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Gegensatz 1: Wissen gegenüber Fertigkeit als Lehrziel Gegensatz 2: Kulturkunde gegenüber Sprachkunde

II. Oberschule für Mädchen:

5.5. Der Fremdsprachenunterricht während und zwischen den Weltkrie- Weltkrie-gen

5.5.3. Der Englischunterricht im 20. Jahrhundert

Obgleich die wirtschaftliche und politische Rolle des Deutschen Reiches in der Welt die Bekanntschaft mit fremden Völkern und Sprachen nötig machte und auch Erkenntnisse über das fremde Land (Realienkunde) verlangte, konnten die Reformbestrebungen sich nicht gegen die neuen Bildungsvor-stellungen durchsetzen. Der Disput um die Ziele des modernen

Fremdspra-317 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 74 f.

318 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 75.

chenunterrichts wurde mit Beginn des Ersten Weltkriegs irrelevant, wobei die Beschäftigung mit fremden Sprachen und Kulturen überhaupt in Frage gestellt wurde. Schon zu Anfang des Krieges tauchte die Forderung auf, die sprachlichen Fächer auf die Erziehung zum Deutschtum auszurichten.319

Dies wurde nach dem verlorenen Krieg noch nachdrücklicher verlangt, denn darin schien sich auch ein Versagen der Schule zu zeigen. Das National- und Selbstbewußtsein der Deutschen sollte durch eine hinlängliche Schulpolitik gestärkt werden, nachdem der Krieg diese Aufgabe nicht vollbracht hatte.

Solche Vorstellungen von der Schule zeugen nicht von einem Interesse für eine Erziehung zur Demokratie, sondern von deutschnationalem Gedanken-gut, das zwischen Kaiserreich und Faschismus nicht als Bruch, sondern als eine Art Brücke erscheint.320

Auch der Unterricht in den modernen Fremdsprachen hatte sich dem Ziel der deutschen Nationalerziehung unterzuordnen. Dieser sollte der Erkenntnis der eigenen Kultur durch Konfrontation mit einer fremden dienen und nicht mehr den praktischen Erfordernissen von Handel und Verkehr. Mitte der zwanziger Jahre setzte sich das Konzept der Kulturkunde, anstelle der Realienkunde, als Unterrichtsprinzip völlig durch.321

Führende Vertreter der Kulturkunde mit Neigung zum Irrationalen, konnten in der Folge den Übergang zum rassistisch ausgerichteten Sprachunterricht im deutschen Faschismus mühelos vollziehen. Kulturkunde und Arbeitsunter-richt bedeuteten praktisch keine neue Methode, denn beide verstanden sich als übergeordnete Prinzipien, die mit diversen Methoden vereinbar waren.

Dies wirkte sich am offensichtlichsten auf die Auswahl der Lektüre aus, die nicht mehr in die Realität des fremden Landes einführen bzw. einen Über-blick über dessen Literatur geben sollte. An relevanten Grundsätzen der Re-formmethoden wurde jedenfalls festgehalten; so sollte die Fremdsprache auch Unterrichtssprache sein. Faktisch wollte die „zweite Reform" als

Fort-319 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 76.

320 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 76 f.

321 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 77.

führung der „ersten" gelten, hinter die man allerdings nicht mehr weiter zu-rückfallen konnte.322

Mit der Schulreform von 1924/25 wurden Ansprüche nach Kulturkunde und Arbeitsunterricht offiziell Bestandteil der Politik des preußischen Kultusminis-teriums. Jede Form der höheren Schule sollte auf eine deutsche Bildung ausgerichtet werden und darin der Volksschule näher kommen, jedoch nicht durch eine „Einheitsschule", sondern durch eine arbeitsteilige Schwerpunkt-setzung in den diversen Schulformen. Das Ausmaß des neusprachlichen Unterrichts war parallel zur Zielsetzung der jeweiligen Schulform unterschied-lich.323

Der Unterricht in lebenden Fremdsprachen hatte sich generell durchgesetzt, je nach Schultyp wurde ihm dennoch eine andere Bedeutung beigemessen.

Beispielsweise mußte das Gymnasium eine moderne Fremdsprache in den Unterricht aufnehmen, um „im Kampf der Schularten erhalten" zu bleiben, konnte es doch den praktischen Nutzen und den Bildungswert des Engli-schen oder FranzösiEngli-schen nicht weiter ignorieren.

Am Realgymnasium, dem als Mädchenschule das Oberlyzeum entsprach, wurden indessen gerade diese beiden Sprachen unterrichtet und mit dem Auftrag des Realgymnasiums wurde eigentlich an einer höheren Schule den neueren Sprachen eine Vorrangstellung zugesprochen. Welche der beiden Sprachen an erster Stelle stehen sollte, ließ das Kultusministerium bewußt offen.324

Dessen ungeachtet wurde am 27.11.1931 Französisch zur ersten lebenden Fremdsprache an preußischen Schulen deklariert, wenn auch später Eng-lisch durch höhere Stundenzahlen zur „Hauptsprache" gemacht werden konnte. Diesem Entwurf folgten ein Jahr später die meisten deutschen Län-der.325

322 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 78 f.

323 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 79.

324 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 80.

325 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 81.

Die sogenannte „einheitliche deutsche Nationalerziehung" wurde zwar bereits früher gefordert, aber den neuen Machthabern war diese nicht kon-sequent genug vollzogen worden. Die Beschäftigung mit fremden Kulturen sollte drastischer als zuvor im Dienste der Erziehung zum Deutschtum ste-hen. Wenn daher der Ruf laut wurde „Fort mit der Kulturkunde", dann richtete er sich gegen das Verständnis für die Eigenart des fremden Volkes.326

Die „dritte Reform", die nun manifestiert wurde, besagt vor allem die Abkehr von „passiven Wissen" oder „Verstehen", wobei hier folgendes wichtig war:

Grundgedanke dieser Lehre war die „Überlegenheit der nordischen Rasse", die sich offensichtlich besonders am Beispiel der englischen Geschichte, Sprache sowie Literatur zeigen ließ.

Bei der Frage Englisch oder Französisch erschien das „Englische327

„als Sprache des Volkes, das uns dem Wesen nach bedeutend näher steht als die Franzosen, das neben dem unseren am meisten für die Geltung des Germanentums in der Welt bedeutet, das sich zudem, wie bisher keine ande-re Nation, politisch und wirtschaftlich die Welt zu eigen gemacht hat...*26

Infolgedessen wurde die Sprache Englisch ab dem Frühjahr 1933 als Haupt-sprache anerkannt und vom Schuljahr 1937 an als erste FremdHaupt-sprache an allen höheren Schulen eingeführt. Die Formenvielfalt der höheren Schule wurde stark reduziert und deren Dauer sogar um ein Jahr verkürzt. An der Verwendung der Fremdsprache als Unterrichtssprache sowie einer einwand-freien Aussprache wurde auf jeden Fall festgehalten. Trotzdem ist es schwer aufzuklären, inwiefern diese Richtlinien letztlich verwirklicht wurden. Dem ungeachtet haben auch Englischlehrer, Lehrerausbilder, Fachdidaktiker und Hochschulanglisten ihren Beitrag zur Ideologisierung geleistet sowie Kriegs-bereitschaft vorbereitet und geschürt.329

326 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 81.

327 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 82.

328 Zit. n.:. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 82.

329 Vgl. J. Mugdan/W. Paprotte', ebd., S. 82 f.