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2 Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305 ter StGB)

2.2 Der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten

Sofern der wirtschaftlich Berechtigte an den Vermögenswerten nicht mit dem Vertragspartner identisch ist, muss gemäss Art. 305ter StGB dessen Identität festgestellt werden. Diese Pflicht erfolgt vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber – und auch die internationalen Gremien wie etwa die FATF – den wirtschaftlich Berechtigten als „wahren Geschäftspartner“

sieht.458 Dabei handelt es sich beim wirtschaftlich Berechtigten um dieje-nige Person, welche letztendlich über die Vermögenswerte verfügen kann und daher dem Vertragspartner des Finanzintermediärs Weisungen bezüg-lich dieser Werte erteilen kann; der wirtschaftbezüg-lich Berechtigte hat den Nutzen an den Geldern und kann faktisch über sie bestimmen.459 Für die Zuordnung der Vermögenswerte ist also auf wirtschaftliche Gesichtspunk-te abzusGesichtspunk-tellen, formaljuristische Konstruktionen sind nicht von Bedeu-tung.460 Dieser Begriff des wirtschaftlich Berechtigten in der Strafnorm wurde der VSB entnommen461und wurde somit von den Banken selbst als verbindlich angesehen.462 Daher sind die VSB sowie die Praxis der Auf-sichtskommission463 bei der Auslegung sinngemäss beizuziehen.464 Die

457 SCHMID, Kommentar II, zu Art. 305terStGB N 195.

458 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1089.

459 GRÜNINGER, S. 59.

460 BGE 125 IV 139, E. 3c.

461 Wobei in Art. 3 der damals geltenden VSB 77 noch der Begriff „wahrer Berechtig-ter“ und die Bezeichnung „wirtschaftlich BerechtigBerechtig-ter“ erst seit der VSB82 verwen-det wurde.

462 PIETH, BK, zu Art. 305terStGB N 15.

463 Die Einhaltung der VSB wird von einer aus fünf unabhängigen Personen bestehen-den und von der SBVg auf fünf Jahre gewählten Aufsichtskommission überwacht.

Sie gewährt den Banken periodisch Einblick in ihre Entscheidungspraxis in Form von Tätigkeitsberichten.

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Aufsichtskommission sieht es als eine ihr auferlegte Aufgabe an, den Be-griff des wirtschaftlich Berechtigten zu konkretisieren. Dieser Auffassung ist jedoch nur insoweit zu folgen, dass die Aufsichtskommission zwar für Einzelfallbeurteilungen zuständig ist, wertvolle Hinweise zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt und massgeblich zur Rechtsentwicklung bei-trägt, hingegen können aber Einzelfallbeurteilungen nicht ohne weiteres als generelle Handlungsmaximen auf den ganzen Finanzsektor ausgewei-tet werden. Da der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten in Art. 305ter StGB erwähnt wird, wobei diese Strafnorm auf alle anwendbar ist, die berufsmässig fremde Vermögenswerte annehmen, aufbewahren, anlegen oder übertragen helfen, wohingegen die VSB nur für Banken gilt, verfügt die Aufsichtskommission daher nicht über die Kompetenz für eine finanz-sektorweite Begriffsdefinition. Nicht zielführend wäre es auch, über die Aufsichtskommission eine andere Definition des wirtschaftlich Berechtig-ten für Banken als für den Rest des Finanzsektors schaffen zu lassen. Die Problematik der fehlenden Begriffsdefinition des wirtschaftlich Berechtig-ten auf regulatorischer Ebene wird an anderer Stelle zu lösen sein; bis da-hin ist auf die zahlreichen Definitionen in Kommentaren465, Gerichtsent-scheiden466sowie Schriften und Arbeiten467oder Definitionen auf interna-tionaler Ebene468 zu verweisen, welche in der Praxis beigezogen werden können.

Die wirtschaftliche Berechtigung an Vermögenswerten zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Person des wirtschaftlich Berechtigten zwar den Nutzen an den Vermögenswerten hat und faktisch über sie be-stimmen kann, sie gibt aber die faktische Verfügungsmacht und damit die Kontrolle über sie an eine andere Person ab. Sucht man eine solche

recht-464 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1089.

465 WYSS, zu Art. 4 Abs. 1 GwG N 2; BRÜHWILER/HEIM, Anmerkungen zu Art. 3 Abs.

1 VSB N 10.

466 BGE 125 IV 139, E. 3c

467 Wie etwa „Der wirtschaftlich Berechtigte im Sinne der Vereinbarung über die Stan-desregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB)“ von CLAUDIAGEIGER.

468 Definition der FATF in ihrem „Glossary to the 40 Recommendations“, zu finden unter http://www.fatf-gafi.org/pages/glossary/ (zuletzt besucht am 08.12.2012); zum Vergleich kann auch die Definition in Art. 3 Ziff. 6 der Geldwäschereirichtlinie der EU oder in Art. 2 Abs. 1 lit. e des liechtensteinischen Sorgfaltspflichtgesetzes (SPG) herangezogen werden.

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liche Konstellation im Obligationenrecht, so ist die wirtschaftliche Be-rechtigung an Vermögenswerten am ehesten einem Treuhandverhältnis gleichzusetzen. Der Treuhänder verwaltet dabei das Treugut in seinem eigenen Namen, aber nach den Weisungen und damit auch auf Rechnung und Gefahr des Treugebers. Dies im Gegensatz zu einem Darlehen, bei welchem der Darleiher das Eigentum an den Vermögenswerten auf den Darlehensnehmer überträgt, welcher sich im Gegenzug zur Rückerstattung von Sachen der nämlichen Art und in gleicher Menge und Güte verpflich-tet. Wirtschaftlich berechtigt an einem Darlehen ist in der Regel der Dar-lehensnehmer. Am zutreffendsten ist daher der Vergleich der wirtschaftli-chen Berechtigung mit einem Treuhandverhältnis.

Da sich die Geldwäscher früher oder später der Finanzinstitute bedie-nen müssen, um die Vermögenswerte nicht nur zu waschen, sondern auch wieder zu investieren, ist ein seriöses Identifizierungsverfahren ein ent-scheidender Grundstein für ein taugliches Konzept zur Geldwäschereiprä-vention.469 Zudem ist die strikte Reglementierung der Identifizierung des Vertragspartners sowie des wirtschaftlich Berechtigten im Alltagsgeschäft der Finanzbranche durchsetzbar, wohingegen es praktisch unmöglich wä-re, von den komplexen Geschäften und Strukturen des Kunden auf das delinquente Grundgeschäft zu schliessen.470

Das Ziel der Identifizierungspflicht ist es, den Durchgriff durch schein-bare und formale Verfügungsverhältnisse und -konstrukte auf die tatsäch-liche wirtschafttatsäch-liche Zugehörigkeit zu erlauben.471Dies soll Missbräuchen vorbeugen und die anonyme Geldanlage weitgehend verunmöglichen.472 Denn um aus einem Verbrechen stammende Vermögenswerte zu waschen, wird der Geldwäscher in der ersten Phase, dem placement473, häufig auf einen Strohmann zurückgreifen, der eine Art Schutzschild gegenüber dem Finanzinstitut darstellen soll,474 um selbst nicht in Erscheinung treten zu

469 PIETH, in TRECHSEL, S. 22 f.

470 PIETH, in TRECHSEL, S. 22.

471 BOTSCHAFTSTGB 1989, S. 1089.

472 ACKERMANN, Money Laundering, S. 27.

473 Siehe hierzu Kapitel 1.1 in Teil II der vorliegenden Arbeit.

474 BERNASCONI, Finanzunterwelt, S. 32.

müssen – dabei kann dieser Strohmann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein.475

Aufgrund ihrer Konstruktion und ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit können juristische Personen verhältnismässig einfach zu dem Zweck missbraucht werden, die Identität der natürlichen Personen, welche im Hintergrund stehen, zu verschleiern. Dies gilt vor allem in Ländern, in denen keine Eintragungspflicht in ein öffentliches Register besteht oder die einzutragenden Tatsachen keine Informationen über die natürlichen Personen enthalten, welche an der juristischen Person wirtschaftlich be-rechtigt sind. Die Kontrollen in diesen Ländern durch die Behörden fehlen meist gänzlich oder sind auf ein Minimum reduziert.476Massgebend sind dabei insbesondere die schwachen oder gar fehlenden Regelungen zum Stammkapital, zu den Gründern sowie den Auflösungsgründen und den vorgeschriebenen Buchführungspflichten.477 Um gegen aussen nicht in Erscheinung treten zu müssen, werden Fremde – die Strohmänner – als Gesellschafter eingesetzt, weshalb sich Geldwäscher und Strohmänner häufig Länder als Domizilstaaten aussuchen, in denen die rechtliche Or-ganverantwortlichkeit tief angesetzt ist.478 Für Transaktionen im Zusam-menhang mit Geldwäscherei werden deshalb vornehmlich Handelsgesell-schaften mit Sitz in den einschlägig bekannten Offshore-Zentren gegrün-det.479 Die Zwischenschaltung von Gesellschaften scheint den Geldwä-schern ausserdem den zusätzlichen Vorteil zu bieten, dass bei der Straf-rechtsverfolgung die Rechtshilfe je nach Land erheblich erschwert wird.480 In den sogenannten Frontbetrieben werden die deliktisch erlangten Gelder mit den Einkünften des legalen Betriebs vermengt. Diese Vermö-genswerte werden dann als Geschäftsumsatz bei einem Finanzinstitut an-gelegt. Da es sich um grössere Betriebe handelt, die meist im Bargeschäft tätig sind, wirken selbst Einlagen im grossen Umfang für das Finanzinsti-tut nicht verdächtig. Durch den Betrieb kann zudem regelmässig legales

475 GRÜNINGER, S. 60.

476 BERNASCONI, Finanzunterwelt, S. 33.

477 ACKERMANN, Money Laundering, S. 62.

478 ACKERMANN, Money Laundering, S. 62.

479 GRABER, StGB, S. 63.

480 PIETH, in TRECHSEL, S. 17.

Einkommen erworben werden, dies sogar – durch Anrechnung fiktiver Kosten – mit erheblichen Steuerersparnissen.481

Neben dem Missbrauch von tatsächlich existierenden Frontbetrieben oder Parabanken482 werden auch Scheingesellschaften, sogenannte shell corporations, gegründet. Diese Sitz- oder Domizilgesellschaften haben keine oder nur eine sehr geringe Geschäftstätigkeit und dienen der Ab-wicklung fiktiver Geldflüsse. Buchungsmässig werden die Vermögens-werte zwar durch die Gesellschaft geleitet, faktisch aber fliessen sie vom Verbrechen direkt in den legalen Finanzmarkt.483

Ein Front- oder Scheinbetrieb kann auf unterschiedlichste Methoden zur Geldwäscherei benützt werden.484 Die Sitzgesellschaft darf aber auf-grund ihrer gelegentlichen Verwendung als Verschleierungsinstrument nicht an sich als zu verpönende Gesellschaftsform angesehen werden. Tat-sache ist, dass sie besondere Probleme bei der Feststellung des wirtschaft-lich Berechtigten aufwirft.485 Ebensolche Schwierigkeiten können bei der Zwischenschaltung eines Berufsgeheimnisträgers wie etwa eines Anwaltes entstehen.486 Für den Bankangestellten ist von Bedeutung, dass das Vor-liegen eines solchen Strohmannverhältnisses, auf welches er im Rahmen der Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten aufmerksam geworden ist,

481 ACKERMANN, Money Laundering, S. 27 f.

482 Parabanken sind Institute, die bankenähnliche Dienstleistungen anbieten, aber über keine Banklizenz verfügen und daher auch nicht den Aufsichtsbehörden unterstellt sind (beispielsweise Vermögensverwaltung, Kreditvermittlung, Wechselstuben, Kreditkartenunternehmen, Anlagegesellschaften, Broker, Money Transmitter etc.).

483 ACKERMANN, Money Laundering, S. 30 f.

484 Siehe hierzu ausführlich ACKERMANN, Money Laundering, S. 8 ff., zu den Hand-lungsmodellen sowie BERICHTGELDWÄSCHEREIURTEILE, S. 9 ff.

485 BERICHT ORGANISIERTESVERBRECHEN, S. 60; daher auch der Spezialartikel 4 in der VSB, welcher zusätzlich zu Art. 3 VSB das Verfahren zur Feststellung des wirt-schaftlich Berechtigten explizit bei Sitzgesellschaften regelt; die vielfältigen Kon-struktionsmöglichkeiten von Sitzgesellschaften als juristische Personen, Gesell-schaften, Anstalten, Stiftungen, Trusts bzw. Treuhandunternehmungen sowie ähnli-che Verbindungen und die diversen Variationen innerhalb dieser Konstrukte (Ver-folgung gemeinnütziger Zwecke, Holdinggesellschaften, Vermögenswerte ohne wirtschaftliche Berechtigung bestimmter Personen, widerrufbare Konstruktionen usw.) führen zu Definitionsschwierigkeiten, welche Personen überhaupt als wirt-schaftlich Berechtigte gelten.

486 BERICHT ORGANISIERTESVERBRECHEN, S. 60.

als verdächtig gelten könnte und eventuell Hinweis auf eine Geldwä-schereihandlung sein kann.487

Aber auch weitere Vehikel, welche nicht juristische Personen sind, stel-len verselbständigtes Vermögen dar, so etwa Privatstiftungen oder angel-sächsische Trusts488. Dadurch stellen sich auch hier einige Probleme bei der Identifizierung des Vertragspartners und insbesondere bei der Feststel-lung des wirtschaftlich Berechtigten. Diese Probleme wurden aber erkannt und in Form der Selbstregulierung detailliert geregelt.489 Davon zu unter-scheiden sind Konstrukte wie Pseudonym- und Nummernkonten, bei wel-chen der Vertragspartner zwar nicht anonym bleibt, aber im Gegensatz zum Kunden mit einer Namensbeziehung nur einem sehr eingeschränkten Teil der Bankmitarbeiter bekannt ist.