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3 Ergebnisse

3.6 Rückmeldungen

3.6.3 Meinung der rückmeldenden Ärzte zu der Maßnahme

Es wurde keine systematische Befragung der angeschriebenen Ärzte durchgeführt, was ihre Meinung zur Maßnahme darstellte. Aus den schriftlichen Rückmeldungen oder durch Dokumentatio-nen der Telefonberatungen des Expertenteams konnten die ReaktioDokumentatio-nen zu den erhalteDokumentatio-nen Konsilen abgeleitet werden. Für 33 der 68 Rückmeldungen (49 %) konnte keine Bewertung ermittelt werden, dies entspricht einer neutralen Reaktion. Eine positive Reaktion ergab sich bei 25 der 68 Rückmel-dungen (37 %), eine negative Reaktion bei 10 der 68 RückmelRückmel-dungen (15 %). Bei den erfolgten telefo-nischen Beratungsgesprächen waren 23 mit positiver Reaktion vermerkt, 26 Beratungsgespräche mit neutraler Reaktion und für fünf Telefonate wurde ein negatives Feedback aufgeführt. Die ausschließ-lich schriftausschließ-lichen Rückmeldungen waren in zwei Fällen positiv, in sieben Fällen neutral und in fünf Fällen als negativ erfasst worden.

Nachfolgend sind einige Beispiele wörtlicher Reaktionen von sich zurückmeldenden Ärzten mit oder ohne telefonisches Beratungsgespräch aufgeführt. In drei Fällen änderte der Arzt den er-haltenen Konsilbrief oder den mitgesendeten Medikationsplan handschriftlich und faxte ihn zurück.

 Brief: „Die Beratung bei einer schwerkranken Patientin kann nicht aus der Ferne gemacht werden. Die Patientin wird durch Anrufe in Unruhe versetzt. Eine Änderung der Therapie, die

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 Fax: „Sehr geehrte Kollegen, die Medikation von Frau M. wurde mühevoll in Abstimmung mit den Kollegen zweier großer Krankenhäuser und einem Gastroenterologen erprobt. Da Ihnen vermutlich weder die genaue Anamnese noch der Status der Patientin bekannt sind, bitte ich um Ihr Verständnis, wenn ich ein zusätzliches Konsil durch Sie für nicht hilfreich halte. Wenn sich dieses ändern sollte komme ich gerne auf Ihr Angebot zurück. MfG.“

 Brief: „Angeregt seitens der MH Hannover habe ich Ihren Medikamentenplan verändert und bitte Sie diesen so ab jetzt umzusetzen und Labor der Harnsäure im März 2013 bei uns kontrol-lieren zu lassen. Gruß! D: Nachrichtlich an MH Hannover“

 Fax: „Med. von hochqualifizierten Kollegen verordnet! S. Kopie“

 Brief: „Für Ihren Brief bedanke ich mich herzlich. Aufgrund des Krankheitsbildes, der Persön-lichkeitsstruktur und den Gepflogenheiten von Frau S. antworte ich Ihnen mit einem Text-schreiben, da die besondere Situation auf Ihrem Anhangsblatt in zwei Zeilen nicht darzustellen ist. Es handelt sich um eine 58-jährige Pat., die seit Jahren ständig in meiner Praxis erscheint. In den letzten Wochen hat sie mich sogar zwei mal besucht. Es gibt im Landkreis M. wahrschein-lich keinen Fachkollegen den sie nicht schon mit ihrer Anwesenheit mehr oder weniger erfreut hat. […] Vor 14 Tagen habe ich ihr Ihren Brief gezeigt und hab versucht ihr klar zu machen, dass man da einiges ändern müsste und könnte. Die Antwort von ihr: „die Fachärzte haben mir das aufgeschrieben, und wenn ich das weglasse geht es mir am anderen Tag gleich wesentlich schlechter.“ […] Frau S. braucht ihre Krankheiten, pflegt ihre Krankheiten, wenn sie das nicht mehr macht und nicht mehr kann dann ist sie wirklich krank.“

 Fax: „Medikation z.T. nicht von uns verordnet, aktueller Medikamentenplan s. Anlage“

 Brief: „Frau R. befindet sich in unserer langjährigen ärztlichen Behandlung. Sie leidet an einem schwerst!!! einstellbaren Blutdruck, weswegen sie in den vergangenen 1,5 Jahren ca. 7 mal in stationärer Behandlung war. Sämtliche fachspezifische Untersuchungen, einschließlich einer therapeutisch durchgeführen renalen Denervation, führen zu nicht befriedigenden Ergebnis-sen. Die von Ihnen mitgesandte Medikamentenliste ist bereits nicht mehr aktuell. Wir senden Ihnen den aktuellen Dosierplan zu, er wurde in der cardiologischen Klinik erstellt. Sollten aus Ihrer Sicht noch weitere fachliche Austäusche für sinnvoll erachtet werden, sollten auch die Klinikärzte eingeladen werden.“

 Brief: „In o.g. Angelegenheit bat mich Herr Dr. S., das Konsil mit Ihnen als behandelnder Nephrologe zu suchen. […] Der korrigiert Medikamentenplan liegt bei.“

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 Fax: „Kaliumkontrolleveranlasst.“

 Fax: „O.g. Patient ist bei uns in hausärztlicher Behandlung. Sie hatten bereits eine Beurteilung der Medikation bei Herrn A. vorgenommen. Dabei wurden jedoch die neurologischen Medika-mente wegen der Parkinsonerkrankung nicht berücksichtigt. Wir bitten daher um nochmalige Überprüfung und Rückmeldung in der Praxis.“

 Fax: „Es ist schon erstaunlich, dass Sie allein von der Aktenlage und ohne die Patientin zu kennen, die Verordnung der Universitätsklinik Rostock (mehrere Male) auf verschiedenen internistischen Stationen in Frage stellen. Dass Verapamil und Betablocker eine schlechte Kombi ist, ist mir bewusst. Neurexan nimmt Pat, um keine Benzos zu nehmen, Crea-Werte werden regelmäßig kontrolliert, VHF besteht nicht. Ich halte dieses Verfahren für unseriös!

PS: Die Uni HRO macht ein ähnliches Programm, wo allerdings eine Pharmakologin auf Station kommt und mit Arzt und Patient gesprochen wird, finde ich seriöser!“

Für die übrigen angeschriebenen Ärzte ließ sich eine Reaktion auf die Maßnahme nur vermuten, da keine mündliche oder schriftliche Information vorlag. Einige Konsile waren laut Angabe des Patienten nicht erhalten worden, so dass Konsile zum zweiten Mal versendet wurden. Ob die Proble-matik auf dem Postweg oder dem organisatorischen Ablauf in der Praxis lag, war nicht zu klären. Ein hohes Maß an Rückmeldungen wurde als Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit gedeutet.

Andererseits wurden alleine die Betrachtung der Polymedikationen und die Identifizierung von Risikomedikationen durch ein interdisziplinäres Expertenteam und die Weiterleitung dieser Risiken an die behandelnden Ärzte bereits als Schritt zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit gewertet.

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4 Diskussion

In den nachfolgenden Abschnitten werden die Ergebnisse zu den Auswertungen der Maßnahme

„Arzneimittel sicher anwenden" interpretiert und erörtert. Zunächst werden die Auswertungen des Patientenkollektivs untersucht, anschließend werden die Ergebnisse zu den Medikationsanalysen, die Einordnungen in die Haupt- und Unterkategorien sowie die Rückmeldungen der angeschriebenen Ärzte kritisch betrachtet. Weiterhin werden die angewendeten Methoden wie die Bewertung der Zuverlässigkeit der Datenbasis, die Einstufung der potentiellen Verordnungsfehler in Schweregrade sowie die darauf aufbauende Methode des Risikoindexes erläutert und bewertet. Abschließend werden mögliche Optimierungsansätze zur Konsilerstellung und -übermittlung sowie die Limitationen der eigenen Auswertungen diskutiert.

4.1 Evaluation der Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapie-sicherheit

Der Begriff der Arzneimitteltherapiesicherheit spielt schon seit einigen Jahren eine wichtige Rolle im Bereich der Pharmakotherapie, insbesondere bei älteren Menschen. Eine Studie aus den USA zeigte, dass sich die Anzahl der Patienten über 65 Jahren, die fünf und mehr Arzneimittel einnehmen, in den Jahren von 1988 bis 2010 von 12 % auf 39 % verdreifacht hat (166). Da vor allem ältere Men-schen von einer Polypharmazie und den damit verbundenen Risiken betroffen sind, ist es bei diesen, aber auch bei allen anderen Patienten besonders wichtig, geeignete Programme zu entwickeln, die die Arzneimitteltherapiesicherheit im Fokus haben und auf adäquate Weise die Sicherheit der ambu-lanten Arzneimitteltherapie erhöhen, optimieren und ausbauen.

Einige Konzepte wurden bereits mit Erfolg ein- und umgesetzt, wie Medikationsreviews oder die Einbindung von Medikationsplänen (167,168) in Praxen niedergelassener Ärzte oder in der Zusam-menarbeit mit Apothekern, weiter die Verwendung elektronischer Verschreibungssoftware (76,79), sowohl in Kliniken als auch im ambulanten Bereich, zur besseren Überbrückung der Schnittstellen. Es mangelt jedoch weiterhin an praktikablen Programmen im ambulanten Bereich, die sowohl effektiv im Hinblick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit sind, als auch durchführbar in der Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen des Gesundheitssystems. Ab Oktober 2016 soll der bundeseinheit-liche Medikationsplan umgesetzt werden, der verpflichtend für Patienten sein wird, die mehr als drei bis fünf Arzneimittel einnehmen (169).

Ein solches Konzept im ambulanten Bereich war die Maßnahme der Kaufmännischen Kranken-kasse KKH „Arzneimittel sicher anwenden". Auf Grund der lückenhaften Datenbasis war es allerdings nicht auszuschließen, dass dem Expertenteam wichtige Informationen für eine vollständige

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Ein besonderer Schwerpunkt dieser Maßnahme lag auf der Identifizierung und Bewusstmachung von Medikationsfehlern. Im Rahmen dieser Maßnahme bestanden keine Handlungsoptionen zur Ver-änderung einer Medikation, diese oblagen nur dem behandelnden Arzt. Ebenso wurde eine stattge-fundene Veränderung der Medikation oft nicht durch eine Rückmeldung bestätigt, sondern war für den behandelnden Arzt, insbesondere bei den Direktkonsilen, auch ohne telefonisches Beratungsge-spräch alleine durch die ausführlicheren Risikobeschreibungen im Vergleich zum Kurzkonsil möglich.

Durch das Weglassen eines Emblems der Krankenkasse auf dem Konsil, sowie durch die Betonung der Unabhängigkeit des Expertenteams war eine hohe Rückmelderate erwartet worden. Allerdings lässt die Rückmeldequote von 17 % der behandelnden Ärzte (s. Kapitel 3.6) darauf schließen, dass die Herangehensweise, über einen Konsilbrief mit den behandelnden Ärzten in Kontakt zu treten, nicht die zielführende Methodik ist. So bleibt zwar zum einen den behandelnden Ärzten die Option, auf den Konsilbrief zum selbstgewählten Zeitpunkt zu reagieren, andererseits bleiben Informations-lücken des Expertenteams zur vollständigen Bearbeitung der Medikationsanalyse offen. Erklärende hilfreiche Gespräche können so nicht stattfinden. Der wesentliche Beitrag dieser Maßnahme zur Er-höhung der Arzneimitteltherapiesicherheit war somit die Identifizierung von potentiellen Verord-nungsfehlern und die Sensibilisierung für die damit verbundenen Risiken für den Patienten.

In dem Projekt wurden bei der Auswertung der Daten folgende Faktoren betrachtet, die durch Gesundheitscoaching, Medikationsanalysen, Konsilerstellung und -versand sowie durchgeführte Beratungsgespräche mit den behandelnden Ärzten eine Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bedeuten könnten:

 qualitativ die Identifizierung der potentiellen Verordnungsfehler, die beim gleichzeitigen Vor-liegen der Polypharmazie große Risiken für den Patienten darstellen,

 qualitativ die Sensibilisierung für diese potentiellen Verordnungsfehler durch Versand eines Arzneimittelkonsils an die behandelnden Ärzte,

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 quantitativ die Rückmeldungen der Ärzte, da dies auf die bewusste Auseinandersetzung mit dem Arzneimittelkonsil rückschließen ließ.

4.2 Die einzelnen Elemente der Maßnahme Arzneimittel sicher anwenden"

Die Maßnahme war ein in Deutschland neuartiges Konzept, das die Arzneimitteltherapiesicherheit der Polymedikationen multimorbider Patienten positiv beeinflussen sollte. Dies sollte durch die Bera-tung der niedergelassenen Ärzte durch das Expertenteam einerseits und durch ein individuelles Tele-foncoaching der Versicherten mit ausgebildeten Gesundheitscoaches andererseits ermöglicht werden.

4.2.1 Das Expertenteam

Das Expertenteam der MHH, das für die Medikationsanalysen und die Konsilerstellung verant-wortlich war, setzte sich interdisziplinär aus Klinische Pharmakologen und einem Apotheker zusam-men. In der Regel sind Klinischen Pharmakologen im ambulanten Bereich nicht an einem routinear-tigen Ablauf einer Medikationsanalyse beteiligt, bei dieser Maßnahme waren sie systematisch in die Beratung niedergelassener Ärzten eingebunden. Die Option, sowohl aus klinisch-pharmakologischer Sicht, als auch aus pharmazeutischer Sicht Polymedikationen zu betrachten, ergibt einen bedeutsa-men Gewinn und eine verbesserte Qualität für die Arzneimitteltherapiesicherheit, da sowohl thera-peutische als auch anwendungsbezogene Aspekte wie Handhabung und Lagerung von Arzneimitteln bei der Arzneimitteltherapie berücksichtigt werden.

Das interdisziplinäre Zusammenwirken von Ärzten und Apothekern ist aus Sicht der Apotheker ein wichtiges Ziel, um eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit zu erreichen (170). Da hier alle Konsilersteller im Institut für Klinische Pharmakologie tätig waren, war die Zusammenarbeit be-sonders gut zu organisieren.

4.2.2 Konsilerstellung

Die Erstellung der Konsile war für das Expertenteam eine zeitintensive Aufgabe. Die Auswirkungen der Konsile konnten nur schwer gemessen werden, da ein adäquates Follow-up von Seiten der Krankenkasse nicht geplant und eine Ermittlung der Medikationsänderungen aus den von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Verordnungsdaten (s. Kapitel 4.7) nicht in ausreichender Detailliertheit möglich war. Die Vorgehensweise, proinitiativ über ein Arzneimittelkonsil Kontakt mit dem behandelnden Arzt herzustellen, stellte einen neuen Ansatz gegenüber bereits bestehenden Programmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit dar.

| 121 Vorteile der Arzneimittelkonsile in dieser Maßnahme:

 die Ärzte mussten sich keine zusätzliche Zeit nehmen, um die Medikation selbst zu bewerten, diese eingehende Betrachtung wurde ihnen abgenommen. Sie erhielten eine komplette Zusam-menfassung der identifizierten Risiken und potentiellen Verordnungsfehler, von wissenschaft-lichen Experten zusammengetragen.

 die Ärzte mussten die komplette Medikation nicht bei ihren fachärztlichen Kollegen oder im Be-reich der Selbstmedikation durch Auskünfte des Patienten zusammentragen, es wurde ihnen ein zu diesem Zeitpunkt vollständiger Medikationsplan nach Angaben des Patienten mit Auswertung vorgelegt.

 es ist die Patientensicht der aktuellen Medikation und der Einnahme dargestellt, so lässt sich auf der Basis der tatsächlichen Einnahmen und Einnahmegewohnheiten des Patienten eine Aussage treffen.

Mögliche Schwachstellen eines Arzneimittelkonsils:

 eventuell wurden der behandelnde Arzt und/oder Patient verunsichert, da das Konsil unzutref-fende Risiken enthielt, die auf der Basis der dem Expertenteam vorliegenden Informationen er-mittelt worden waren.

 die Zeiträume zwischen Informationssammlung, Konsilerstellung und dem Zeitpunkt der Ankunft des Konsils bei dem behandelnden Arzt konnten sich über mehrere Tage oder Wochen erstreckt haben, für problematische Risiken müsste ein schnellerer Handlungsweg ermöglicht werden.

Mögliche Optimierungsansätze der Konsilerstellung und -übermittlung:

 eine direkte Ansprache der behandelnden Ärzte durch das Expertenteam wäre ein guter Schritt, um die identifizierten Risiken proaktiv weiterzuleiten. So bestünde die Möglichkeit, dem behan-delnden Arzt die Maßnahme zu erläutern und beispielsweise für eine erneute Absprache nähere Beschreibungen der Risiken per Post zu versenden.

 der gelegentliche Anruf eines Patienten bei dem Expertenteam auf die Maßnahme hin zeigte, dass es vereinzelt zu Verunsicherungen bei den Patienten gekommen war. Daher ist der eindeu-tige Verweis an die Gesundheitscoaches wichtig. Die Beratung der Patienten war nicht die Auf-gabe des Expertenteams, denn es ist die ausschließliche Bindung des Patienten an den behan-delnden Arzt notwendig, um Risiken durch eventuell den Patienten überfordernde Informa-tionen zu vermeiden.

 für den Versand des Konsils über den Patienten war die Variante des Kurzkonsils sinnvoll, so er-hielt der behandelnde Arzt ebenfalls den Anstoß, sich für eine ausführliche Beratung zurückzu-melden, ohne dass der Patient durch dargestellte Risiken verunsichert und eine zusätzliche

| 122 derung der Arzneimitteltherapiesicherheit durch fehlgeleitete Informationen vermieden wurde.

Andererseits stellt das Direktkonsil die informativere Variante für den behandelnden Arzt dar, mit der Freiheit, eine telefonische Beratung in Anspruch zu nehmen oder nicht.

4.3 Das Patientenkollektiv

Wie in Kapitel 2.2 bereits beschrieben umfasste das Patientenkollektiv 400 Versicherte der Kauf-männischen Krankenkasse, die sich in ambulanter Behandlung befanden und mindestens fünf Arzneimittel gleichzeitig einnahmen. Auf das zur Auswertung zur Verfügung stehende Patienten-kollektiv konnte kein Einfluss genommen werden, da die Krankenkasse die Versicherten ausgewählt hatte (105). Das Alter zur Teilnahme war nicht entscheidend.

4.3.1 Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und Nierenfunktion

Das durchschnittliche Alter betrug 70 Jahre und entsprach einem älteren Patientenkollektiv. Dabei hatten 95 % der Patienten (378 von 400 Patienten) ein Alter von 60 bis 86 Jahren. Ein Vergleich mit der Bundesbevölkerung zeigt, dass im Jahr 2013 der Anteil der Deutschen, die älter als 60 Jahre waren, 27,1 % betrug (171). Dies bedeutet, dass das Patientenkollektiv in dem Altersintervall liegt, das mehr als ein Viertel der Bundesbevölkerung umfasst. Es handelte sich bei den Untersuchungen nicht speziell um die Betrachtung älterer Patienten, allerdings ist Polypharmazie in der Regel mit einem höheren Alter assoziiert (36). Da die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt, wird der Anteil dieser Patienten in den nächsten Jahren zunehmen. Der Anteil der Bundesbürger über 60 Jahre nahm 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 1,2, der über 80 Jahre um 0,9 Prozentpunkte zu (172). Der Anteil männlicher Bundesbürger lag im Juni 2013 bei 49 % (172), die teilnehmenden Patienten waren zu 52 % männlich, dies entspricht einer ausgewogenen Zusammensetzung im Patientenkollektiv.

Der durchschnittliche Body-Mass-Index der Patienten lag bei 30,0 kg/m2 mit einer durchschnitt-lichen Körpergröße von 170 cm und einem durchschnittdurchschnitt-lichen Körpergewicht von 89 kg. Bei der bundesdeutschen Bevölkerung lag der durchschnittlicher BMI bei den über 60-Jährigen im Jahr 2013 bei 26,9 kg/m2 mit einer durchschnittlichen Körpergröße von 169 cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 77 kg (173). Der Anteil an Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas und einem BMI von über 30 kg/m2 war im Patientenkollektiv mit 48 % gegeben, im Vergleich dazu betrug der Bevölkerungsanteil im Jahr 2013 mit einem BMI über 30 kg/m2 21 % (173). An diesem Vergleich wird deutlich, dass der Anteil an Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas deutlich höher war als derje-nige der bundesdeutschen Bevölkerung. Es lag somit ein Patientenkollektiv mit einer Tendenz zur Adipositas vor.

Bei 56 % der Patienten lag eine ausreichende Nierenfunktion mit einer GFR über 60 ml/min vor, bei 37 % der Patienten lag die GFR unterhalb von 60 ml/min. Bei diesen Patienten war eine

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4.3.2 Diagnosen

Die durchschnittliche Anzahl Diagnosen, die bei den Patienten vorlagen, betrug 8,2. Besonders häufig litten die Patienten mit einem Anteil von 84 % des Kollektivs an essentieller (primärer) Hyper-tonie (ICD-10 Code I10), mit 51 % an KHK (ICD-10 Code I25) und mit 49 % an einem nicht primär insu-linabhängigem Diabetes mellitus (ICD-10 Code E11). Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) machten lediglich einen Anteil von 3 % aus.

Vergleichbare Werte wurden bei der kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen gefunden. Demnach waren im 2. Quartal 2013 die drei häufigsten Diagnosen der niedergelassenen Hausärzte mit 49 % die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 Code I10), mit 21 % Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) sowie mit 19 % der nicht primär insulinabhängige Diabetes mellitus (ICD-10 Code E11) (175). Ähnliche Zahlen zeigte die kassenärztliche Vereinigung Nordrhein für das 2. Quartal 2013 für Allgemeinärzte mit einem Anteil von 34 % für die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10 Code I10), 23 % für Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10 Code E78) und 17 % für Rückenschmerzen (ICD-10 Code M54) (176).

Somit weisen die Patienten im Kollektiv ein deutlich erhöhten Anteil an Patienten mit Diagnosen für eine essentielle Hypertonie auf, auch der Anteil der Patienten mit einem Diabetes Typ II war gegenüber den Zahlen der Literatur deutlich erhöht. Andererseits gehören diese beiden Diagnosen, wie bei den niedergelassenen Hausärzten in Sachsen und Nordhein, ebenso zu den häufigsten, doku-mentierten Diagnosen ambulanter Patienten. Der hohe Anteil an Diagnosen spiegelt auch die hohe Multimorbidität der Patienten wieder, die eine Voraussetzung zur Teilnahme an der Maßnahme darstellte.

Ein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Anzahl an Diagnosen (s. Kapitel 3.1.4) war zwar zu erwarten, allerdings zeigte der Korrelationskoeffizient keine relevante Abhängigkeit der beiden Variablen. Ebenso verhielt es sich bei dem Zusammenhang zwischen der Anzahl eingenommener Arzneimittel und der Anzahl vorhandener Diagnosen. Im Idealfall werden auch bei einer Vielzahl an vorhandenen Diagnosen wenige, dafür aber gezielt Arzneimittel verordnet, die in der Verordnung so-wohl Risikofaktoren wie Alter und Komorbiditäten als auch die Nierenfunktion und Interaktionen be-rücksichtigen.

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4.3.3 Medikation

Die durchschnittliche Anzahl eingenommener Arzneimittel betrug 13,4 mit einem Anteil von 12,6 Arzneimitteln, die durch den Arzt verordnet oder empfohlen waren, sowie etwa einem Arznei-mittel, welches als Selbstmedikation ohne Kenntnis des Arztes eingenommen wurde. In einer Studie

Die durchschnittliche Anzahl eingenommener Arzneimittel betrug 13,4 mit einem Anteil von 12,6 Arzneimitteln, die durch den Arzt verordnet oder empfohlen waren, sowie etwa einem Arznei-mittel, welches als Selbstmedikation ohne Kenntnis des Arztes eingenommen wurde. In einer Studie