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4.1 F&E-Aktivitäten schweizerischer Unternehmen im Ausland

4.1.2 Empirische Evidenz für die Schweiz gemäss

Stu-dien, die international angelegt sind und neben anderen Ländern auch die Schweiz einbeziehen.

Driffield/Love (2003) untersuchten anhand von Daten für ausländische Investi-tionen in Grossbritannien (31 Branchen, 22 Herkunftsländer, Periode 1984-1992 und 1993-1997) die Frage, ob die Wissensbasis eines Landes gestärkt wird, wenn seine Firmen an ausländischen Standorten F&E betreiben. Dies wäre dann der Fall, wenn die ausländischen F&E-Investoren in den Zielländern dank posi-tiver Wissens-Spillovers von den F&E-Aktivitäten der einheimischen Unter-nehmen und/oder der anderen ausländischen F&E-Investoren profitieren. Die Untersuchung zeigt am Beispiel Grossbritanniens, dass dies lediglich für F&E-intensive Branchen der Fall ist. Zudem profitieren ausländische Firmen nur vom Wissen britischer Firmen, nicht aber von demjenigen anderer ausländischer Un-ternehmen. Eine Differenzierung der Analyse zeigt, dass zwischen den Her-kunftsländern der investierenden Unternehmen erhebliche Unterschiede beste-hen. Am meisten profitieren die USA, die Niederlande, Schweden und die Schweiz. In diesen Fällen profitiert ein Investor nicht nur vom Wissen der briti-schen Unternehmen – erneut primär im Hightech-Sektor – sondern auch von demjenigen der anderen ausländischen Investoren (positive Wissens-Spillovers in Clusters). Die Resultate dieser Studie zeigen, dass insbesondere für technolo-gisch hochentwickelte Länder wie die Schweiz das «technology sourcing» ein Element einer «asset augmenting»-Strategie darstellt. Die empirischen Ergebnis-se dieErgebnis-ser Studie sprechen also für die Komplementaritäts-HypotheErgebnis-se. Dass auch die USA als technologischer Leader «technology sourcing» betreiben, insbeson-dere bei Unternehmen aninsbeson-derer technologisch fortgeschrittener Länder, ist ein Hinweis darauf, dass kein Land, auch nicht der technologische Leader, darauf verzichten kann, den weltweit verfügbaren Wissenspool zu nutzen. Deshalb kann die in den letzten Jahren erfolgte starke Zunahme von F&E-Investitionen schweizerischer Unternehmen in den USA nicht als Evidenz für die Verlagerung von F&E-Aktivitäten im Sinne der Substitutions-Hypothese interpretiert werden.

Cantwell/Janne (1999) gehen der Frage nach, ob Firmen aus Ländern, die in ei-ner Branche technologisch an der Spitze stehen, in anderen Ländern eine F&E-Strategie betreiben, welche die dortigen spezifischen Vorteile nutzt («asset aug-menting»), und umgekehrt, ob Firmen aus Ländern, die in einer spezifischen Branche technologisch gesehen nicht an der Spitze stehen, im Ausland mit ihrer F&E-Tätigkeit primär ihre eigenen technologischen Kompetenzen ausspielen («asset exploiting»). Diese Hypothese, die anhand von Daten für patentintensive

multinationale Firmen aus neunzehn europäischen Ländern für drei Branchen-gruppen (auf die in der Schweiz der Grossteil der F&E-Ausgaben entfällt) unter-sucht wurde, konnte weitgehend bestätigt werden. Die Schweiz, die im Bereich Chemie/Pharma Branchenführer ist, nutzt tatsächlich in verschiedenen, wenn auch nicht allen Ländern, neben ihren eigenen «capabilities» auch die spezifi-schen Vorteile der Zielregion («asset augmenting»). In den anderen untersuchten Branchen, bei denen die Schweiz in technologischer Hinsicht nicht ganz vorn liegt (Metallverarbeitung/nicht-elektrische Maschinen mit Schweden als Bran-chenleader bzw. Maschinen/Elektronik/EDV, wo die Niederlande führend sind), spielt die Schweiz insbesondere gegenüber den entsprechenden Spitzenländern primär die im Inland generierten technologischen Kompetenzen aus («asset exploiting»). Diese Studie vermag zwar nicht zwischen Komplementaritäts- und Substitutions-Hypothese zu diskriminieren; aber da im Fall der Schweiz die Ori-entierung auf F&E-Strategien, die auf «asset exploiting» und «asset augmen-ting» abzielen, sehr ausgeprägt ist, dürften Komplementaritätseffekte im Vor-dergrund stehen.

Patel/Vega (1999) und Le Bas/Sierra (2002) berechnen für die USA, Japan und eine Anzahl europäischer Länder die Verteilung der Firmen auf vier verschiede-ne F&E-Strategien. Eiverschiede-ne Firma verfolgt die Strategie des «technology seeking», wenn – vereinfacht ausgedrückt – ihre technologische Leistungsfähigkeit, sum-miert über die erfassten dreissig Technologiefelder, im Ausland überdurch-schnittlich, im Inland dagegen unterdurchschnittlich ausfällt. Firmen, welche diese Strategien betreiben, versuchen inländische Schwächen durch den Erwerb ausländischer Technologie zu kompensieren. Bei der Strategie «home-base-exploiting» (bzw. in der hier verwendeten Terminologie «asset «home-base-exploiting») ver-hält es sich gerade umgekehrt, d.h. überdurchschnittliche Patentaktivität im In-land ist kombiniert mit einem unterdurchschnittlichen Patentoutput im AusIn-land.

Firmen mit dieser Strategie nutzen im Wesentlichen ihr im Inland generiertes Wissen, um auf den ausländischen Märkten präsent zu sein. Die Strategie «ho-me-base-augmenting» (bzw. in unserer Terminologie «asset augmenting») liegt vor, wenn Firmen sowohl im Inland als auch im Ausland überdurchschnittlich patentaktiv sind. In diesem Fall ergänzen die Firmen ihr inländisches Wissen durch ausländisches, und zwar in Bereichen, bei denen die ausländischen Stand-orte technologische VStand-orteile geniessen. Von «market-seeking» sprechen die Au-toren, wenn eine Firma sowohl im Inland wie im Ausland unterdurchschnittlich patentaktiv ist. Bei dieser Strategie basiert die Internationalisierung offensicht-lich nicht primär auf technologischen Faktoren.

In den Tabellen 4.1a und 4.1b ist für die einzelnen Länder die Verteilung der Firmen auf diese vier Strategien dargestellt. Die Resultate der beiden Studien,

die auf demselben Konzept beruhen, weichen aus verschiedenen Gründen von-einander ab, hauptsächlich infolge von Unterschieden hinsichtlich der verwen-deten Patentdaten (amerikanisches vs. europäisches Patentamt), des Untersu-chungszeitraums sowie der Zahl der einbezogenen Länder und Unternehmen.

Nach beiden Studien weisen in der Schweiz ansässige Unternehmen einen ein-deutigen Schwerpunkt bei der Strategie des «home-base-augmenting» auf, ge-folgt – je nach Studie mit kleinerem oder grösserem Abstand – von der «home-base-exploiting»-Strategie, während die andern beiden Strategien nur selten ver-folgt werden. Hinsichtlich der Häufigkeit der «home-base-augmenting»-Strategie, der am weitesten reichenden Internationalisierungsstrategie, belegt die Schweiz nach der einen Studie den Spitzenplatz, nach der anderen befindet sie sich in der Spitzengruppe. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, dass «technology-seeking», eine Strategie, die auf Schwächen des inländischen F&E-Standorts hindeutet, kaum ins Gewicht fällt. Insgesamt zeigen die Resultate, dass weite Teile der Schweizer Industrie über ihre eigene Tätigkeit hinaus das weltweit verfügbare Wissen durch entsprechende F&E-Aktivitäten gezielt nutzen. Einschränkend ist festzuhalten, dass sich die Unter-suchung nur auf Grossunternehmen bezieht; es ist zu vermuten, dass bei den F&E-Strategien der KMU «asset exploiting» – relativ gesehen – stärker ins Ge-wicht fällt.

Tabelle 4.1a: Technologische Aktivitäten multinationaler Unternehmungen nach Internationalisierungsstrategie und Herkunftsland (basierend auf der Verteilung der beim Patentamt der USA in den Jahren 1990-1996 angemeldeten Patente; prozentuale Anteile)

Strategie Herkunftsland

Technology-seeking

Home-base-exploiting

Home-base-augmenting

Market-seeking Schweiz 9.8 27.7 53.6 8.9 USA 8.3 38.4 44.0 9.2

Japan 11.5 53.8 26.9 7.7 Frankreich 4.7 41.5 34.0 19.8

Deutschland 7.6 39.4 34.8 18.2

Niederlande 19.1 37.1 29.2 14.6 Schweden 8.3 39.6 41.7 10.4

UK 14.2 29.7 35.4 20.6

Alle Länder 10.5 36.9 39.2 13.4 Quelle: Patel/Vega (1999), p. 152.

Tabelle 4.1b: Technologische Aktivitäten multinationaler Unternehmungen nach Internationalisierungsstrategie und Herkunftsland (basierend auf der Verteilung der beim Europäischen Patentamt in den Jahren 1994-1996 angemeldeten Patente; prozentuale Anteile)

Strategie Herkunftsland

Technology-seeking

Home-base-exploiting

Home-base-augmenting Market-seeking Schweiz 14.5 19.6 57.6 8.4 USA 8.7 33.8 51.0 6.6

Japan 20.0 32.1 35.3 12.6

Südkorea 24.6 5.9 6.4 63.0

Belgien 26.8 21.1 36.2 15.4 Kanada 18.4 22.2 32.2 15.4 Dänemark 1.2 24.7 70.9 3.3

Finnland 2.7 53.7 43.0 0.6 Frankreich 7.7 51.5 33.7 7.1 Deutschland 9.2 25.3 54.6 10.9 Italien 65.0 6.0 24.3 4.6

Niederlande 20.2 28.7 34.0 17.1 Norwegen 16.9 8.5 69.3 5.4

Schweden 10.1 41.3 44.7 3.9

UK 10.2 23.6 60.7 5.6

Alle Länder 13.1 30.1 47.4 9.5 Quelle: Le Bas/Sierra (2002), p. 604.

nsgesamt führen die vier Studien, obwohl sie auf verschiedenen Ansätzen beru-hen, im Wesentlichen zum gleichen Resultat. Die schweizerische F&E-Aktivität an ausländischen Standorten ist durch «asset augmenting» und «asset exploi-ting» gekennzeichnet. Demgegenüber gibt es keine Hinweise auf defensive In-ternationalisierungsstrategien, welche darauf ausgerichtet sind, allfällige Schwä-chen des Forschungsstandorts Schweiz zu kompensieren. Die Resultate aller vier Studien sind als Evidenz für die Komplementaritäts-Hypothese zu intepretieren.

Neben diesen auf Daten für verschiedene Länder basierenden Studien können wir uns auch auf zwei (eigene) Untersuchungen stützen, die wir anhand von Da-ten des KOF-Unternehmenspanels durchgeführt haben (Arvanitis/Hollenstein 2001; Hollenstein 2005; siehe auch Arvanitis et al. 2001b). In Abschnitt 4.1.4 werden wir die Resultate der vorliegenden Arbeit mit denjenigen der genannten beiden Studien vergleichen.

4.1.3 Entwicklung und Struktur der ausländischen F&E-Aktivitäten