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1 Geldwäscherei (Art. 305 bis StGB)

1.1 Ein abstraktes Gefährdungsdelikt

Der Tatbestand ist als abstraktes Gefährdungsdelikt mit vorverlagertem Rechtsgüterschutz ausgestaltet. Anders als bei Erfolgsdelikten ist bei ab-strakten Gefährdungsdelikten wie der Geldwäscherei bereits die Gefähr-dung des geschützten Rechtsgutes strafbar. Dies aus dem Grund, dass der Nachweis der effektiven Vereitelung von Herkunftsermittlung, Auffin-dung oder Einziehung in jedem Einzelfall die Beweisanforderungen viel zu hoch stecken würde.297 Die abstrakte Eignung reicht bereits aus, um den Tatbestand zu erfüllen.298Obwohl es sich aber als abstraktes Gefähr-dungsdelikt hier um ein Tätigkeitsdelikt handelt, werden die möglichen Tathandlungen nicht explizit aufgelistet, sondern es kommen alle

Hand-295 TRECHSEL, zu Art. 305bisStGB N 1.

296 BGE 124 IV 274, E. 2.

297 In diesem Sinne auch EGGERTANNER, S. 121.

298 Dies ist auch aus dem Umstand zu folgern, dass der Gesetzgeber mit dem Einbezug der Alternativen der Ermittlung und Auffindung lediglich klarstellen wollte, dass bereits abstrakte Gefährdungen im Vorfeld der eigentlichen Einziehung ausreichen können (siehe DONATSCH/WOHLERS, S. 400).

lungen in Frage, die „geeignet“ sind, die Ermittlung der Herkunft, die Auf-findung oder die Einziehung zu vereiteln; die Lehre spricht von einem sogenannten Eignungsdeliktoder einemabstrakt-konkreten Gefährdungs-delikt.299 Der Gesetzgeber fordert die Rechtsprechung auf, Fallgruppen von typischen Vereitelungshandlungen zu entwickeln.300 Umstritten ist, wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen von einer „Eig-nung“ in diesem Sinne auszugehen ist, was zu Kritik hinsichtlich der Ver-einbarkeit der Norm mit dem Bestimmtheitsgebot geführt hat.301Das Bun-desgericht argumentiert diesbezüglich, dass das Gesetz lediglich so präzise formuliert sein müsse, dass der Bürger sein Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens erkennen könne, mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit. Das Bundesgericht stellte daher in einem Entscheid aus dem Jahre 1993 fest, dass Ziffer 1 des Art. 305bisStGB diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt.302

1.1.1 Erfüllung des Tatbestands der Geldwäscherei durch Unterlassung

Neben der aktiven Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen kann das Delikt der Geldwäscherei gemäss Art. 305bis StGB i.V.m. Art. 11 StGB auch durch Unterlassung begangen werden im Sinne eines unechten Un-terlassungsdelikts.303 Für ein solches unechtes Unterlassungsdelikt muss aber das Vorhandensein einer Garantenstellung und damit eine Rechts-pflicht zum Handeln bejaht werden können.304 Es wird mit anderen Wor-ten eine qualifizierte Handlungspflicht vorausgesetzt, wodurch der Han-delnde aufgrund seiner besonderen Rechtsstellung in gesteigertem Mass

299 EGGERTANNER, S. 121; ACKERMANN, Money Laundering, S. 257;DERS., zu Art.

305bisStGB N 246; zum selben Schluss kommt GRABER, StGB, S. 133 ff.

300 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1083.

301 Siehe DECAPITANI, SJZ, S. 98; STRATENWERTH/BOMMER, § 55 N 31; TRECHSEL, zu Art. 305bisStGB N 17; GUGGISBERG, S. 57.

302 BGE 119 IV 242, E. 1c.

303 Art. 11 StGB.

304 Art. 11 Abs. 2 StGB; BOTSCHAFT STGB 1989, S. 1083; KUNZ, S. 3; BGER

6B.908/2009, E. 6.2; siehe auch ausführend TRECHSEL/JEAN-RICHARD, zu Art. 11 StGB N 7 ff., sowie FLACHSMANN, Fahrlässigkeit und Unterlassung, S. 29 ff.

für das Rechtsgut mitverantwortlich ist.305Da gemäss Art. 11 Abs. 3 StGB jemand, der pflichtwidrig untätig bleibt, wegen Unterlassung nur strafbar ist, wenn derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte (Vorwurfsidentität), muss die Unter-lassung hinsichtlich Art. 305bisStGB zudem geeignet sein, die Einziehung der Vermögenswerte zumindest abstrakt zu vereiteln.306 Eine konkrete Handlung wird demnach nicht vorgenommen, obwohl der Täter sie tat-sächlich hätte vornehmen können und damit der Erfolg hätte abgewendet werden können; beispielsweise die Nichtsperrung von Vermögenswerten, die daraufhin bar abgehoben und versteckt werden.307Da es sich nicht um ein Sonderdelikt handelt und somit grundsätzlich jeder eine Garantenstel-lung innehaben könnte, ist die Vorwurfsidentität308zur Einschränkung der Strafbarkeit erforderlich, damit nicht jeder wegen Unterlassung bestraft werden kann. Diese Einschränkung kann aber auch über den subjektiven Tatbestand erfolgen.309 Auf einen eingetretenen Erfolg kommt es aller-dings bei der Geldwäscherei als Untätigkeitsdelikt nicht an.310

Die Artikel 3–10 GwG verlangen von den Finanzintermediären eine Zusammenarbeit mit den Behörden, damit die deliktisch erlangten Ver-mögenswerte eingezogen werden können. Dieses besondere rechtliche Verhältnis zum Staat begründet eine Garantenstellung der Finanzinterme-diäre.311 Für Bankmitarbeiter im Speziellen gehen die meisten Lehrmei-nungen jedoch von keiner Garantenpflicht aus; hier seien lediglich die Überwachungspflichten gegenüber den Untergebenen zu beachten.312 An-derer Meinung ist dagegen ACKERMANN, der zwar beipflichtet, dass allein aus der Stellung der Führungskraft noch keine Garantenpflicht begründet werden könne, die Geldwäscherei jedoch offensichtlich zur „gesteigerten

305 STRATENWERTH, AT, § 14 N 14.

306 ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S. 141.

307 ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S. 146.

308 Also die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun, siehe hierzu ACKER

-MANN, Unterlassungsrisiken, S. 140.

309 Zum subjektiven Tatbestand siehe TRECHSEL/JEAN-RICHARD, zu Art. 11 StGB N 20 ff., sowie FLACHSMANN, Fahrlässigkeit und Unterlassung, S. 72 f.

310 ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S. 150.

311 ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S. 147.

312 TRECHSEL, zu Art. 305bis StGB N 19; SCHMID, Anwendungsfragen, S. 120;

CASSANI, zu Art. 305bisStGB N 43; ACKERMANN, Money Laundering, S. 265.

typischen Betriebsgefahr“ einer Bank gehöre; daher sei es auch in demsel-ben gesteigerten Masse Aufgabe der Bank, Geldwäschereihandlungen ihrer Mitarbeiter zu verhindern, weshalb auch im Geschäftstätigkeitsbe-reich einer Bank eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Geldwäsche-rei zu bejahen sei.313 So ist gemäss ACKERMANNeine personelle Erweite-rung der Garantenstellung von ausschliesslich der juristischen Person auch auf natürliche Personen möglich.314 Dementsprechend entschied auch das Bundesgericht in seinem Leitentscheid, als es festhielt, dass der involvier-te Bankdirektor die Sinvolvier-tellung eines Garaninvolvier-ten gehabt hatinvolvier-te.315

Weiter stellt sich die Frage, ob das Unterlassen der Geldwäschereimel-dung nach Art. 9 GwG zu einer qualifizierten Handlungspflicht und damit zu einer Bestrafung wegen Geldwäscherei durch Unterlassung führen kann. Da die Meldepflicht aber keinen wesentlichen Bestandteil der Be-rufspflicht eines Bankangestellten darstellt – was zu einem verlängerten Arm der Strafverfolgungsbehörden führen würde –, kann dieser gemäss EGGERTANNER auch nicht in gesteigertem Masse für das Rechtsgut der Rechtspflege verantwortlich gemacht werden, und daher ist die Erfüllung des Geldwäschereitatbestandes durch Unterlassung nicht möglich.316 Im Rahmen des bereits vorgängig erwähnten Leitentscheids sieht das Bun-desgericht jedoch auch die Meldepflicht als Garantenpflicht.317

Da bereits bei der aktiven Erfüllung des Geldwäschereitatbestandes Unsicherheiten bestehen in Bezug auf die Frage, welche Handlungen als geeignet gelten, die Einziehung der Vermögenswerte zu vereiteln,318 sind diese Unsicherheiten bei der Unterlassung noch umso grösser.319 Unklar ist insbesondere, wie weit die geforderte besondere Rechtspflicht geht und wo die Grenzen liegen – nicht unberechtigt ist gemäss ACKERMANNhier der Einwand, Finanzintermediäre würden via Unterlassungsstrafbarkeit zu

313 ACKERMANN, Kommentar, zu Art. 305bisStGB N 103.

314 ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S. 148.

315 BGE 136 IV 188, siehe hierzu ausführlicher Kapitel 1.3.5 in Teil V der vorliegen-den Arbeit.

316 EGGERTANNER, S. 136 ff.; so auch GRABER, StGB, S. 137; SCHMID, Anwendungs-fragen, S. 120.

317 BGE 136 IV 188, E. 6.3.4, siehe hierzu auch ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S.

318 150.Siehe hierzu Kapitel 1.3 in Teil III der vorliegenden Arbeit.

319 ACKERMANN, Unterlassungsrisiken, S. 143.

„Hilfssheriffs“ erzogen.320 Diese Unsicherheiten bestehen nicht zuletzt deshalb, weil Art. 11 StGB nur schwache Kriterien betreffend Täterkreis, Garantenpflicht, Tatmacht, Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen sowie Zumutbarkeit enthält. Je mehr Abwägung die Normen zulassen – was beim risikobasierten Ansatz in der Geldwäschereiregulierung der Fall ist –, desto unbestimmter und damit auch strafrechtlich problematischer sind sie, weshalb mit der Unterlassungsstrafbarkeit eher restriktiv umge-gangen werden soll.321