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3.2 Konsile und Medikationsanalysen

3.2.1 Übersicht über Konsilergebnisse

Die Ergebnisse der Medikationsanalysen, die vom Expertenteam als potentielle Verordnungs-fehler identifiziert und nach den in Kapitel 2.2.4 und 2.2.5 beschriebenen Haupt- und Unterkatego-rien eingestuft wurden, sind in nachfolgender Tab. 18 dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Summe der Häufigkeiten der Unterkategorien nicht die Häufigkeit der Hauptkategorie darstellt, da es sich hierbei um die Häufigkeit der betroffenen Patienten handelt. Jeder Patient konnte von mehreren Verordnungsfehlern einer Haupt- oder Unterkategorie betroffen sein. Sobald ein Patient von einem potentiellen Verordnungsfehler in mindestens einer Unterkategorie tangiert war, implizierte dies ein Auftreten in der zugehörigen Hauptkategorie. Die Gesamtzahl der je Unterkategorie involvierten Arzneimittel je zugehöriger Hauptkategorie war hingegen identisch.

Abb. 23 zeigt die Verteilung der insgesamt 2943 identifizierten potentiellen Verordnungsfehler in den acht Hauptkategorien. Die Gesamtanzahl der identifizierten potentiellen Verordnungsfehler ent-spricht je Patient 7,4 potentiellen Verordnungsfehlern. Mit 863 von 2943 potentiellen Verordnungs-fehlern (29 %) und 815 von 2943 potentiellen VerordnungsVerordnungs-fehlern (28 %) traten am häufigsten die Hauptkategorien Indikation und Interaktion auf. Selten waren Verordnungsfehlern in den Haupt-kategorien Kontraindikation (1 %, 22 von 2943) und Nierenfunktion (5 %, 150 von 2943) enthalten.

| 74 weise zur Prophylaxe einer Osteoporose oder eines Vitamin-D-Mangels, oder die Gabe von Tamsulosin bei fehlender Diagnose einer benignen Prostatahyperplasie.

Tab. 19: Die häufigsten Arzneimittel, die ohne eine dem Expertenteam vorliegende Indikation verordnet waren (n=673).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen gesamt (%)

vermutete (Haupt-) Indikation

Allopurinol 94 14 % M04AA01 114 (82 %) Hyperurikämie

Levothyroxin 60 9 % V04CJ03 128 (47 %) Hypothyreose, Strumaprophylaxe Colecalciferol 22 3 % A11CC05 111 (20 %) Rachtitisprophylaxe,

Osteoporoseprophylaxe, -therapie Tamsulosin 22 3 % G04CA02 47 (47 %) Benigne Prostatahyperplasie Glyceroltrinitrat 12 2 % A05AX08 113 (11 %) Angina pectoris

Omeprazol 12 2 % A02BC01 87 (14 %) Ulcusprophylaxe, -therapie, Refluxösophagitis

Clopidogrel 11 2 % B01AC04 46 (24 %) Vorhofflimmern, nach Herzinfarkt, Stentimplantation mit Anwendung bis zu 12 Monaten

Estradiol 10 1 % G03CA03 16 (63 %) Hormonsubstitution in der Menopause oder Osteoporoseprophylaxe

Pantoprazol 10 1 % N06AA09 155 (6 %) Ulcusprophylaxe, -therapie, Refluxösophagitis

Die Gabe von Glyceroltrinitrat ist insbesondere bei bestehender Angina pectoris indiziert und nicht zur Blutdrucksenkung bei einer arteriellen Hypertonie (2 %, n=12) geeignet. Die Gabe von Protonenpumpeninhibitoren (3 %) wie Omeprazol (n=12), Pantoprazol (n=10) oder Lansoprazol (n=1) bei fehlender Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika oder Antiphlogistika oder dem Nichtvor-liegen einer Refluxösophagitis oder eines Ulcus ist über einen Zeitraum von maximal 8 Wochen empfohlen. Die Gabe von Clopidogrel (2 %, n=11) ist indiziert bei vorhandenem Stent oder zurück-liegendem Schlaganfall zur Weiterführung über eine Dauer von maximal zwölf Monaten. Auch eine eventuell vorliegende Indikation zur Hormonsubstitution nach der Menopause mit Estradiol (1 %, n=10) sollte regelmäßig und insbesondere bei Frauen über 65 Jahren überprüft werden.

(II) Verordnung eines Arzneimittels, für welches zwar eine Indikation gegeben, diese allerdings unklar ist.

Bei 9 von 400 Medikationsanalysen (2 %) war je mindestens ein Arzneimittel vorhanden, zu dem zwar eine Indikation vorlag, die Gabe des Arzneimittels allerdings von den Experten hinterfragt wurde, da es eine andere, wirksamere Alternative im Vergleich zu dem verordneten Arzneimittel gab.

Insgesamt 10 Arzneimittel waren in diese Unterkategorie involviert, und es entsprach je Patient 1,1 betroffenen Arzneimitteln.

In der nachfolgenden Tab. 20 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgeführt. Es waren mit 9 von 10 Arzneimitteln (90 %) hauptsächlich Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System"

enthalten. Ein Arzneimittel war das Antidiabetikum Repaglinid der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel". Bei der Gabe dieser Arzneimittel lässt sich die Therapie optimieren oder

| 75 eventuell eine Dosierung verringern, indem ein für die Indikation passenderes Medikament ausge-wählt wird.

Tab. 20: Verordnete Arzneimittel mit vorliegender Indikation, allerdings besserer therapeutischer Alternative (n=10).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC–

Code

Moxonidin stellt als Reservetherapeutikum nicht die erste Therapieoption bei Hypertonie dar, andere Antihypertonika wie Thiazid-Diuretika, ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Antagonisten sollten bevorzugt angewendet werden. Bei dem Betablocker Atenolol handelt es sich in den meisten Bezirken der kassenärztlichen Vereinigungen nicht um eine Leitsubstanz nach dem Wirtschaftlich-keitsprinzip, es ist bevorzugt eine Therapie mit Metoprolol oder Bisoprolol auszuwählen (154). Eine Blutdrucktherapie mit Metoprolol und kurzwirksamem Nitrendipin wurde bei dem vorliegenden Patienten als nicht optimal angesehen, das Expertenteam empfahl stattdessen die Gabe von Hydrochlorothiazid oder eines ACE-Hemmers oder Calciumkanalblockers wie Amlodipin. Bei Herzin-suffizienz des NYHA Stadiums I wurde statt Torasemid zunächst die Gabe von Hydrochlorothiazid em-pfohlen. Bei dem Antidiabetikum Repaglinid bestand die Nachfrage der Notwendigkeit einer Gabe bei gleichzeitiger Gabe von Insulin. Urapidil stellt als Alpha-Adrenozeptor-Antagonist ein nicht typisches Blutdrucktherapeutikum dar, stattdessen wurde zunächst die Gabe eines Calciumkanal-blockers empfohlen.

(III) Verordnung eines Arzneimittels, bei dem gemäß Studienlage kein Wirksamkeitsnachweis gegeben ist.

Insgesamt war bei 34 von 400 Medikationsanalysen (9 %) nach Einschätzung der Experten mindes-tens ein Arzneimittel vom Arzt verordnet worden, das laut aktueller Studienlage keinen Wirksam-keitsnachweis für eine vermutlich vorliegende, allerdings nicht angegebene Indikation zeigt. Es han-delte sich dabei um 38 Arzneimittel, das entspricht 1,1 Arzneimitteln je betroffenem Patienten.

Nachfolgende Tab. 21 zeigt die am häufigsten auftretenden Arzneimittel dieser Unterkategorie. Mit

| 76 16 von 38 Arzneimitteln (42 %) waren besonders häufig Arzneimittel der ATC-Gruppe R „ Respira-tionstrakt", mit 13 % (5 von 38) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem" und mit 6 von 38 Arzneimitteln (16 %) kombinierte Mineralstoffpräparate vorhanden.

Tab. 21: Die häufigsten eingenommen Arzneimittel ohne Wirksamkeitsnachweis bei nicht vorliegender Indikation (n=38).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen gesamt (%)

Grund

Acetylcystein 9 24 % R05CB01 16 (56 %) bei COPD oder Asthma bronchiale ohne Wirksamkeitsnachweis

Montelukast 5 13 % R03DC03 12 (42 %) keine Wirkung bei COPD, nur bei leichtem bis mittelgradigem Asthma indiziert

Diclofenac, topisch

3 8 % D11AX18 9 (33 %) in gelartiger Applikationsform keine aus-reichende Wirksamkeit

Die meisten Arzneimittel mit 9 von 38 (42 %) waren Arzneimittel der vierstelligen ATC-Gruppe

„Mukolytika" (R05CB), darunter Acetylcystein (n=9) und Ambroxol (n=2), deren Wirksamkeit bei einer COPD oder Asthma bronchiale nicht belegt ist, sowie Montelukast (n=5), das bei leichtem bis mittel-schwerem Asthma bronchiale sowie zur Behandlung einer allergischen Rhinitis zugelassen, allerdings bei COPD nicht indiziert ist. Auch die Gabe von Diclofenac (n=3) oder Beinwellzubereitungen (n=1) in topischer Form ist nach Ansicht der Experten nicht in ihrer Wirksamkeit belegt. 17 Arzneimittel waren homöopathische Zubereitungen, Vitamin- oder Mineralstoffpräparate oder pflanzliche Wirkstoffgemische zur Behandlung von Neuropathien, Restless-Legs-Syndromen, Krebserkrankungen oder nervös bedingten Zuständen, die ebenfalls keinen Wirksamkeitsnachweis besitzen, und je nach Dosierung ein erhöhtes Nebenwirkungspotential aufweisen wie beispielsweise Mistelkraut (n=2) mit potentiellen Leberschädigungen oder der Gefahr einer Anaphylaxie. Die Gabe der meisten homöopathischen oder mineralstoffhaltigen Arzneimittel ist bei Einhaltung der Dosierungsvorgaben je nach Wirkstoff in der Regel nicht schädlich, und birgt daher meist keine besonderen Risiken, allerdings ist die Einnahme mit einem erhöhten Kostenfaktor und einer fehlenden erwünschten Wirkung verbunden, weshalb von einer regelmäßigen Einnahme abgeraten wird.

(IV) Es ist eine Dauertherapie verordnet, ohne dass die Indikation ersichtlich ist, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend.

Insgesamt wurde bei 130 von 400 Medikationsanalysen (33 %) mindestens ein Arzneimittel verabreicht, wo eine Dauertherapie auf Grund der dokumentierten Diagnosen nicht indiziert war, eine Bedarfsgabe wäre gegebenenfalls ausreichend gewesen, zudem lag für die Gabe des Arznei-mittels keine Indikation vor. Insgesamt waren 142 Arzneimittel, entsprechend 3 % aller einge-nommenen Arzneimittel, von dem Expertenteam gekennzeichnet worden, je betroffenen Patient 1,1 Arzneimittel. Die nachfolgende Tab. 22 zeigt die am häufigsten vorkommenden Arzneimittel dieser Unterkategorie. Mit 124 von 142 Arzneimitteln (83 %) traten besonders häufig Arzneimittel

| 77 des ATC-Codes A „Alimentäres System und Stoffwechsel" sowie mit 7 von 142 Arzneimittel (5 %) der ATC-Gruppe N „Nervensystem" auf.

Tab. 22: Die häufigsten als Dauertherapie verordneten Arzneimittel ohne vorliegende Indikation (n=142).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code

Metamizol 3 2 % N02BB02 74 (4 %) Dauertherapie meiden wegen Agranulo-cytoserisiko

Loperamid 2 1 % A07DA03 5 (40 %) Einnahme von länger als 4 Wochen hinterfragen

Metoclopramid 2 1 % A03FA01 29 (7 %) Einnahme nicht länger als 4-6 Wochen empfohlen

Tilidin/Naloxon 2 1 % N02AX01 45 (4 %) kurzwirksame Präparate nur kurzfristig oder bei Bedarf anwenden

Die häufigste ATC-Gruppe auf fünfstelliger Ebene waren die Protonenpumpeninhibitoren (A02BC) mit 114 von 142 Arzneimitteln (80 %). Die Dauer der Gabe von Pantoprazol, Omeprazol, Esomeprazol und Rabeprazol (n=1) sollte nicht länger als acht Wochen betragen, da durch die Einnahme die Absorption von Magnesium und Calcium verringert wird, dies kann eine Osteoporose, Waden-krämpfe sowie Herzrhythmusstörungen begünstigen. Die Gabe von Kalium sollte nur bei ent-sprechenden Serum-Kaliumwerten durchgeführt und die Erforderlichkeit regelmäßig überprüft werden. Metamizol (n=3) ist bei lange andauernden Schmerzsyndromen eine Therapieoption, aller-dings ist die Dauertherapie nicht empfohlen. Die Gabe von Metoclopramid (n=2) und Tilidin (n=2) ist bei bestehender Indikation sinnvoll, allerdings sollten schnellwirksame Arzneiformen wie Tropfen eine Bedarfsgabe darstellen, ebenso ist bei einer langfristigen Therapie von mehr als 4 Wochen mit Loperamid (n=2) die beständige ärztliche Aufsicht notwendig. Die Zulassung metoclopramidhaltiger Tropfen mit einer Konzentration von mehr als 1 mg/ml wurde vom BfArM am 09.04.2015 auf Grund des erhöhten Nebenwirkungspotentials zurückgerufen, die Arzneimittel durfen nicht mehr verordnet oder vertrieben werden (155). Am 01.08.2015 brachte ein Hersteller erstmalig metoclopramidhaltige Tropfen in einer Konzentration von 1 mg/ml auf den deutschen Arzneimittelmarkt (156).

3.2.3 Hauptkategorie Risikomedikamente

Bei 235 der 400 Patienten (59 %) lag ein potentieller Verordnungsfehler im Bereich „Risiko -arzneimittel“ vor. 376 von 5357 Arzneimitteln (7 %) und durchschnittlich 1,6 Arzneimittel dieser Kategorie stufte das Expertenteam mit einem für den Patienten besonderen Risiko bei dessen

| 79 Die in der nachfolgenden Tab. 24 dargestellten PRISCUS-Arzneimittel waren besonders häufig in den Polymedikationen aller 400 Patienten enthalten, insbesondere Arzneimittel der ATC-Gruppe N

„Nervensystem" mit 89 von 170 Arzneimitteln (52 %) sowie mit 46 von 170 Arzneimitteln (27 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe C „kardiovaskuläres System" und mit 23 von 170 Arzneimittel (14 %) Arzneimittel der ATC-Gruppe M „Muskel- und Skelettsystem".

Tab. 24: Die häufigsten verordneten Arzneimittel der PRISCUS-Liste (n=170) bei allen 400 Patienten im Kollektiv.

Arzneimittel Häufigkeit % ATC- Code

Verordnungen gesamt (%)

Alternativmedikation

Amitriptylin 17 10 % N06AA09 19 (89 %) Mirtazapin Nifedipin,

unretardiert

14 8 % C08CA05 17 (82 %) Betablocker, langwirksamer Calciumkanalblocker, andere Antihypertensiva

Trimipramin 14 8 % N06AA06 15 (93 %) Mirtazapin, Sertralin, Citalopram, Zopiclon und Zolpidem in geringer Dosierung

Psychopharmaka wurden besonders häufig verordnet, insbesondere Antidepressiva (N06A) mit 43 von 170 Arzneimitteln (26 %) wie Amitriptylin, Trimipramin, Doxepin (n=8) und Fluoxetin (n=4) sowie Benzodiazepin-Derivate (N05BA, N05CD) mit 26 von 170 Arzneimitteln (15 %) wie Diazepam (n=7), Lorazepam (n=5), das laut Angaben der PRISCUS-Liste in Dosierungen ≤ 2mg/d angemessen ist, Oxazepam (n=4), Bromazepam, Brotizolam (n=2, in Dosierungen ≤ 0,125 mg/d angemessen), Lormetazepam (n=2, in Dosen ≤ 0,5 mg/d angemessen), Medazepam, Nitrazepam, Clorazepat und Prazepam (je n=1). Ebenso wurden die Benzodiazepin-verwandten Arzneimittel (N05CF) Zopiclon (n=6, in Dosierungen ≤ 5 mg/d vertretbar) und Zolpidem (n=4, in Dosierungen ≤ 3,75 mg/d vertret -bar) verordnet. Alternativen dazu stellen Mirtazapin und Citalopram sowie Zolpidem und Zopiclon in geringen Dosierungen dar. Einen weiteren Anteil hatten die nichtsteroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika (M01A) mit 11 % (n=19) wie Etoricoxib (n=6), Indometacin und Acemetacin (je n=4), Meloxicam (n=3) und Piroxicam (n=2) sowie die Digitalisglykoside (C01AA) Acetyldigoxin (n=6), Digoxin (n=2), Betaacetyldigoxin und Metildigoxin (je n=1). Diese Arzneimittel sind für Patienten über 65 Jahre nicht empfohlen, Alternativen sind Paracetamol oder schwachwirksame Opioide wie Tramadol sowie Betablocker bei Vorhofflimmern und ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz.

(II) Verordnung eines Arzneimittels, dessen Gabe auf Grund des Krankheitsbildes des Patienten risikobehaftet ist.

Die Experten sahen insgesamt 145 verordnete Arzneimittel, 3 % aller Arzneimittel, bei 117 von 400 Patienten (29 %) auf Grund einer bestehenden Erkrankung, des Alters des Patienten oder all-gemein als besonders risikoreich an, das sind je Patient 1,3 verordnete Arzneimittel dieser Unterkate-gorie. Bei manchen Arzneimitteln wäre das Risiko auch bei sonst gesunden Patienten vorhanden, da das Arzneimittel per se ein Risiko auf Grund eines hohen Nebenwirkungspotentials oder einer engen

| 80 therapeutischen Breite aufweist. Allerdings wurden hier die Risiken speziell vor dem Krankheitsbild des Patienten betrachtet.

In der nachfolgenden Tab. 25 sind die häufigsten dieser Arzneimittel aufgelistet. Besonders oft waren Arzneimittel der ATC-Grupe C „kardiovaskuläres System“ mit 63 von 145 Arzneimitteln (43 %), sowie Arzneimittel der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel“ mit 28 von 145 Arznei -mitteln (19 %) enthalten. Auf dreistelliger ATC-Code-Ebene waren mit 45 von 145 Arznei-mitteln (31 %) vor allem Arzneimittel zur Herztherapie (C01), mit 13 von 145 Arzneimittel (9 %) Arzneimittel bei funktionellen gastrointestinalen Beschwerden (A03) und mit 12 von 145 Arznei-mitteln (8 %) Analgetika (N02) verordnet.

Tab. 25: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Gabe auf Grund einer vorliegenden Diagnose oder aus anderen Gründen risikobehaftet ist (n=145).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code

Verordnungen gesamt (%)

Grund

Alternativ-medikation Glyceroltrinitrat 33 23 % C01DA02 113 (29 %) erhöhte Mortalität bei

Anwendung zur

Glyceroltrinitrat sollte nur bei Beschwerden im Zusammenhang mit einer Angina pectoris gegeben werden. Es war bei den betroffenen Patienten im Zusammenhang mit einer kurzfristigen Blutdruck-senkung erwähnt, diese Anwendung ist auf Grund einer erhöhten Mortalität nicht empfohlen. Alter-nativ sollte die bestehende Blutdruckmedikation ausgeweitet oder in ihrer Dosierung erhöht oder andere Maßnahmen zur Blutdrucksenkung angewendet werden, wie das Ruhigstellen oder Ab-dunkeln des Raumes. Bei einer Metamizol-Anwendung ist das Risiko einer Agranulocytose gegeben.

Es sollte möglichst auf andere, risikoärmere Analgetika umgestellt werden. Digitoxin und Metoclopramid sind Arzneimittel, die besonders im Alter wegen der erhöhten Anzahl von uner-wünschten Wirkungen gemieden werden sollen. Ebenso ist nichtretardiertes Nitrendipin (n=8) nicht zur kurzfristigen Blutdrucksenkung geeignet, und es sollte gegen eine retardierte galenische Formu-lierung ausgetauscht werden, um das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse zu reduzieren.

Ibuprofen (n=6) und Diclofenac (n=3) können in Kombination mit Antihypertensiva den Blutdruck steigern und sollten daher bei hohem kardialem Risiko nicht die erste Option einer Schmerztherapie darstellen. Theophyllin und Chinin (je n=3) sind bei kardiovaskulären Erkrankungen zu meiden.

| 81 (III) Ein Arzneimittel wird als Dauertherapie verordnet, wobei eine Dauertherapie mit einem

erhöhten Risiko verbunden ist.

Bei 55 von 400 Patienten (14 %) waren insgesamt 61 Arzneimittel, 1 % aller eingenommenen Arzneimittel sowie neun verschiedene Arzneimittel verordnet, die von dem Expertenteam in Dauer-therapie als risikoreich angesehen wurden. Dies entsprach je Patient durchschnittlich 1,1 risikobehaf-teten Dauertherapien. Hier wurde speziell das Risiko bei dem jeweiligen Patienten betrachtet. Die nachfolgende Tab. 26 zeigt die häufigsten dieser Arzneimittel. Mit 37 von 61 Arzneimitteln (61 %) stammten die meisten Arzneimittel aus der ATC-Gruppe A „Alimentäres System und Stoffwechsel", ebenso war Metamizol mit 24 von 61 Arzneimitteln (39 %) aus der ATC-Gruppe N „Nervensystem"

enthalten.

Tab. 26: Die häufigsten verordneten Arzneimittel, deren Dauergabe auf Grund vorliegender Diagnosen oder wegen eines erhöhten Nebenwirkungspotentials risikobehaftet ist (n=61).

Arzneimittel Häufigkeit % ATC-Code Verordnungen

gesamt (%) Grund Alternativmedikation Metamizol 24 39 % N02BB02 74 (32 %) Dauertherapie meiden,

da Agranulocytose-Risiko

Ibuprofen, Tramadol, Paracetamol, Flupirtin Omeprazol 23 38 % A02BC01 87 (26 %)

Wechselwirkungs-potential, erhöhtes Vorkommen von UAW bei Dauertherapie

Pantoprazol

Metoclopramid 4 7 % A03FA01 29 (14 %) Dauertherapie nicht empfohlen wegen des Risikos extrapyramidal-motorischer Störungen

Domperidon

Das Risiko einer Agranulocytose bei einer Metamizol-Gabe ist insbesondere bei einer Dauerthera-pie gegeben, daher sollte möglichst auf andere, risikoärmere Analgetika umgestiegen werden. Bei der Dauergabe von Protonenpumpeninhibitoren, Omeprazol oder Pantoprazol (n=3), ist das Risiko einer verminderten Calcium- und Magnesiumresorption sowie eines Rebound-Effektes beim Ab-setzen des Arzneimittels gegeben. Metoclopramid birgt insbesondere bei regelmäßiger Gabe das Risiko extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen (s. Kapitel 3.2.1). Daher sollte eine alternative Gabe von Domperidon erfolgen. Eine Dauertherapie mit Kalium (n=3) erfordert eine regelmäßige Kontrolle der Serum-Kalium-Werte und sollte daher nur bei zwingender Indikation gegeben werden.

Auch Natriumpicosulfat (n=2) sollte wegen Elektrolytverlust und damit möglicher Muskelschwäche nur bei Bedarf angewendet werden, die Gabe von Natriumhydrogencarbonat bei Niereninsuffi-zienz (n=1) sollte wegen des Risikos einer Hypernatriämie und Entwicklung einer Alkalose nur bei Erfordernis verabreicht werden.

| 83 Am häufigsten traten mit 7 von 19 Interaktionen (37 %) kontraindizierte Interaktionen zwischen Aliskiren und Sartanen auf, sechs Interaktionen betrafen die Kombination von Antidepressiva (Citalopram, Mirtazapin und Amitriptylin, je n=1) und Metoclopramid mit einem erhöhten Risiko für extrapyramidalmotorische Reaktionen. Die Interaktion zwischen Eplerenon und Kalium (n=1) geht mit einem erhöhten Risiko lebensbedrohlicher Hyperkaliämien einher und die Interaktion zwischen Carbamazepin und Rasagilin (n=1) führt zu einem erhöhten Risiko eines Serotoninsyndroms.

Tab. 27: Die am häufigsten auftretenden, als „kontraindiziert" eingestuften Interaktionen (n=19).

A

ATC-Code

B

ATC-Code

Häufigkeit % Art der Interaktion

Citalopram N06AB04 Metoclopramid A03FA01 3 16 % erhöhtes Risiko von extrapyramidal-motorischen Reaktionen oder einem malignen neuroleptischen Syndrom Metoclopramid A03FA01 Mirtazapin N06AX11 2 11 % erhöhtes Risiko von extrapyramidal-motorischen Reaktionen oder einem malignen neuroleptischen Syndrom Aliskiren C09XA02 Valsartan C09CA03 2 11 % erhöhtes Risiko von Hyperkaliämie,

Nierenversagen und Hypotonie Aliskiren C09XA02 Olmesartan C09CA08 2 11 % erhöhtes Risiko von Hyperkaliämie,

Nierenversagen und Hypotonie (II) Gabe zweier Arzneimittel mit einer schwerwiegenden Interaktion.

Bei 196 von 400 Patienten (49 %) wurden 352 Interaktionen von den Datenbanken mit dem Schweregrad „schwerwiegend“ eingestuft, dies entspricht je Patient 1,8 Interaktionen. Nachfolgende Tab. 28 zeigt die häufigsten dieser schwerwiegenden Interaktionen.

Tab. 28: Die am häufigsten auftretenden Interaktionen, die als schwerwiegend" eingestuft wurden (n=352).

A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Amlodipin C08CA01 Simvastatin C10AA01 41 12 % erhöhte Konzentration von

Simvastatin und erhöhtes Myo-pathie- und Rhabdomyolyserisiko Allopurinol V04CJ03 Ramipril C09AA05 22 6 % erhöhte Wahrscheinlichkeit

hämatologischer Reaktionen Acetylsalicylsäure B01AC06 Clopidogrel B01AC04 17 5 % erhöhtes Blutungsrisiko Acetylsalicylsäure B01AC06 Phenprocoumon B01AA04 17 5 % erhöhtes Blutungsrisiko Amiodaron C01BD01 Simvastatin C10AA01 12 3 % erhöhte Konzentration von

Simvastatin und erhöhtes Myo-pathie- und Rhabdomyolyserisiko Eine nachträgliche Betrachtung der Dosierungen von Simvastatin, ob diese oberhalb von 20 mg lagen, wurde nicht durchgeführt. Alleine die Ergebnisse der Experten wurden ausgewertet. Die häufigste Interaktion bestand zwischen Amlodipin und Simvastatin, wobei die Interaktion durch eine Reduktion der Simvastatindosis auf 20 mg oder durch einen Wechsel auf Pravastatin umgangen werden kann, ebenso bei der Interaktion Amiodaron und Simvastatin. 36 von 352 Inter-aktionen (10 %) stellte die Interaktion zwischen Allopurinol und ACE-Hemmern dar, dabei sollte bei der kombinierten Gabe auf Blutbildveränderungen geachtet werden, die Interaktionspartner waren

| 84 Ramipril, Enalapril (n=10) und Lisinopril (n=4). Der häufigste Interaktionspartner war bei 56 von 352 Interaktionen (16 %) niedrigdosierte Acetylsalicylsäure und die häufigsten Interaktionen be-standen mit Phenprocoumon, Clopidogrel und Ginkgo (n=4), diese Interaktionen führen zu einem er-höhten Blutungsrisiko. Diese Wechselwirkung zwischen Acetylsalicylsäure und Clopidogrel kann bei bestimmten Indikationen erwünscht sein, beispielsweise als duale Plättchenhemmung nach Stentim-plantation (157). Auch Phenprocoumon war bei 45 von 352 (13 %) ein häufiger Interaktionspartner, die häufigsten Interaktionen bestanden dabei mit Acetylsalicylsäure, Amiodaron (n=9) und Simvastatin (n=5), auch hier ist bei den Interaktionen mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu rechnen.

(III) Gabe zweier Arzneimittel mit einer moderaten Interaktion.

Bei 192 von 400 Patienten (48 %) waren 363 Interaktionen vorhanden, die von den Datenbanken als „moderat“ eingestuft wurden. Je Patient entspricht dies 1,9 Interaktionen. In Tab. 29 sind die häufigsten dieser Interaktionen aufgeführt.

Tab. 29: Interaktionen, die als „moderat" eingestuft wurden (n=363).

A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Allopurinol V04CJ03 Phenprocoumon B01AA04 26 7 % erhöhtes Blutungsrisiko Acetylsalicylsäure B01AC06 Ibuprofen M01AE01 18 5 % verminderter

antiaggregato-rische Wirkung möglich Omeprazol A02BC01 Phenprocoumon B01AA04 12 3 % erhöhte INR-Werte und

potenzierte antikoagulative Wirkung möglich

Digitoxin C01AA04 Metoprolol C07AB02 11 3 % erhöhtes Risiko von Bradykardien

Besonders häufig traten die Interaktionen zwischen Allopurinol und Phenprocoumon sowie zwischen Omeprazol und Phenprocoumon mit einem erhöhten Blutungsrisiko auf. Es sollte insbeson-dere bei An- und Absetzen ein vermehrtes INR-Monitoring durchgeführt werden. Die Interaktion zwischen blutgerinnungshemmender Acetylsalicylsäure und Ibuprofen mit der möglichen Aufhebung der Blutgerinnungshemmung lässt sich durch die Einhaltung eines zeitlichen Abstands zwischen der Einnahme der beiden Arzneimittel umgehen. Die Wechselwirkungen zwischen zweiwertigen Kationen wie Calcium, Eisen, Magnesium und Zink und komplexbildenden Arzneimitteln wie Levothyroxin (n=11) und Risedronsäure (n=1) trat mit 12 von 363 Interaktionen (3 %) ebenfalls mehr-fach auf, die Wirkung der Arzneimittel wird durch die Komplexbildung gemindert oder bleibt aus.

Besonders häufig war Phenprocoumon bei 79 von 363 Interaktionen (22 %) in die Interaktionen einbezogen, vor allem mit Allopurinol, Omeprazol, Metformin (n=7) und Levothyroxin (n=7), wobei zum einen mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu rechnen ist, bei Metformin allerdings der gegen-teilige Effekt ausgelöst wird und eine Dosiserhöhung von Phenprocoumon notwendig sein kann.

Ebenso war Acetylsalicylsäure bei 56 von 363 Interaktionen (15 %) häufig von einer Interaktion be-troffen, insbesondere mit Ibuprofen, Furosemid (n=9) und Diclofenac (n=7). Furosemid kann, ohne

| 85 Hinweis auf die betreffende Acetylsalicylsäure-Konzentration, in seiner Wirkung abgeschwächt sein, und Diclofenac ein erhöhtes Blutungsrisiko hervorrufen.

(IV) Gabe zweier Arzneimittel mit einer geringfügigen Interaktion.

Bei 22 von 400 Patienten (6 %) wurden insgesamt 22 Interaktionen durch die Datenbanken als

„geringfügig“ bewertet. Nachfolgende Tab. 30 zeigt die häufigsten dieser Interaktionen.

Tab. 30: Die häufigsten Interaktionen, die als geringfügig" eingestuft wurden (n=22).

A ATC-Code B ATC-Code Häufigkeit % Art der Interaktion Simvastatin C10AA01 Sitagliptin A10BH01 10 45 % Fallberichte von

Rhabdomyolysen vorliegend Allopurinol V04CJ03 Hydrochlorothiazid C03AA03 4 18 % Möglicherweise vermehrte

Überempfindlichkeits-reaktionen auf Allopurinol Alendronsäure M05BA04 Calcium A12AA 2 9 % verminderte Resorption von

Alendonsäure

Neben der Interaktion zwischen Simvastatin und Sitagliptin mit einem erhöhten Risiko für Myo-pathien trat ebenso die Interaktion zwischen Alendronsäure und Calcium unter Komplexbildung und Wirkminderung von Alendronsäure auf. Hydrochlorothiazid kann das Potential für Überempfindlich-keitsreaktionen bei Allopurinol erhöhen. Theophyllin war in je eine Interaktion mit Metoprolol und Furosemid involviert, wobei jeweils die Theophyllin-Konzentration erhöht sein kann.

(V) Gabe zweier Arzneimittel mit der Angabe „widersprüchlicher Erkenntnisse“ oder „keine klinisch relevante Interaktion“.

Bei 20 von 400 Patienten (5 %) wurde eine Interaktion durch die Datenbanken entweder als

„widersprüchliche Erkenntnisse“ oder als „keine klinisch relevante Interaktion“ bewertet. Es handelt sich dabei um 22 Wechselwirkungen, dies entspricht 1,1 Arzneimittel je Patient. Nachfolgende Tab. 31 zeigt die häufigsten dieser Interaktionen.

Tab. 31: Interaktionen, die durch die Datenbanken als „widersprüchlich" oder „keine klinisch relevante Interaktion“

Tab. 31: Interaktionen, die durch die Datenbanken als „widersprüchlich" oder „keine klinisch relevante Interaktion“