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Ergebnisse der Berechnung des Schweregrads der einzelnen Haupt- und

3 Ergebnisse

3.4 Ergebnisse der Delphi-Methode zur Bestimmung des Schweregrads der potentiellen

3.4.2 Ergebnisse der Berechnung des Schweregrads der einzelnen Haupt- und

Die Berechnung der einzelnen Schweregrade wurde mit den Ergebnissen der zweiten Delphi-Runde je abgegebener Expertenmeinung nach Mittelwertbildung mit den Faktoren F3=2, F2=1 und F1=0,5 durchgeführt und ergab Werte im Intervall [0,5; 2].

Die nachfolgende Abb. 32 zeigt eine Übersicht über die Verteilung der Schweregradwerte für alle Unterkategorien der potentiellen Verordnungsfehler sowie die zugehörigen eingestuften Zuverlässig-keiten „A“ und „B“. Der höchste Schweregrad sj lag bei dem potentiellen Verordnungsfehler „Kontra -indikation“ mit einem Wert von 2 vor, nachfolgend wurde dem potentiellen Verordnungsfehler

„kontraindizierte Interaktion“ einen Wert von 1,8 zugeordnet. Weitere Werte von 1,5 oder darüber waren in den Unterkategorien „Versorgungslücke" und „Kontraindikation bei Niereninsuffizienz" zu finden. Diese genannten Kategorien wurden in ihrer Zuverlässigkeit auch mit Stufe A, also mit guter Datenbasis, bewertet. Die Unterkategorie „Applikationsintervall von >24h erforderlich" mit einem Schweregradwert sj von 1,5 war in der Einstufung der Zuverlässigkeit mit Stufe B, also geringer Zuver-lässigkeit der Datenbasis, bewertet worden. Der geringste Wert von 0,5 bestand bei den Verord-nungsfehlern „geringfügige Interaktion“, „keine klinisch relevante Interaktion“, „Interaktion in keiner Datenbank aufgeführt“, „fehlerhafter Applikationszeitpunkt“ und „Reduktion der Tablettenzahl möglich“, die auch alle in ihrer Zuverlässigkeit mit Stufe B bewertet worden waren.

| 114 Verlust des ersten Konsils auf dem Postweg, wurde das Versanddatum des Duplikats als Referenz-datum gewählt.

Es meldeten sich neun Patienten nach Erstellung und Versand eines Konsils. Zwei Patienten baten um die Zusendung einer Kopie des Direktkonsils, das an den Arzt geschickt wurde. Ein Patient be-schrieb ein mangelndes Vertrauen zu seinem Arzt. Zwei Patienten waren mit dem Ansatz unzu-frieden, dass keine Beratung der Patienten am Telefon stattfand. Ebenfalls in zwei Fällen wünschte der Patient nach Versand eines Kurzkonsils die Zusendung eines Direktkonsils an den behandelnden Arzt. Ein Patient fragte nach den Einnahmemodalitäten der Medikation, ein anderer teilte ein fehlen-des Interesse fehlen-des behandelnden Arztes an dem Programm mit. Bei acht Patienten betrug bei einem Intervall von 7 bis 27 Tagen der durchschnittliche Rückmeldezeitraum 15 Tage, bei einem Patienten war das Rückmeldedatum nicht übermittelt.

3.6.1 Rückmeldungen der behandelnden Ärzte

Die Rückmeldung der 68 Ärzte erfolgte per Post, Fax oder übermittelt durch den Patienten. Bei 332 der 400 Ärzte (83 %) erhielt das Expertenteam keine Rückmeldung. Die Experten führten 54 tele-fonische Beratungsgespräche, dies entspricht einem Anteil von 13 % aller angeschrieben Ärzte und 79 % der Rückmeldungen. Bei 14 der 68 Ärzte (4 %), die sich rückmeldeten, aber kein Beratungsge-spräch wünschten, erfolgte die Rückmeldung per Fax, Post oder über einen Patientenanruf.

Die Beratungstelefonate wurden bei 8 der 68 Ärzte (15 %) auf Grund eines zuvor versendeten Direktkonsils geführt (diese machten 164 der 400 Konsile (41 %) aus), 46 der 68 Telefonate (87 %) fanden nach Versand eines Kurzkonsils (256 von 400 Konsilen, 59 %) statt. Es meldeten sich 43 Ärzte telefonisch für ein Beratungsgespräch zurück, sechs Ärzte per Fax, bei fünf Ärzten gab es keine Anga-be zur Art der Rückmeldung. Der Zeitraum von der Konsilerstellung bis zur Rückmeldung für eine Terminfestlegung betrug im Durchschnitt 52 Tage, bis zu einem tatsächlich durchgeführten Bera-tungsgespräch durchschnittlich 54 Tage. Die schnellste Rückmeldung mit gewünschtem Beratungsge-spräch erfolgte nach sieben Tagen, die längste Zeitspanne vom Zeitpunkt der Konsilerstellung bis zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs betrug 291 Tage.

Bei denjenigen Ärzten, die kein Beratungsgespräch wünschten, erfolgten sechs Rückmeldungen per Post, sieben Rückmeldungen per Fax sowie eine Rückmeldung über den Patienten. Je sieben Rückmeldungen erfolgten nach Versand eines Direkt- und eines Kurzkonsils. Die Rückmeldungen ergaben sich durchschnittlich nach 33 Tagen, schnellstens nach fünf und längstens nach 153 Tagen.

Sechs Ärzten ohne Beratungswunsch wurde keine Antwort als Zweitkonsil versandt, fünf Ärzte er-hielten als Ergänzung zu dem zuvor versendeten Kurzkonsil eine ausführliche Beschreibung der Risiken, bei drei Ärzten erfolgte der erneute Hinweis auf das Beratungsangebot.

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3.6.2 Inhalte der Zweitkonsile bei Beratungstelefonaten

Die Inhalte der Beratungsgespräche ließen sich aus den versendeten Zweitkonsilen ableiten. Das Expertenteam sprach mit den behandelnden Ärzten die in den Kurzkonsilen genannten Stichworte an sowie zusätzlich identifizierte Risiken der Medikationsanalysen. Während der telefonischen Bera-tungsgespräche wurden dem Expertenteam durch den Arzt teilweise nicht vorliegende Informa-tionen übermittelt, beispielsweise eine dem behandelnden Arzt vorliegende Indikation für Colelcalciferol, Levothyroxin oder Allopurinol. Ebenso ergab sich in einigen Fällen der Hinweis, dass das Arzneimittel seit Versand des Konsils bereits abgesetzt war, beispielsweise Tiotropiumbromid oder Theophyllin, oder dass Arzneimittel nicht verordnet waren und der Patient sie ohne Kenntnis des Arztes (weiterhin) einnahm, wie Digitoxin oder Penicillin G. Andere Beratungsgespräche ergaben, dass einzelne Arzneimittel bei einer vorherigen Gabe nicht vertragen wurden oder nicht ausreichend wirksam waren, wie beispielsweise Paracetamol. Bei einigen Arzneimitteln der Selbstmedikation war dem Arzt die Einnahme durch den Patienten nicht bekannt, beispielsweise Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregationshemmung oder Lachsöl-Kapseln. Bei anderen Arzneimitteln lag eine Indi-kation zur Gabe tatsächlich nicht vor, wie beispielsweise bei Mesalazin.

Mit den behandelnden Ärzten wurden auch allgemeine Fragen zu Therapien besonderer Indikationen, wie beispielsweise Morbus Parkinson, oder besondere therapeutische Probleme bei multimorbiden Patienten besprochen.

3.6.3 Meinung der rückmeldenden Ärzte zu der Maßnahme

Es wurde keine systematische Befragung der angeschriebenen Ärzte durchgeführt, was ihre Meinung zur Maßnahme darstellte. Aus den schriftlichen Rückmeldungen oder durch Dokumentatio-nen der Telefonberatungen des Expertenteams konnten die ReaktioDokumentatio-nen zu den erhalteDokumentatio-nen Konsilen abgeleitet werden. Für 33 der 68 Rückmeldungen (49 %) konnte keine Bewertung ermittelt werden, dies entspricht einer neutralen Reaktion. Eine positive Reaktion ergab sich bei 25 der 68 Rückmel-dungen (37 %), eine negative Reaktion bei 10 der 68 RückmelRückmel-dungen (15 %). Bei den erfolgten telefo-nischen Beratungsgesprächen waren 23 mit positiver Reaktion vermerkt, 26 Beratungsgespräche mit neutraler Reaktion und für fünf Telefonate wurde ein negatives Feedback aufgeführt. Die ausschließ-lich schriftausschließ-lichen Rückmeldungen waren in zwei Fällen positiv, in sieben Fällen neutral und in fünf Fällen als negativ erfasst worden.

Nachfolgend sind einige Beispiele wörtlicher Reaktionen von sich zurückmeldenden Ärzten mit oder ohne telefonisches Beratungsgespräch aufgeführt. In drei Fällen änderte der Arzt den er-haltenen Konsilbrief oder den mitgesendeten Medikationsplan handschriftlich und faxte ihn zurück.

 Brief: „Die Beratung bei einer schwerkranken Patientin kann nicht aus der Ferne gemacht werden. Die Patientin wird durch Anrufe in Unruhe versetzt. Eine Änderung der Therapie, die

| 116 nicht von mir, sondern von renommierten ortsansässigen Facharzt-Kollegen im Konsil festge-legt wird, nehme ich nicht vor. Bitte wenden Sie sich an Fachärzte. Ihre wohlgemeinten Rat-schläge haben auch schon andere Patienten erreicht und zu gefährlichen Situationen geführt, die durch das Weglassen lebensnotwendiger Medikamente entstanden.“

 Fax: „Sehr geehrte Kollegen, die Medikation von Frau M. wurde mühevoll in Abstimmung mit den Kollegen zweier großer Krankenhäuser und einem Gastroenterologen erprobt. Da Ihnen vermutlich weder die genaue Anamnese noch der Status der Patientin bekannt sind, bitte ich um Ihr Verständnis, wenn ich ein zusätzliches Konsil durch Sie für nicht hilfreich halte. Wenn sich dieses ändern sollte komme ich gerne auf Ihr Angebot zurück. MfG.“

 Brief: „Angeregt seitens der MH Hannover habe ich Ihren Medikamentenplan verändert und bitte Sie diesen so ab jetzt umzusetzen und Labor der Harnsäure im März 2013 bei uns kontrol-lieren zu lassen. Gruß! D: Nachrichtlich an MH Hannover“

 Fax: „Med. von hochqualifizierten Kollegen verordnet! S. Kopie“

 Brief: „Für Ihren Brief bedanke ich mich herzlich. Aufgrund des Krankheitsbildes, der Persön-lichkeitsstruktur und den Gepflogenheiten von Frau S. antworte ich Ihnen mit einem Text-schreiben, da die besondere Situation auf Ihrem Anhangsblatt in zwei Zeilen nicht darzustellen ist. Es handelt sich um eine 58-jährige Pat., die seit Jahren ständig in meiner Praxis erscheint. In den letzten Wochen hat sie mich sogar zwei mal besucht. Es gibt im Landkreis M. wahrschein-lich keinen Fachkollegen den sie nicht schon mit ihrer Anwesenheit mehr oder weniger erfreut hat. […] Vor 14 Tagen habe ich ihr Ihren Brief gezeigt und hab versucht ihr klar zu machen, dass man da einiges ändern müsste und könnte. Die Antwort von ihr: „die Fachärzte haben mir das aufgeschrieben, und wenn ich das weglasse geht es mir am anderen Tag gleich wesentlich schlechter.“ […] Frau S. braucht ihre Krankheiten, pflegt ihre Krankheiten, wenn sie das nicht mehr macht und nicht mehr kann dann ist sie wirklich krank.“

 Fax: „Medikation z.T. nicht von uns verordnet, aktueller Medikamentenplan s. Anlage“

 Brief: „Frau R. befindet sich in unserer langjährigen ärztlichen Behandlung. Sie leidet an einem schwerst!!! einstellbaren Blutdruck, weswegen sie in den vergangenen 1,5 Jahren ca. 7 mal in stationärer Behandlung war. Sämtliche fachspezifische Untersuchungen, einschließlich einer therapeutisch durchgeführen renalen Denervation, führen zu nicht befriedigenden Ergebnis-sen. Die von Ihnen mitgesandte Medikamentenliste ist bereits nicht mehr aktuell. Wir senden Ihnen den aktuellen Dosierplan zu, er wurde in der cardiologischen Klinik erstellt. Sollten aus Ihrer Sicht noch weitere fachliche Austäusche für sinnvoll erachtet werden, sollten auch die Klinikärzte eingeladen werden.“

 Brief: „In o.g. Angelegenheit bat mich Herr Dr. S., das Konsil mit Ihnen als behandelnder Nephrologe zu suchen. […] Der korrigiert Medikamentenplan liegt bei.“

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 Fax: „Kaliumkontrolleveranlasst.“

 Fax: „O.g. Patient ist bei uns in hausärztlicher Behandlung. Sie hatten bereits eine Beurteilung der Medikation bei Herrn A. vorgenommen. Dabei wurden jedoch die neurologischen Medika-mente wegen der Parkinsonerkrankung nicht berücksichtigt. Wir bitten daher um nochmalige Überprüfung und Rückmeldung in der Praxis.“

 Fax: „Es ist schon erstaunlich, dass Sie allein von der Aktenlage und ohne die Patientin zu kennen, die Verordnung der Universitätsklinik Rostock (mehrere Male) auf verschiedenen internistischen Stationen in Frage stellen. Dass Verapamil und Betablocker eine schlechte Kombi ist, ist mir bewusst. Neurexan nimmt Pat, um keine Benzos zu nehmen, Crea-Werte werden regelmäßig kontrolliert, VHF besteht nicht. Ich halte dieses Verfahren für unseriös!

PS: Die Uni HRO macht ein ähnliches Programm, wo allerdings eine Pharmakologin auf Station kommt und mit Arzt und Patient gesprochen wird, finde ich seriöser!“

Für die übrigen angeschriebenen Ärzte ließ sich eine Reaktion auf die Maßnahme nur vermuten, da keine mündliche oder schriftliche Information vorlag. Einige Konsile waren laut Angabe des Patienten nicht erhalten worden, so dass Konsile zum zweiten Mal versendet wurden. Ob die Proble-matik auf dem Postweg oder dem organisatorischen Ablauf in der Praxis lag, war nicht zu klären. Ein hohes Maß an Rückmeldungen wurde als Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit gedeutet.

Andererseits wurden alleine die Betrachtung der Polymedikationen und die Identifizierung von Risikomedikationen durch ein interdisziplinäres Expertenteam und die Weiterleitung dieser Risiken an die behandelnden Ärzte bereits als Schritt zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit gewertet.

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4 Diskussion

In den nachfolgenden Abschnitten werden die Ergebnisse zu den Auswertungen der Maßnahme

„Arzneimittel sicher anwenden" interpretiert und erörtert. Zunächst werden die Auswertungen des Patientenkollektivs untersucht, anschließend werden die Ergebnisse zu den Medikationsanalysen, die Einordnungen in die Haupt- und Unterkategorien sowie die Rückmeldungen der angeschriebenen Ärzte kritisch betrachtet. Weiterhin werden die angewendeten Methoden wie die Bewertung der Zuverlässigkeit der Datenbasis, die Einstufung der potentiellen Verordnungsfehler in Schweregrade sowie die darauf aufbauende Methode des Risikoindexes erläutert und bewertet. Abschließend werden mögliche Optimierungsansätze zur Konsilerstellung und -übermittlung sowie die Limitationen der eigenen Auswertungen diskutiert.

4.1 Evaluation der Maßnahme zur Erhöhung der Arzneimitteltherapie-sicherheit

Der Begriff der Arzneimitteltherapiesicherheit spielt schon seit einigen Jahren eine wichtige Rolle im Bereich der Pharmakotherapie, insbesondere bei älteren Menschen. Eine Studie aus den USA zeigte, dass sich die Anzahl der Patienten über 65 Jahren, die fünf und mehr Arzneimittel einnehmen, in den Jahren von 1988 bis 2010 von 12 % auf 39 % verdreifacht hat (166). Da vor allem ältere Men-schen von einer Polypharmazie und den damit verbundenen Risiken betroffen sind, ist es bei diesen, aber auch bei allen anderen Patienten besonders wichtig, geeignete Programme zu entwickeln, die die Arzneimitteltherapiesicherheit im Fokus haben und auf adäquate Weise die Sicherheit der ambu-lanten Arzneimitteltherapie erhöhen, optimieren und ausbauen.

Einige Konzepte wurden bereits mit Erfolg ein- und umgesetzt, wie Medikationsreviews oder die Einbindung von Medikationsplänen (167,168) in Praxen niedergelassener Ärzte oder in der Zusam-menarbeit mit Apothekern, weiter die Verwendung elektronischer Verschreibungssoftware (76,79), sowohl in Kliniken als auch im ambulanten Bereich, zur besseren Überbrückung der Schnittstellen. Es mangelt jedoch weiterhin an praktikablen Programmen im ambulanten Bereich, die sowohl effektiv im Hinblick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit sind, als auch durchführbar in der Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen des Gesundheitssystems. Ab Oktober 2016 soll der bundeseinheit-liche Medikationsplan umgesetzt werden, der verpflichtend für Patienten sein wird, die mehr als drei bis fünf Arzneimittel einnehmen (169).

Ein solches Konzept im ambulanten Bereich war die Maßnahme der Kaufmännischen Kranken-kasse KKH „Arzneimittel sicher anwenden". Auf Grund der lückenhaften Datenbasis war es allerdings nicht auszuschließen, dass dem Expertenteam wichtige Informationen für eine vollständige

| 119 tung der Polymedikation fehlten. Dies bestätigten auch die Rückmeldungen der behandelnden Ärzte (s. Kapitel 3.6.3). Erst persönliche Telefongespräche konnten vorliegende Informationslücken schließen und eine kompetente und zuverlässige Empfehlung bezüglich der vorliegenden Polymedi-kation ermöglichen. Ohne diese zusätzlichen Informationen war eine gründliche und umfassende Be-trachtung der Polymedikation nicht möglich. Bei dieser Maßnahme stellten vor allem qualitative Aus-wertungen die Basis der Bewertung einer erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit dar. Daher war es für die hier vorliegende Evaluation als retrospektive Auswertung nicht möglich, eine erhöhte Arznei-mitteltherapiesicherheit durch den Versand der Arzneimittelkonsile über quantitative Indikatoren als Verminderung unerwünschter Arzneimittelereignisse oder Minimierung der Polypharmazie zu messen.

Ein besonderer Schwerpunkt dieser Maßnahme lag auf der Identifizierung und Bewusstmachung von Medikationsfehlern. Im Rahmen dieser Maßnahme bestanden keine Handlungsoptionen zur Ver-änderung einer Medikation, diese oblagen nur dem behandelnden Arzt. Ebenso wurde eine stattge-fundene Veränderung der Medikation oft nicht durch eine Rückmeldung bestätigt, sondern war für den behandelnden Arzt, insbesondere bei den Direktkonsilen, auch ohne telefonisches Beratungsge-spräch alleine durch die ausführlicheren Risikobeschreibungen im Vergleich zum Kurzkonsil möglich.

Durch das Weglassen eines Emblems der Krankenkasse auf dem Konsil, sowie durch die Betonung der Unabhängigkeit des Expertenteams war eine hohe Rückmelderate erwartet worden. Allerdings lässt die Rückmeldequote von 17 % der behandelnden Ärzte (s. Kapitel 3.6) darauf schließen, dass die Herangehensweise, über einen Konsilbrief mit den behandelnden Ärzten in Kontakt zu treten, nicht die zielführende Methodik ist. So bleibt zwar zum einen den behandelnden Ärzten die Option, auf den Konsilbrief zum selbstgewählten Zeitpunkt zu reagieren, andererseits bleiben Informations-lücken des Expertenteams zur vollständigen Bearbeitung der Medikationsanalyse offen. Erklärende hilfreiche Gespräche können so nicht stattfinden. Der wesentliche Beitrag dieser Maßnahme zur Er-höhung der Arzneimitteltherapiesicherheit war somit die Identifizierung von potentiellen Verord-nungsfehlern und die Sensibilisierung für die damit verbundenen Risiken für den Patienten.

In dem Projekt wurden bei der Auswertung der Daten folgende Faktoren betrachtet, die durch Gesundheitscoaching, Medikationsanalysen, Konsilerstellung und -versand sowie durchgeführte Beratungsgespräche mit den behandelnden Ärzten eine Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bedeuten könnten:

 qualitativ die Identifizierung der potentiellen Verordnungsfehler, die beim gleichzeitigen Vor-liegen der Polypharmazie große Risiken für den Patienten darstellen,

 qualitativ die Sensibilisierung für diese potentiellen Verordnungsfehler durch Versand eines Arzneimittelkonsils an die behandelnden Ärzte,

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 quantitativ die Rückmeldungen der Ärzte, da dies auf die bewusste Auseinandersetzung mit dem Arzneimittelkonsil rückschließen ließ.

4.2 Die einzelnen Elemente der Maßnahme Arzneimittel sicher anwenden"

Die Maßnahme war ein in Deutschland neuartiges Konzept, das die Arzneimitteltherapiesicherheit der Polymedikationen multimorbider Patienten positiv beeinflussen sollte. Dies sollte durch die Bera-tung der niedergelassenen Ärzte durch das Expertenteam einerseits und durch ein individuelles Tele-foncoaching der Versicherten mit ausgebildeten Gesundheitscoaches andererseits ermöglicht werden.

4.2.1 Das Expertenteam

Das Expertenteam der MHH, das für die Medikationsanalysen und die Konsilerstellung verant-wortlich war, setzte sich interdisziplinär aus Klinische Pharmakologen und einem Apotheker zusam-men. In der Regel sind Klinischen Pharmakologen im ambulanten Bereich nicht an einem routinear-tigen Ablauf einer Medikationsanalyse beteiligt, bei dieser Maßnahme waren sie systematisch in die Beratung niedergelassener Ärzten eingebunden. Die Option, sowohl aus klinisch-pharmakologischer Sicht, als auch aus pharmazeutischer Sicht Polymedikationen zu betrachten, ergibt einen bedeutsa-men Gewinn und eine verbesserte Qualität für die Arzneimitteltherapiesicherheit, da sowohl thera-peutische als auch anwendungsbezogene Aspekte wie Handhabung und Lagerung von Arzneimitteln bei der Arzneimitteltherapie berücksichtigt werden.

Das interdisziplinäre Zusammenwirken von Ärzten und Apothekern ist aus Sicht der Apotheker ein wichtiges Ziel, um eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit zu erreichen (170). Da hier alle Konsilersteller im Institut für Klinische Pharmakologie tätig waren, war die Zusammenarbeit be-sonders gut zu organisieren.

4.2.2 Konsilerstellung

Die Erstellung der Konsile war für das Expertenteam eine zeitintensive Aufgabe. Die Auswirkungen der Konsile konnten nur schwer gemessen werden, da ein adäquates Follow-up von Seiten der Krankenkasse nicht geplant und eine Ermittlung der Medikationsänderungen aus den von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Verordnungsdaten (s. Kapitel 4.7) nicht in ausreichender Detailliertheit möglich war. Die Vorgehensweise, proinitiativ über ein Arzneimittelkonsil Kontakt mit dem behandelnden Arzt herzustellen, stellte einen neuen Ansatz gegenüber bereits bestehenden Programmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit dar.

| 121 Vorteile der Arzneimittelkonsile in dieser Maßnahme:

 die Ärzte mussten sich keine zusätzliche Zeit nehmen, um die Medikation selbst zu bewerten, diese eingehende Betrachtung wurde ihnen abgenommen. Sie erhielten eine komplette Zusam-menfassung der identifizierten Risiken und potentiellen Verordnungsfehler, von wissenschaft-lichen Experten zusammengetragen.

 die Ärzte mussten die komplette Medikation nicht bei ihren fachärztlichen Kollegen oder im Be-reich der Selbstmedikation durch Auskünfte des Patienten zusammentragen, es wurde ihnen ein zu diesem Zeitpunkt vollständiger Medikationsplan nach Angaben des Patienten mit Auswertung vorgelegt.

 es ist die Patientensicht der aktuellen Medikation und der Einnahme dargestellt, so lässt sich auf der Basis der tatsächlichen Einnahmen und Einnahmegewohnheiten des Patienten eine Aussage treffen.

Mögliche Schwachstellen eines Arzneimittelkonsils:

 eventuell wurden der behandelnde Arzt und/oder Patient verunsichert, da das Konsil unzutref-fende Risiken enthielt, die auf der Basis der dem Expertenteam vorliegenden Informationen er-mittelt worden waren.

 die Zeiträume zwischen Informationssammlung, Konsilerstellung und dem Zeitpunkt der Ankunft des Konsils bei dem behandelnden Arzt konnten sich über mehrere Tage oder Wochen erstreckt haben, für problematische Risiken müsste ein schnellerer Handlungsweg ermöglicht werden.

Mögliche Optimierungsansätze der Konsilerstellung und -übermittlung:

 eine direkte Ansprache der behandelnden Ärzte durch das Expertenteam wäre ein guter Schritt, um die identifizierten Risiken proaktiv weiterzuleiten. So bestünde die Möglichkeit, dem behan-delnden Arzt die Maßnahme zu erläutern und beispielsweise für eine erneute Absprache nähere Beschreibungen der Risiken per Post zu versenden.

 der gelegentliche Anruf eines Patienten bei dem Expertenteam auf die Maßnahme hin zeigte, dass es vereinzelt zu Verunsicherungen bei den Patienten gekommen war. Daher ist der eindeu-tige Verweis an die Gesundheitscoaches wichtig. Die Beratung der Patienten war nicht die Auf-gabe des Expertenteams, denn es ist die ausschließliche Bindung des Patienten an den behan-delnden Arzt notwendig, um Risiken durch eventuell den Patienten überfordernde Informa-tionen zu vermeiden.

 für den Versand des Konsils über den Patienten war die Variante des Kurzkonsils sinnvoll, so er-hielt der behandelnde Arzt ebenfalls den Anstoß, sich für eine ausführliche Beratung zurückzu-melden, ohne dass der Patient durch dargestellte Risiken verunsichert und eine zusätzliche

| 122 derung der Arzneimitteltherapiesicherheit durch fehlgeleitete Informationen vermieden wurde.

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