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2 Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305 ter StGB)

2.3 Die Pflicht zur Feststellung der Identität

Der Gesetzestext spricht lediglich von der Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten, die Pflicht zur Identifizierung des Vertrags-partners hingegen wird in keiner Weise erwähnt.490In der Botschaft macht der Gesetzgeber aber seine Absicht deutlich, dass sich die Pflicht natürlich auch auf den Vertragspartner bezieht.491 Ein Teil der Lehre sieht es als Widerspruch zum Legalitätsgrundsatz, eine solche Identifizierungspflicht des Vertragspartners in den Gesetzestext hineinzuinterpretieren.492Andere nehmen an, dass die Identifizierung des Vertragspartners ausgehend von Ziel und Zweck von Art. 305ter StGB klar auch von diesem erfasst ist.493 An dieser Stelle zwingend zu unterscheiden ist aber die Pflicht zur

Fest-487 SCHMID, Kommentar II, zu Art. 305terStGB N 38, und ACKERMANN, Kommentar, zu Art. 305bisStGB N 294.

488 Siehe zu Trusts ausführlich Kapitel 1.2 und 2.1.4 in Teil IV der vorliegenden Arbeit.

489 Allgemein in Art. 4 VSB und im Speziellen Rz. 43 und 44 VSB.

490 GRÜNINGER, S. 61, und EGGERTANNER, S. 276 f.

491 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1089.

492 GRÜNINGER, S. 61; EGGERTANNER, S. 277; CASSANI, Commentaire, zu Art. 305ter StGB N 17; TRECHSEL, zu Art. 305terStGB N 6.

493 PIETH, BK, zu Art. 305terStGB N 16; GRABER, StGB, S. 199 f.; ACKERMANN, Mo-ney Laundering, S. 112.

stellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten von der Identifizie-rungdes Vertragspartners.494

Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der wirtschaftlich Berechtigte mit dem Vertragspartner identisch ist – auch die VSB geht von dieser Vermutung aus.495Daher genügt in den meisten Fällen die korrekte Identi-fizierung des Vertragspartners, um der Sorgfaltspflicht gemäss Art. 305ter StGB nachzukommen. Ist der Vertragspartner jedoch nicht mit dem wirt-schaftlich Berechtigten identisch, gibt der Vertragspartner dies so zu er-kennen oder bestehen Zweifel daran, so muss der Finanzintermediär vom Vertragspartner eine Erklärung über die wirtschaftliche Berechtigung an den Vermögenswerten einholen. Die Identifizierung erfordert mindestens das schriftliche Festhalten des Vorgangs.496Die VSB legt den Banken die Verwendung des sogenanntenMusterformulars Aoder eines eigenen For-mulars mit entsprechendem Wortlaut nahe.497 Es genügt daher nicht, dass der Finanzintermediär zwar weiss oder vermutet, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, jedoch keinen entsprechenden Aktenvermerk vornimmt.498 Unerheblich ist aber in jedem Fall, ob der Finanzintermediär die involvier-ten Vermögenswerte für illegal oder legal erworben hält; in dieser Hin-sicht gilt die Identifizierungspflicht absolut und abstrakt.499

Die Feststellung und Erfassung des wirtschaftlich Berechtigten ist in Bezug auf die Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde rein auf-sichtsrechtlicher Natur und daher zivilrechtlich vollkommen bedeutungs-los. Die wirtschaftlich berechtigte Person ist nicht Vertragspartner der Bank und ohne eine diesbezügliche Vollmacht daher nicht berechtigt, über die Vermögenswerte (an denen sie wirtschaftlich berechtigt ist) zu verfü-gen oder Anweisunverfü-gen zu erteilen.500 Aufgrund des Schweizer Bankkun-dengeheimnisses sind dem wirtschaftlich Berechtigten sogar sämtliche

494 Siehe hierzu analog VSB-KOMMENTARzu Rz. 14.

495 Art. 3 Abs. 1 VSB: „Die Bank darf von der Vermutung ausgehen, dass der Ver-tragspartner mit dem wirtschaftlich Berechtigten identisch ist.“

496 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1089.

497 Rz. 30 f. VSB.

498 BGE 125 IV 139, E. 4.

499 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1090.

500 BGER4C.108/2002, E. 3c aa; siehe auch BRÜHWILER/HEIM, Anmerkungen zu Art. 3 Abs. 1 VSB N 16.

Auskünfte über die Vermögenswerte oder auch nur deren Existenz zu verweigern.501Ausnahmen von dieser Regel kann es in Erbfällen geben502.

2.4 Das Melderecht in Art. 305

ter

Abs. 2 StGB

Das im Rahmen des zweiten Massnahmenpakets zur Bekämpfung der Geldwäscherei geschaffene Melderecht von Art. 305terAbs. 2 StGB503hat eigentlich mit der Verletzung der Identifizierungspflicht in Abs. 1 gar nichts zu tun. Da es sich aber an denselben Personenkreis richtet, wurde das Melderecht systematisch als zweiter Absatz angefügt.504

Mit der Einführung des Geldwäschereitatbestandes von Art. 305bis StGB ergab sich für den Bankmitarbeiter ein Dilemma: Gab es bei einer bestehenden Kundenbeziehung auf einmal Hinweise auf Geldwäscherei, konnte die Kundenbeziehung nicht weitergeführt werden, ein Abbruch hingegen konnte – insbesondere bei Barauszahlung der Vermögenswerte – den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllen. Bei einer Strafanzeige riskier-te der Bankmitarbeiriskier-ter einen Verstoss gegen die ihm auferlegriskier-te Geheim-haltungspflicht. Mit dem Melderecht in Abs. 2 wurde ein diesbezüglicher Rechtfertigungsgrund für die Durchbrechung beruflicher Geheimhal-tungspflichten im Sinne von Art. 14 StGB geschaffen und damit die Pflichtenkollision des Financiers gelöst.505

Das Melderecht verlor allerdings bald darauf mit der Einführung der Meldepflichtgemäss Art. 9 GwG wieder an Bedeutung: Art. 305terAbs. 2 StGB kommt nur noch dann zum Zug, wenn keine Meldepflicht gemäss Art. 9 GwG besteht, also etwa dann, wenn trotz ersten (unverbindlichen)

501 BGER4C.108/2002, E. 3c aa; BGER5A.638/2009, E. 4.1; siehe ferner auch BGE 100 II 200, E. 8.

502 Siehe hierzu Zirkular Nr. 7195 „Auskünfte der Banken in Erbschaftsfällen“ der SBVg vom 10.09.2002 sowie anstelle vieler MEIER-HAYOZ, ARTHUR/FORSTMOSER, PETER, Die Auskunftsrechte von Erben gegenüber Banken, in: Jusletter, 13.07.2010, oder BRUNNER, GENEVIÈVE, Der Tod des Bankkunden: Rechtsprobleme bei der Vererbung der Bankbeziehung aus schweizerischer Sicht, Diss. Universität St. Gal-len, 2011.

503 Siehe hierzu auch Kapitel 2.4.3 in Teil II der vorliegenden Arbeit.

504 STRATENWERTH/BOMMER, § 55 N 58.

505 PIETH, BK, zu Art. 305terStGB N 34.

Kontakten keine Geschäftsbeziehung zustande kommt, dennoch aber eine Geheimhaltungspflicht entstanden ist. Das Melderecht greift aber auch dann, wenn zwar Verdacht auf eine verbrecherische Herkunft der Vermö-genswerte besteht, dieser aber die Schwelle des begründeten Verdachts nicht erreicht hat.506 Wurden jedoch bereits Geschäftsbeziehungen aufge-nommen, so ist gemäss TRECHSEL entgegen dem Gesetzeswortlaut von einer „faktischen Meldepflicht“ auszugehen.507

Das Melderecht darf insbesondere auch nicht für andere Zwecke miss-braucht werden, etwa zur Auslösung von allgemeinen Suchaktionen oder zur Umgehung des Rechtsschutzes im Bereich der internationalen Rechts-hilfe.508

Im Berichtsjahr 2011 gingen bei der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) insgesamt 1625 Verdachtsmeldungen ein,509davon basierten 625 Meldungen – also mehr als 38% – auf dem Melderecht. Dies erscheint zwar verhältnismässig hoch und stellt auch einen seit 2009 sprunghaften Anstieg dar, was aber mit der damaligen Revision des Geldwäschereige-setzes und der Einschränkung, Verdachtsmeldungen gemäss Art. 305ter Abs. 2 StGB ausschliesslich an die Meldestelle zu richten, zusammen-hängt.510Im Berichtsjahr 2010 hat sich die hohe Anzahl

Melderechtsmel-506 STRATENWERTH/WOHLERS, zu Art. 305terStGB N 6.

507 TRECHSEL, zu Art. 305ter StGB N 15, mit weiteren Verweisen, unter anderem CASSANI, Commentaire, zu Art. 305ter StGB N 28 f., ferner STRATENWERTH/BOMMER, § 55 N 59 f.; anderer Meinung ist PIETH, BK, zu Art.

305terStGB N 42, er ist der Meinung, dass der Einzugsbereich des Melderechts un-terschätzt wird.

508 TRECHSEL, zu Art. 305terStGB N 14, siehe auch CHAPUIS, ZStrR, S. 265 ff.

509 Die Schweiz wurde bereits mehrmals unter anderem von der FATF kritisiert, dass daselbst Schweiz insgesamt verhältnismässig wenig Meldungen (sowohl basierend auf dem Melderecht als auch auf der Meldepflicht) gemacht würden. Dabei wird leider nicht berücksichtigt, dass die Schweiz ein Modell gewählt hat, in dem die Meldepflicht „bei begründetem Verdacht“ ausgelöst wird und nicht etwa lediglich aufgrund verdächtiger Transaktionen, eines unqualifizierten Verdachts oder gar auf-grund blosser Transaktionsbeträge, wie dies in den meisten ausländischen Staaten der Fall ist. Dadurch erfolgen zwar weniger Meldungen an die MROS, dafür ist die Qualität der Meldungen in der Schweiz bedeutend besser, was die hohe Weiterlei-tungsquote an die Strafuntersuchungsbehörden von 86,5% aufzeigt; „die Effizienz und Wirksamkeit eines nationalen Geldwäschereidispositivs darf daher nicht einsei-tig vom Meldevolumen abgeleitet werden“, MROS-JAHRESBERICHT2010, S. 14, Ziff. 2.1.5.

510 MROS-JAHRESBERICHT2011, S. 9.

dungen zudem dadurch relativiert, dass in diese Berichtsperiode zwei grosse Fallkomplexe fielen, welche zu insgesamt 144 Verdachtsmeldun-gen als MelderechtsmeldunVerdachtsmeldun-gen gemäss Art. 305terAbs. 2 StGB führten.511 Im Vergleich dazu hat sich der Anteil der Meldepflichtmeldungen im Jahr 2011 bereits wieder erhöht.