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Der Einsatz von Naloxon durch geschulte Laien

Im Dokument Alternativer Drogen- und Suchtbericht (Seite 83-86)

Naloxon

Der schnellste spezifische Weg, eine opiatbe-dingte Atemdepression zu beseitigen, ist die Injektion des Opiatantagonisten Naloxon (Handelsname Narcanti®). Dieser wird bereits seit mehr als 40 Jahren zur Behandlung von Opiatüberdosierungen eingesetzt. Naloxon kann innerhalb weniger Minuten lebensbe-drohliche Effekte wie Atemlähmung, Hypoxie, Bewusstlosigkeit und Blutdruckabfall aufhe-ben. In höheren Dosierungen kann Naloxon einen Entzug auslösen. Eine Überdosierung ist nicht möglich. Nebenwirkungen wie Herz-rhythmusstörungen und Lungenödem sind sehr, sehr selten. Naloxon ist in Deutschland nur in Ampullen verfügbar, die eigentliche Darreichungsform eine intravenöse, intramus-kuläre oder subkutane Injektion. Es kann jedoch auch mittels eines Nasalzerstäubers in die Nase gespritzt werden. Der Nasalzer-stäuber wird, nachdem Naloxon in eine Spritze aufgezogen wurde, auf diese gesetzt.

Er verteilt das Medikament beim Spritzen durch feine Düsen, so dass eine optimale Resorption über die Schleimhaut erfolgen kann. Die Halbwertzeit von Naloxon liegt zwischen 30 und 80 Minuten, sie ist damit deutlich kürzer als die der gebräuchlichen Opiate. So kann eine vorübergehende Be-wusstseinsaufklarung nach erfolgter Naloxon-injektion täuschen. Ein erneuter Atem- bzw.

Kreislaufstillstand droht. Dieser Zustand kann dann mit einer weiteren Naloxon-Gabe erneut behoben werden.

Naloxon ist verschreibungspflichtig, kann also von einem Arzt auf (Privat-) Rezept (Kosten für eine Ampulle: ca. 7€) verordnet werden.

Rechtliche Aspekte der Naloxonvergabe Immer wieder werden Skepsis oder Befürch-tungen von Fachleuten, die sich für die Naloxon-Abgabe interessieren, hinsichtlich der rechtlichen Problematik der Naloxon-Vergabe an Drogengebraucher/innen im

Rahmen der Laienhilfe geäußert. National und international betrachtet scheint dies einer der Haupthinderungsgründe zu sein, Naloxon in die Hände von Opiatkonsu-ment/innen zu geben.

Naloxon ist gemäß bundesdeutschem Arznei-mittelgesetz verschreibungspflichtig. Das Arzneimittelgesetz regelt nur den Verkehr (Verschreibungspflicht, Abgabe durch Apothe-ken etc.). Es gibt keinerlei Regelungen (und dementsprechend Einschränkungen) hinsicht-lich der Anwendung.

Die Bundesärztekammer hat in einer Stellungnahme Anfang 2002 bestätigt, dass in standesrechtlicher Hinsicht keine Be-denken gegenüber einer Naloxonabgabe zum Zwecke der Laienhilfe im Drogennotfall be-stehen, da aufgrund der Substanzeigen-schaften und des Einsatzzweckes nicht zu befürchten ist, dass ein Arzt/ eine Ärztin der missbräuchlichen Anwendung seiner Ver-schreibung (§ 34 Abs. 4, Muster-Berufs-ordnung) Vorschub leistet. Die Verwendung des Arzneimittels ist zusätzlich beim Einsatz im Notfall durch § 34 StGB (“Rechtfertigender Notstand”) gedeckt. Der Arzt/ die Ärztin muss allerdings einer besonderen Aufklärungs-pflicht Genüge tun, durch die er/sie nicht da-durch entbunden wird, dass andere Institu-tionen Schulungs- und Informationsmaß-nahmen durchführen. Die Bundesärztekam-mer legt großen Wert auf die Auffor-derung an die Naloxon-Empfänger/innen, zusätzlich den Rettungsdienst zu alarmieren. Hat der Arzt/

die Ärztin im Einzelfall den Eindruck, dass der/ die Naloxon-Interessent/in keine Schu-lung bzw. Informationen anzunehmen bereit ist und/ oder den Rettungsdienst nicht in-formieren würde, sollte kein Naloxon verord-net werden.

Das Fazit der Stellungnahme der Bundes-ärztekammer ist, dass die Naloxon-Ver-schreibung im Rahmen von Laienhilfe gesetz-lich nicht ausdrückgesetz-lich geregelt ist. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise, dass Naloxon-Abgabe durch Ärzte/ Ärztinnen an Laien recht-lich problematisch sei, solange die allgemein-gültigen Regelungen des Arzneimittelrechts und der ärztlichen Berufsordnung

(Verschrei-77 bungs-, Apotheken-, Aufklärungs- und

Schu-lungspflicht) eingehalten werden.

In einer Stellungnahme des Bundesminis-teriums für Gesundheit vom August 2008 wird der Einsatz von Naloxon durch Laien wie folgt bewertet:

Im Hinblick auf die Anforderungen in § 2 Abs.

1 Nr. 3 der AMVV, geht die AMVV grund-sätzlich davon aus, dass die Person, für die ein Arzneimittel verschrieben wird, mit der Person identisch ist, bei der das Arzneimittel zur Anwendung kommt. Aber auch das Bundesgesundheitsministerium berücksich-tigt allgemeine Rechtfertigungsgründe, die eine Ausnahmemöglichkeit rechtlich nicht ausschließen. Naloxon kann somit im Rah-men eines Notfalles ausnahmsweise bei einer anderen Person, als der, für die es verschrie-ben wurde, zur Anwendung gebracht werden, wenn gesundheitliche Folgen bzw. Gefahren nicht anders als durch unverzügliche Verab-reichung von Naloxon abgewendet werden können.

Hingewiesen wird außerdem auf die beste-henden medizinischen und rechtlichen Risi-ken, die mit einer von medizinischen Laien im Notfall vorgenommenen parenteralen Applika-tion von Naloxon verbunden sind.

Fazit der Stellungnahme des Bundesministe-riums für Gesundheit:

Die Naloxon-Verschreibung im Rahmen von Laienhilfe ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die bestehende Rechtslage schließt jedoch die Verabreichung von Naloxon durch qualifizierte Laienhelfer nicht aus.

Aktuell hat der DGS-Vorstand zwei gleich-lautende Anfragen zu berufs-, arznei- und betäubungsmittelrechtlichen Aspekten der Naloxon-Verordnung an das BMG und an die BÄK gestellt, um eine Aktualisierung der Stellungnahmen zu erwirken.

Naloxonverschreibung in der Praxis

Für die Verschreibung müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:

- Naloxon-Empfänger/innen werden zum situationsangemessenen Verhalten im Drogennotfall und in der Anwendung von

Naloxon qualifiziert.

- Die Aufklärung und Naloxon-Abgabe werden dokumentiert.

- Naloxon-Empfänger/innen müssen selbst Opiatkonsument/innen sein.

Eine Verschreibung von Naloxon an Personen, für die keine Indikation vorliegt (beispiels-weise nichtkonsumierende Lebenspartner/

innen oder Sozialarbeiter/innen) ist gemäß AMVV nicht möglich. Es empfiehlt sich jedoch durchaus, Lebenspartner/innen, Familienan-gehörige oder Sozialarbeiter/innen in Dro-genhilfe-Einrichtungen zum angemessenen Verhalten im Notfall zu schulen. Sollten diese Laienhelfer/innen im Notfall Naloxon bei überdosierten Konsument/innen finden und dieses injizieren, sind sie als Ersthelfer/in vor rechtlichen Konsequenzen geschützt.

Alltagsnah ist es zudem, „Konsumgemein-schaften“ in der Anwendung von Naloxon zu schulen und allen Teilnehmer/innen Naloxon zu verschreiben. Im Idealfall hätten somit alle Opiatkonsument/innen ihr eigenes Naloxon in der Tasche und Konsumpartner/innen wüssten den Antagonisten adäquat einzu-setzen.

Berliner Modellprojekt und was daraus wurde

Das Berliner Modellprojekt „Prävention von Drogennot- und –todesfällen/ Erste Hilfe-Kurse und Naloxon-Einsatz durch Drogen-gebraucher/innen“ von Fixpunkt e. V.

(Dezember 1998 bis Dezember 2002) konnte den Beweis erbringen, dass sowohl die Schu-lung (Erste Hilfe-Maßnahmen im Drogen-notfall) und die Vergabe von Naloxon an aktive Opiatkonsument/innen, als auch der verantwortungsbewusste Einsatz von Naloxon machbar sind. Ebenso konnte grundsätzlich nachgewiesen werden, dass Opiatkonsu-ment/innen die notwendige Compliance im Hinblick auf die Berichterstattung nach dem Einsatz von Naloxon erbringen.

Im Anschluss an das Modellprojekt gab es keine adäquate Folgefinanzierung, so dass Drogennotfalltrainings und Naloxonverschrei-bung nur in sehr kleinem Umfang weiterhin angeboten werden können. Während über 100 Berichte zur Naloxonanwendung aus der

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Zeit des Modellprojekts vorliegen, gab es in den letzten Jahren nur noch sehr selten Rück-meldungen. Eine regelmäßige Präsenz des Projektes scheint eine wichtige Voraussetzung zu sein, um Rückmeldungen zu erhalten.

Bisher waren unsere Bemühungen weitest-gehend vergeblich, Drogennotfalltrainings und Naloxonverschreibung konzeptionell und strukturell in Berlin oder gar Deutschland zu integrieren. Seit einigen Monaten gibt es aller-dings vermehrt Nachfragen und auch schon konkrete Aktivitäten, diese Form der Drogen-todesfallprävention in verschiedenen Set-tings umzusetzen.

Fazit

Naloxonvergabe an Drogengebraucher/innen, aber auch an andere potenzielle Ersthelfer/

innen ist eine in vielen Ländern erprobte und erfolgreiche Maßnahme. Naloxon kann Leben retten und Folgeschäden aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung verhindern.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Naloxonverschreibung in Deutschland sind nicht optimal, aber es ist durchaus möglich, Opiatkonsument/innen Naloxon zu verschrei-ben.

Daher wäre es perspektivisch ausgesprochen wünschenswert, dass alle potenziellen Erst-helfer/innen, z. B. Freunde, Familienange-hörige oder auch Polizei, über Naloxon als Notfallmedikament verfügen können.

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Olaf Schmitz

Berufliche Teilhabe suchtkranker

Im Dokument Alternativer Drogen- und Suchtbericht (Seite 83-86)

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