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Gegensatz 1: Wissen gegenüber Fertigkeit als Lehrziel Gegensatz 2: Kulturkunde gegenüber Sprachkunde

II. Oberschule für Mädchen:

5.5. Der Fremdsprachenunterricht während und zwischen den Weltkrie- Weltkrie-gen

5.5.5. Die Geschichte des Französischunterrichts

Grundsätzlich beginnt der schulmäßig organisierte Französischunterricht sehr früh; augenscheinlich in England früher als in Deutschland. Ein Merkmal dafür ist das Auftauchen von Lehrbüchern sowie von Grammatiken für den Französischlernenden. Zunächst war dies natürlich nur für das Selbststudi-um, für den Privatunterricht und für den Gruppenunterricht konzipiert wor-den.334

Schon an der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert wurden in England Lehr-bücher für das Französische verlegt. Der Grund dafür war, daß England nach der normannischen Eroberung für mehrere Generationen ein zweisprachiges Land war. Desgleichen waren auch in Deutschland politische Ursachen

be-332 Vgl. I. Landsiedler, ebd., S. 222.

333 Vgl. I. Landsiedler, ebd., S. 222.

334 Vgl. Herbert Christ, Zur Geschichte des Französischunterrichts und der Französischlehrer. In: Ge-schichte der Unterrichtsfächer I. Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Latein, Griechisch, Musik, Kunst. Hrsg.: Anneliese Mannzmann, München 1983, S. 95.

stimmend, wenn von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an schulmäßig organisierter Französischunterricht durchgeführt wurde.335

Im Allgemeinen ist bekannt, daß der früheste Beweis für die Existenz von Französischunterricht als Fremdsprachenfach von der Universität Wittenberg stammt. Guillaume Rabot hielt dort am 11.02.1572 seine Eröffnungslektion.

Frühe Zentren des neusprachlichen Unterrichts scheinen im 17. und 18.

Jahrhundert hauptsächlich die Universitäten Jena und Leipzig gewesen zu sein.336

Das 17. Jahrhundert kann man als Blütezeit der sogenannten Ritterakade-mien bezeichnen. 1618 wurde in Kassel eine der ersten RitterakadeRitterakade-mien gegründet: das Collegium Mauritanium. Diese Schulen trugen zur Heranbil-dung einer höfischen Gesellschaft sehr viel bei und anstelle der gelehrt-lateinischen Bildung trat nun hier die militärisch-französische. Zu jener Zeit breitete sich das Französische auch an Bürgerschulen und Gymnasien aus, denn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird der Französischunter-richt bereits in der Mehrzahl an Gymnasien wie auch an Töchterschulen an-geboten. Eine Ausnahme machten hier die Schulen in Österreich, in denen eher Distanz zur französischen wie auch zur englischen Bildung gehalten wurde.337

Folglich breitete sich der Französischunterricht im 18. Jahrhundert noch wei-ter aus. In methodischer Hinsicht sei hier August Hermann Francke zu er-wähnen, der 1698 in Halle pädagogische Anstalten gegründet hatte, in denen Jungen wie Mädchen in die französische Sprache eingeführt wurden. Ab dem 19. Jahrhundert war Französisch alsdann in allen deutschen Ländern Gegenstand des Gymnasialunterrichts. Während der Restaurationsepoche gab es einen Rückschritt. Der Protest gegen die Ausdehnung des französi-schen Machtbereichs im napoleonifranzösi-schen Zeitalter führte zu einer antifranzö-sischen Stimmung.338

335 Vgl. H. Christ, ebd., S. 95.

336 Vgl. W. Strauß, ebd., S. 46.

337 Vgl. H. Christ, ebd., S. 96.

338 Vgl. H. Christ, ebd., S. 96 f.

Vor allem in Preußen war ein starker Rückgang des Französischunterrichts spürbar, aber natürlich auch in anderen deutschen Staaten. Trotzdem sorg-ten die Realschulen für einen Ausgleich, denn sie pflegsorg-ten allesamt die mo-dernen Sprachen und darunter Französisch an erster Stelle. Eine wesentli-che Veränderung der Verhältnisse der sprachliwesentli-chen Fäwesentli-cher erfolgte in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. 1882 begann eine wichtige Reform des höheren Schulwesens in Preußen, die zur Anerkennung der la-teinlosen Schulen als gleichgestellte Lehranstalt führte. Infolgedessen wurde der Unterricht in modernen Fremdsprachen und besonders im Französischen erheblich aufgewertet.339

Doch der Erste Weltkrieg stürzte den Französischunterricht wieder in eine schwere Krise. Es ging darum, ob man den Fremdsprachenunterricht ab-schaffen sollte, doch gerade im Krieg war die Kenntnis von Fremdsprachen von großem Nutzen. Letztlich einigte man sich darauf, den Unterricht auf das Minimum der praktischen Kommunikationsfähigkeit zu beschränken. In der Nachkriegszeit mehrten sich die Schulen, die mit dem Unterricht einer mo-dernen Sprache als erste Fremdsprache anfingen. Heftige Diskussionen gab es auch über die Sprachenfolge, ob Englisch oder Französisch als erste Fremdsprache unterrichtet werden soll.340

Dementsprechend war der Stand der Dinge in der Weimarer Republik, d.h.

Französisch hatte seinen Vorsprung behaupten können und Englisch war in eine fast gleichrangige Position gelangt.341

Trotzdem fand zu dieser Zeit eine bezeichnende Auseinandersetzung über die Frage statt, welche Sprache in Gymnasien, höheren Mädchenschulen etc., vorherrschen sollte. Im Kaiserreich war Französisch die traditionelle ers-te Fremdsprache, schon vor dem Ersers-ten Weltkrieg. Nach 1919 gab es Ver-suche, Englisch an die Stelle von Französisch platzieren zu lassen. Vor allem durch die politischen Verhältnisse wurden diese Absichten gefördert.

339 Vgl. H. Christ, ebd., S. 98 f.

340 Vgl. H. Christ, ebd., S. 99 f.

341 Vgl. H.Christ, ebd., S. 100.

Schließlich erschien ja Frankreich als Hauptgegner bei den Verhandlungen um den Friedensvertrag.342

Frankreich besetzte einen beträchtlichen Teil der linksrheinischen Gebiete und engagierte sich gemeinsam mit Belgien für die Besetzung des Ruhrge-bietes. Begreiflicherweise herrschte in der Bevölkerung eine anti-französische Stimmung vor. Jahre später fand eine deutsch-anti-französische Annäherung statt und Höhepunkt war der Vertrag von Locarno. Dieser Ver-trag hatte unmittelbare Auswirkungen auf den Fremdsprachenunterricht ins-besondere in Preußen. Eigentlich hatten fast alle Länder und somit auch Preußen, die Sprachenfolge in den Schulen geändert. An die erste Stelle vor dem Französischen wurde das Englische gereiht, aber die preußische Kul-turpolitik bemühte sich, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und dem

Französischen wieder eine bessere Stellung zukommen zu lassen.343

Im Jahr 1929 schlug der preußische Kultusminister einen Kompromiß vor:

Alle Schulen in Preußen sollten ab 1932 Französisch als erste Fremdsprache lehren; es sollte jedoch den Schulen überlassen bleiben, ob sie im Verlauf der Schulzeit die erste (Französisch) oder die zweite Fremdsprache (Eng-lisch) zur „Hauptsprache" machen wollten. Die meisten Länder schlossen sich dieser Regelung an, so daß von 1932 an fast alle Länder des Deutschen Reiches in den Schulen mit dem Französischunterricht begannen.344

Doch diese Regelung widersprach den nationalsozialistischen Vorstellungen und so beeilte sich der Reichskultusminister 1933, die für das Französische günstige Regelung allmählich zurückzunehmen. Zunächst wurde für das Jahr 1933/34 festgesetzt, daß Englisch in allen Schulen die „Hauptsprache" sein sollte; das Französische blieb vorläufig in der ersten Position. Aber es verlor letztlich das Privileg, neben Englisch als Hauptfremdsprache für die spätere Schulzeit gewählt werden zu können. In den neuen Richtlinien von 1938

342 Vgl. Herbert Christ, Fremdsprachenunterricht für das Jahr 2000. Sprachenpolitische Betrachtungen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen. Tübingen 1991, S. 101.

343 Vgl. H. Christ, Fremdsprachenunterricht..., S. 101.

344 Vgl. H.Christ, ebd., S. 101.

wurde festgesetzt, daß in allen Jungenschulen Latein als zweite Fremdspra-che dominierte. Nur die MädFremdspra-chen hatten die Wahl zwisFremdspra-chen Latein und Fran-zösisch in der zweiten Position.345

Diese nationalsozialistischen Entscheidungen für das Englische waren rein politisch und kulturpolitisch begründet. Schließlich sind Hitlers Abneigung gegen das Französische und seine Sympathie für das Englische hinreichend bekannt.346

Im Endeffekt wurde das Französische zur dritten, wahlfreien Fremdsprache erklärt (nach Englisch und Latein) und auf die drei letzten Schuljahre des Gymnasiums beschränkt. In der Folge verschwand dadurch das Französi-sche als gleichberechtigtes Schulfach. Im Jahr 1945 kam es insofern zu einer radikalen Änderung der Dinge, als die Besatzungsmächte ihre jeweilige Sprache besonders förderten und als erste Fremdsprache vorschrieben.347