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Die Bedeutung der Inklusion im Bildungs- und Berufsbildungs-

3.2 Inklusion im Bildungs- und Berufsbildungsbereich sowie in der

3.2.2 Die Bedeutung der Inklusion im Bildungs- und Berufsbildungs-

ausgeson-derten Kinder und Jugendlichen kaum die Möglichkeit, sich mit der komplexen Welt-wirklichkeit im gemeinsamen schulischen Umfeld auseinanderzusetzen und sich auf ihren eigenen schulisch-beruflichen Übergang vorzubereiten. Zwar bedürfen die Kin-der und Jugendlichen mit FörKin-derschwerpunkt einer individuellen Betreuung, aller-dings benötigen sie gleichermaßen Kommunikation und Austausch mit leistungsstär-keren Schülern und Schülerinnen. Nur so ist es den Schülern mit Förderschwerpunkt möglich, soziale Barrieren abzubauen und durch den gegenseitigen Austausch Er-kenntnisfortschritte zu erreichen. Durch den ständigen Kontakt der leistungsstärke-ren Schülerschaft zu den Mitschülern und Mitschülerinnen mit Förderbedarf soll die Andersartigkeit der Förderbedürftigen zur Normalität werden. Die in einer hetero-genen Schülerschaft aufgewachsene Generation sollte die enormen Unterschiede in der beruflichen Konkurrenz zwischen Leistungsstarken und -schwächeren entschär-fen. Somit würden sich auch die Chancen bieten, den förderbedürftigen Schülerinnen und Schülern Teilhabe am gemeinsamen Bildungsgeschehen und der Arbeitswelt zu gewährleisten.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden Menschen mit Förderbedarf inter-viewt, die während der eigenen Schulzeit fast durchgängig die Förderschulförderung erlebten. Um besser nachvollziehen zu können, wie schulisch-berufliche Übergänge

der Interviewten erfolgten und was die Interviewten dabei erfahren haben, ist es erfor-derlich, sich mit dem deutschen Schulsystem auseinanderzusetzen.

Das deutsche Schulsystem zeichnet sich durch Leistungsorientiertheit, Konkur-renz und Stigmatisierung für die sogenannten Schulverlierer und -verliererinnen aus (Becker 2015, S. 37). Nach wie vor dominiert im Schulbereich die Separation – die Aus-sonderung von Kindern und Jugendlichen, die von der Norm abweichen (Euler und Severing 2014, S. 129).

Eine Schullaufbahn endet normalerweise mit dem jeweiligen allgemeinbilden-den Abschluss. Dabei erwarben im Schuljahr 2014 in Bezug auf die altersspezifische Zielgruppe nur sechs Prozent der Schulabgänger und Schulabgängerinnen keinen Schulabschluss. Bei den Förderschulen sieht dies völlig anders aus. Über die Hälfte der Förderschulabsolventen (54,4 %) erreichten im Abgangsjahrgang 2014 keinen all-gemeinbildenden Schulabschluss (Statistisches Bundesamt 2016, S. 35). Infolgedes-sen wird der Einstieg in einen Beruf enorm erschwert (ebd., S. 34).

„So sieht Inklusion in der Berufsausbildung aus: Von den jährlich rund 50.000 Schulab-gängern mit sonderpädagogischem Förderbedarf finden nur etwa 3.500 einen betrieb-lichen Ausbildungsplatz.“2 (Bildungsklick 2014)

Nur etwa zehn Prozent3 der Förderschulabsolventen und -absolventinnen fanden 2014 einen Ausbildungsplatz. Ein Teil von ihnen wird in einer WfbM ausgebildet, versucht einen Reha-Beruf ihrer Wahl zu erlernen oder verbleibt in diesem geschützten Raum weiterhin als Beschäftigte. Bestehen für einige behinderte junge Menschen keine Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, erleben die Betroffenen einen weite-ren Separations- bzw. Exklusionsschritt (Euler und Severing 2014, S. 129). In Anleh-nung an Euler und Severing kann der Übergang Schule – WfbM nicht nachverfolgt werden (ebd., S. 123). Alle anderen Abgänger und Abgängerinnen einer Förderschule haben kaum eine Chance, in den Arbeitsmarkt einzusteigen (Statistisches Bundesamt 2016, S. 34).

Bei der Betrachtung der aktuelleren Inklusionszahlen, Daten und Fakten kann festgehalten werden, dass ein zunehmend größerer Anteil von Kindern und Jugend-lichen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam beschult wer-den, dass allerdings die Exklusionsquote von 4,9 Prozent im Schuljahr 2008/2009 bis auf 4,3 Prozent im Jahr 2016/2017 stetig sehr schwach absinkt. Damit betrifft die Ex-klusion immerhin noch 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf (Aktion Mensch o. J.).

An dieser Stelle wird deutlich, dass mindestens im allgemeinbildenden Bereich Umsetzungsfortschritte der Inklusion bemerkbar sind. Generell soll jede Form der Ausgrenzung, des Ausschlusses aller potenziellen Risikogruppen von Jugendlichen (Exklusion) sowie ihre separierende Aussonderung (Separation) vermieden werden.

2 50.000 ist eine geschätzte Zahl. Im Jahr 2014 haben 36.176 Schüler und Schülerinnen eine sonderpädagogische Förderung in Förderschulen beendet (Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz 2018, S. XXI).

3 Eigene Berechnung (Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz 2018, S. XXI und Bildungsklick 2014).

In Anlehnung an Katzenbach sollen auf Benachteiligung bzw. Exklusion beru-hende Hindernisse bei der Umsetzung von Inklusion jedoch nicht unterschätzt wer-den (Burtscher et al. 2014, S. 67).

„Darüber hinaus macht Katzenbach am Beispiel der Erwachsenenbildung deutlich, dass die Realisierung von Inklusion weniger darauf beruhen wird, benachteiligende bzw. ex-kludierende Mechanismen aufzulösen, sondern sie hinsichtlich ihrer negativen Wirkun-gen für Menschen mit BehinderunWirkun-gen möglichst weitgehend zu entschärfen“ (ebd.).

Katzenbach geht davon aus, dass nicht für jeden Betroffenen und nicht zu jeder Zeit der Zugang zur beruflichen Bildung und zum Beschäftigungssystem erreicht werden kann. Daher thematisiert er auch die Frage nach Zugangsbedingungen und -voraus-setzungen, die das Gelingen von Inklusion ermöglichen sollen (Burtscher et al. 2014, S. 68).

Auf dem Weg zur Inklusion lassen sich unterschiedliche Exklusions-, Separa-tions- und Integrationsprozesse erkennen. Inklusion beginnt erst „im Kopf“ aller Be-teiligten in ihren interdisziplinären pädagogischen Haltungen und Einstellungen zum gemeinsamen „miteinander und voneinander“ Lernen (Höchst und Masyk 2013, S. 13). Dies betrifft sowohl Schüler und Schülerinnen bzw. Auszubildende mit und ohne Beeinträchtigung als auch Lernende „mit unterschiedlichen sozialen, sprach-lichen und kulturellen Biographien“ (Dechow, Reents und Tews-Vogler 2014, S. 7).

In der aktuellen Debatte hat sich das Inklusionsverständnis schleichend verscho-ben. Der aktuelle Inklusionsdiskurs bietet zwei Vorstellungen der inklusiven Bildung an. „Kontrovers wird vor allem diskutiert, ob es unter dem Stichwort ‚Inklusion‘ allein um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geht“ (Enggruber und Ulrich 2016, S. 59). Dabei ist zu verzeichnen, dass Inklusion im engeren Sinne auf die Bil-dung von Menschen mit Behinderungen abzielt. Im weiteren Sinne zieht inklusive Bildung nicht nur Menschen mit Behinderung in Betracht, sondern bezieht sich auch auf alle Benachteiligten beim eingeschränkten Zugang zur Bildung (Pool Maag und Jäger 2016, S. Abstract) und somit auch zum Arbeitsmarkt. Die gemeinsame Teilhabe gilt nicht nur für Menschen mit Behinderung als Menschenrecht, sondern auch für alle anderen, denen der Zugang zur Bildung verwehrt ist (Enggruber und Ulrich 2016, S. 59). Sie seien von „Exklusion bedroht“ (Burtscher et al. 2014, S. 11).

„In diesem weiteren Sinne wäre ein inklusives Bildungssystem erreicht, wenn alle Men-schen – unabhängig von ih7ren individuellen Fähigkeiten, ihrem Geschlecht, ihrer sozia-len und ethnischen Herkunft, einer Behinderung im engeren Sinne oder anderer persön-licher Merkmale – Zugang zu allen Angeboten des Bildungssystems haben und bei Bedarf individualisiert gefördert werden“ (Enggruber und Ulrich 2016, S. 60).

Unabhängig davon, ob die Inklusion im engeren Sinne in Bezug auf Menschen mit Behinderung oder im weiteren Sinne auf die Gruppe von Benachteiligten ausgerichtet ist, soll die bisher separierte Beschulung Änderungen erfahren. Die bestehenden Bil-dungsinstitutionen sollen sich so weit verändern, dass es keine Hinderungsgründe

mehr gibt, junge bzw. erwachsene Menschen abgesehen von ihren vielfältigen indivi-duellen Bedürfnissen bzw. Voraussetzungen gemeinsam zu bilden (ebd.).

Im Rahmen sozialer Inklusion bzw. Exklusion haben Bildungseinrichtungen eine entscheidende Bedeutung, „weil sie den Spielraum biografischer Entscheidun-gen über Teilhabemöglichkeiten erweitern können“ (Burtscher et al. 2014, S. 11). Ge-meinsam beschulte Jugendliche und junge Erwachsenen können von den Erkennt-nisfortschritten ihrer leistungsstärkeren Mitschüler und Mitschülerinnen profitieren und sich die regulären beruflichen Bildungsgänge erschließen.

In Anlehnung an Werning und Baumert (2013, S. 38) liegt der Fokus von Inklu-sion nicht unbedingt auf lernenden Menschen, sondern auf den Bildungseinrichtun-gen, welche sich an spezifische Bedürfnisse und Interesse der Menschen anpassen sollen. Ahrens (2014, S. 281) meint, dass die Gestaltung bzw. Organisation von Bil-dung jeden Lernenden hinsichtlich seiner individuellen Bedürfnisse und Potenzial-förderung erreichen soll. Dabei sollen sowohl die Differenzierung nach Behinderung, Lernschwierigkeiten und Ausbildungsreife etc. als auch die separierende Aufteilung von Lernenden in verschiedene homogene Gruppen zum Förderungszweck entfallen (Enggruber und Ulrich 2016, S. 60).

Ein Widerspruch ergibt sich hierzu in Bezug auf die individuellen bedarfsbezo-genen schulischen Nachhilfen, welche allerdings in Gruppen mit wenigen Leistungs-unterschieden angeboten werden.

Unter Einbezug der UN-Behindertenrechtskonvention tritt im Rahmen der deut-schen Politik der Inklusionsbegriff im engeren Sinne mit der Fokussierung auf behin-derte Menschen in den Vordergrund (BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2011; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, S. 158).

„Nach Artikel 1 der UN-Behindertenrechtskonvention zählen zu ‚Menschen mit Behinde-rungen‘ jene, ‚die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigun-gen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können‘. Diesem Verständnis wird in den deutschen Schul- und Sozialgesetzen bisher nicht gefolgt, son-dern es finden sich dort eher medizinisch ausgerichtete Begriffsbestimmungen. Zudem wird – so auch in der Berufsbildungsstatistik – das personenbezogene Merkmal ‚Behinde-rung‘ nicht immer erfasst.“ (Enggruber und Ulrich 2016, S. 60)

Die berufsbildungsbezogenen Überlegungen von Enggruber und Rützel (2014) führ-ten zu den Fragen, mit welchen und mit wie vielen ausbildungsinteressierführ-ten Men-schen mit Behinderung gerechnet werden soll. Diese Fragen bleiben unbeantwortet, solange die statistischen Daten bzw. die Befragungen von Menschen mit einem son-derpädagogischen Förderbedarf in Bezug auf ihre Ausbildungsinteressen fehlen. Al-lerdings kann die Zahl der Förderschulabgänger und -abgängerinnen in Betracht ge-zogen werden.

Laut der KMK-Vorgaben beinhalten die Schulgesetze unter anderem einen Indi-kator zur Feststellung eines „sonderpädagogischen Förderbedarfs“ bei Schülern und Schülerinnen mit einer zu klassifizierenden Behinderung. Sowohl in den

Sozialgeset-zen III und IX als auch in der Berufsbildungsstatistik entfällt dieser Indikator (Auto-rengruppe Bildungsberichterstattung 2014).

„Dennoch beziehen sich Dieter Euler und Eckart Severing (2014) darauf und schätzen auf der Basis von Schulstatistiken, dass jährlich rund 50.000 Jugendliche mit einem aner-kannten sonderpädagogischen Förderbedarf die allgemeinbildenden Schulen verlassen und damit als jene mit ‚Behinderungen‘ gerechnet werden können. Ihre Teilhabe an Be-rufsausbildung wäre dann durch geeignete Reformen sicherzustellen.“ (Enggruber und Ulrich 2016, S. 61)

Viele Veränderungen sind im allgemeinbildenden Schulbereich bereits eingetreten.

Eine erfolgreich gestaltete inklusive Allgemeinschulbildung versucht heutzutage einer separierenden Beschulung entgegenzuwirken. Nach wie vor bleibt der Zugang zum dualen Berufsbildungssystem für viele Ausbildungsinteressenten und -interes-sentinnen aufgrund schwieriger Passung zwischen Angebot und Nachfrage (Matthes und Ulrich 2014, S. 5 ff.) bzw. jahrelanger geringer betrieblicher Ausbildungsplatzan-gebote verschlossen (Enggruber und Ulrich 2016, S. 61). Enggruber und Ulrich mei-nen, dass Zugangsbarrieren zur dualen Ausbildung über eine Sensibilisierung zum Inklusionsverständnis sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne abgebaut wer-den könnten. Infolgedessen sollten alle möglichen Behinderungen und Benachteili-gungen berücksichtigt und somit auch die Teilhabe aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen im dualen Berufsbildungssystem aufrechterhalten werden (ebd.).

Inklusion bezieht sich sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne auf unter-schiedliche gesellschaftliche, soziale und bildungspolitische Auswirkungen (Burt-scher et al. 2014, S. 65).

Unabhängig davon, ob Inklusion im engeren oder weiteren Sinne „favorisiert [wird], lässt sich allenthalben beobachten, dass die mit der Einführung des Begriffs verfolgten Ziele oftmals bis ins Gegenteil verkehrt werden“ (Burtscher et al. 2014, S. 27).

Beispielsweise ist der Terminus „Diskriminierung“ als ein Gegenbegriff zur In-klusion zu betrachten (Burtscher et al. 2014, S. 18). Pieper und Mohammadi bezeich-nen Inklusion als limitiert.

„Limitiert insofern, als Inklusion nicht allen Gesellschaftsmitgliedern, sondern nur jenen [zuteilwird], die im Sinne gegenwärtiger ökonomischer Effizienzkriterien als ‚produktiv genug‘, ‚anpas4sungsfähig‘ und ‚optimal verwertbar‘ angesehen werden. Menschen oder Differenzen, die den ableistischen Produktivitätsmaßstäben nicht gerecht werden, sehen sich weiterhin mit den Praktiken gesellschaftlicher Aussonderung konfrontiert.“ (Pieper und Mohammadi 2014, S. 239)

Wie limitierte Inklusion bzw. Exklusion sowie Segregation und Marginalisierung zu-stande kommen, besagen die Studienergebnisse über den Zugang zum ersten Ar-beitsmarkt von Pieper und Mohammadi. Die genannten Prozesse fangen in den Bio-grafien mehrfach diskriminierter Menschen früher als gedacht an. Sobald bei Menschen mit Behinderung von nachschulischen Lebenswegen die Rede ist und eine

Entscheidung getroffen werden muss, kommen Bildungseinrichtungen wie (Sonder-) Schulen sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Einsatz. In den meisten Fällen grei-fen die Sonderschullehrer und -lehrerinnen mit ihren Empfehlungen bei der Planung der weiteren Lebenswege, insbesondere bei Absolventen und Absolventinnen ohne einen anerkannten Schulabschluss, zu massiv ein. Außerdem wird den Empfehlun-gen einiger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der BundesaEmpfehlun-gentur für Arbeit zu viel Gewicht beigemessen (ebd.).

„Das geschieht oft, ohne dass die betroffenen Menschen hinreichend über Rechte und unterschiedliche Möglichkeiten informiert werden oder die Chancen eines wirksamen Mitsprache- und Widerspruchsrechts in Anspruch nehmen können. So beschreibt Saliah, deren Eltern aus Marokko kommen, dass sie nach der Sonderschule für Körperbehinderte

‚in der Werkstatt für behinderte Menschen gelandet‘ sei – wie sie es ausdrückt – obwohl sie eigentlich einen Realschulabschluss machen wollte.“ (Pieper und Mohammadi 2014, S. 239)

Inklusion ist ein menschenrechtliches Prinzip zur sozialen Eingliederung der gesam-ten Bevölkerung. Dieses Grundprinzip ist unter dem Ausschluss von Diskriminie-rung für alle Menschen universell. Darüber hinaus ist Inklusion nicht auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet. Tatsächlich sind aber auch im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe je nach persönlichen Voraussetzungen begrenzt bzw. ungerecht verteilt (Jochmaring, Schreiner, Wansing und Westphal 2016, S. 82). Darüber hinaus sind die Chancen zur Teilhabe am Arbeits-markt für Menschen mit Behinderung nicht immer gegeben.

Diskriminierung beginnt bereits bei der Zuordnung von Menschen mit Beson-derheiten, die dem Normalitätskonstrukt nicht entsprechen bzw. dem Konstrukt der Abweichung von der Normalität oft diesbezüglich zugeordnet werden. Bei derartiger Diskriminierung werden sowohl die Lebensmöglichkeiten als auch das Denken, Han-deln sowie Fühlen von Betroffenen massiv beeinflusst. Eine Person wird bei der Zu-ordnung zur Normalität als privilegiert betrachtet, die andere durch das eigene An-derssein ausgegrenzt. Dabei ordnen sich die Normalen selbst nur indirekt der Kategorie der Normalen und Leistungsfähigen, Privilegierten, Bevorzugten und Be-rechtigten zu und beteiligen sich kaum an den Diskussionen über Zugänge, Barrie-ren, Ausgrenzungen von Betroffenen und deren Diskriminierungen. Selbstverständ-lich empfinden sie allerdings die von Inklusion betroffenen Personen als Andere, Abweichende und weniger Wertvolle (Flieger, Melter, Melter und Schönwiese 2014, S. 347 f.). Daher bedarf es dringend der Verschmelzung von Normalität und Anders-sein. Damit sind eine zunehmende Begegnung und ein gemeinsames Lernen und Leben von Menschen mit Behinderung und ohne Beeinträchtigungen gemeint. Das Zusammengehören in einer demokratischen Gesellschaft muss zum Alltag werden.

„Das Erlernen von Toleranz, Empathie und Solidarität braucht unabdingbar die Erfahrung der Verschiedenheit in der Gemeinsamkeit: Wo nur Gleiche sich begegnen, sind Toleranz, Empathie und Solidarität selbstverständlich oder überflüssig.

[…] Demokratie und Inklusion sind seelenverwandt, sind zwei Seiten einer Medaille. De-mokratie ist die politische Seite von Inklusion, Inklusion ist die gesellschaftliche Seite von Demokratie. In der Demokratie wie in der Inklusion geht es gleichermaßen um die ‚Be-wältigung der Andernheit in der gelebten Einheit‘ (Buber 1986, S. 55). In diesem Sinne ist inklusive Bildung demokratische Bildung par excellence.“ (Wocken 2014, S. 30)

Die Herausforderungen einer inklusiven demokratischen Bildung erfordern die ab-sichtsreiche Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Mitglieder.

Verschiedenes zu erkennen bzw. zu erfahren, sieht allerdings keine diskriminie-rende Zuordnung von andersartigen Menschen vor, sondern fordert in einer demo-kratischen Gesellschaft zum Erwerb des bewussten Miteinanderkönnens auf (Wocken 2014, S. 30) und bietet Impulse „für neues Lernen“ (ebd., S. 49). Heterogenität kommt dabei pädagogisch gesehen als vorausgesetzte Herausforderung bzw. Stimulus für das Lernen und die Entwicklung vor. In Anlehnung an Wocken ist Inklusion „eine Antwort auf ‚diversity‘“ sowie „ein gleichberechtigtes Miteinander der Verschiedenen und der Verschiedenheiten“ (ebd.). Seiner Meinung nach sind alle sowohl gleich als auch verschieden. In dem Zusammenhang lässt sich Inklusion aus der demokratie-theoretischen, (im Hinblick auf Grundsätze von Freiheit, Gleichheit und Solidarität), aus der menschenrechtlichen und heterogenitätspädagogischen Perspektive begrün-den (ebd., S. 49).

Müller merkt dabei an: „Wo von Inklusion die Rede ist, ist von der menschlichen Freiheit die Rede“. Er betrachtet Freiheit als Inklusionsziel und meint, dass eine In-klusion nur dann gelingen kann, wenn man alle Normierungsversuche relativiert und den betroffenen Menschen genug Freiheit für Gestaltungsräume zur Verfügung stellt (Müller 2015, S. 11, 47). Die häufig zitierten Schwerpunkte in diesem Themenbereich sind folgende:

„• „barrierefreie und gleichberechtigte Zugänge zu allen Wirtschafts-, Kultur- und Frei-zeitbereichen sollen eingerichtet werden;

• Mitbestimmung in allen Lebensbereichen soll gewährt werden;

• freie Lebensgestaltung und freie Wahlmöglichkeiten sollen auch innerhalb von Be-treuungsverhältnissen realisierbar sein;

• keine strukturbedingte Exklusion in der Bildungs- und Arbeitswelt;

• keine Orientierung an den Defiziten eines Menschen, sondern an seinen spezifi-schen Talenten;

• niemand soll in Sonderwelten abgeschoben werden, stattdessen sollen Assistenzsys-teme inmitten der Gesellschaft etabliert werden;

• Dialoge sollen auf Augenhöhe stattfinden.“ (Müller 2015, S. 11, 17)

Aufgrund einer Behinderung und Ausgrenzungsauswirkungen kann der Dialog schwerfallen. Deswegen soll mindestens ein innerer Monolog darüber geführt wer-den, wie ein betroffener Mensch vor der Ausgrenzung und deren Auswirkungen war, um den Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Förderbedarf den Übergang in eine chancenreiche berufliche Bildung und danach in eine Beschäftigung zu ermög-lichen. Diese Herausforderung bezieht sich nicht nur auf die Betriebs- und Personal-verantwortlichen, die Lehrkräfte an den Schulen und in Betrieben sowie deren Be-schäftigte, sondern auch an jede Person, die Menschen mit besonderem Förderbedarf

begegnet. Betrachtet werden sollte die Vorstellung, inwieweit sich jeder von uns unter denselben Entwicklungsbedingungen verändert hätte. Eine aufmerksame bzw. res-pektvolle Haltung den Betroffenen gegenüber sorgt dafür, dass Inklusion keine Illu-sion mehr bleibt (Müller 2015, S. 20 f.4). Nur dann können die Übergangsverläufe von Menschen mit Förderbedarf im Beruf mit Erfolg verbunden und Ausbildungsabbrü-che vermieden werden.

In Anlehnung an Mayrhofer (2009, S. 5) beschreibt Koch Inklusion als

„einen Weg und ein Ziel zugleich, nämlich eine Gesellschaft, die eine Perspektive für dis-kriminierte Menschen auf Teilhabe an Werten, auf Teilhabe an Systemen und auf Teilhabe von Individuen in den Blick nimmt und anstrebt.“ (Koch 2015, S. 88)

Darauf bezogen scheint Inklusion kein inhaltsloser Begriff zu sein, sondern reprodu-ziert eine bedeutsame gesellschaftliche Haltung (ebd.) unabhängig davon, ob es um Bildungs- oder Berufsteilhabe geht.

Um über die gelungenen und misslungenen schulisch-beruflichen Übergänge Rückschlüsse zu ziehen, sollen im nächsten Kapitel insbesondere die Chancen von Menschen mit Förderbedarf beim Einstieg in den Beruf bzw. bei der Aufnahme einer Beschäftigung dargestellt und diskutiert werden.