflichen Ambitionen“, „Erwerbsarbeit als nachfamiliale Sinnquelle neben Freizeitinteressen“, „wachsendes Vertrauen in sich selbst und in die Eigenverantwortung der Kinder“, „berufliche vor familiärer Verantwortung“ so­

wie „Existenzsicherung der partnerlosen Familie durch Erwerbsarbeit“ (S. 82 ff). Es zeigt sich also, dass die Erwerbsorientierung keine unabhängige Konstante ist, son­

dern auch durch die Situation beeinflusst werden kann (fehlender Partner) bzw. sich wandeln kann (Typ „wachsendes Vertrauen in sich selbst und in die Eigenverantwor­

tung der Kinder“).

Auch in der Befragung der stillen Reserve am Gebiet Niederrhein von Ludwig (2003), die viele Mütter umfasst, zeigt sich, dass 32 Prozent der Frauen als Haupt­

grund dafür, dass sie wieder erwerbstätig werden wollen „eigene Kenntnisse einset­

zen“ angeben. 34 Prozent ist „Geld verdienen“ am wichtigsten, 20 Prozent „aus dem Haus kommen“ und 17 Prozent „Anerkennung bekommen“ (Ludwig 2003, S. 38).

In mehren Studien wird darauf hingewiesen, dass Frauen mit Studium wegen ihrer hohen Berufsorientierung (und dank ihrer Ausbildung auch besseren Realisierungs­

möglichkeiten) seltener Kinder bekommen als geringer Qualifizierte (z. B. Engel­

brech, Gruber & Jungkunst 1997). Ähnlich gilt dies auch für die Frauen in der Fami­

lienphase, die über ein abgeschlossenes Studium verfügen: „Auffallend aber nicht überraschend ist, dass für Frauen ohne abgeschlossene Ausbildung das Geld verdie­

nen und für Frauen aus akademischen Berufen das Einbringen eigener Kenntnisse und Fähigkeiten mit Nennungen um jeweils 50 % absolute Priorität hat“ (Ludwig 2003, S. 38).

Weitere mögliche Gestaltungsgrößen

Zudem erscheinen folgende zwei Faktoren für die Ausgestaltung des beruflich rele­

vanten Lernens von Frauen in der Familienphase aus Perspektive der handelnden Frauen von Bedeutung:

Eine wichtige Größe sind ihre Lernerfahrungen durch die Berufsausbildung (Stu­

dium) sowie die Berufsausübung. Elemente davon können dabei z. B. die vorhan­

denen Möglichkeiten der Selbststeuerung des Lernens sein, aber auch die Motiva­

tion für und das Interesse am Lernen selbst. So spielen auch persönliche Lerndis­

positionen eine Rolle beim Lernen, z. B. ob es als etwas Mühsames empfunden wird.

Des Weiteren ist es möglich, dass alle Eigenschaften der Frauen in der Familien­

phase als Lernerinnen, sich auf das beruflich relevante Lernen auswirken: Das heißt, Kontrollüberzeugungen, Lernstile und Lernkompetenzen, Persönlichkeitsei­

genschaften und andere solcher psychologischer Konstrukte beeinflussen das Lernverhalten (vgl. Jonassen & Grabowski 1993, S. 4).

Mit den theoretischen Ansätzen und Befunden zu den externen und situativen Ein­

flüssen sowie zu den Frauen in der Familienphase als Gestalterinnen ihrer Lernakti­

vität, wurden zwei wichtige Perspektiven beschrieben, die versuchen, das Lernver­

halten und -handeln zu erklären. Ergänzend wird nun ein Blick auf die Rolle der Re­

flexionen und Interpretationen der Frauen in der Familienphase geworfen.