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Definition und Zielsetzung des bilingualen Unterrichts

Gegensatz 1: Wissen gegenüber Fertigkeit als Lehrziel Gegensatz 2: Kulturkunde gegenüber Sprachkunde

II. Oberschule für Mädchen:

7. Bilingualer Unterricht an Schulen in Deutschland

7.1. Definition und Zielsetzung des bilingualen Unterrichts

Grundsätzlich wird in Deutschland nur an Schulen mit bilingualen Zügen bi-lingualer Unterricht erteilt. Dies sind keine Schulen, in denen die Sprache der Mehrheit bzw. der Minderheit gelernt wird und die der Integration von Min-derheiten dienen. Es handelt sich um normale Schulen, jedoch mit eigenem Profil. Der Schwerpunkt richtet auf deutsche Kinder, die die Fremdsprache im Sekundarbereich ab Klasse 5 erlernen, aber mit einer erhöhten Stundenzahl.

Die Bilingualität oder Zweisprachigkeit beinhaltet folgende Zielsetzung:

Am Ende der Jahrgangsstufe 13 sollen die Schüler und Schülerinnen der bilingualen Zweige tendenziell zweisprachig sein. Das bedeutet, daß die fremdsprachliche Kompetenz nicht so weit ausgebildet sein soll wie die mut-tersprachliche. Aber das sprachliche Fachwissen dieser Schüler durch die Anwendungsmöglichkeiten der Fremdsprache weit überlegen sein. In den deutsch-englischen Zügen wird der bilinguale Unterricht als Arbeitsunterricht angeboten. In den deutsch-französischen Zügen wird der Unterricht im Rah-men des Partnersprachenmodells erteilt.406

Am Ende ihrer Schullaufbahn sollten die Schüler in der Lage sein, in zwei Vehikularsprachen (Muttersprache und Fremdsprache) mündlich sowie schriftlich zu kommunizieren und daneben ihre eigenen Positionen entspre-chend zu vertreten. In der Folge soll der Schüler zum Mittler zwischen der eigenen und einer anderen Kultur werden, wobei der Erwerb von literatur-und landeskliteratur-undlichen Kenntnissen des Nachbarlandes natürlich nötig ist.407

Im Allgemeinen gibt es in Deutschland Unterricht mit bilingualen Zügen vor allem in den Gymnasien, vereinzelt aber auch in Gesamtschulen, Realschu-len und HauptschuRealschu-len. Seit dem Jahre 1969 existieren in der BRD bilinguale Züge, wobei es insbesondere politische Gründe waren, die die Entstehung vorantrieben.

406 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

407 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

Die ersten Züge waren deutsch-französische Züge, welche aufgrund des 1963 geschlossenen „Vertrages über die deutsch-französische Zusammen-arbeit" entstanden. Gemäß dem Vertrag sollte vor allem die Sprache des Nachbarlandes gefördert werden. Dadurch sollte die geringere Verbreitung der französischen Sprache im Vergleich zum Englischen durch Intensivie-rung des Unterrichts ausgeglichen werden.

Dies bedeutet ferner, daß die Fremdsprache nicht als „lingua franca", son-dern als Sprache des europäischen Nachbarn gelehrt und gelernt wird.408 Wie schon angeführt, reicht die Geschichte des bilingualen Unterrichts in Deutschland noch nicht sehr lange zurück. In den 70er Jahren wurde diese Art von Unterricht zum Großteil an einigen Gymnasien erprobt, zunächst für die französische Sprache. Heute haben sich alle deutschen Bundesländer zumindest teilweise diesem Trend angeschlossen. Prinzipiell ist die Fremd-sprache im bilingualen Unterricht Englisch, es gibt jedoch in Grenzgebieten zu Frankreich einige Schulen mit Französisch.

Die Basis des deutschen Modells für Bilingualismus besteht darin, daß nicht-sprachliche Sachfächer „bilingual" unterrichtet werden, d.h. nicht nur die Mut-tersprache, sondern auch die Fremdsprache werden als Vermittlungsmedien gebraucht. Dies kann zuweilen durch das sogenannte Tandemverfahren ge-schehen, indem zwei Lehrpersonen als Team arbeiten (ein/e Muttersprachle-rin und ein/e SachfachlehreMuttersprachle-rin). Generell wird aber die Klasse größtenteils von einer einzigen Lehrperson unterrichtet, die die Fakultas für beide Fächer besitzt.

Allerdings haben beide Methoden auch ihre Nachteile:

Ein Lehrerteam ist schwer zu finanzieren; und das zweite Modell garantiert nicht, daß die Lehrperson qualifiziert ist, das Sachfach auch in Englisch in einer didaktischen angemessenen Weise zu vermitteln. Als Lösung für das oben genannte Problem sind einige deutsche Universitäten dazu

übergegan-408 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

gen, spezielle Ausbildungsgänge in den fremdsprachlichen Studiengängen einzurichten.409

In den letzten Jahren ließ sich aufgrund der politischen Entwicklungen in Eu-ropa ein deutlicher Zugang an neuen bilingualen Zügen feststellen. Haupt-sächlich die englischen Züge boomten und haben die deutsch-französischen Züge quantitativ überholt. Die meisten dieser Schulen befin-den sich in Nordrhein-Westfalen sowie Rheinland-Pfalz. Ferner hat man nach der Wiedervereinigung begonnen auch in den Neuen Bundesländern Schu-len mit bilinguaSchu-len Zügen einzurichten und aufzubauen.410

Grundsätzlich wird der bilinguale Unterricht in drei Vernetzungsmodelle un-terteilt:

1. das lineare Modell sieht als Ziel einen in der Fremdsprache geführten Sachunterricht vor. Der Fremdsprache kommt eine vorbereitende Aufgabe zu, nämlich „vom" Fremdsprachenunterricht „zum" bilingualen Sachunterricht.

Diese Form wird an den meisten „Bili" arbeitenden Schulen praktiziert. Als Mangelwird empfunden, daß im weiterführenden Unterricht keine innere Ver-netzung von Sachfachunterricht und Englischunterricht stattfindet.

2. das parallele Modell orientiert sich am fächerverbindenden Ansatz:

Fremdsprachenunterricht „und" Sachfachunterricht. Generell wird hierbei die stetige Vernetzung mit dem Dachfach angestrebt mit dem Ziel, Aufgabenbe-reiche abzugleichen sowie Ziele aufeinander abzustimmen.

3. das integrative Modell baut auf den Prinzipien des inhaltsorientierten Fremdsprachenunterrichts auf, mit dem Hautpziel einer Instrumentalisierung von Fremdsprache „durch" das Sachfach. Über das Abgleichen von Aufga-benbereichen und Zielen hinaus wird der Synergieeffekt gegenseitiger Ver-stärkung zentrales Motiv des Unterrichts.411

409 Vgl. Susanne Niermeier, Bilingualismus und „bilinguale"' Bildungsgänge aus kognitiv-linguistischer Sicht. In: Bilingualer Unterricht. Grundlagen, Methoden, Praxis, Perspektiven. Bd. 5. Hrsg.: Gerhard Bach/Susanne Niermeier, Frankfurt am Main 2000, S. 36 f.

410 Vgl, http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

411 Vgl. Gerhard Bach, Bilingualer Unterricht: Lernen-Lehren-Forschen. In: Bilingualer Unterricht.

Grundlagen, Methoden, Praxis, Perspektiven. Bd. 5. Hrsg.: Gerhard Bach/Susanne Niermeier, Frank-furt am Main 2000, S. 14.

Heutzutage strebt der bilinguale Unterricht als Richtziel das dritte Modell an, obgleich nur das erste Modell realisiert wird. Gründe dafür sind neben den äußeren bildungspolitischen Faktoren auch die inneren Faktoren wie Metho-denunsicherheit, Materialsituation oder Ausbildungsstand der Lehrkräfte.412

Im integrativen Typ unterrichtet im Idealfall eine Lehrkraft alleine inhaltlich sowie sprachlich integrativ. Wesentlich hierbei ist, daß in der Sekundarstufe II der Leistungskurs in der Fremdsprache (6 Wochenstunden) obligatorisch ist. Außerdem kommt ein bilinguales Sachfach, Erdkunde oder Geschichte (3 Wochenstunden) hinzu, daß im Abitur Bestandteil der schriftlichen oder

mündlichen Prüfung ist.

Das deutsche Modell beschränkt sich vor allem auf die Sachfächer Erdkun-de, Geschichte und Politik.

Folgende Gründe bieten sich für die Wahl der gesellschaftswissenschaftli-chen Fächer an:

- das Konzept der Vermittlung der Fremdsprache als Partnersprache verleiht diesen Fächern wegen der Affinität zur Kultur des Partnerlan-des ein besonderes Gewicht.

- die allgemeinsprachlichen Anteile sind in diesen Fächern noch hoch;

auf die Fachsprache kann im Anfangsunterricht vorerst verzichtet wer-den.

- das Fach Erdkunde kann die erforderlichen naturwissenschaftlichen Anteile noch weitgehend abdecken.413

Prinzipiell hat der bilinguale Unterricht Deutschland einen anderen Weg ein-geschlagen als z.B. in Kanada oder in Nordamerika. Hierzulande setzt der Fremdsprachenunterricht früher ein als der bilinguale Unterricht und er läuft parallel, neben dem bilingualen Unterricht her. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, welche zwei- oder mehrsprachig sind und in denen die Sprache des einen Bevölkerungsanteils durch den anderen mit Hilfe des

412 Vgl. G.Bach, ebd., S. 14.

413 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

bilingualen Ansatzes gelernt wird, herrscht in Deutschland ein instrumentel-les Verhältnis zum verbesserten Fremdsprachenlernen vor.

Dies bedeutet, daß das Fremdsprachenlernen als Bereicherung (enrichment) sowie Verbesserung von Chancen im beruflichen und privaten Bereich ver-standen wird. Aus diesem Grund konzentriert sich die Wahl der Arbeitsspra-che vor allem auf Englisch und partiell auf Französisch, da dies die vorherr-schende europäischen bzw. Weltsprachen sind.414

Im bilingualen Unterricht an deutschen Schulen wird der Unterricht weitge-hend in der Fremdsprache durchgeführt. Allgemein hat hier die Sprache eine andere Funktion als im gewohnten Fremdsprachenunterricht. Im Vordergrund stehen das fachliche Arbeiten sowie die Vermittlung von sachrelevanten In-halten. Die Sprache ist eine sogenannte Vehikular- und Kommunikations-sprache, die den Transport der Informationen gestattet und ferner den Ar-beitsprozeß begleitet. Diese Spracharbeit ist besonders inhaltsorientiert und dient der Versprachlichung der Inhalte und führt zur schriftlichen sowie mündlichen Textproduktion. Wichtig ist die Vermittlung einer sachrelevanten Ausdrucksweise, die durch Einübung von Sprachstrukturen, vor allem the-menspezifische Fachausdrücke etc. verbessert wird.415

Der Begriff Bilingual bedeutet, daß auch die muttersprachliche Kompetenz gefördert wird. Letztlich erweist sich die Einbeziehung der Muttersprache als absolut erforderlich, wenn Fachbegriffe in der Muttersprache vermittelt wer-den, damit eine terminologische Zweisprachigkeit garantiert ist. So oder so soll auf die Muttersprache zurückgegriffen werden, wenn die fremdsprachli-che Kompetenz nicht ausreicht, wenn das Verstehen in der Fremdsprafremdsprachli-che den Schüler überfordert, wenn der Zeitaufwand für Erklärungen zu hoch ist, oder wenn die Gefahreiner mangelnden Präzision besteht. In der Oberstufe

414 Vgl. Helmut J. Vollmer, Bilingualer Sachfachunterricht als Inhalts- und als Sprachlernen. In: Bilingu-aler Unterricht. Grundlagen, Methoden, Praxis, Perspektiven. Bd. 5. Hrsg.: Gerhard Bach, Frankfurt am Main 2000, S. 54 f.

415 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

erfolgt der Fremdsprachenunterricht bei paralleler Vermittlung der mutter-sprachlichen Fachtermini allgemein in der Zielsprache.416

Prinzipiell werden im fremdsprachlichen Unterricht die Leistungen der Schü-ler ähnlich bewertet wie im normalen Unterricht. In den bilingualen Fächern liegt das Schwergewicht der Beurteilung auf der inhaltlichen Seite, wobei hier fachliches Wissen, fachliche Begrifflichkeit und fachsprachliche Terminologie sowie die fachmethodischen Fertigkeiten beim Umgang mit Materialien be-wertet werden. Im Rahmen der Abiturprüfung wird eine sichere Beherr-schung der Fremdsprache erwartet.

Neben der Sicherung der bilingualen Zweige gibt es heute in der deutschen Schullandschaft ein zunehmendes Angebot an flexiblen bilingualen Modulen.

Darunter versteht man das fakultative, phasenhaft durchgeführte Angebot von Fachunterricht in der Fremdsprache in allen nicht-sprachlichen Fächern wie z.B. Mathematik, Naturwissenschaften, die künstlerischen Fächer und Sport.

Die primären Ziele flexibler bilingualer Module sind hauptsächlich:

- Die Ausweitung des fremdsprachlichen Handelns auf fachbezogene Anwendungsbereiche.

- Die Erweiterung der fremdsprachlichen Kompetenz bei der Bewälti-gung fachspezifischer Situationen sowie Anforderungen.

- Die Vermittlung einer erhöhten Einsicht des Nutzens einer Fremd-sprache in einem fachbezogenen Rahmen, was zu einer Erhöhung der Motivation für das Lernen von Fremdsprachen führen kann.

- Die Verbesserung der Berufsvorbereitung durch den Kontakt mit fach-spezifischem Französisch oder Englisch.

- Der Erwerb von Kenntnissen, die nicht nur beruflich verwendbar sind, sondern auch für die außersprachliche Wirklichkeit nützlich sein kön-nen.

416 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

- Die zeitlich und inhaltlich flexible Anpassung an die Bedürfnisse der Schüler und an schulstandortspezifischen Gegebenheiten z.B. im Rahmen des Schulprogramms.417

Folgende Gemeinsamkeiten lassen sich in den Curricula des muttersprachli-chen und des bilingualen Unterrichts feststellen:

1. Der muttersprachliche Unterricht ist die Basis des bilingualen Unter-richts in den Bereichen Ziele, Inhalte und Methoden.

2. Die fachsprachliche Begrifflichkeit ist in beiden Sprachen zu vermit-teln.

3. Das Problem hier ist die Diskrepanz zwischen sprachlichen und kogni-tiven Ansprüchen.

4. Die Wichtigkeit des interkulturellen Lernens und Arbeitens im bilingua-len Unterricht wird betont.

5. Zentrales Anliegen des bilingualen Unterrichts ist die Förderung der sprachlichen Fertigkeiten.

6. Sachrelevante Fertigkeiten schließen auch allgemeine Arbeitstechni-ken (z.B. lesen von Texten usw.) mit ein.

7. Die Textarbeit hat besondere Bedeutung im bilingualen Sachfachun-terricht.418

Gesamt gesehen haben bilinguale Schüler in den Bereichen der Sprachan-wendung deutliche Vorteile, nämlich:

- bei Lern- und Arbeitstechniken sowie Lernstrategien

- beim lesen, Schreiben und der mündlichen Kommunikation

- bei Differenziertheit, Reichtum und Idiomatik (Mundart) z.B. die Be-herrschung von Fachbegriffen

- Intonation und Prosodie in der Aussprache (authentischere Ausspra-che).419

417 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

418 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

419 Vgl. http://www.pze.at/memo/download/bonn.pdf 22.03.2005.

Nichtsdestotrotz haben bilinguale Schüler nur wenige Vorteile in den Berei-chen Grammatik sowie sprachlicher Richtigkeit. Im bilingualen Unterricht werden Techniken der Spracharbeit, Lesetechniken und Textproduktions-techniken aus dem Fremdsprachenunterricht übernommen. Zusätzlich ist der Einsatz der Muttersprache aus didaktischen und methodischen Gründen in bilingualen Modulen sinnvoll und unentbehrlich.420