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B. Der allgemeine Gleichheitssatz in den Rechtsordnungen ausgewählter

III. Der allgemeine Gleichheitssatz in Spanien

4. Die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung

Nach der Feststellung einer Ungleichbehandlung prüft das Verfassungsgericht, ob diese gerechtfertigt, dass heißt, ob diese objektiv, sachlich und verhältnismäßig ist.339

333 Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 151.

334 Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 93.

335 Übersetzung nach Riechert, Der Gleichheitssatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sprachengleichheit, S. 85 unter Verweis auf STC 22/1981 vom 2. Juli 1981, F. J.

3.; STC 23/1984 vom 20. Februar 1984, F. J. 6; 93/1984 vom 16. Oktober 1984, F. J. 1; 6/1984 vom 24. Januar 1984, F. J. 2; 75/1983 vom 3. August 1983, F. J. 2; 78/1984 vom 9. Juli 1984, F. J. 2;

20/1985 vom 14. Februar, F. J. 2; 72/1985 vom 13. Juni 1985; 26/1985 vom 22. Februar.

336 STC 34/81/3 B.; Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 98.

337 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 86.

338 Romanski, Sozialstaatlichkeit und soziale Grundrechte im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in der spanischen Verfassung, S.147.

339 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 88.

a. Objektivität einer Ungleichbehandlung

Eine differenzierende Regelung muss zunächst objektiv sein. Objektivität meint in diesem Zusammenhang, dass das Ziel einer Regelung den verfassungsrechtlichen Wertungen und Prinzipien entsprechen muss.340 Als solche kommen etwa die spe-ziellen Differenzierungsverbote und -gebote z. B. des Art. 14 CE oder Gleichheitsge-bote wie Art. 23 Abs. 2 CE341 in Betracht. Diese verfassungsrechtlichen Prinzipien und Wertentscheidungen sind um so enger zu beachten, je grundlegender und ein-schneidender die jeweilige Regelung in ihren Auswirkungen ist.342 Dabei können Konstellationen auftreten, in denen ein Verfassungsprinzip für und ein anderes ge-gen eine differenzierende Regelung spricht. In einem solchen Falle ist der Gesetzge-ber gehalten, einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Sinne einer prakti-schen Konkordanz herzustellen.343 Diese Orientierung an Wertentscheidungen der Verfassung und die damit verbundene Einbindung des allgemeinen Gleichheitssat-zes in ein Geflecht verfassungsrechtlicher Vorgaben führt dazu, dass die Rechtspre-chung regelmäßig stark sachbereichsbezogen ist und auf die Besonderheiten des Einzelfalles besonderes Augenmerk legt. Dabei kommt den Entscheidungen des Ver-fassungsgerichts als Präjudizien durchaus eine Richtigkeitsvermutung, auch über die Einzelentscheidung hinaus, zu. Dennoch sind sie regelmäßig einzelfallorientiert und müssen sachbereichsbezogen verstanden werden. Trotz dieser grundsätzlichen Aus-richtung der spanischen Gleichheitsrechtsprechung auf den jeweiligen Einzelfall hat die Rechtslehre in Spanien unter Anwendung verschiedener Auslegungsmittel den dargestellten allgemeinen Prüfungskanon des allgemeinen Gleichheitssatzes her-ausgearbeitet.344

340 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 95, 101.

341 „Ebenso haben sie [die Bürger] das Recht auf Zugang zu öffentlichen Funktionen und Ämtern unter den Bedingungen der Gleichheit und gemäß den gesetzlichen Bestimmungen.“ Weitere verfassungs-rechtliche Vorgaben für die Beurteilung der Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen finden sich z.B. in Art. 32 Abs. 1 CE („Mann und Frau haben das Recht, bei voller rechtlicher Gleichstellung die Ehe zu schließen“) oder Art. 139 Abs. 1 CE („Alle Spanier haben im gesamten Staatsgebiet die gleichen Rechte und Pflichten“).

342 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 101.

343 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 104f.

344 Siehe zu dem Zusammenspiel von Gleichheitssatz und Grundwerten der Verfassung und dessen Auswirkungen auf die Gleichheitsprüfung des Verfassungsgerichts Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sprachengleichheit, S. 101ff.

b. Sachlichkeit einer Ungleichbehandlung

In einem weiteren Schritt prüft das spanische Verfassungsgericht, ob eine differen-zierende Regelung sachlich ist. Erforderlich ist hierbei, dass zwischen dem Ziel der Regelung und der darin angeordneten Differenzierung eine rationale Verbindung im Sinne einer inneren Regelungslogik besteht.345 Die Differenzierung muss dabei zu-nächst überhaupt geeignet sein, dass damit verfolgte Ziel zu erreichen.346 Insofern hat die Prüfungsstufe der Sachlichkeit nach spanischem Verständnis Ähnlichkeit mit der Prüfung der Geeignetheit einer Maßnahme im Rahmen einer Verhältnismäßig-keitsprüfung. Dabei prüft das Verfassungsgericht aber nicht, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste Lösung gefunden hat. Umgekehrt ist eine Regelung aber dann gleichheitswidrig, wenn sie sich auf - im Verhältnis zum Ziel der Maßnahme - irrele-vante Unterscheidungsmerkmale stützt.347

Im Rahmen der Sachlichkeit einer Regelung prüft das Verfassungsgericht auch, ob diese sich in vorgegebene rechtliche Strukturen einordnet, also folgerichtig ist.348 Maßgeblich ist, ob sich die zu beurteilende Regelung logisch in ein Teilrechtsgebiet und in die Gesamtrechtsordnung einordnen lassen, die Maßnahme muss demnach auf ihr rechtliches Umfeld abgestimmt sein.349 Dabei erwähnt das Verfassungsgericht die Folgerichtigkeit einer Regelung und die rationale Verbindung von Differenzierung und Regelungsziel nicht explizit als gesonderte Prüfungsmerkmale, aus den Urteils-begründungen ergibt sich jedoch der Umfang der Prüfung anhand der genannten Kriterien.

c. Verhältnismäßigkeit einer Ungleichbehandlung

Schließlich prüft das Verfassungsgericht, ob die vorgenommene Differenzierung in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Zweck steht, also

345 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 114f.

346 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 115.

347 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 115.

348 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 120.

349 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 120.

mäßig ist. Insoweit führt das Verfassungsgericht aus, „dass das Vorliegen dieser Rechtfertigung im Hinblick auf Ziel und Wirkung der zu berücksichtigenden Maßnah-me gewürdigt werden muss, wobei sich eine vernünftige Verhältnismäßigkeit zwi-schen angewandten Mitteln und angestrebtem Ziel zu ergeben hat“350. Allerdings unterscheidet sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung in Teilen von der in der deut-schen Rechtslehre bekannten Einteilung nach den Prüfungsstufen Geeignetheit, Er-forderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

Wie bereits angedeutet, findet sich die Feststellung, ob eine Regelung überhaupt geeignet ist, ein angestrebtes Ziel zu erreichen, bereits bei der Prüfung der Sachlich-keit der Maßnahme durch das spanische Verfassungsgericht. Das Kriterium der Er-forderlichkeit wiederum ist im spanischen Recht ebenfalls im Sinne der Bindung an das mildeste Mittel anerkannt.351 Allerdings wird die Frage der Erforderlichkeit nicht ausdrücklich als Teilelement der Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgefasst, sondern wird als eigenständiges Kontrollinstrument in der gesamten Rechtsordnung verstan-den, unabhängig von einer Anbindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip nach spanischem Verständnis konzentriert sich damit auf die Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und damit auf die Beurteilung der Beziehung zwischen dem Mittel der Differenzierung und dem Zweck der Rege-lung.352 Das Mittel muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen, d. h. der Zweck muss die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme rechtfertigen können. Allerdings fragt das Verfassungsgericht dabei nicht, ob der Ge-setzgeber die bestmögliche Regelung getroffen hat. Hier achtet das Gericht die Ein-schätzungsprärogative des Gesetzgebers. Das Verfassungsgericht beschränkt sich auf die Feststellung, ob eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, oder ob sie man-gels ausreichender Rechtfertigung als gleichheitswidrig einzustufen ist. Dabei stellt das Verfassungsgericht maßgeblich darauf ab, ob sich für die Regelung ein „vernünf-tiges“ Differenzierungskriterium finden lässt.353 Damit ist es auf der einen Seite nicht ausreichend, dass für eine Ungleichbehandlung überhaupt irgendein Grund vorliegt,

350 STC 34/81/3 C; vergleiche Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 98.

351 Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksich-tigung der Sprachengleichheit, S. 129.

352 Siehe zu der gesamten Frage der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das spanischen Verfas-sungsgericht im Einzelnen Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sprachengleichheit, S. 128ff.

353 Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 99.

d. h. das Gericht begnügt sich nicht mit einer Evidenzkontrolle.354 Auf der anderen Seite werden aber auch nicht alle Einzelfragen der Differenzierung detailliert unter-sucht und einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterzogen. Damit kann im Er-gebnis von einer als Vertretbarkeitskontrolle ausgestalteten Verhältnismäßigkeitsprü-fung im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes gesprochen werden.355

Eine Verschärfung des Prüfungsmaßstabes ergibt sich aber dann, wenn differenzie-rende Regelungen unmittelbar solche Differenzierungskriterien betreffen, die nach Art. 14 CE als verboten einzustufen sind (Geschlecht, Rasse etc.). In diesen Fällen gilt ein strengerer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, da diese „Faktoren der Ungleichheit der Verfassungsgeber a priori für unzulässig gehalten hat, da sie im Wi-derspruch zur Würde des Menschen stehen […]“356.

Eine Verschärfung des Prüfungsmaßstabes nimmt das Verfassungsgericht zudem an, wenn neben dem allgemeinen Gleichheitssatz noch ein weiteres Grundrecht ver-letzt sein kann, wenn also neben einer Gleichheitsbeeinträchtigung noch ein Eingriff in den Schutzbereich eines weiteren Grundrechtes festzustellen ist. In einem solchen Fall prüft das Verfassungsgericht detailliert, ob für die vorgenommene Differenzie-rung, durch die zugleich in ein weiteres Grundrecht eingegriffen wird, eine objektive Rechtfertigung besteht.357 Dabei geht das Gericht davon aus, dass „das Erfordernis der Rechtfertigung umso strenger sein muss, wenn […] es sich ganz offensichtlich um die Ausnahme zur allgemeinen Regelung […] handelt“358.

Allerdings ist zu beachten, dass das Verfassungsgericht die Frage der Verhältnismä-ßigkeit einer Regelung - anders als die Kriterien der Objektivität und Sachlichkeit - im Rahmen der Gleichheitsprüfung nicht durchgängig berücksichtigt.359 Tendenziell lässt sich beobachten, dass das Verfassungsgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt, wenn der Gesetzgeber mit einer differenzierenden Regelung Ziele verfolgt,

354 Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 99.

355 Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 99.

356 STC 317/94/2, siehe auch Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 99, Fn. 74

357 Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzgebers, S. 104.

358 STC 72/94/5; siehe hierzu auch Grau, Der Tribunal Constitucional und die Kontrolle des Gesetzge-bers, S. 104.

359 Vergleiche hierzu Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter be-sonderer Berücksichtigung der Sprachengleichheit, S. 132ff., der sich ausführlich mit den Fallgruppen und den Gründen der unterschiedlichen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Gleichheitsprüfung beschäftigt.

die nicht in der Erreichung von größtmöglicher Gerechtigkeit zwischen den Ver-gleichsgruppen liegen, sondern unabhängig davon gesetzgeberische Grundent-scheidungen widerspiegeln, also sozusagen „extern“ sind. Auf der anderen Seite scheint das Verfassungsgericht im Rahmen der Gleichheitsprüfung den Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatz nicht zu prüfen, soweit eine Regelung der Herstellung größt-möglicher materieller Gerechtigkeit zwischen den Vergleichsgruppen dient, also eher

„internen“ Zwecken dient.360 Kennzeichnend für diese Fallgruppe ist, dass die Rege-lung ihre Rechtfertigung anhand eines Maßstabes (der jeweiligen sachbereichsbezo-genen Gerechtigkeit) herleitet, der sich seinerseits nicht weiter auf (noch) allgemeine-re Prinzipien zurückfühallgemeine-ren, also nicht im eigentlichen Sinne begründen lässt. Hieraus wird abgeleitet, dass das Verfassungsgericht in diesen Fällen eine Abwägung im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation nicht für möglich oder zumindest weiterführend ansieht, da diese den Vergleich zweier Rechtsgüter voraussetze, der Gedanke der Gerechtigkeit als jeder Rechtsordnung immanentem allgemeinem Strukturprinzip a-ber nicht Gegenstand einer konkreten Abwägung im Sinne des Verhältnismäßig-keitsgrundsatzes sein könne.361

5. Zusammenfassung

Die spanische Verfassung enthält in Art. 14 CE den allgemeinen Gleichheitssatz als formale Gleichheitsverbürgung, während Art. 9 Abs. 2 CE den Gleichheitssatz und Art. 9 Abs. 3 CE das Willkürverbot materiell gewährleisten. In der Auslegung und Anwendung des Art. 14 CE orientiert sich das spanische Verfassungsgericht im We-sentlichen an der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 14 EMRK362, obwohl Art. 14 CE - anders als Art. 14 EMRK - nicht als akzessorische Gleichheitsgewährung konzipiert

360 Das Verfassungsgericht nimmt diese Einteilung nicht explizit vor oder unterscheidet nach den vor-gestellten Fallgruppen, jedoch lässt sich der Rechtsprechung eine – wie dargestellt - differenzierende Strukturierung der Gleichheitsprüfung entnehmen, so das Ergebnis der Rechtsprechungsanalyse von Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichti-gung der Sprachengleichheit, S. 132ff.

361 So die Schlussfolgerung von Riechert, Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sprachengleichheit, S. 148ff. in Anlehnung an die bereits dar-gestellte Unterscheidung von Huster, Rechte und Ziele, S .164ff. nach internen und externen Zwe-cken, die mit einer Regelung verfolgt werden.

362 Stern, Die Grundrechte im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung des Königreichs Spanien – Einige vergleichende Bemerkungen, in: Fernández Segado, The Spanish constitution in the European constitutional context, S. 1773 (1791) sieht daneben Ähnlichkeiten der Gleichheitsprüfung durch das spanische Verfassungsgericht mit der Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts. Inhaltlich begründe die Rechtsprechung des Tribunal Constitucional zu Art. 14 CE ähnlich zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein allgemeines Willkürverbot.

ist. Diese Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR ist nicht zuletzt ursächlich dafür, dass in der spanischen Verfassungsrechtsprechung zum allgemeinen Gleich-heitssatz in bestimmten Fällen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt wird.

Dieser soll immer dann zu prüfen sein, wenn eine differenzierende Regelung der Verwirklichung „externer“ Ziele dient. Der Verhältnismäßigkeitgrundsatz umfasst nach spanischem Verständnis jedoch im Wesentlichen nur die Prüfung der Verhält-nismäßigkeit im engeren Sinne. Die Geeignetheit einer Maßnahme prüft das Verfas-sungsgericht bereits unter dem Prüfungsmerkmal der Sachlichkeit. Maßgeblich ist hierbei auch, ob eine Regelung sich folgerichtig in den bestehenden Regelungskon-text einfügt. Eine Regelung muss zudem auch nach spanischem Verständnis erfor-derlich sein, wobei diese Frage nicht als Teil der Verhältnismäßigkeitprüfung aufge-fasst wird, sondern als selbständiges allgemeines Rechtsprinzip. Daneben prüft das Verfassungsgericht, ob eine Regelung objektiv ist, d.h. ob sie sich an grundlegenden Wertentscheidungen der Verfassung orientiert und ob die Gründe und Ziele einer Regelung verfassungsrechtlich geboten und zugleich so beschaffen sind, dass sie die konkrete Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Soweit eine Regelung einem verfassungsrechtlichen Gebot folgt, ein anderes aber zugleich verletzt (etwa im Be-reich der Wirtschaftspolitik kann z. B. das Recht auf eine gesunde Umwelt gemäß Art. 45 CE in Widerspruch zu dem Interesse an einer intensiven Bodennutzung gera-ten), muss der Gesetzgeber nach dem Grundsatz der Objektivität einen angemes-senen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz herbeiführen. Grundsätzlich fragt das spanische Verfassungsgericht im Rahmen der Gleichheitsprüfung, ob sich für eine differenzierende Regelung ein „vernünftiger“ Grund finden lässt. Damit nimmt die spanische Verfassungsrechtsprechung in der Frage der Rechtfertigung von Un-gleichbehandlungen zunächst eine - sozusagen vermittelnde - Position ein, da sie auf der einen Seite nicht alleine im Sinne einer Evidenzkontrolle nur das Vorliegen irgendeines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung ausreichen lässt, auf der ande-ren Seite aber auch nicht in allen Fällen jedes Detail der gesetzgeberischen Ent-scheidung prüft und den strengen Voraussetzungen einer Verhältnismäßigkeitsprü-fung unterwirft. Verschärfte Rechtfertigungsanforderungen ergeben sich allerdings über den bereits genannten Bereich der „externen“ Regelungsziele dann, wenn ent-weder suspekte Differenzierungskriterien von der Maßnahme betroffen sind, oder wenn neben dem allgemeinen Gleichheitssatz zugleich in den Schutzbereich eines weiteren Grundrechtes eingegriffen wird.

Nicht zuletzt die dargestellte Orientierung an Wertungen und Grundentscheidungen der Verfassungsordnung führt dazu, dass die Rechtsprechung des spanischen Ver-fassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz eher einzellfallorientiert ist. Das Gericht wendet den allgemeinen Gleichheitssatz wegen seiner tatbestandlichen Of-fenheit und gleichzeitigen Eingebundenheit in die Wertungen der gesamten Verfas-sungsordnung sachbereichsbezogen an. Die in den einzelnen Entscheidungen ge-wonnenen Erkenntnisse werden als Präjudizien mit gewisser Richtigkeitsvermutung anerkannt, sie sind jedoch regelmäßig fallorientiert. Insgesamt zeigt sich, dass das spanische Verfassungsgericht eine ausdifferenzierte Dogmatik der Gleichheitsprü-fung anhand verschiedener Kriterien entwickelt hat. Auffallend ist zum einen die star-ke Orientierung an den Wertentscheidungen der Verfassungsordnung als Leitmotive differenzierender Regelungen und zum anderen die damit verbundene Einzelfallori-entierung und Sachbereichsbezogenheit der Gleichheitsprüfung.