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Die informelle Basis der Herrschaft Rachimovs

5. Politische Neugründung und institutioneller Wandel in

5.4 Konsolidierung des neuen Regimes

5.4.2 Die informelle Basis der Herrschaft Rachimovs

Anfang 1996, gut zwei Jahre nach seiner Wahl zum Präsidenten Baschkortostans, hatte Rachimov endgültig ein Gebäude politischer Institutionen errichtet, das nur auf den ersten Blick noch demokratisch erscheinen mochte. Bei genauerem Hin-sehen entpuppte es sich als eine Versicherung für die unangefochtene autoritäre Herrschaft einer Person und der von ihr abhängigen Machtelite. Phantasie beim

„constitutional engineering“ spielte eine wesentliche Rolle in der Architektur die-ses Gebäudes. Zusammengehalten wurde es jedoch durch ein stabiles Netzwerk informeller Strukturen, die bei Bedarf sicherstellten, daß ernannte Verwaltungs-chefs problemlos in das Republikparlament gewählt wurden bzw. umgekehrt loka-le Honoratioren, die über genügend Autorität verfügten, um Wahloka-len gewinnen zu können, vom Präsidenten gefahrlos zum Verwaltungschef ernannt und anschlie-ßend unter Kontrolle gehalten werden konnten. Die Möglichkeit, dieses System aufrechtzuerhalten, gründete auf vier Faktoren, die den eigentlichen Kern des Ra-chimov-Regimes ausmachten: 1. der Bildung einer neuen, vom Präsidenten ab-hängigen Elite; 2. weitgehender Kontrolle über die Wirtschaft in der Republik; 3.

ideologischer Kontrolle und einem Informationsmonopol; 4. der Kontrolle über den Sicherheitsapparat in der Republik.

a) Die neue baschkirische Elite

Wie fast überall in Rußland hat sich auch in Baschkortostan eine neue, postkom-munistische Elite nicht in radikaler Abkehr von der alten kompostkom-munistischen No-menklatura, sondern vielmehr aus dieser heraus geformt. Die Entmachtung der kommunistischen Parteiorgane Anfang der neunziger Jahre war keineswegs gleichbedeutend mit einer Entmachtung der Nomenklatura. Vielmehr drängte eine jüngere Generation pragmatischer Partei- und Wirtschaftskader an die Spitze und verdrängte eine ältere, oftmals stärker ideologisch geprägte Funktionärskohorte.

Zugleich suchte diese neue Führungsschicht ihre Positionen im Zuge von Privati-sierung und allgemeiner Wirtschaftstransformation in ökonomische Vorteile

274 Die Charakterisierung der Tätigkeit der Gesetzgebungskammer als „apparatnye funkcii“ findet sich unter anderem bei GALLJAMOV (1998: 112).

zusetzen. In den nationalen Republiken innerhalb Rußlands kam in aller Regel noch eine weitere Komponente als prägend für die Entstehung einer neuen Elite hinzu: Ethnizität. Auch in Baschkortostan spielte dieser Faktor – trotz der Tatsa-che, daß ethnische Baschkiren nur die drittgrößte Ethnie in der Republik darstellen – eine wichtige Rolle.

Seit seiner Wahl zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Baschkiri-schen ASSR 1990 hatte Murtaza Rachimov sich für eine besondere Förderung der Ethnizität des baschkirischen Volkes im Rahmen seiner Republik eingesetzt und immer zugleich auch betont, daß die gesamte „multinationale“ Bevölkerung Baschkiriens gleichberechtigt sein müsse. So fand auch die Formulierung vom

„mnogonacional’nyj narod“ der Republik Eingang in die Präambel der Verfassung von 1993. Zugleich verpflichtete Artikel 53 die Staatsorgane auf den besonderen Schutz der Kultur des „baschkirischen Volkes“ (im Sinne ethnischer Herkunft), ohne allerdings die Kultur der anderen „Völker“ in Baschkortostan unerwähnt zu lassen. Die Rhetorik des Präsidenten und die Deklarationen in der Verfassung mochten den Eindruck erwecken, Baschkortostan habe das Ziel des Russischen Föderalismus und den Zweck der Existenz von ethnisch definierten Republiken im besten Sinne verwirklicht und eine Balance zwischen der Förderung einer einzel-nen Ethnie und ihrer Kultur einerseits und bürgerlicher Gleichheit andererseits erreicht. Tatsächlich jedoch hat Rachimov eine Tendenz zur „Ethnisierung der baschkirischen Elite“ gezielt vorangetrieben. Wie sehr er Ethnizität zu einem we-sentlichen Baustein seiner Herrschaft gemacht hat, haben Untersuchungen des schon erwähnten Ufaer Soziologen Galljamov nachgewiesen.275 Sowohl in den Republikparlamenten (Abbildung 5-2) als auch noch stärker in der Exekutive (Tabelle 5-11) hat von 1990 bis 1995 bzw. 1997 der Anteil der Baschkiren zum Teil deutlich zu- und der der Russen durchweg erheblich abgenommen. Damit wurde die im Zuge des Konzepts der korenizacija schon zu Sowjetzeiten etablierte Überrepräsentation der Titularethnie noch erheblich verstärkt. Selbst in Ufa, wo die Bevölkerung zu 57 % russisch ist, waren 1998 nur drei der sieben von Rachi-mov ernannten Bezirksverwaltungschefs Russen.276

275 GALLJAMOV 1998. Dort sind ähnliche Entwicklungen auch für die Republiken Tatarstan und Sacha beschrieben.

276 ROTAR 1998.

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Abbildung 5-2: Anteil der Nationalitäten in den Parlamenten Baschkortostans von 1980 bis 1995 (in Prozent)

Quelle: GALLJAMOV 1998: 111.

Tabelle 5-11: Anteil der Nationalitäten in den obersten Exekutivstruktu-ren Baschkortostans277 von 1990 bis 1997 (in Prozent)

Oberste Partei- und Staatsführung um 1990

Baschkiren 21,9 44,8 44,7 32,9 58,5 65,5 Russen 39,3 31,3 32,9 21,1 15,0 19,0 Tataren 28,4 19,4 15,8 38,2 18,5 13,0 andere 10,6 4,5 6,8 7,8 8,0 2,5 Quelle: GALLJAMOV 1998: 110.

Von den acht ranghöchsten Politikern der baschkirischen Republikführung waren 1997 laut Galljamov sogar sieben baschkirischer Nationalität, nur einer war Russe.278 Diese Repräsentationsverhältnisse stellten die tatsächlichen

277 Hier fehlen allerdings Angaben zum Ministerrat der Republik für 1990; offenbar lagen Gallja-mov solche Zahlen nicht vor.

278 Zwei dieser sieben ethnischen Baschkiren sind tatarisch- und fünf baschkirischsprachig

aufge-rungsanteile mehr als nur auf den Kopf. Zudem durchzieht das gleiche Muster auch die staatlicher Kontrolle unterstehenden Spitzenpositionen in den Medien, der Wirtschaft und dem Bankensektor.279

Dennoch hat sich Rachimov immer gegen Vorwürfe gewehrt, ein baschki-rischer Nationalist zu sein, und sich zum Beispiel in der Frage der Staatssprache wie auch anderer ausdrücklicher Bevorzugungen aufgrund ethnischer Zugehörig-keit zurückgehalten. Tatsächlich scheint der Kern ein anderer zu sein. Das ethni-sche Ungleichgewicht in der baschkiriethni-schen Elite (der Elite Baschkortostans) ist das nahezu logische Ergebnis einer Personalpolitik, die auf persönlicher Abhän-gigkeit und Verpflichtung beruht. Indem Rachimov nach und nach große Teile der alten Republikelite ersetzte, indem er ihre Nachfolger aus einer objektiven Min-derheit von gut einem Fünftel der Bevölkerung rekrutierte (und sich dabei im Zweifel immer auf die besondere Verpflichtung gegenüber der Titularethnie beru-fen konnte), schuf er sich eine ihm persönlich ganz besonders verpflichtete An-hängerschaft. Zugleich ist die sozialökonomische Existenz dieser neuen Elite eng mit der Präsidentschaft dieser einen Person verbunden und von ihr abhängig. Un-ter jedem Nachfolger, der von außen käme, müßte sie schon allein aufgrund des entstandenen ethnischen Ungleichgewichts um ihre Ämter bangen. Dies gilt in besonderem Maße für die Riege der lokalen Verwaltungschefs.

Daher funktioniert in gleicher Weise auch das kollektive Patronagesystem, das Rachimov in den Beziehungen zwischen der Republik und den Kommunen etabliert hat: Zum Teil in sichtbarem Widerspruch zur konkreten sozialen und ökonomischen Lage werden durch die gezielte Bezuschussung lokaler Budgets aus dem Republikhaushalt besonders Kommunen mit hohem baschkirischen Bevölke-rungsanteil in erheblichem Maße bevorteilt, wofür sich Rachimov im Gegenzug in den vergangenen Jahren der erwarteten Loyalität bei Wahlen und Referenden im-mer sicher sein konnte.280

In welchem Maße das Regime Rachimovs auf der richtigen Mischung for-maler und informeller Arrangements beruhte, offenbarte sich noch einmal in be-sonders deutlicher Weise, als Anfang 1996 eine Reihe lokaler Verwaltungschefs vom baschkirischen Präsidenten ihrer Ämter enthoben wurden. Wie alle ihre

wachsen (GALLJAMOV 1998: 110).

279 Vgl. hierzu auch ROTAR 1998.

280 In den Haushaltsentwürfen für 1996 und 1997 war dies zum Beispiel an den eklatant unter-schiedlichen Zuschüssen zu beobachten, die zum einen für die im Ural gelegene, überwiegend von Baschkiren bewohnte Kleinstadt Bajmak, zum anderen für industrielle Städte wie Kumer-tau oder Agidel’ vorgesehen waren, deren soziale Lage ungleich angespannter ist. (IGPI

Moni-Amtskollegen waren auch die betroffenen Personen, insgesamt acht an der Zahl, im März 1995 zu Abgeordneten der Repräsentantenkammer der baschkirischen Staatsversammlung gewählt worden und hatten seitdem ihr Mandat ausgeübt. Na-turgemäß konnte sich die Entlassung durch den Präsidenten nur auf ihre Ämter als Verwaltungschefs beziehen, ihre Mandate als Abgeordnete blieben davon unbe-rührt – doch wie sich zeigte, nur rechtlich. Denn schon wenige Wochen später, Mitte März 1996, legten dieselben acht Abgeordneten ihre Mandate in der Reprä-sentantenkammer „auf eigenen Wunsch“, wie es hieß, nieder.281

Der „Vertrauensentzug“ durch den Präsidenten reichte allemal aus, den Rücktritt von einem in direkter Wahl erworbenen Mandat als gerechtfertigt, ja geradezu notwendig erscheinen zu lassen. Inwieweit es sich dabei tatsächlich um einen freiwilligen Akt handelte, der quasi ungeachtet der eigenen Person aus einer untertänigen Anerkennung der Autorität des Präsidenten heraus erfolgte, läßt sich nur spekulativ beantworten. Zweifellos versuchte Rachimov mit allen ihm zu Ge-bote stehenden Mitteln, den Eindruck einer unangefochtenen Autorität (im We-berschen Sinne traditionaler Herrschaft) zu erwecken, um sich auf diese Weise bei Wahlen die nötige plebiszitäre Zustimmung zu sichern. In diesem Sinne ließ sich auch der Rücktritt der in Ungnade gefallenen Abgeordneten als Schuldanerkennt-nis der Betroffenen und zusätzliche Bestätigung der Richtigkeit des präsidialen Handelns werten. Doch andererseits war die Fassade brüchig, waren trotz aller Einschüchterungsversuche von seiten republikanischer Behörden oppositionelle Kräfte zum Rachimov-Regime durchaus existent und versuchten, sich öffentlich Gehör zu verschaffen. Das Muster traditionaler Herrschaft funktionierte zum Teil auf dem Lande, unter der städtischen Bevölkerung dagegen weitaus weniger. Da-her kann es nicht nur als denkbar, sondern muß es als wahrscheinlich gelten, daß den ehemaligen Verwaltungschefs nach ihrer Entlassung durch den Präsidialappa-rat mit ausreichendem Nachdruck klargemacht wurde, daß sie im eigenen Interes-se besInteres-ser daran täten, dem Wunsch des Präsidenten nach ihrem Rücktritt auch tatsächlich Folge zu leisten.

Die Nachwahlen in den acht frei gewordenen Wahlkreisen verliefen am 16.

Juni 1996 (dem Tag der ersten Runde der russischen Präsidentschaftswahlen) oh-ne Überraschung: Die Kandidaten Rachimovs, seioh-ne oh-neu eingesetzten Verwal-tungschefs, beerbten ihre Vorgänger auch in der Repräsentantenkammer. Dem

toring Baškortostan 12/1995 und 12/1996).

281 Interview Fufaev, 15.3.1996; der entsprechende Beschluß der Repräsentantenkammer ist veröf-fentlicht in Izvestija Baškortostana 20.3.1996: 2; vgl. auch IGPI Monitoring Baškortostan 4/1996.

Präsidenten blieb nicht nur eine komfortable Mehrheit, sondern vor allem der An-schein vollkommener Harmonie im Parlament erhalten.

b) Kontrolle über die Wirtschaft

Von entscheidender Bedeutung für das Herrschaftssystem Rachimovs ist ferner die weitgehende Kontrolle der Republikexekutive über die Wirtschaft. Die Hauptsteuerzahlerin in den Republikhaushalt, die exportfähige Erdöl- und Che-mieindustrie, befindet sich überwiegend im Besitz der Republik. Die strategische Bedeutung der größten Konzentration von Raffineriebetrieben in ganz Rußland hatte der baschkirischen Führung eine Position gegenüber Moskau verschafft, die es ihr ermöglichte, zunächst auf dem Verhandlungswege die Verfügung über 51 % der Aktien der größten Unternehmen in diesem Sektor zu erlangen. Moskau wurde quasi zum „stillen Teilhaber“ degradiert. Ende 1996 nahm sich die baschkirische Führung das föderale „loan-for-shares“-Programm zum Vorbild und wandelte es in kreativer Weise für eine Renationalisierung der Ölindustrie ab: Die vier größten Ufaer Ölverarbeitungsfirmen erhielten per Präsidialukas das „Recht“, zusätzliche Aktien zu emittieren, um mit ihnen ihre Schulden an das Republikbudget zu be-gleichen. Tatsächlich wurde ihnen keine Wahl gelassen. Die lokalen Steuerbehör-den mußten die Aktien zum Nennwert (!) mit Steuerbehör-den ausstehenSteuerbehör-den Steuern verrech-nen und dem Eigentumsfonds der Republik übertragen. Auf diese Weise erhöhte die Republik elegant ihre Anteile an diesen Unternehmen von 51 % auf 90 %.282 Anschließend brachte sie diese Anteile in eine rein staatliche Holding (Bašnefte-chim) ein, die damit den gesamten Verarbeitungssektor, Raffinerie und Petroche-mie, weitgehend kontrollierte. Außerdem verfügte die Regierung Anfang 1998 unter anderem über 67,9 % der Aktien des Erdölförderunternehmens Bašneft’, des größten Einzelunternehmens in Baschkortostan, das 1997 auch die Staatsanteile eines weiteren Raffineriebetriebes zur treuhändlerischen Verwaltung übertragen bekam.283 Fortan konnte keine nennenswerte Investitionsentscheidung, auch unter Beteiligung ausländischer Kapitaleigner oder großer russischer Unternehmen der Erdölbranche wie LUKojl oder TNK, mehr ohne die Einwilligung des Präsidenten gefällt werden.

In einem nächsten Zentralisierungsschritt wurde als neue Holding für den gesamten Brennstoff- und Energiesektor der Republik das Unternehmen Baš-kirskaja toplivnaja kompanija gegründet, dem neben den Unternehmen des

282 Vgl. CHABIBULLIN 1998.

283 Ėkspert 16.2.1998: 18. Die übrigen Bašneftechim-Aktien sind weitgehend in der Hand der Belegschaft; fremde Anteilseigner spielen dagegen kaum eine Rolle.

beitungssektors auch das Förderunternehmen Bašneft’ eingegliedert wurde und das später auch den Energieversorger Baškirėnergo einbeziehen sollte.284 Die Lei-tung der neuen Holding wurde Ural Rachimov, dem Sohn des Präsidenten, über-tragen, der zuvor den Unternehmensbereich Export bei Bašneftechim geleitet und damit bereits die unmittelbare Kontrolle über die größte Deviseneinnahmequelle der baschkirischen Wirtschaft ausgeübt hatte.285

Mit Hilfe massiver Interventionen staatlicher Behörden hat die baschkiri-sche Führung auch den Bankensektor in der Republik weitgehend monopolisiert.

Nach der Gründung einer Landesbank (Baškreditbank) Anfang 1993 wurden die-ser zunächst Budgetmittel und eine Reihe „außerbudgetärer Fonds“ übertragen, so daß das Geldinstitut rasch über große Mengen liquider Mittel verfügte und zu-gleich die Operationen der Regierung mit außerbudgetären Fonds parlamentari-scher Kontrolle noch weiter entzogen waren, als dies schon in der Natur dieser Fonds liegt. Ab November 1994 diente Baškreditbank als Emittent von Geldsur-rogaten, die von über 20 staatlichen Unternehmen und allen dem Agrarministeri-um unterstehenden Betrieben akzeptiert werden mußten. Ende 1995 wurde der Bank auch die treuhändlerische Verwaltung der Aktien von 40 staatlichen Betrie-ben der Republik übertragen. Schließlich wurden ab Anfang 1997 baschkirische Unternehmen, insbesondere im Exportsektor, gezwungen, ihre laufenden Konten bei der Landesbank zu führen und andere Konten aufzulösen. Deviseneinnahmen aus Exportgeschäften unterlagen damit der nahezu vollständigen Kontrolle durch die Republikbehörden. Inzwischen kontrolliert Baškreditbank mittelbar auch den Scheck- und Kreditkartenmarkt in Baschkortostan – wiederum mit direkter admi-nistrativer Unterstützung seitens der Regierung.286

Die Weigerung der Republikführung Anfang der neunziger Jahre, Kolcho-sen und SowchoKolcho-sen aufzulöKolcho-sen, hat dazu geführt, daß sich auch im Agrarsektor kaum privatwirtschaftliche Initiative entwickeln konnte. Obwohl im gesamtrussi-schen Vergleich überdurchschnittlich produktiv, hängt die Landwirtschaft am Tropf des Republikbudgets.287

Insgesamt hat Rachimov es verstanden, im Laufe der neunziger Jahre die unmittelbare Kontrolle über alle wesentlichen Bereiche der baschkirischen

284 Baškirėnergo gehört infolge der Sondervereinbarungen Ufas mit Moskau zu den wenigen regi-onalen Energieversorgern, die nicht mehrheitlich von der russischen Energieholding EĖS Rossii kontrolliert werden.

285 DIANOV 1999: 250; IGPI Monitoring Baškortostan 1/1996.

286 NAZAROV 1997; vgl. auch IEWS Russian Regional Report 2, Nr. 16 (8.5.1997).

287 MAKFOL/PETROV (HRSG.) 1998: 85.

schaft immer weiter auszubauen und sich damit politisch wie persönlich den Zu-griff auf die Ressourcen der Republik zu sichern. Ähnlich wie im Staatsapparat ist es dem Präsidenten auch in allen wesentlichen Bereichen der Wirtschaft gelungen, ein System persönlicher Abhängigkeiten und willkürlicher Belohnungen zu etab-lieren. Belohnt werden Gefolgschaft und Ergebenheit gegenüber dem Präsidenten, nicht Eigeninitiative und unternehmerisches Handeln.

c) Ideologische Kontrolle und Informationsmonopol

Die Konsolidierung der Herrschaft Murtaza Rachimovs ging einher mit einem wachsenden Anspruch des Präsidenten auf die ideologische Hegemonie innerhalb der Republik. Während er baschkirischen Nationalisten und russischen Zentralis-ten gleichermaßen Extremismus vorwarf und sie beschuldigte, den gesellschaftli-chen Frieden in Baschkortostan zu gefährden, benutzte er sie zugleich, um einer-seits gegenüber Moskau mit der vermeintlichen Drohung separatistischer Tenden-zen mehr Zugeständnisse zu erzielen und andererseits moskaufreundliche Gegner im Innern als Gefahr für die baschkirische „Souveränität“ darzustellen. Um das nationalistische Lager, das relativ klein war, aber eine Art politischer „Mobilisie-rungsreserve“ für Rachimov bedeutete, ruhigzustellen, setzte er sich an die Spitze einer gemäßigten baschkirisch-nationalen „Erweckungskampagne“. Diese fand ihren Höhepunkt Anfang Juni 1995 in einem in Ufa veranstalteten „Weltkongreß (Kurultaj) der Baschkiren“, mit dem sich die Republikführung zu ihrer Verant-wortung für die ethnischen Baschkiren in aller Welt bekannte. Zur gleichen Zeit begann Rachimov von der Notwendigkeit zu sprechen, die Gesetzgebung der Re-publik mit der der Russischen Föderation in Einklang zu bringen288, und ließ „Naš Baškortostan“ (Unser Baschkortostan) als regionale Unterorganisation von Viktor Černomyrdins Bewegung NDR gründen, um damit – wenn auch unter einem ei-genständigen Namen –Kooperationsbereitschaft mit der russischen Regierung zu dokumentieren.289 Auch in ökonomischer Hinsicht spiegelt Rachimovs Rhetorik ein „Sowohl-als-auch“, in dem sich Markt und Plan, Förderung persönlicher Initi-ative und Vorliebe für administrIniti-ative Regulierung gleichermaßen ausmachen las-sen.290 Mit diesem Spagat machte er sich ideologisch unangreifbar und nutzte sei-ne Position zugleich, abweichende Meinungen als extremistische Bedrohung für die Gesellschaft Baschkortostans darzustellen.

288 So Rachimov vor der Staatsversammlung in seiner Jahresbotschaft 1995 (Interview Rajanov 28.3.1996).

289 Mit der Leitung von Naš Baškortostan betraute Rachimov seinen „Staatssekretär“ (Gossekre-tar’) Mansur Ajupov.

290 Exemplarisch hierfür RACHIMOV 1996.

Das entscheidende Instrument dabei waren die lokalen Medien. Ihre finan-zielle Abhängigkeit von staatlichen Zuschüssen (aus dem Republikbudget) ließ allzu kritische Berichterstattung über die Republikführung ohnehin nicht als op-portun erscheinen. Doch während diese Situation noch für viele Regionen in Ruß-land typisch war, galt Baschkortostan auf Grund einer Vielzahl von Vorkommnis-sen seit 1993 als ganz besonders repressiv. Persönlicher Druck auf Journalisten, politisch motivierte Entlassungen, anonyme Drohungen mit Gewalt und Anklagen wegen Verleumdung und Präsidentenbeleidigung gegen die wenigen, die es wag-ten, die Segnungen der Herrschaft Rachimovs in Frage zu stellen, prägten das Bild und sorgten für ein Klima, in dem Kritik immer weniger öffentlich geäußert wer-den konnte.291 Statt dessen sorgte die offizielle Presse zusammen mit dem staatli-chen lokalen Rundfunk und Fernsehen für eine makellos positive Berichterstat-tung über den Präsidenten und trug damit erheblich zum Image eines Garanten der Souveränität und des sozialen Friedens in der Republik bei, mit dem sich Rachi-mov gern schmückt. Eine Untersuchung zum Stand der Pressefreiheit in den russi-schen Regionen, die 1999 vom Russirussi-schen Journalistenverband durchgeführt wur-de, sah Baschkortostan auf dem letzten Platz.292

d) Kontrolle über den Sicherheitsapparat

Ein weiteres wesentliches Element für die Herrschaft Rachimovs war die Kontrol-le über den Justiz- und Sicherheitsapparat in der Republik. Zwar gelang es dem baschkirischen Präsidenten nie vollständig, die völlige Kontrolle über alle in Frage kommenden Organe zu erlangen, doch seine Position war stark genug, eine offene Obstruktion seines Machtanspruches, auch dort, wo dieser sich gegen Moskau richtete, weitgehend zu verhindern.

Nach der Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 sind die sogenannten „territorialen Organe“ von Staatsanwaltschaft, Polizei und In-landsgeheimdienst in den Föderationssubjekten – wie die anderer Behörden – den jeweiligen föderalen Organen fachlich und dienstlich untergeordnet.

291 Zu den Zielen der staatlichen Verfolgung zählten seit 1993 neben einzelnen Journalisten insbe-sondere der private Radiosender „Titan“, die lokale Tageszeitung Večernij Neftekamsk sowie Otečestvo, das Organ der Bewegung Rus’ von Aleksandr Arinin. Radio Titan wurde mehrfach von den Behörden abgeschaltet, insbesondere in Wahlkampfzeiten, die Chefredakteure der bei-den Zeitungen sahen sich persönlichen Repressionen und strafrechtlicher Verfolgung auf der Grundlage republikspezifischer Mediengesetzgebung ausgesetzt (Interviews Fufaev, 15.3.1996, und Galeev, 21.3.1996; vgl. außerdem Izvestija 22.11.1996, Novoe Vremja 25/1998: 12, PARETSKAYA 1996).

292 http://www.freepress.ru/win/main.htm/I-1-1a.htm, 5 November 1999. Vgl. auch EWI Russian Regional Report 4, Nr. 44 (23.11.1999).

chend liegt die Ernennungskompetenz für die wichtigen Funktionen des Staatsan-walts, des Leiters der Innenbehörde (upravlenie vnutrennich del, die als Unter-gliederung des RF-Innenministeriums Polizeibehörde ist) und des Sicherheits-dienstes (upravlenie Federal’noj služby bezopasnosti) in den Föderationssubjek-ten nicht bei der regionalen, sondern bei der föderalen Exekutive, im Falle des Staatsanwaltes allerdings mit Zustimmung der Föderationssubjekte. Richter wer-den unmittelbar vom russischen Präsiwer-denten ernannt.293 Auf der Grundlage der Souveränitätserklärung und unter Berufung auf die Verfassung der Republik Baschkortostan vermochte es Rachimov jedoch nach 1993 zunehmend, die Beset-zung dieser Posten in Ufa in seinem Sinne durchzusetzen.

Im August 1995 ernannte die baschkirische Staatsversammlung auf Vor-schlag Rachimovs einen neuen Republikstaatsanwalt, Jurij Titov, nachdem sein

Im August 1995 ernannte die baschkirische Staatsversammlung auf Vor-schlag Rachimovs einen neuen Republikstaatsanwalt, Jurij Titov, nachdem sein