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3.1 Patientenkollektiv

3.1.1 Personenbezogene Parameter wie Alter und Geschlecht

Der Anteil männlicher Teilnehmer betrug 52 % (n=208) und war damit leicht erhöht gegenüber dem Anteil weiblicher Teilnehmer mit 48 % (n=192). Das männliche Durchschnittsalter lag bei 71 Jahren, das weibliche bei 69 Jahren. Das Gesamtdurchschnittsalter betrug 70 Jahre. Die weib-lichen Versicherten waren zwischen 39 und 86 Jahre alt, die männweib-lichen Versicherten zwischen 39 und 85 Jahren. Die nachfolgende Abb. 12 zeigt die Altersverteilung des Kollektivs in verschiedenen Klassen mit Angabe der Obergrenzen sowie die Aufteilung der Werte in männliche und weibliche Patienten der einzelnen Klassen.

| 68 21 Diagnosen vorhanden, bei den männlichen Patienten betrug der Maximalwert 18 Diagnosen. Der Median lag bei 8 Diagnosen.

Die häufigsten Diagnosen bei einer Gesamtzahl von n=3273 waren mit 38 % Erkrankungen des Kreislaufsystems der ICD-10 Gruppe I, zu 12 % Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sowie des Bindegewebes der ICD-10 Gruppe M und mit 10 % endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrank-heiten der ICD-10 Gruppe E. Sehr selten waren Erkrankungen des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems (ICD-10 Gruppe D,) bestim-mte infektiöse und parasitäre Erkrankungen (ICD-10 Gruppe A-B) sowie Erkrankungen des Ohres und Warzenfortsatzes (ICD-10 Gruppe H) mit einem Anteil von jeweils < 1 % vorhanden (Abb. 20). Patien-ten mit Erkrankungen von gut- oder bösartigen Neubildungen sollPatien-ten nach Angaben der Krankenkas-se nicht zur Teilnahme angefragt werden, allerdings enthielten die DiagnoKrankenkas-sen zu 2 % Erkrankungen des ICD-10-GM 2013 Codes C mit Neubildungen (beispielsweise Tumoren u. Ä.).

Abb. 20:

Häufigkeiten der einzelnen Diagnosen der Hauptkapitel des ICD-10-GM 2013 Codes (n=3273).

Insgesamt waren 220 verschiedene ICD-10-GM 2013 Codes auf dreistelliger Ebene vorhanden.

Nach den vorgegebenen Informationen der Krankenkasse litten 334 von 400 Patienten (84 %) an einer essentiellen Hypertonie, 202 von 400 Patienten (51 %) an einer koronaren Herzerkrankung und 196 der 400 Patienten (49 %) an einem Diabetes mellitus Typ II. Die nachfolgende Tab. 17 veran-schaulicht die häufigsten Diagnosen. Mit 37 % (146 von 400 Patienten) und 32 % (127 von 400 Pa-tienten) waren je ein Drittel der Patienten von einer Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern betroffen.

ICD-10 Code dreistellig

Anzahl

Patienten % Bezeichnung Tab. 17: Häufigste

Diagno-sen je Patient nach dreistel-ligem ICD-10-GM 2013 Code im Patientenkollektiv (n=400).

I10 334 84 % Essentielle (primäre) Hypertonie I25 202 51 % Chronische ischämische Herzkrankheit

E11 196 49 % Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes]

I50 146 37 % Herzinsuffizienz

I48 127 32 % Vorhofflimmern und Vorhofflattern

| 70 Vorangehende Abb. 21 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Patientenalter und der Anzahl vorhandener Diagnosen. Bei höherem Alter war eine vermehrte Anzahl Diagnosen erkennbar, die maximalen Werte mit 17 bis 21 Diagnosen traten beispielsweise bei Patienten im Alter zwischen 72 und 79 Jahren auf. Andererseits hatten auch ältere Patienten mit etwa 80 Jahren mit drei bis fünf eine geringe Anzahl dokumentierter Diagnosen vorliegen. Der Regressionskoeffizient von 0,0283 bei den männlichen und 0,0435 bei den weiblichen Patienten sagt aus, dass bei einer Zunahme des Alters um 10 Lebensjahre die Anzahl der Diagnosen um etwa 0,3 bei den männlichen und 0,4 bei den weiblichen Patienten ansteigt. Da jedoch die Korrelationskoeffizienten einen Betrag nahe Null auf-weisen, ist ein linearer Zusammenhang wenig wahrscheinlich.

Wie in Abb. 22 dargestellt ist ein Zusammenhang zwischen der Anzahl eingenommener Arznei-mittel und der Anzahl vorhandener Diagnosen ebenfall nicht erkennbar. Die Korrelationskoeffizenten zeigen mit einem Betrag nahe 0 einen unwahrscheinlichen statistischen Zusammenhang an. Auch bei wenigen aufgeführten Diagnosen, beispielsweise der Anzahl zwei, nahmen zwei weibliche Patienten je 12 und 20 und ein männlicher Patient 13 Arzneimittel, mit je einem enthaltenen Arzneimittel in Selbstmedikation, ein. Ebenso konnte eine hohe Anzahl an aufgeführten Diagnosen, beispielsweise 19 Diagnosen bei einer weiblichen Patientin, mit wenigen Arzneimitteln, hier sieben, auftreten.

3.2 Konsile und Medikationsanalysen

Die an die behandelnden Ärzte versendeten Konsile enthielten Stichworte oder kurze Zusammen-fassungen der Medikationsanalysen, die durch das Expertenteam auf der Basis der von der Kranken-kasse bereitgestellten Daten erstellt wurden. Die nachfolgenden Auswertungen stellen die Kategori-sierung der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler dar.

An der Bearbeitung der Konsile waren vier Experten beteiligt: ein habilitierter klinischer Pharma-kologe, zwei Assistenzärzte in der Weiterbildung zum Klinischen Pharmakologen und ein Apotheker.

Jedes Konsil wurde mindestens nach dem Vier-Augen-Prinzip bearbeitet und durch den Klinischen Pharmakologen freigegeben. 104 von 400 Konsile (26 %) wurden nach dem Vier-AugenPrinzip, 296 von 400 Konsilen (74 %) wurden nach dem Sechs-Augen-Prinzip bearbeitet, die Freigabe erfolgte je durch den Klinischen Pharmakologen. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Konsils betrug 67 Minuten bei einem Intervall von 30 bis 120 Minuten (n=400). Zu der Bearbeitungszeit, welche die Auswertung der Diagnosen und Medikationen, Literaturrecherche und die Erstellung eines Konsil-briefs umfasste, muss der Vollständigkeit halber ebenso die Zeit gerechnet werden, die für admini-strative Aufgaben wie die Aufarbeitung der Daten zur Auswertung, das Einpflegen der Ergebnisse in eine Excel-Tabelle sowie das Kopieren und Versenden der Unterlagen an den angegebenen Arzt, den Patienten oder die Krankenkasse aufgebracht wurde. Diese erforderte je Konsil zusätzlich etwa

| 71 30 Minuten. Ein verfasstes Kurzkonsil enthielt im Durchschnitt drei Stichworte, ein Direktkonsil durchschnittlich Anmerkungen zu sieben Arzneimitteln.

Es wurden 237 Konsile (59 %) als Kurzkonsil direkt an den Patienten versendet, der das Konsil bei seinem nächsten Termin an seinen behandelnden Arzt weitergab. Nachdem 10 Monate nach Beginn der Datensammlung die Möglichkeit bestand, einen Konsilbrief als Direktkonsil an den behandelnden Arzt zu versenden, wurden 163 der 400 Konsile (41 %) unter einer ausführlicheren Beschreibung der Konsilergebnisse an den Vertrauensarzt des Patienten versendet mit Erläuterungen zu Hintergrund und Kostenfreiheit der Konsile. Nach der Einführung des Versands von Direktkonsilen lehnten 14 von 400 Patienten (4 %) die direkte Kontaktaufnahme mit dem Arzt ab und es wurde entsprechend ein Kurzkonsil an den Patienten zur Weitergabe an seinen behandelnden Arzt versendet. In elf Fällen wurde das Konsil als Duplikat in der Annahme eines Verlustes über den Postweg erneut versendet, nachdem der Patient meldete, dass das Konsil ihn oder den behandelnden Arzt nicht ereicht hatte.

Alle Angaben in den Tabellen beziehen sich auf eine Gesamtzahl von 5357 eingenommenen Arzneimitteln bei allen 400 Patienten. Die pharmakologischen und medizinischen Erläuterungen der potentiellen Verordungsfehler stellen die Ausarbeitungen der Experten dar, die die Medikationsana-lysen erstellten. Zusätzliche Informationen zum Verständnis und zur Erläuterung der angegebenen Stichworte wurden aus den zugehörigen Fachinformationen (119) oder den zur Erstellung der Medi-kationsanalysen verwendeten Datenbanken (114-116,118) zusammengetragen (s. Kapitel 2.1.4).

3.2.1 Übersicht über Konsilergebnisse

Die Ergebnisse der Medikationsanalysen, die vom Expertenteam als potentielle Verordnungs-fehler identifiziert und nach den in Kapitel 2.2.4 und 2.2.5 beschriebenen Haupt- und Unterkatego-rien eingestuft wurden, sind in nachfolgender Tab. 18 dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Summe der Häufigkeiten der Unterkategorien nicht die Häufigkeit der Hauptkategorie darstellt, da es sich hierbei um die Häufigkeit der betroffenen Patienten handelt. Jeder Patient konnte von mehreren Verordnungsfehlern einer Haupt- oder Unterkategorie betroffen sein. Sobald ein Patient von einem potentiellen Verordnungsfehler in mindestens einer Unterkategorie tangiert war, implizierte dies ein Auftreten in der zugehörigen Hauptkategorie. Die Gesamtzahl der je Unterkategorie involvierten Arzneimittel je zugehöriger Hauptkategorie war hingegen identisch.

Abb. 23 zeigt die Verteilung der insgesamt 2943 identifizierten potentiellen Verordnungsfehler in den acht Hauptkategorien. Die Gesamtanzahl der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler ent-spricht je Patient 7,4 potentiellen Verordnungsfehlern. Mit 863 von 2943 potentiellen Verordnungs-fehlern (29 %) und 815 von 2943 potentiellen VerordnungsVerordnungs-fehlern (28 %) traten am häufigsten die Hauptkategorien Indikation und Interaktion auf. Selten waren Verordnungsfehlern in den Haupt-kategorien Kontraindikation (1 %, 22 von 2943) und Nierenfunktion (5 %, 150 von 2943) enthalten.

| 74 weise zur Prophylaxe einer Osteoporose oder eines Vitamin-D-Mangels, oder die Gabe von Tamsulosin bei fehlender Diagnose einer benignen Prostatahyperplasie.

Tab. 19: Die häufigsten Arzneimittel, die ohne eine dem Expertenteam vorliegende Indikation verordnet waren (n=673).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen gesamt (%)

vermutete (Haupt-) Indikation

Allopurinol 94 14 % M04AA01 114 (82 %) Hyperurikämie

Levothyroxin 60 9 % V04CJ03 128 (47 %) Hypothyreose, Strumaprophylaxe Colecalciferol 22 3 % A11CC05 111 (20 %) Rachtitisprophylaxe,

Osteoporoseprophylaxe, -therapie Tamsulosin 22 3 % G04CA02 47 (47 %) Benigne Prostatahyperplasie Glyceroltrinitrat 12 2 % A05AX08 113 (11 %) Angina pectoris

Omeprazol 12 2 % A02BC01 87 (14 %) Ulcusprophylaxe, -therapie, Refluxösophagitis

Clopidogrel 11 2 % B01AC04 46 (24 %) Vorhofflimmern, nach Herzinfarkt, Stentimplantation mit Anwendung bis zu 12 Monaten

Estradiol 10 1 % G03CA03 16 (63 %) Hormonsubstitution in der Menopause oder Osteoporoseprophylaxe

Pantoprazol 10 1 % N06AA09 155 (6 %) Ulcusprophylaxe, -therapie, Refluxösophagitis

Die Gabe von Glyceroltrinitrat ist insbesondere bei bestehender Angina pectoris indiziert und nicht zur Blutdrucksenkung bei einer arteriellen Hypertonie (2 %, n=12) geeignet. Die Gabe von Protonenpumpeninhibitoren (3 %) wie Omeprazol (n=12), Pantoprazol (n=10) oder Lansoprazol (n=1) bei fehlender Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika oder Antiphlogistika oder dem Nichtvor-liegen einer Refluxösophagitis oder eines Ulcus ist über einen Zeitraum von maximal 8 Wochen empfohlen. Die Gabe von Clopidogrel (2 %, n=11) ist indiziert bei vorhandenem Stent oder zurück-liegendem Schlaganfall zur Weiterführung über eine Dauer von maximal zwölf Monaten. Auch eine eventuell vorliegende Indikation zur Hormonsubstitution nach der Menopause mit Estradiol (1 %, n=10) sollte regelmäßig und insbesondere bei Frauen über 65 Jahren überprüft werden.

(II) Verordnung eines Arzneimittels, für welches zwar eine Indikation gegeben, diese allerdings unklar ist.

Bei 9 von 400 Medikationsanalysen (2 %) war je mindestens ein Arzneimittel vorhanden, zu dem zwar eine Indikation vorlag, die Gabe des Arzneimittels allerdings von den Experten hinterfragt wurde, da es eine andere, wirksamere Alternative im Vergleich zu dem verordneten Arzneimittel gab.

Insgesamt 10 Arzneimittel waren in diese Unterkategorie involviert, und es entsprach je Patient 1,1 betroffenen Arzneimitteln.

In der nachfolgenden Tab. 20 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Es waren mit 9 von 10 Arzneimitteln (90 %) hauptsächlich Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System"

enthalten. Ein Arzneimittel war das Antidiabetikum Repaglinid der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel". Bei der Gabe dieser Arzneimittel lässt sich die Therapie optimieren oder

| 75 eventuell eine Dosierung verringern, indem ein für die Indikation passenderes Medikament ausge-wählt wird.

Tab. 20: Verordnete Arzneimittel mit vorliegender Indikation, allerdings besserer therapeutischer Alternative (n=10).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC–

Code

Moxonidin stellt als Reservetherapeutikum nicht die erste Therapieoption bei Hypertonie dar, andere Antihypertonika wie Thiazid-Diuretika, ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Antagonisten sollten bevorzugt angewendet werden. Bei dem Betablocker Atenolol handelt es sich in den meisten Bezirken der kassenärztlichen Vereinigungen nicht um eine Leitsubstanz nach dem Wirtschaftlich-keitsprinzip, es ist bevorzugt eine Therapie mit Metoprolol oder Bisoprolol auszuwählen (154). Eine Blutdrucktherapie mit Metoprolol und kurzwirksamem Nitrendipin wurde bei dem vorliegenden Patienten als nicht optimal angesehen, das Expertenteam empfahl stattdessen die Gabe von Hydrochlorothiazid oder eines ACE-Hemmers oder Calciumkanalblockers wie Amlodipin. Bei Herzin-suffizienz des NYHA Stadiums I wurde statt Torasemid zunächst die Gabe von Hydrochlorothiazid em-pfohlen. Bei dem Antidiabetikum Repaglinid bestand die Nachfrage der Notwendigkeit einer Gabe bei gleichzeitiger Gabe von Insulin. Urapidil stellt als Alpha-Adrenozeptor-Antagonist ein nicht typisches Blutdrucktherapeutikum dar, stattdessen wurde zunächst die Gabe eines Calciumkanal-blockers empfohlen.

(III) Verordnung eines Arzneimittels, bei dem gemäß Studienlage kein Wirksamkeitsnachweis gegeben ist.

Insgesamt war bei 34 von 400 Medikationsanalysen (9 %) nach Einschätzung der Experten mindes-tens ein Arzneimittel vom Arzt verordnet worden, das laut aktueller Studienlage keinen Wirksam-keitsnachweis für eine vermutlich vorliegende, allerdings nicht angegebene Indikation zeigt. Es han-delte sich dabei um 38 Arzneimittel, das entspricht 1,1 Arzneimitteln je betroffenem Patienten.

Nachfolgende Tab. 21 zeigt die am häufigsten auftretenden Arzneimittel dieser Unterkategorie. Mit

| 76 16 von 38 Arzneimitteln (42 %) waren besonders häufig Arzneimittel der ATC-Gruppe R „ Respira-tionstrakt", mit 13 % (5 von 38) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem" und mit 6 von 38 Arzneimitteln (16 %) kombinierte Mineralstoffpräparate vorhanden.

Tab. 21: Die häufigsten eingenommen Arzneimittel ohne Wirksamkeitsnachweis bei nicht vorliegender Indikation (n=38).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen gesamt (%)

Grund

Acetylcystein 9 24 % R05CB01 16 (56 %) bei COPD oder Asthma bronchiale ohne Wirksamkeitsnachweis

Montelukast 5 13 % R03DC03 12 (42 %) keine Wirkung bei COPD, nur bei leichtem bis mittelgradigem Asthma indiziert

Diclofenac, topisch

3 8 % D11AX18 9 (33 %) in gelartiger Applikationsform keine aus-reichende Wirksamkeit

Die meisten Arzneimittel mit 9 von 38 (42 %) waren Arzneimittel der vierstelligen ATC-Gruppe

„Mukolytika" (R05CB), darunter Acetylcystein (n=9) und Ambroxol (n=2), deren Wirksamkeit bei einer COPD oder Asthma bronchiale nicht belegt ist, sowie Montelukast (n=5), das bei leichtem bis mittel-schwerem Asthma bronchiale sowie zur Behandlung einer allergischen Rhinitis zugelassen, allerdings bei COPD nicht indiziert ist. Auch die Gabe von Diclofenac (n=3) oder Beinwellzubereitungen (n=1) in topischer Form ist nach Ansicht der Experten nicht in ihrer Wirksamkeit belegt. 17 Arzneimittel waren homöopathische Zubereitungen, Vitamin- oder Mineralstoffpräparate oder pflanzliche Wirkstoffgemische zur Behandlung von Neuropathien, Restless-Legs-Syndromen, Krebserkrankungen oder nervös bedingten Zuständen, die ebenfalls keinen Wirksamkeitsnachweis besitzen, und je nach Dosierung ein erhöhtes Nebenwirkungspotential aufweisen wie beispielsweise Mistelkraut (n=2) mit potentiellen Leberschädigungen oder der Gefahr einer Anaphylaxie. Die Gabe der meisten homöopathischen oder mineralstoffhaltigen Arzneimittel ist bei Einhaltung der Dosierungsvorgaben je nach Wirkstoff in der Regel nicht schädlich, und birgt daher meist keine besonderen Risiken, allerdings ist die Einnahme mit einem erhöhten Kostenfaktor und einer fehlenden erwünschten Wirkung verbunden, weshalb von einer regelmäßigen Einnahme abgeraten wird.

(IV) Es ist eine Dauertherapie verordnet, ohne dass die Indikation ersichtlich ist, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend.

Insgesamt wurde bei 130 von 400 Medikationsanalysen (33 %) mindestens ein Arzneimittel verabreicht, wo eine Dauertherapie auf Grund der dokumentierten Diagnosen nicht indiziert war, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend gewesen, zudem lag für die Gabe des Arznei-mittels keine Indikation vor. Insgesamt waren 142 Arzneimittel, entsprechend 3 % aller einge-nommenen Arzneimittel, von dem Expertenteam gekennzeichnet worden, je betroffenen Patient 1,1 Arzneimittel. Die nachfolgende Tab. 22 zeigt die am häufigsten vorkommenden Arzneimittel dieser Unterkategorie. Mit 124 von 142 Arzneimitteln (83 %) traten besonders häufig Arzneimittel

| 77 des ATC-Codes A „Alimentäres System und Stoffwechsel" sowie mit 7 von 142 Arzneimittel (5 %) der ATC-Gruppe N „Nervensystem" auf.

Tab. 22: Die häufigsten als Dauertherapie verordneten Arzneimittel ohne vorliegende Indikation (n=142).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code

Metamizol 3 2 % N02BB02 74 (4 %) Dauertherapie meiden wegen Agranulo-cytoserisiko

Loperamid 2 1 % A07DA03 5 (40 %) Einnahme von länger als 4 Wochen hinterfragen

Metoclopramid 2 1 % A03FA01 29 (7 %) Einnahme nicht länger als 4-6 Wochen empfohlen

Tilidin/Naloxon 2 1 % N02AX01 45 (4 %) kurzwirksame Präparate nur kurzfristig oder bei Bedarf anwenden

Die häufigste ATC-Gruppe auf fünfstelliger Ebene waren die Protonenpumpeninhibitoren (A02BC) mit 114 von 142 Arzneimitteln (80 %). Die Dauer der Gabe von Pantoprazol, Omeprazol, Esomeprazol und Rabeprazol (n=1) sollte nicht länger als acht Wochen betragen, da durch die Einnahme die Absorption von Magnesium und Calcium verringert wird, dies kann eine Osteoporose, Waden-krämpfe sowie Herzrhythmusstörungen begünstigen. Die Gabe von Kalium sollte nur bei ent-sprechenden Serum-Kaliumwerten durchgeführt und die Erforderlichkeit regelmäßig überprüft werden. Metamizol (n=3) ist bei lange andauernden Schmerzsyndromen eine Therapieoption, aller-dings ist die Dauertherapie nicht empfohlen. Die Gabe von Metoclopramid (n=2) und Tilidin (n=2) ist bei bestehender Indikation sinnvoll, allerdings sollten schnellwirksame Arzneiformen wie Tropfen eine Bedarfsgabe darstellen, ebenso ist bei einer langfristigen Therapie von mehr als 4 Wochen mit Loperamid (n=2) die beständige ärztliche Aufsicht notwendig. Die Zulassung metoclopramidhaltiger Tropfen mit einer Konzentration von mehr als 1 mg/ml wurde vom BfArM am 09.04.2015 auf Grund des erhöhten Nebenwirkungspotentials zurückgerufen, die Arzneimittel durfen nicht mehr verordnet oder vertrieben werden (155). Am 01.08.2015 brachte ein Hersteller erstmalig metoclopramidhaltige Tropfen in einer Konzentration von 1 mg/ml auf den deutschen Arzneimittelmarkt (156).

3.2.3 Hauptkategorie Risikomedikamente

Bei 235 der 400 Patienten (59 %) lag ein potentieller Verordnungsfehler im Bereich „Risiko -arzneimittel“ vor. 376 von 5357 Arzneimitteln (7 %) und durchschnittlich 1,6 Arzneimittel dieser Kategorie stufte das Expertenteam mit einem für den Patienten besonderen Risiko bei dessen

| 79 Die in der nachfolgenden Tab. 24 dargestellten PRISCUS-Arzneimittel waren besonders häufig in den Polymedikationen aller 400 Patienten enthalten, insbesondere Arzneimittel der ATC-Gruppe N

„Nervensystem" mit 89 von 170 Arzneimitteln (52 %) sowie mit 46 von 170 Arzneimitteln (27 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" und mit 23 von 170 Arzneimittel (14 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem".

Tab. 24: Die häufigsten verordneten Arzneimittel der PRISCUS-Liste (n=170) bei allen 400 Patienten im Kollektiv.

Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Code

Verordnungen gesamt (%)

Alternativmedikation

Amitriptylin 17 10 % N06AA09 19 (89 %) Mirtazapin Nifedipin,

unretardiert

14 8 % C08CA05 17 (82 %) Betablocker, langwirksamer Calciumkanalblocker, andere Antihypertensiva

Trimipramin 14 8 % N06AA06 15 (93 %) Mirtazapin, Sertralin, Citalopram, Zopiclon und Zolpidem in geringer Dosierung

Psychopharmaka wurden besonders häufig verordnet, insbesondere Antidepressiva (N06A) mit 43 von 170 Arzneimitteln (26 %) wie Amitriptylin, Trimipramin, Doxepin (n=8) und Fluoxetin (n=4) sowie Benzodiazepin-Derivate (N05BA, N05CD) mit 26 von 170 Arzneimitteln (15 %) wie Diazepam (n=7), Lorazepam (n=5), das laut Angaben der PRISCUS-Liste in Dosierungen ≤ 2mg/d angemessen ist, Oxazepam (n=4), Bromazepam, Brotizolam (n=2, in Dosierungen ≤ 0,125 mg/d angemessen), Lormetazepam (n=2, in Dosen ≤ 0,5 mg/d angemessen), Medazepam, Nitrazepam, Clorazepat und Prazepam (je n=1). Ebenso wurden die Benzodiazepin-verwandten Arzneimittel (N05CF) Zopiclon (n=6, in Dosierungen ≤ 5 mg/d vertretbar) und Zolpidem (n=4, in Dosierungen ≤ 3,75 mg/d vertret -bar) verordnet. Alternativen dazu stellen Mirtazapin und Citalopram sowie Zolpidem und Zopiclon in geringen Dosierungen dar. Einen weiteren Anteil hatten die nichtsteroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika (M01A) mit 11 % (n=19) wie Etoricoxib (n=6), Indometacin und Acemetacin (je n=4), Meloxicam (n=3) und Piroxicam (n=2) sowie die Digitalisglykoside (C01AA) Acetyldigoxin (n=6), Digoxin (n=2), Betaacetyldigoxin und Metildigoxin (je n=1). Diese Arzneimittel sind für Patienten über 65 Jahre nicht empfohlen, Alternativen sind Paracetamol oder schwachwirksame Opioide wie Tramadol sowie Betablocker bei Vorhofflimmern und ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz.

(II) Verordnung eines Arzneimittels, dessen Gabe auf Grund des Krankheitsbildes des Patienten risikobehaftet ist.

Die Experten sahen insgesamt 145 verordnete Arzneimittel, 3 % aller Arzneimittel, bei 117 von 400 Patienten (29 %) auf Grund einer bestehenden Erkrankung, des Alters des Patienten oder all-gemein als besonders risikoreich an, das sind je Patient 1,3 verordnete Arzneimittel dieser Unterkate-gorie. Bei manchen Arzneimitteln wäre das Risiko auch bei sonst gesunden Patienten vorhanden, da das Arzneimittel per se ein Risiko auf Grund eines hohen Nebenwirkungspotentials oder einer engen

| 80 therapeutischen Breite aufweist. Allerdings wurden hier die Risiken speziell vor dem Krankheitsbild des Patienten betrachtet.

In der nachfolgenden Tab. 25 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgelistet. Besonders oft waren Arzneimittel der ATC-Grupe C „kardiovaskuläres System“ mit 63 von 145 Arzneimitteln (43 %), sowie Arzneimittel der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“ mit 28 von 145 Arznei -mitteln (19 %) enthalten. Auf dreistelliger ATC-Code-Ebene waren mit 45 von 145 Arznei-mitteln (31 %) vor allem Arzneimittel zur Herztherapie (C01), mit 13 von 145 Arzneimittel (9 %) Arzneimittel bei funktionellen gastrointestinalen Beschwerden (A03) und mit 12 von 145 Arznei-mitteln (8 %) Analgetika (N02) verordnet.

Tab. 25: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Gabe auf Grund einer vorliegenden Diagnose oder aus anderen Gründen risikobehaftet ist (n=145).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code

Verordnungen gesamt (%)

Grund

Alternativ-medikation Glyceroltrinitrat 33 23 % C01DA02 113 (29 %) erhöhte Mortalität bei

Anwendung zur

Glyceroltrinitrat sollte nur bei Beschwerden im Zusammenhang mit einer Angina pectoris gegeben werden. Es war bei den betroffenen Patienten im Zusammenhang mit einer kurzfristigen Blutdruck-senkung erwähnt, diese Anwendung ist auf Grund einer erhöhten Mortalität nicht empfohlen. Alter-nativ sollte die bestehende Blutdruckmedikation ausgeweitet oder in ihrer Dosierung erhöht oder andere Maßnahmen zur Blutdrucksenkung angewendet werden, wie das Ruhigstellen oder Ab-dunkeln des Raumes. Bei einer Metamizol-Anwendung ist das Risiko einer Agranulocytose gegeben.

Es sollte möglichst auf andere, risikoärmere Analgetika umgestellt werden. Digitoxin und Metoclopramid sind Arzneimittel, die besonders im Alter wegen der erhöhten Anzahl von uner-wünschten Wirkungen gemieden werden sollen. Ebenso ist nichtretardiertes Nitrendipin (n=8) nicht zur kurzfristigen Blutdrucksenkung geeignet, und es sollte gegen eine retardierte galenische Formu-lierung ausgetauscht werden, um das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse zu reduzieren.

Ibuprofen (n=6) und Diclofenac (n=3) können in Kombination mit Antihypertensiva den Blutdruck steigern und sollten daher bei hohem kardialem Risiko nicht die erste Option einer Schmerztherapie darstellen. Theophyllin und Chinin (je n=3) sind bei kardiovaskulären Erkrankungen zu meiden.

| 81 (III) Ein Arzneimittel wird als Dauertherapie verordnet, wobei eine Dauertherapie mit einem

erhöhten Risiko verbunden ist.

Bei 55 von 400 Patienten (14 %) waren insgesamt 61 Arzneimittel, 1 % aller eingenommenen Arzneimittel sowie neun verschiedene Arzneimittel verordnet, die von dem Expertenteam in Dauer-therapie als risikoreich angesehen wurden. Dies entsprach je Patient durchschnittlich 1,1 risikobehaf-teten Dauertherapien. Hier wurde speziell das Risiko bei dem jeweiligen Patienten betrachtet. Die nachfolgende Tab. 26 zeigt die häufigsten dieser Arzneimittel. Mit 37 von 61 Arzneimitteln (61 %) stammten die meisten Arzneimittel aus der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel", ebenso war Metamizol mit 24 von 61 Arzneimitteln (39 %) aus der ATC-Gruppe N „Nervensystem"

enthalten.

Tab. 26: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dauergabe auf Grund vorliegender Diagnosen oder wegen eines erhöhten Nebenwirkungspotentials risikobehaftet ist (n=61).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen

gesamt (%) Grund Alternativmedikation Metamizol 24 39 % N02BB02 74 (32 %) Dauertherapie meiden,

da Agranulocytose-Risiko

Ibuprofen, Tramadol, Paracetamol, Flupirtin Omeprazol 23 38 % A02BC01 87 (26 %)

Wechselwirkungs-potential, erhöhtes Vorkommen von UAW bei Dauertherapie

Pantoprazol

Metoclopramid 4 7 % A03FA01 29 (14 %) Dauertherapie nicht empfohlen wegen des Risikos extrapyramidal-motorischer Störungen

Domperidon

Das Risiko einer Agranulocytose bei einer Metamizol-Gabe ist insbesondere bei einer Dauerthera-pie gegeben, daher sollte möglichst auf andere, risikoärmere Analgetika umgestiegen werden. Bei der Dauergabe von Protonenpumpeninhibitoren, Omeprazol oder Pantoprazol (n=3), ist das Risiko einer verminderten Calcium- und Magnesiumresorption sowie eines Rebound-Effektes beim Ab-setzen des Arzneimittels gegeben. Metoclopramid birgt insbesondere bei regelmäßiger Gabe das Risiko extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen (s. Kapitel 3.2.1). Daher sollte eine alternative Gabe von Domperidon erfolgen. Eine Dauertherapie mit Kalium (n=3) erfordert eine regelmäßige Kontrolle der Serum-Kalium-Werte und sollte daher nur bei zwingender Indikation gegeben werden.

Auch Natriumpicosulfat (n=2) sollte wegen Elektrolytverlust und damit möglicher Muskelschwäche

Auch Natriumpicosulfat (n=2) sollte wegen Elektrolytverlust und damit möglicher Muskelschwäche