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4. Die Höhere Mädchenbildung in Österreich

4.5. Die Einführung des deutschen Schulsystems

Die im Jahre 1937/38 im Deutschen Reich begonnene „Neuordnung des hö-heren Schulwesens" wurde in Österreich mit ungeheuerer Rücksichtslosig-keit vollzogen. Als Hauptform war nun auch hier die Oberschule für Jungen verbreitet (mit Englisch ab der ersten Klasse, Latein ab der dritten Klasse und einer Gabelung der beiden obersten Klassen in einen mathematisch-naturwissenschaftlichen und in einen sprachlichen Zweig).

Das humanistische Gymnasium (mit Latein ab der ersten Klasse, Griechisch ab der dritten Klassen und Englisch ab der fünften Klasse) galt als Sonder-form und wurde nur in Orten zugelassen, wo die NormalSonder-form, die Oberschu-le, schon vorhanden war. Nur in Ausnahmefällen durften Mädchen diese Schultypen besuchen, denn für sie wurde als einziger Typ die „Oberschule für Mädchen" eingerichtet (mit Englisch ab der ersten Klasse und einer

Ga-belung der Klassen sechs bis acht in einen hauswirtschaftlichen und in einen sprachlichen Zweig). Die „Umwandlung der österreichischen Mittelschulen in höhere Schulen" wurde 1938 eingeleitet und durch spitzfindige Übergangs-maßnahmen innerhalb von drei Jahren abgeschlossen.

Außerdem waren die Lehrpläne der höheren Schulen noch stärker als die der Volksschulen mit nationalsozialistischen Ideologien vollgestopft.199 Aufgrund der politischen Kriterien erhielten die Fächer Deutsch, Geschichte und Geo-graphie mehr Gewicht und bestimmten ferner die Auswahl der Themen.200

Nach dem Anschluß Österreichs an Deutschland im März 1938 war die ge-samte Bildungsarbeit der Schule folgende: nämlich den „nationalistischen Menschen formen zu helfen". Deshalb wurden alle Lehrbücher, die diesem Ziel nicht entsprachen durch neue bzw. auch durch Lehrbücher vor 1934

er-198 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 312 f.

199 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 319 ff.

200 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 321.

setzt. Dies betraf vor allem die gesinnungsbildenden Fächer wie Geschichte und Vaterlandskunde; der Philosophische Einführungsunterricht wurde auf-gelassen, der Religionsunterricht zum „unverbindlichen Konfessionsunter-richt" erklärt und das Stundenausmaß für den Turnunterricht beträchtlich ausgedehnt.

Schließlich nahm ja die Leibeserziehung in der Zeit des Nationalsozialismus die erste Stelle in der Stundentafel ein.

Im Gegensatz dazu kam es im Bereich des altsprachlichen Unterrichts zu radikalen Kürzungen und es wurde die Mittelschulorganisation auf drei Mit-telschultypen eingeschränkt: Die Oberschule für Jungen, das Gymnasium als Sonderform und die Oberschule für Mädchen mit sprachlicher oder hauswirt-schaftlicher Ausrichtung.201

Die curriculare Aufwertung von Fächern wie Leibeserziehung und Musiker-ziehung machte vorläufig große Schwierigkeiten, da weder genügend Lehr-kräfte vorhanden noch die Schulen räumlich dafür eingerichtet waren. Es mußte viel improvisiert werden, um die Beanstandungen der Eltern im Rah-men zu halten. Auffälliger Widerstand loderte auf, als einige traditionsreiche Fächer wegen der Einführung der deutschen Lehrpläne aus dem Curriculum gestrichen wurden. Dies betraf vor allem den Französischunterricht, die Dar-stellende Geometrie sowie den Philosophischen Einführungsunterricht. Je-doch nützten die zahlreichen Einwände der Fürsprecher überhaupt nichts;

ihre Interventionen blieben ohne Auswirkung.202

Auch der Krieg spielte eine erhebliche Rolle bei der Gestaltung des Unter-richts und der Erziehung. An den höheren Schulen beeinträchtigten die Ein-berufungen, Kürzungen der Stundentafeln wegen Lehrermangels, zusätzli-che Feiertage (z.B. wegen Mangel an Heizmaterial) und die häufigen Unter-brechungen des Unterrichts durch Fliegeralarm die schulische Ausbildung.

Ferner kamen die Verpflichtung zum Arbeitsdienst und die Einrückungsbe-fehle hinzu, welche die oberen Klassen der Sekundärschulen radikal

lichte-201 Vgl. J. Schermaier, ebd., S. 290.

202 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 334.

ten. In der Folge fanden im Jahr 1943 die letzten regulären Reifeprüfungen statt.

Am 01.09.1944 wurde der „totale Kriegseinsatz" verkündet, ebenso für den Sekundär- und Tertiärbereich. Sofort mußten alle Lehrkräfte und Schülerin-nen sich für den Einsatz in der Rüstungsindustrie oder in kriegswichtigen Aufgabenbereichen bereitstellen. An den höheren Schulen wurden nun auch die Mädchen der 8. Klasse dafür eingezogen und die Schülerinnen der 7.

Klasse mußten neben dem Schulbesuch Sozialdienste erfüllen. Der Auflö-sungsprozeß des Wissenschafts- und Schulbetriebs wurde kurzerhand be-schleunigt, als ein Großteil der Lehrkörper im Spätherbst 1944 sich dem letz-ten Aufgebot des Nationalsozialismus stellen mußte. Desweiteren verlangte man von der Jugend die „Wehrhaftmachung" und immer mehr Schulgebäude mußten für „kriegswichtige" Aufgaben geräumt werden; evakuierte Ämter oder Flüchtlinge wurden hier untergebracht.203

Im Jahr 1945 zeigte sich deutlich, daß ein gänzliches Zurückgehen auf die Situationen vor 1938 oder 1934 auch im Bildungsbereich nicht möglich war.

Die durchgehende Verstaatlichung des Schulwesens hatte offenbar einige Vorteile gebracht, die man nicht so ohne weiteres aufgeben wollte. Die meis-ten Schulen wurden daher in irgendeiner Form weitergeführt, da die Öffent-lichkeit nicht auf eine bereits gewohnte Bildungseinrichtung verzichten wollte.

Vor allem die Sekundärschulen für Mädchen waren davon betroffen, sodaß jetzt auch der weiblichen Jugend eine Anzahl von staatlichen Schulen zur Verfügung stand.204

Desgleichen erfuhren die Stundentafeln und Lehrpläne der wiedereingeführ-ten alwiedereingeführ-ten Typen Gymnasium, Realgymnasium, Realschule und Frauenober-schule nach 1945 gewisse Umgestaltungen.205

203 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 336 ff.

204 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 348.

205 Vgl. H. Engelbrecht, ebd., S. 349.

Es kann deshalb behauptet werden, daß nach 1945 auf die Schulorganisati-on vor 1934 und die Lehrpläne vSchulorganisati-on 1928 zurückgegriffen und die Trennung in Knaben- und Mädchen-Mittelschulen bzw. in parallel geführten Knaben- und Mädchenklassen beibehalten wurde. Prinzipiell galten koedukativ geführte Klassen als Ausnahme und waren hauptsächlich auf kleinere Mittelschulen beschränkt, die nur so überleben konnten.206

Letztlich kann man die Leistungen des Staates zur Förderung der Mädchen-Mittelschulenbildung in der Ersten Republik in drei bedeutende Bereiche zu-sammenfassen207:

- Öffnung der Knabenmittelschulen für Mädchen (Dies bedeutete, daß Mädchen nun zu wesentlich geringeren Kosten eine Mittelschule be-suchen konnten. Von 1919 an stieg die Zahl der Mädchen in Knaben-Mittelschulen ständig an. 1930/31 besuchten bereits 6.779 Mädchen, das waren 38,5% aller Mittelschülerinnen, Knabenmittelschulen.) - Errichtung einiger Bundeserziehungsanstalten zur Förderung

mittello-ser, aber begabter Mädchen.

- Subventionierung von Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht (Außer den Bundeserziehungsanstalten gab es vor 1938 keine staatlichen Mädchen-Mittelschulen. Einzelne Privatschulen wurden in Form von

„lebender Subventionen" vom Staat unterstützt.)206

In der Folge wurden nach dem Anschluß an Deutschland alle Privatschulen verstaatlicht und die Schulerhalter enteignet. Nach dem Jahr 1945 war es vielen ehemaligen Schuleigentümern daher nicht mehr möglich, die Schulen entsprechend weiterzuführen. Der Bund übernahm anfangs die Kosten und sodann die Schulen selbst. Der Aufschwung der unvollständigen Mädchen-Mittelschulen, Lyzeen und höheren Töchterschulen, zu achtjährigen Vollan-stalten vollzog sich über Aufbaukurse, Oberstufen-Realgymnasien und Frau-en-Oberschulen. Der realgymnasiale Bildungsweg galt schon in den zwanzi-ger Jahren als der beliebteste Weg bei den Mädchen. Den

Frauen-206 Vgl. J. Schermaier, ebd., S. 269.

207 Vgl. J. Schermaier, ebd., S. 270.

208 Zit. n.: J. Schermaier, ebd., S. 270.

Oberschulen kommt vergleichsweise eine eher geringe Bedeutung zu. Die Bildungsinteresse der Mädchen und deren Eltern orientierten sich nicht nur an einer den Knaben-Mittelschulen gleichwertigen, sondern auch gleicharti-gen Bildung.209

4.6. Die Entwicklung der Mädchenbildung in Klagenfurt am Beispiel des