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4 Diskussion

4.3 Das Patientenkollektiv

4.3.1 Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und Nierenfunktion

Das durchschnittliche Alter betrug 70 Jahre und entsprach einem älteren Patientenkollektiv. Dabei hatten 95 % der Patienten (378 von 400 Patienten) ein Alter von 60 bis 86 Jahren. Ein Vergleich mit der Bundesbevölkerung zeigt, dass im Jahr 2013 der Anteil der Deutschen, die älter als 60 Jahre waren, 27,1 % betrug (171). Dies bedeutet, dass das Patientenkollektiv in dem Altersintervall liegt, das mehr als ein Viertel der Bundesbevölkerung umfasst. Es handelte sich bei den Untersuchungen nicht speziell um die Betrachtung älterer Patienten, allerdings ist Polypharmazie in der Regel mit einem höheren Alter assoziiert (36). Da die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt, wird der Anteil dieser Patienten in den nächsten Jahren zunehmen. Der Anteil der Bundesbürger über 60 Jahre nahm 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 1,2, der über 80 Jahre um 0,9 Prozentpunkte zu (172). Der Anteil männlicher Bundesbürger lag im Juni 2013 bei 49 % (172), die teilnehmenden Patienten waren zu 52 % männlich, dies entspricht einer ausgewogenen Zusammensetzung im Patientenkollektiv.

Der durchschnittliche Body-Mass-Index der Patienten lag bei 30,0 kg/m2 mit einer durchschnitt-lichen Körpergröße von 170 cm und einem durchschnittdurchschnitt-lichen Körpergewicht von 89 kg. Bei der bundesdeutschen Bevölkerung lag der durchschnittlicher BMI bei den über 60-Jährigen im Jahr 2013 bei 26,9 kg/m2 mit einer durchschnittlichen Körpergröße von 169 cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 77 kg (173). Der Anteil an Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas und einem BMI von über 30 kg/m2 war im Patientenkollektiv mit 48 % gegeben, im Vergleich dazu betrug der Bevölkerungsanteil im Jahr 2013 mit einem BMI über 30 kg/m2 21 % (173). An diesem Vergleich wird deutlich, dass der Anteil an Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas deutlich höher war als derje-nige der bundesdeutschen Bevölkerung. Es lag somit ein Patientenkollektiv mit einer Tendenz zur Adipositas vor.

Bei 56 % der Patienten lag eine ausreichende Nierenfunktion mit einer GFR über 60 ml/min vor, bei 37 % der Patienten lag die GFR unterhalb von 60 ml/min. Bei diesen Patienten war eine

| 123 sung der Arzneimitteldosierung an die eingeschränkte Nierenfunktion erforderlich. Vergleichbare Zahlen sind in der Literatur nicht zu finden. In Deutschland waren im Jahr 2013 43.460 Patienten auf Grund einer chronischen Nierenerkrankung des ICD-10 Codes N18 durchschnittlich 8,3 Tage in statio-närer Behandlung (174). Die erforderliche Anpassung der Arzneimitteldosierung an die Nierenfunktion bei etwa einem Drittel des Patientenkollektivs stellt allerdings eine erhöhte Anforderung an die Arzneimittelverordnung und -therapie dar.

4.3.2 Diagnosen

Die durchschnittliche Anzahl Diagnosen, die bei den Patienten vorlagen, betrug 8,2. Besonders häufig litten die Patienten mit einem Anteil von 84 % des Kollektivs an essentieller (primärer) Hyper-tonie (ICD-10 Code I10), mit 51 % an KHK (ICD-10 Code I25) und mit 49 % an einem nicht primär insu-linabhängigem Diabetes mellitus (ICD-10 Code E11). Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) machten lediglich einen Anteil von 3 % aus.

Vergleichbare Werte wurden bei der kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen gefunden. Demnach waren im 2. Quartal 2013 die drei häufigsten Diagnosen der niedergelassenen Hausärzte mit 49 % die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 Code I10), mit 21 % Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) sowie mit 19 % der nicht primär insulinabhängige Diabetes mellitus (ICD-10 Code E11) (175). Ähnliche Zahlen zeigte die kassenärztliche Vereinigung Nordrhein für das 2. Quartal 2013 für Allgemeinärzte mit einem Anteil von 34 % für die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 Code I10), 23 % für Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) und 17 % für Rückenschmerzen (ICD-10 Code M54) (176).

Somit weisen die Patienten im Kollektiv ein deutlich erhöhten Anteil an Patienten mit Diagnosen für eine essentielle Hypertonie auf, auch der Anteil der Patienten mit einem Diabetes Typ II war gegenüber den Zahlen der Literatur deutlich erhöht. Andererseits gehören diese beiden Diagnosen, wie bei den niedergelassenen Hausärzten in Sachsen und Nordhein, ebenso zu den häufigsten, doku-mentierten Diagnosen ambulanter Patienten. Der hohe Anteil an Diagnosen spiegelt auch die hohe Multimorbidität der Patienten wieder, die eine Voraussetzung zur Teilnahme an der Maßnahme darstellte.

Ein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Anzahl an Diagnosen (s. Kapitel 3.1.4) war zwar zu erwarten, allerdings zeigte der Korrelationskoeffizient keine relevante Abhängigkeit der beiden Variablen. Ebenso verhielt es sich bei dem Zusammenhang zwischen der Anzahl eingenommener Arzneimittel und der Anzahl vorhandener Diagnosen. Im Idealfall werden auch bei einer Vielzahl an vorhandenen Diagnosen wenige, dafür aber gezielt Arzneimittel verordnet, die in der Verordnung so-wohl Risikofaktoren wie Alter und Komorbiditäten als auch die Nierenfunktion und Interaktionen be-rücksichtigen.

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4.3.3 Medikation

Die durchschnittliche Anzahl eingenommener Arzneimittel betrug 13,4 mit einem Anteil von 12,6 Arzneimitteln, die durch den Arzt verordnet oder empfohlen waren, sowie etwa einem Arznei-mittel, welches als Selbstmedikation ohne Kenntnis des Arztes eingenommen wurde. In einer Studie untersuchten Steinmann et al. 2006 in Iowa (USA), dass ältere ambulante Menschen mit einem durchschnittlichen Alter von 74,6 Jahren etwa 8,1 Arzneimittel einnahmen, davon lagen bei 65 % der Patienten inadäquate Medikationen vor, darunter nicht effektive, nicht indizierte oder auch doppel-verordnete Arzneimittel sowie Arzneimittel, die nach Angaben der Beers Liste zu vermeiden sind (177).

Im Jahr 2012 wurden jedem gesetzlich versicherten Patienten in Deutschland durchschnittlich 9,0 Arzneimittelpackungen verordnet (35). Allerdings erstreckt sich diese Anzahl auf einen Zeitraum von 12 Monaten, und stellt daher keinen passenden Vergleichswert zur Anzahl eingenommener Arzneimittel des Patientenkollektivs dar. Es zeigen sich Unterschiede bei den regelmäßig eingenom-menen Tagesdosen (Defined Daily Dose, DDD, definierte Tagesdosis), die eine theoretisch ermittelte, durchschnittliche tägliche Dosis eines Arzneimittels für die Hauptindikation darstellen und nicht der tatsächlich eingenommenen Dosis entsprechen müssen (140). Patienten über 65 Jahren nahmen dabei 2012 einen Anteil von 55 % aller DDD ein, durchschnittlich 3,7 DDD täglich (35). Im Vergleich mit dem Patientenkollektiv erscheint diese Zahl gering, auch wenn man davon ausginge, dass die Patienten nicht jedes der durchschnittlich 13 Arzneimittel täglich einnehmen. Jedoch liegt die minimale Anzahl eingenommener Arzneimittel im Kollektiv bei einer Anzahl von fünf, daher sind auch diese Werte nur bedingt vergleichbar.

Besonders häufig nahmen die Patienten des Kollektivs antithrombotische Mittel (ATC-Code B01), Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (ATC-Code C09) und Antidiabetika (ATC-Code A10) ein. Der Arzneiverordnungs-Report aus dem Jahr 2013 berichtet, dass im Jahr 2012 Renin-Angiotensin-Inhibitoren (ATC-Code C09) die am häufigsten zu Lasten der gesetzlichen Kranken-kasse (GKV) verordnete Arzneimittelgruppe darstellte (35), was sich in den Zahlen des Kollektivs widerspiegelt. Zu dieser Arzneimittelgruppe zählen ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorantagonisten und Renin-Inhibitoren. Nachfolgend wurden den gesetzlich versicherten Patienten häufig nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR, ATC-Code M01), Antibiotika Code J01) und Betarezeptorblocker (ATC-Code C07) verordnet. Betarezeptorblocker stellten auch im Kollektiv die am sechsthäufigsten verord-neten Arzneimittel im dreistelligen ATC-Code-Bereich dar. Antibiotika gehören im ambulanten Be-reich zu den Akutmedikationen, und auch NSAR werden häufig für akute Beschwerden verordnet, so dass sie in den Polymedikationen des Kollektivs nicht so zahlreich auftraten.

Die am häufigsten eingenommenen Wirkstoffe des Kollektivs waren Acetylsalicylsäure zur Throm-bozytenaggegationshemmung, Simvastatin, Pantoprazol und Torasemid. Simvastatin und Torasemid

| 125 gehören dabei zu den Leitsubstanzen und werden daher besonders häufig verordnet. Die Verord-nungen von Protonenpumpeninhibitoren zu Lasten der GKV wie Pantoprazol stieg in den letzten Jahren kontinuierlich, in den Jahren von 2003 bis 2012 um das Vierfache (35).