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2 Methoden

2.1 Be schreibung der Maßnahme „Arzneimittel sicher anwenden“ der Kaufmännischen

2.1.2 Die Durchführung eines telefonischen Gesundheitscoachings

Während des Coachingzeitraums wurden die Versicherten in festgelegten Abständen von ihrem Gesundheitscoach kontaktiert. Vergleichbare Programme sind im deutschen Gesundheitswesen noch nicht etabliert worden, der Ansatz des Telefoncoachings wurde aus den Vereinigten Staaten über-nommen, wo diese Art der Prävention bereits seit einigen Jahren durchgeführt wird (106). In den telefonischen Beratungsgesprächen wurde zunächst ein persönliches Vertrauensverhältnis zu dem Versicherten aufgebaut. Der Versicherte konnte Fragen und Probleme zu seinen Gesundheitszustand oder zu bestimmten Behandlungen mit seinem Gesundheitscoach besprechen. Nach dem dritten oder vierten Gespräch erfolgte die Anfrage durch den Coach, ob der Versicherte seine bestehende Polymedikation durch ein unabhängiges, wissenschaftliches Expertenteam begutachten und auf As-pekte der Arzneimitteltherapiesicherheit hin überprüfen lassen möchte. Bei Teilnahmebereitschaft bestätigte der Versicherte dies durch das Ausfüllen einer weiteren Teilnahmeerklärung. Durch diese wurden das Expertenteam, der Gesundheitscoach, sowie der vom Patienten angegebene behandeln-de Arzt von behandeln-der Schweigepflicht zum Austausch behandeln-der für eine Medikationsanalyse erforbehandeln-derlichen

| 27 Bei der telefonischen Rückmeldung des Arztes wurde ein Beratungsgespräch auf der Basis des zu-vor verfassten Arzneimittelkonsils und der dokumentierten Ergebnisse durchgeführt. Das Gespräch wurde von einem Arzt des Expertenteams durchgeführt. Alle kritischen dokumentierten Medikatio-nen wurden angesprochen und mit dem behandelnden Arzt auf ihre Relevanz hin überprüft. Dabei wurde abgeklärt, ob Diagnosen existierten oder ob eine bei Konsilerstellung vorliegende Information bereits überholt war. Es wurde abschließend eine schriftliche Zusammenfassung des Gesprächs er-stellt und dem behandelnden Arzt in Briefform als abschließende Empfehlung (Zweitkonsil) zuge-sendet. Eventuell anstehende Änderungen der Medikation wurden nicht systematisch abgefragt. Es erfolgte eine regelmäßige Erfassung von Medikationsänderungen durch die Gesundheitscoaches, allerdings konnte eine gezielte Befragung zum Konsil nicht durchgeführt werden, da ein Eingreifen des Gesundheitscoaches nicht stattfand und Arzt und Patient ohne „Druck“ entscheiden sollten.

Lediglich Rückfragen wurden durch den Gesundheitscoach geklärt mit Verweis auf den be-handelnden Arzt (109).

Das Expertenteam bestand aus einem habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie, zwei Assistenzärzten in der Weiterbildung zum Facharzt für Klinische Pharmakologie und einem Apotheker. Die Ärzte des Expertenteams waren zudem in die klinisch-pharmakologische Beratungs-tätigkeit des Arzneimitteltherapie-Informationssystems (ATIS) eingebunden und konnten somit auf bereits vorhandene Erfahrung in Bezug auf komplexe Fragestellungen der Arzneimitteltherapie-sicherheit zurückgreifen. Das ATIS bietet niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Niedersachsen sowie angestellten Ärzten der MHH und angeschlossener Lehrkrankenhäuser einen klinisch-pharma-kologischen Informationsdienst zu Arzneimitteltherapiefragen in Zusammenarbeit mit der Kassen-ärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) an (110).

2.1.4 Erstellung der Arzneimittelkonsile durch das Expertenteam

Die inhaltliche Grundlage für die Erstellung eines Konsils bildete eine durch die Krankenkasse für die Maßnahme festgelegte Zielsetzung für das Expertenteam als „Senkung von Arzneimittelrisiken und Leistungsausgaben für Arzneimittel durch eine pharmakoökonomische Optimierung der Arzneimitteltherapie“ (111). Mit mehreren Unterpunkten beinhaltete diese Zielsetzung Vorschriften, die bei der Medikationsanalyse zur Risikoreduktion der vorliegenden Polymedikation zu berücksich-tigen waren. Bei der Erstellung der Konsile war eine wichtige Anforderung, dass trotz der herauszu-arbeitenden Risiken weder der behandelnde Arzt noch der Versicherte verunsichert oder das Arzt-Patienten-Verhältnis gestört werden sollte. Aus den Medikationsanalysen sollten konkrete Hand-lungsempfehlungen für den behandelnden Arzt abgeleitet werden. Neben den durch die Kranken-kasse übermittelten patientenbezogenen Daten wie

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 Alter, Geschlecht, Body-Maß-Index (BMI), vorliegende Laborparameter wie z.B. Harnsäure-Werte, Serum-Kalium-Harnsäure-Werte, Serum-Kreatinin-Harnsäure-Werte,

 Diagnosen,

 genaue Medikation (Präparat) mit Dosierung mit der Angabe eingenommener Präparate der Selbstmedikation,

waren die nachfolgenden Punkte in der Zielsetzung benannt und wurden zur Bearbeitung der vorliegenden Daten und Ausarbeitung der arzneimittelbezogenen Risiken herangezogen:

 Reduktion der Multimedikation auf möglichst weniger als 13 oder optimal weniger als neun Wirkstoffe,

 Reduktion der Anzahl an Risikoarzneimitteln (Arzneimittel der PRISCUS- (112) und der Beers-Liste (113)),

 Reduktion von Arzneimittelinteraktionen,

 Reduktion von Medikationsfehlern in den Bereichen Indikation, Kontraindikation, Allergie, Dosierung, Dosisanpassung an Alter und Organfunktion, Doppelverordnungen,

 Erkennen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen,

 Aufzeigen von Versorgungslücken und Empfehlung von nicht vorliegenden indizierten Arzneimitteln,

 pharmakoökonomische Optimierung durch die Auswahl von Arzneimitteln der Selbstmedikation.

Auf der Basis dieser vorgegebenen Richtlinien erstellte das Expertenteam eine Standard Operating Procedure (SOP), die sowohl das inhaltliche, als auch das administrative Vorgehen zur Dokumentation und dem Versand der Medikationsanalysen beschrieb. Die Ausarbeitung der Medika-tionsanalysen nach den oben beschriebenen Punkten erfolgte zunächst durch einen Assistenzarzt oder Apotheker. Um die notwendigen Recherchen durchzuführen, verwendete das Expertenteam folgende Datenbanken:

 Interaktionsdatenbanken: Micromedex® (114), AiDKlinik® (115), Lexi-Interact® (116)

 aktuelle wissenschaftliche Publikationen: PubMed® (117), UpToDate® (118)

 Fachinformationen der einzelnen Arzneimittel: Fachinfo-Service® (119)

Die Ergebnisse der Recherchen wurden individuell bewertet. Jede endgültige Beurteilung wurde mindestens nach dem Vier-Augen-Prinzip durch einen Assistenzarzt oder einen Apotheker und durch einen habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie erstellt. Jede abschließende Freigabe er-folgte durch den habilitierten Facharzt für Klinische Pharmakologie. Alle Konsilergebnisse wurden vom Expertenteam stichwortartig oder als Fließtext in eine Excel-Tabelle eingefügt. Der ab-schließende Bericht (Synonym: Konsil, Arzneimittelkonsil, Erstkonsil) wurde elektronisch festgehalten und zur Übermittlung an den Patienten oder behandelnden Arzt ausgedruckt. Folgende Aspekte spielten für die Erstellung der Konsile eine Rolle:

| 29 (I) Indikation

Für jedes Arzneimittel auf dem Arzneimittelmarkt in Deutschland wurde durch das Zulassungsver-fahren vom Hersteller geprüft und belegt, dass dieses für die gemeldeten Indikationen wirksam, in Bezug auf seine Sicherheit unbedenklich ist und die dafür erforderliche pharmazeutische Qualität be-sitzt (120). Die Indikationen für das Arzneimittel sind in der zugehörigen Fachinformation festgehal-ten (119). Weiterhin geben Fachgesellschaffestgehal-ten Leitlinien zur Arzneimitteltherapie als Empfehlungen für die Anwendung der Arzneimittel bei bestimmten vorliegenden Erkrankungen heraus (121). Unter Berücksichtigung der aktuellen Studienlage kann somit eine evidenzbasierte Arzneimitteltherapie durchgeführt werden (122).

(II) Risikomedikamente

Die Zahl älterer Menschen in Deutschland steigt kontinuierlich. Im Jahr 2030 wird der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre im Vergleich zum Jahr 2011 von 20 % auf 29 % angestiegen sein (123).

Eine Auflistung risikoreicher Arzneimittel, die für ältere Menschen über 65 Jahre zu verstärkten uner-wünschten Wirkungen führen können wie beispielsweise einer vermehrten Sturzgefahr oder dem Auftreten deliranter Symptome, findet sich in der PRISCUS-Liste (112). Die Anwendung dieser Arznei-mittel sollte nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, wenn das Absetzen oder der Aus-tausch des Arzneimittels durch einen risikoärmeren Wirkstoff nicht möglich ist. Eine andere Zusam-menstellung risikoreicher Medikamente für ältere Menschen findet sich auf der aus den USA stam-menden Beers-Liste (113). Einige Medikamente dieser Liste sind in Deutschland nicht zugelassen, wiederum finden sich in Deutschland zugelassene Medikamente nicht auf der Liste, da sie für die USA keine Zulassung besitzen, daher ist diese Auswahl nur bedingt auf den deutschen Arzneimittelmarkt übertragbar.

(III) Interaktionen

Das Risiko des Auftretens von Interaktionen steigt mit zunehmender Zahl eingenommener Arznei-mittel. Die Konsequenz von Interaktionen kann vielfältig sein, zum Beispiel Wirkabschwächungen, fehlende Wirksamkeit des Arzneimittels oder auch Wirkverstärkungen (124). Im Fall einer verminder-ten oder ausbleibenden Wirkung wird die Krankheit nicht oder nicht ausreichend behandelt, es können Komplikationen auftreten oder der Heilungsprozess kann verzögert werden, im Fall verstärk-ter Wirkungen kann es zu Überdosierungen oder vermehrten Nebenwirkungen kommen. Weiverstärk-tere Effekte sind unter anderem Veränderungen der Blutdruck- oder Laborwerte.

Interaktionen können nach verschiedenen Schweregraden und nach klinischer Relevanz eingeteilt werden. Elektronische Datenbanken speichern eine Vielzahl an Wechselwirkungen, die dann an-schließend durch den behandelnden Arzt, der Patientenhistorie und -umstände genau kennt, in ihrer Relevanz eingeschätzt werden müssen. In vielen Arztpraxen und in allen Apotheken befinden sich

| 30 reits Computerprogramme mit Interaktionsdatenbanken (125,126). Viele Interaktionen bedürfen keiner besonderen Handlung, allerdings ist meist das Wissen um eine bestehende Interaktion not-wendig, um eventuelle Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen oder ein entsprechendes Monitoring zu veranlassen.

(IV) Kontraindikationen

Die Anwendung von Arzneimitteln bei einer gegebenen Indikation und einer gleichzeitig vor-liegenden Gegenanzeige darf nicht vorgenommen werden. Es wird in der Theorie zwischen absoluten und relativen Kontraindikationen unterschieden (127).

(V) Dosierung

Richtdosen der Arzneimittel sind vom Hersteller durch verschiedene klinische Studien ermittelt worden und werden als Empfehlung zur Erzielung therapeutischer Effekte in der zugehörigen Fachin-formation festgehalten. Dazu gehören neben indikations- und altersbezogenen Dosierungen auch die Angabe von Tageshöchstdosierungen, oberhalb derer toxische Effekte auftreten können. Bei be-wusster Überschreitung dieser Maximaldosierungen ist der Hersteller nicht mehr haftbar, da es sich um einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch handelt (128). Darüber hinaus gelten für unter-schiedliche Indikationen bei demselben Wirkstoff verschiedene Dosierungen, die je nach Begleiter-krankungen oder Organfunktionen noch variiert oder angepasst werden müssen. Neben diesen The-rapieempfehlungen der Fachinformationen geben auch Fachgesellschaften in Leitlinien im Internet oder in Fachzeitschriften Empfehlungen zu Dosierungen heraus (129).

(VI) Nierenfunktion

Etwa jedes 7. Arzneimittel wird hauptsächlich renal eliminiert (130). Ist die Niere geschädigt oder in ihrer Funktion eingeschränkt, kann der Wirkstoff nicht vollständig aus dem Körper ausgeschieden werden und es besteht die Gefahr der Akkumulation und der toxischen Wirkung des Wirkstoffs.

Daher ist bei nierenerkrankten oder älteren Patienten, deren physiologische Nierenfunktion altersbe-dingt nachlässt (131), die Dosierung des Arzneimittels an die Nierenfunktion anzupassen. Zudem ist eine eingeschränkte Nierenfunktion auch als Kontraindikation für diejenigen Arzneimittel zu sehen, die die Niere schädigen können, auch dann wenn sie nicht primär renal sondern hepatisch eliminiert werden, wie z.B. NSAR oder Ciclosporin.

Die Nierenfunktion kann, neben der direkten Bestimmung aus Blut und Urin, unter anderem mit Hilfe der Cockcroft-Gault-Formel über den Serum-Kreatinin-Wert als Kreatinin-Schätzclearance be-rechnet werden (132). Eine weitere Möglichkeit der Berechnung ist die Anwendung der vereinfach-ten MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease), mit der durch das Einsetzen der Variablen Alter, Geschlecht, Hautfarbe (schwarz oder nicht-schwarz) und des Serum-Kreatinin-Wertes die

| 31 meruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmt werden kann (133). Weder die Cockroft-Gault-Formel noch die MDRD-Formel dürfen bei stark ausgeprägter Adipositas angewendet werden (134,135). Die MDRD-Formel darf darüber hinaus nicht bei hohem Alter und großen Personen, bei Mangelernähr-ung oder bei sich schnell ändernder Nierenfunktion (134) angewendet werden und hat eine Stan-dard-Körperoberfläche zur Grundlage. Allerdings wurde für die Erstellung der Konsile dennoch die MDRD-Formel angewendet, da die Berechnung der GFR nicht zur Diagnostik, sondern lediglich zur Dosierungsberechnung diente, und die Durchführung der Dosisanpassung weiterhin dem behandel-nden Arzt oblag.

Die erforderliche Dosisanpassung berechnet sich über die individuelle Ausscheidungskapazität Q.

In der Ausscheidungskapazität Q ist auch der extrarenal ausgeschiedene Anteil des Arzneistoffes Q0

berücksichtigt, der die Erforderlichkeit einer Dosisanpassung an die Nierenfunktion stoffspezifisch beschreibt, und dessen Werte tabellarisch gelistet sind (130). Die meisten Arzneimittel müssen ober-halb einer GFR von 60 ml/min in ihrer Dosierung angepasst werden (136). Über die Fachinformation gibt der Hersteller Empfehlungen zur Anpassung der Dosis an eine eingeschränkte Nierenfunktion oder verschiedene GFR-Intervalle mit bereits ermittelten Dosierungen an. Bei gegebener GFR kann so über das Q0-Konzept die erforderliche Dosisanpassung bestimmt werden.

(VII) Doppelverordnung

In der Regel sind Doppelverordnungen desselben Wirkstoffes nicht beabsichtigt und stellen einen Fehler bei der Verordnung dar. Es besteht die Möglichkeit, dass durch fehlenden Informationsaus-tausch ein und dasselbe Medikament von mehreren behandelnden (Fach-) Ärzten verordnet wurde oder dass derselbe Wirkstoff durch denselben Arzt in Kombinationspräparaten verordnet wurde, so dass die Doppelverordnung nicht sofort ersichtlich war. Doppelverordnungen unterliegen einem hohen Risiko für Überdosierungen des einzelnen Wirkstoffes und somit potentiellen toxikologischen Wirkungen.

(VIII) Versorgungslücke

Neben der Polypharmazie besteht das unter Kapitel 1.1.1 beschriebene Phänomen des

„underprescribing“, der fehlenden Versorgung des Patienten mit Arzneimitteln, die nach aktueller Studienlage oder nationalen Leitlinien empfohlen werden. Dieses Phänomen muss jedoch individuell hinterfragt werden, da einzelne Faktoren, die den Patienten selbst betreffen, eventuell bei der Nicht-Verordnung berücksichtigt wurden, und somit kein Nicht-Verordnungsfehler vorliegt.

Selbstmedikation

Unter dem Begriff „Selbstmedikation“ versteht man alle vom Patienten auf Eigeninitiative hin er -worbenen und eingenommenen Arzneimittel und Präparate, die der Prävention oder der Therapie

| 32 von Krankheiten dienen (46). Präparate der Selbstmedikation sind als apothekenpflichtige Arzneimit-tel in Apotheken oder als freiverkäufliche ArzneimitArzneimit-tel zusätzlich in Drogerien und Reformhäusern er-hältlich und unterliegen nicht der Verschreibungspflicht (OTC-Arzneimittel = „Over-the-Counter“ -Arzneimittel). Zur Selbstmedikation gehören auch Nahrungsergänzungsmittel sowie diätetische Lebensmittel, welche nicht als Arzneimittel sondern als Lebensmittel gelten, und daher frei von Nebenwirkungen sein müssen (47). Allerdings können diese bei unsachgemäßem Gebrauch wie Überdosierung oder einer Kombination mit bestimmten Arzneimitteln auch schädlich sein. Die An-wendung dieser Präparate geschieht häufig ohne Kenntnis des Arztes. Bei der Selbstmedikation kommt daher der Apotheke bei der Abgabe eine wichtige Bedeutung in der Beratung und Informa-tion des Patienten zu.

2.1.5 Konsilversand

Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, konnte das Konsil (Erstkonsil) auf zwei Wegen an den behan-delnden Arzt weitergeleitet werden:

Weg A (Kurzkonsil): Ein Konsilbrief wurde stichwortartig verfasst, indem lediglich einzelne Wirk-stoff- oder Präparatenamen aufgezählt wurden, für die ein erhebliches Risiko aufgefunden wurde.

Dieser Brief wurde an den Patienten gesendet, der diesen dann bei seinem nächsten Termin an den behandelnden Arzt weitergab, der Patient selbst erhielt eine Kopie. Etwa drei Monate nach Beginn der Sammlung auszuwertender Konsile (März 2012) wurden vom Expertenteam nicht mehr alle iden-tifizierten Empfehlungen aus den Konsilergebnissen als Stichworte in die Kurzkonsile aufgenommen, sondern beabsichtigt auf drei bis fünf Anmerkungen reduziert.

Weg B (Direktkonsil): Bei Einverständnis des Patienten wurde ein ausführlich verfasstes Konsil direkt an den behandelnden Arzt versendet. Der Patient erhielt einen Informationsbrief über den er-folgten Versand des Konsils. Das Direktkonsil enthielt ebenfalls stichwortartige Hinweise, jedoch mit einer ausführlicheren Beschreibung des jeweiligen Risikos, das das Expertenteam bei einem bestim-mten Arzneimittel festgestellt hatte. Die Möglichkeit des Direktkonsils war nicht zu Beginn, sondern etwa erst 10 Monate nach Beginn der Maßnahme gegeben (s. Kapitel 2.1.7).

In beiden Fällen lagen den Konsilbriefen zu Beginn der Maßnahme eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse als Kontaktangabe bei, im weiteren Verlauf wurde eine Faxvorlage als direkte und un-komplizierte Art der Rückmeldung beigefügt mit der Möglichkeit, Wunschtermine für ein telefo-nisches Beratungsgespräch anzugeben. Die Auswahl, welcher Weg ausgeführt wurde, oblag dem Patienten. Alle Konsile und Zweitkonsile sowie die ausführlichen Ergebnisse der Medikationsanalysen wurden der Krankenkasse zu eigenen Auswertungen zur Verfügung gestellt.

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2.1.6 Bearbeitung der Rückmeldungen der behandelnden Ärzte und Durchführung der telefonischen Beratungsgespräche

Im Beratungsgespräch mit dem behandelnden Arzt fand eine ausführliche Diskussion der übermit-telten Konsilergebnisse auf der Basis der dokumentierten Ergebnisse statt, eventuelle Unklarheiten zu dem Konsil konnten aufgeschlüsselt werden. Der behandelnde Arzt ergänzte und korrigierte fehlende oder fehlerhafte Informationen zum klinischen Bild des Patienten, die dem Expertenteam vorlagen, so dass sich die relevanten Risiken zu den Ergebnissen der Medikationsanalyse teilweise positiv veränderten oder auch ganz revidierten. Ebenso konnten weiterführende Fragen bezüglich der Medikation beantwortet werden. Eine abschließende schriftliche und ausformulierte Zusammen-fassung des Gesprächs sendete das Expertenteam als sogenanntes Zweitkonsil dem behandelnden Arzt zu. Änderungen der Medikation, die tatsächlich stattgefunden hatten, wurden gegebenenfalls über den behandelnden Arzt innerhalb der Beratungsgespräche übermittelt. Auf Grund der Projekt-planung der Krankenkasse wurden geänderte Medikationen nicht nachträglich erfasst und be-trachtet (s. Kapitel 4.7).

2.1.7 Durchführung von Änderungen des Prozessablaufs während der Ausführung der Maßnahme

Der Prozessablauf wurde im Verlauf der Maßnahme mehrmals geändert, teilweise nur gering-fügig. Änderungen ergaben sich durch Anpassungen des Prozesses an wiederkehrende Auffällig-keiten, Unstimmigkeiten oder unnötige Komplexitäten im Ablauf und wurden in Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der Krankenkasse und dem Expertenteam entwickelt und umgesetzt.

Ebenso wurde der Konsilbrief wiederholt geringfügig geändert. Die Änderungen des Konsilbriefs waren zusammengefasst folgende:

1. Zweiseitiger Konsilbrief (Kurzkonsil), der neben den stichwortartigen Empfehlungen in Form von Handelsnamen, Wirkstoffnamen, Wirkstoffgruppennamen oder „Komplexbezeichnungen“ wie

„Blutdrucktherapie“ oder „Herzinsuffizienztherapie“ weitere erläuternde Abschnitte enthielt wie Informationen zum Arzneimitteltherapie-Informationssystem ATIS (s. Kapitel 2.1.3), Selbstmedi-kation, Nutzen und Kostenfreiheit, Aufruf zu Rückruf und Informationen zu Datenschutz und Er-reichbarkeit.

2. Einseitiger Konsilbrief (Kurzkonsil), der die unter 1. genannte Inhalte besaß, ohne die Abschnitte Selbstmedikation, Aufruf zu Rückruf, mit je einem zusätzlichen erläuternden Satz je Medikament mit den Charakterisierungen „Empfehlung“, „Nachfrage“ und „keine Vorschläge“ (s. Anhang Tab. A2).

| 34 3. Direktkonsilbrief, der neben stichwortartigen, ausführlicheren Risikobeschreibungen auch

Informationen zu ATIS, Erläuterungen zu der Auswertung der Medikation, sowie Hinweise zu Kostenfreiheit und Erreichbarkeit enthielt (s. Anhang Tab. A3).

Die nachfolgende Tab. 2 stellt die einzelnen Prozessänderungen mit dem Initiator und dem Zeit-punkt der Umsetzung der Änderung auch in Bezug auf den Beginn der Maßnahme dar.

2.2 Sammlung, Strukturierung und Kategorisierung der bei der Maßnahme anfallenden Daten

Für die Evaluation wurden während der Maßnahme anfallende Daten gesammelt und in ihrem Einfluss auf die Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit ausgewertet. Die Hauptquellen dieser Daten waren dabei:

 der Gesundheits- und Risikobericht, übermittelt durch die Krankenkasse an das Expertenteam zur Erstellung der Konsile mit enthaltenen Daten der Patienten,

 die Medikationsanalysen des Expertenteams auf der Basis des Gesundheits- und Risikoberichts,

 stichwortartige Zusammenfassungen der durchgeführten Beratungstelefonate sowie die abschließend versendeten Zweitkonsile,

 die schriftlichen Rückmeldungen der behandelnden Ärzte.

Der Evaluationszeitraum erstreckte sich vom 01.01.2012 bis zum 05.07.2013 und umfasste 400 Patienten, die während dieses Zeitraums einer Medikationsanalyse ihrer Polymedikation zustimmten.

2.2.1 Ethik und Datenschutz

Vor Beginn der Evaluation wurde der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover am 14.11.2012 ein Evaluationsplan zur Besprechung vorgelegt, die Kommission stimmte dem Vor-haben am 11.12.2012 zu. Das dazu verfasste Studienprotokoll enthielt die Zielsetzung und die zu er-wartenden neuen Erkenntnisse sowie Begründung und Darstellung des Ablaufs, die beabsichtigten Untersuchungen mit den anzuwendenden Methoden und die Zielgrößen. Da die Anzahl der zu unter-suchenden Fälle sich im Laufe der Auswertungen von 300 auf 400 erhöhte, wurde eine Änderung des Studienprotokolls am 22.05.2013 der Ethikkommission mitgeteilt, die am 29.05.2013 zustimmte.

Die Rohdaten waren auf einem eigens eingerichteten Laufwerk gespeichert und nur den Mit-gliedern des Expertenteams zugänglich. Es erfolgte eine Pseudonymisierung der patientenbezogenen Daten.

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Tab. 2: Prozessänderungen der Maßnahme im Zeitraum von Januar 2012 bis Juli 2013.

Nr. Gegenstand der Änderung Initiator der

Änderung 1 Reduktion der Anzahl der aufgeführten Arzneimittel in dem

Kurzkonsilbrief

Expertenteam März 2012 3 Monate 2 Aufführen der Versorgungszentren in dem Konsilbrief KKH März 2012 3 Monate 3 Individuelle Gestaltung des Konsilbriefs je nach Inhalt sowie

Auslassen einzelner Absätze (z.B. über den Gebrauch von OTC-Präparaten)

KKH März 2012 3 Monate

4 Aufführen des Geburtsdatums in dem Zweitkonsilbrief KKH April 2012 4 Monate 5 Angabe der in den Arzneimitteln enthaltenen Wirkstoffe auf

der Medikationsliste im Gesundheitsbericht

KKH 11.05.2012

(ab Konsil 47-2012)

5 Monate

6 Zusätzliche Angabe von angestrebten und durchgeführten Präventions- und Therapiemaßnahmen unter dem Stichwort

„Maßnahmen“ im Risikobericht des Versicherten (z.B.

Durchführung von Blutdruckmessungen oder

7 Zusätzliche Informationen zu Diagnosen unter dem Stichwort

„weitere Details“ im Risikobericht des Patienten (z.B. Angabe von Operationen, Differenzierung von Erkrankungen)

KKH Juni 2012

(ab Konsil 89-2012)

6 Monate

8 Differenziertere Briefgestaltung in drei Ausfertigungen und Risikoabstufungen („Empfehlung“ für schwerwiegendere Risiken, „Rückfrage“ für moderate Risiken, „keine Vorschläge“

für geringe Risiken)

Expertenteam 02.07.2012 (ab Konsil 84-2012)

7 Monate

9 Kürzung des Konsilbriefs von zwei Seiten auf eine Seite, sachlichere Formulierung und weniger Bezug auf die Krankenkasse

Expertenteam 23.07.2012 (ab Konsil 119-2012)

7 Monate

10 Ergänzung des Hinweises für den Versicherten auf der Medikationsliste:

„Wichtig für Sie: Die Liste der Medikamente muss nicht vollständig sein. Ergänzen Sie bitte fehlende Medikamente, die Ihnen Ihr Arzt verordnet hat. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob

„Wichtig für Sie: Die Liste der Medikamente muss nicht vollständig sein. Ergänzen Sie bitte fehlende Medikamente, die Ihnen Ihr Arzt verordnet hat. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob