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Drittes Massnahmenpaket gegen das organisierte Verbrechen

Geldwäscherei

2.5 Drittes Massnahmenpaket gegen das organisierte Verbrechen

2.5.1 Das Geldwäschereigesetz (GwG)

Mitte der Neunzigerjahre lag in der Schweiz mit allen bis dahin getroffe-nen Massnahmen und gesetzgeberischen Tätigkeiten das notwendige In-strumentarium vor, um auf strafrechtlicher Ebene einen wirkungsvollen Kampf gegen die Geldwäscherei zu führen. Dank neuen Tatbeständen im StGB konnten Gelder des organisierten Verbrechens konfisziert (Art. 59 Ziff. 3 aStGB137), geldwäschereirelevante Machenschaften bestraft (Art.

305bis StGB) und unsorgfältiges Finanzgebaren sanktioniert werden (Art.

305terStGB). Zudem wurde eine zentrale Meldestelle für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens auf Ebene des Bundes geschaffen. Auch auf internationaler Ebene hat die Schweiz bis dahin alle wesentlichen Ab-kommen im Bereich der Geldwäschereibekämpfung unterzeichnet. Trotz-dem bestand für die Schweiz als Finanzplatz von weltweiter Bedeutung mit einem hochentwickelten Finanzdienstleistungssystem die Gefahr, in-ternational anerkannte Empfehlungen zur Geldwäschereibekämpfung nicht mehr einhalten zu können.138Insbesondere das Fehlen eines

einheit-137 Neu handelt es sich um die Einziehungsartikel 69–75 des StGB.

138 JACSÓ-POTYKA, S. 266, mit Hinweis auf die FATF-Empfehlungen, siehe hierzu Kapitel 2.6.4 in Teil II der vorliegenden Arbeit.

lichen Standards im Nichtbankenbereich sowie die Tatsache, dass die Fi-nanzintermediäre keiner Meldepflicht für geldwäschereiverdächtige Vor-gänge unterstanden, machten sich international negativ bemerkbar.139Der Gesetzesentwurf der eigens dafür zusammengestellten Arbeitsgruppe140 vom März 1993 sollte nun diese Lücken im Abwehrdispositiv schliessen.

Der erste Vernehmlassungsentwurf wurde jedoch stark kritisiert,141 wo-raufhin der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) mit der erneuten Ausarbeitung eines Vorentwurfs bis Ende 1995 beauftrag-te.142

Das Hauptziel des GwG, welches am 1. April 1998 in Kraft trat, war die Ausdehnung des Abwehrdispositivs auf den Nichtbankensektor.143Die bisherigen Erfahrungen und die Beobachtung des weltweiten Trends ha-ben aufgezeigt, dass in der Anfangsphase der Geldwäscherei (dem place-ment) nicht mehr nur Banken, sondern vermehrt auch Treuhandbüros, Wirtschaftsanwälte oder eigens für diesen Zweck geschaffene Sitzgesell-schaften144 verwendet wurden, um das „schmutzige“ Geld zu deponieren und in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Diese Entwicklung erklärt sowohl die Berechtigung als auch die Dringlichkeit der Einführung des GwG, welches für alle berufsmässig im Finanzbereich tätigen Personen die gleichen Identifizierungspflichten und Verantwortlichkeiten schaffen sollte.145

139 BOTSCHAFTGWG, S. 1102.

140 Das EFD, welches im Juli 1992 mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs be-traut wurde, forderte die Direktionen der Schweizerischen Nationalbank (SNB), der EBK, des Bundesamtes für Justiz (BJ), des Bundesamtes für Privatversicherungen (BPV) und die Politische Direktion des Eidgenössischen Departements für auswär-tige Angelegenheiten (EDA) auf, jeweils Experten zu bezeichnen, welche daraufhin gemeinsam die interdepartementale Arbeitsgruppe stellten.

141 Kritisiert wurde vor allem, dass die Kumulation der Normen im Strafrecht, der Richtlinien der EBK, der VSB und neu zusätzlich des GwG zu kompliziert sei und zu Abgrenzungsproblemen führen würde. Zudem wurde die Ausdehnung der Prin-zipien der VSB auf den Nichtbankensektor kritisiert, da dessen Struktur sich stark von derjenigen des Bankensektors unterscheide. Auch der Aufwand für die Finanz-intermediäre zur Einhaltung der Bestimmungen wurde als unverhältnismässig ein-geschätzt. Siehe hierzu BOTSCHAFTGWG, S. 1109.

142 BOTSCHAFTGWG, S. 1107 ff.

143 ZUBERBÜHLER, in TRECHSEL, S. 93; BERICHTGELDWÄSCHEREIBEKÄMPFUNG, S. 11.

144 Für eine Definition von Sitzgesellschaft siehe Art. 4 sowie Rz. 38 VSB.

145 DELPONTE, S. 57.

Während die Strafnorm von Art. 305bis StGB die Geldwäschereihand-lung und damit den eigentlichen Täter strafrechtlich sanktioniert, dient das GwG und insbesondere die darin verankerte Meldepflicht der verwal-tungsrechtlichen Geldwäschereibekämpfung bei Finanzintermediären.

Denn es reicht nicht aus, den Kampf gegen die Geldwäscherei allein auf der strafrechtlichen Ebene und damit auf der Ebene der sich strafbar ver-haltenden Personen zu führen. Durch geeignete Massnahmen muss vor allem auch verhindert werden, dass Vermögenswerte von deliktischer Herkunft überhaupt in den ordentlichen Geldkreislauf gelangen können.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind verbindliche Sorgfaltspflichten notwen-dig, deren Einhaltung aufsichtsrechtlich kontrolliert wird.146

Das GwG regelt gemäss Art. 1 die Bekämpfung der Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bisStGB, die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung im Sinne von Art. 260quinquies Abs. 1 StGB und die Sicherstellung der Sorgfalt bei Finanzgeschäften. Das Gesetz legt somit nicht nur Organisati-ons- und Meldepflichten im Rahmen eines eigenständigen Beitrags zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung fest, son-dern es definiert auch die diesbezüglichen Sorgfaltspflichten. Diese sind derart umfangreich, dass ihre Wirkungen weit über diesen ursprünglichen Zweck der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung hinausgehen und von grosser Bedeutung sind, um die der Schweiz eigene Tradition der Selbstdeklaration und des staatlichen Vertrauens in die Ei-genverantwortung der Schweizer Bürger aufrechtzuerhalten.147 Die Sorg-faltspflichten im GwG sowie ihre Konkretisierungen sind zudem als Be-standteil der Gewährspflichten anzusehen.148Das GwG ist aber nicht bloss Auslegungshilfe für die gemäss Art. 305ter Abs. 1 StGB zu beachtende Sorgfalt, sondern gleichzeitig eine Konkretisierung der von der Strafnorm geforderten Sorgfalt. Wer die Sorgfaltspflichten des GwG beachtet,

han-146 BOTSCHAFTGWG, S. 1102.

147 WYSS, zu Art. 1 GwG N 2.

148 Die Gewähr im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG ist eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit als Bank.

Die Bewilligung wird erteilt, wenn „die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine ein-wandfreie Geschäftstätigkeit bieten“; siehe etwa WYSS, zu Art. 1 GwG N 2a, und GRABER, SZW, S. 162.

delt deshalb auch nach Massgabe von Art. 305ter Abs. 1 StGB sorgfäl-tig.149

Das GwG ist als Rahmengesetz ausgestaltet150. Es beschränkt sich da-rauf, die Gesetzesadressaten, deren grundlegende Pflichten und die organi-satorischen Massnahmen zu ihrer Beaufsichtigung zu regeln.151 Diese Grundprinzipien müssen anschliessend im Detail festgelegt werden, wodurch dieser Rahmengesetzcharakter den Besonderheiten der einzelnen Branchen Rechnung tragen kann.152

Die in Art. 305ter StGB verwendete Formulierung „nach den Umstän-den gebotene Sorgfalt“ wurde bis anhin durch die VSB konkretisiert, wo-bei die VSB aber lediglich als Auslegungshilfe diente und keinerlei für den Strafrichter bindende Wirkung entfaltete.153 Seit Inkrafttreten des GwG erfolgt die Konkretisierung aber primär durch das selbige, welches nun auch für die Strafrichter bindend ist.154Dennoch handelt es sich beim GwG um ein Gesetz mit aufsichtsrechtlichem Charakter,155 nachdem bis zu diesem Zeitpunkt die Bekämpfung der Geldwäscherei hauptsächlich im strafrechtlichen sowie selbstregulatorischen Rahmen erfolgt ist. Das Ab-wehrdispositiv verändert sich jedoch dynamisch je nach Bestand und Um-fang der in Frage kommenden strafrechtlichen Vortaten zur Geldwäsche-rei. Aus diesem Grund können sich die Finanzintermediäre nicht aus-schliesslich auf die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Regelungen im GwG konzentrieren, sondern müssen auch stets das StGB im Blick behal-ten.

149 GRABER, GwG, zu Art. 1 N 6.

150 BERICHTGELDWÄSCHEREIBEKÄMPFUNG, S. 12.

151 BOTSCHAFTGWG, S. 1112.

152 JACSÓ-POTYKA, S. 266.

153 BGE 125 IV 139, E. 3d, wobei das Bundesgericht auf BGE 111 IB 126, E. 2a ver-weist; siehe hierzu auch Kapitel 2.2 in Teil V der vorliegenden Arbeit.

154 DONATSCH/WOHLERS, S. 411.

155 DECAPITANI, SJZ, S. 101.

2.5.2 Geldwäschereiverordnung der Eidgenössischen Bankenkommission

Die EBK als Vorgängerbehörde der FINMA erhielt damals mit Inkraftset-zung des GwG die Kompetenz zum Erlass von Vollzugsbestimmungen.156 Diese erhielt sie aufgrund ihrer Funktion als spezialgesetzliche Aufsichts-behörde im Sinne des GwG, welche die Einhaltung der vorgeschriebenen Pflichten bei den ihrer Aufsicht unterstellten Instituten überwacht.157 Im April 2001 wurde daher eine Arbeitsgruppe von der EBK beauftragt, eine Revision der geltenden Regelung in die Wege zu leiten. Im Juni 2002 ver-öffentlichte die EBK den Entwurf der Arbeitsgruppe KYC für eine auf das GwG gestützte Verordnung der EBK (GwV-EBK).158 Diese ersetzte die geltenden Geldwäschereirichtlinien der EBK (EBK-RS 91/3) und trat am 1. Juli 2003 in Kraft.159

Während die VSB die für alle Kundenbeziehungen gleichermassen gel-tenden Identifizierungsgrundsätze regelt („one-size-fits-all“), führt die Verordnung aus, welche Sorgfaltspflichten bei Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken gelten. Die Finanzintermediäre wurden aufgrund der Verordnung neu dazu verpflichtet, einen risikoorientierten Ansatz anzu-wenden („risk-based-approach“) und bei Geschäftsbeziehungen mit erhöh-ten Risiken zusätzliche Abklärungen vorzunehmen.160

156 Neu erhalten die FINMA sowie die Eidgenössische Spielbankenkommission diese Kompetenz, siehe Art. 17 und 18 Abs. 1 lit. e GwG.

157 EBK-GELDWÄSCHEREIBERICHT, S. 101.

158 EBK-GELDWÄSCHEREIBERICHT, S. 107, siehe hierzu auch BERICHTARBEITSGRUPPE 159 KYC.EBK-GELDWÄSCHEREIBERICHT, S. 101.

160 EBK-GELDWÄSCHEREIBERICHT, S. 101.