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1 Hintergrund

2.2 Sedentäre Verhaltensweisen bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg

2.2.1 Datenbasis

Zur Wirksamkeitsüberprüfung des Gesundheitsförderprogramms „Komm mit in das gesunde Boot“ wurde das Programm im Setting Grundschule anhand der sogenannten

„Baden-Württemberg Studie“ evaluiert (Dreyhaupt et al., 2012). Für die Evaluation erteilte die Ethik-Kommission der Universität Ulm ihre Genehmigung am 09.06.2010. Zudem wurde die Untersuchung beim Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) unter der Nummer DRKS00000494 am 25.08.2010 registriert.

2.2.1.1 Studiendesign

Die Baden-Württemberg Studie ist eine cluster-randomisierte, kontrollierte und prospektive Längsschnittstudie. Dabei erhielt die Interventionsgruppe das Gesundheitsförderprogramm im Schuljahr 2010/2011, während die Kontrollgruppe in demselben Jahr noch den regulären Unterricht durchführte. In der Kontrollgruppe wurde das Programm erst im darauffolgenden Schuljahr implementiert, weshalb es sich um eine sogenannte Wartekontrollgruppe handelte. Die erste Datenerhebung (sog. Baseline-Messung) fand zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 vor der Implementierung des Programms in allen teilnehmenden Grundschulen statt. Die zweite Messung (sog. Follow-up-Messung) wurde ein Jahr später zum selben Zeitpunkt, d.h. zu Beginn des Schuljahres 2011/2012 durchgeführt, noch bevor die Wartekontrollgruppe mit dem Programm startete.

29 2.2.1.2 Intervention

Die Intervention wurde aus einer Kollaboration von Experten entwickelt, um die körperliche Aktivität der Kinder zu steigern und den Konsum von gesüßten Getränken sowie die Nutzung von Bildschirmmedien zu reduzieren. Die Kollaboration setzte sich aus erfahrenen Lehrern aller Klassenstufen der Grundschule und diversen Wissenschaftlern zusammen.

Dadurch waren in dem Team sowohl Praktiker als auch Theoretiker vertreten. Die Wissenschaftler kamen aus den Bereichen der Bewegungswissenschaften, Psychologie und dem medizinischen Fachbereich. Die Intervention basiert auf der sozial-kognitiven Theorie nach Bandura (2001) und verfolgt somit einen salutogenetischen und handlungsorientieren Ansatz. Darüber hinaus sind die Inhalte an den Bildungsplan angepasst und können somit in den bestehenden Sachkundeunterricht integriert werden, ohne dass zusätzliche Unterrichtseinheiten anfallen. Die Steigerung der körperlichen Aktivität wird ebenfalls im bestehenden Schulalltag durchgeführt (z.B. durch aktive Bewegungspausen) und in die Schulumgebung integriert (Anreize für Bewegung z.B. durch Spiele schaffen). Für die Implementierung des Programms wurden die Lehrer in einer dreiteiligen Fortbildungsreihe geschult, sodass eine Umsetzung schulintern und ohne zusätzliches Personal möglich war. Zur standardisierten Umsetzung dienen die zugehörigen Materialien, in denen die Inhalte der Intervention als Unterrichtsstunden fertig zusammengestellt sind.

2.2.1.3 Rekrutierung

Über die Württemberg Studie wurden die Grundschulen in ganz Baden-Württemberg informiert und landesweit rekrutiert. Für die Teilnahme mussten sowohl der Rektor als auch die Lehrer in einer Einverständniserklärung schriftlich zustimmen. Für die Teilnahme der Kinder wurden Einverständniserklärungen beider Elternteile der Kinder eingeholt. Insgesamt konnten im Rahmen der Evaluation zum ersten Messzeitpunkt Gesundheitsdaten von 1.947 Grundschulkindern im Alter von sechs bis sieben Jahren erhoben werden. Da die Erhebung von objektiven Daten deutlich mehr zeitliche und personelle Ressourcen erfordert, wurde die objektive Datenerfassung auf eine Teilstichprobe begrenzt. So konnte in der Studie eine objektive Datenerfassung der Aktivität realisiert werden. Darüber hinaus ist es deutlich schwieriger, Einverständnisse für das Tragen von Bewegungssensoren zu erhalten, da für diese Messungen eine größere Hürde besteht. Eltern können befürchten, ihre Kinder würden zu detailliert überwacht und es gäbe zu viele Informationen über das Privatleben preis. Trotz dieser Umstände konnten für diese Erhebung Einverständnisse für 384 Kinder gewonnen werden.

2.2.1.4 Stichprobe

Die Prozedur zur Erlangung der verwendeten Datensätze anhand der Stichprobe ist in dem Flussdiagramm (Abbildung 2) dargestellt. Aus der Teilstichprobe der Baden-Württemberg Studie von 384 Kindern lagen für 318 Kinder valide Daten vor. Valide waren die Daten, wenn mindestens zwei Wochentage und ein Wochenendtag aufgenommen worden war.

Darüber hinaus wurden diese Aufnahmen nur dann berücksichtigt, wenn sie mindestens zehn Stunden an den eingeschlossenen gemessenen Tagen umfassten (Addy et al., 2014).

Dabei gingen die Tage des Anlegens sowie des Ablegens des Sensors nicht in die Analysen ein, da an diesen nicht der vollständige Tag gemessen werden konnte.

30 Auf der Basis dieser 318 validen Datensätze wurde die tägliche Sitzdauer errechnet. Die Definition der Sitzdauer bezieht sich nur auf Tätigkeiten während des Wachseins und schließt den Schlaf somit aus (Tremblay et al., 2017, SBRN, 2012). Deshalb wurde die individuelle Schlafdauer der Kinder an den gemessenen Tagen einzeln bestimmt und von der gesamten berechneten Dauer des Energieverbrauchs von bis zu 1,5 MET abgezogen.

Die Details zur Berechnung der Sitzdauer und den Kriterien sind im Abschnitt „Tägliche Sitzdauer“ ab Seite 31ff. nachzulesen. Nach Abzug der individuellen Schlafdauer lagen Datensätze von 231 Kindern mit der objektiv erfassten, täglichen Sitzdauer vor, wie ebenfalls in der Abbildung 2 zu sehen ist (Hoffmann et al., 2017). Von diesen 231 Kindern fehlten die Angaben zur Bildschirmzeit von 33 Kindern, weshalb für diese Analysen eine etwas kleinere Stichprobe mit 198 Datensätzen zur Verfügung stand (Hoffmann et al., 2019).

Abbildung 2: Prozedur zur Erlangung der Stichprobe und Datensätze (übersetzt und angepasst aus Hoffmann et al., 2017)

2.2.1.5 Datenerhebung und Aufbereitung

Die Datenerhebung der Baden-Württemberg Studie wurde je nach Anzahl der teilnehmenden Kinder von einem vier- bis sechsköpfigen Team direkt in den teilnehmenden Grundschulen durchgeführt. Alle Studienmitarbeiter wurden auf die Messungen mit einer Schulung vorbereitet. Vor Ort wurden anthropometrische Daten wie Größe und Gewicht,

n = 1.947 Baden-Württemberg Studie, 2010

Hauptstudie in 86 Grundschulen (Dreyhaupt et al.,2012)

Objektive Erfassung körperlicher Aktivität

n = 384 Teilstichprobe

Aufnahmen mit mindestens ein Wochenendtag, zwei Wochentage, je á zehn Stunden

n = 318 Valide Daten verfügbar (Kettner et al.,2013)

Klare Identifikation des Aufwachens und Einschlafens möglich

n = 231 Tägliche Sitzdauer (ohne Schlaf) (Hoffmann et al.,2017)

Valide Daten der Bildschirmzeit und Sitzdauer vorhanden

n = 198 Tägliche Bildschirmzeit (Hoffmann et al.,2019)

31 aber auch motorische Fähigkeiten und die Ausdauer erhoben. Zudem wurde ein validierter Elternfragebogen ausgegeben (Kurth, 2007), welcher diverse weitere Parameter zum Gesundheitsverhalten der Kinder und der Eltern erfasste. Außerdem wurde die körperliche Aktivität innerhalb der Baden-Württemberg Studie bei einer Teilstichprobe objektiv erfasst, wofür in den Schulen ein Aktivitätssensor „Actiheart®“ (CamNtech, Cambridge, UK) angebracht wurde. Die Details zur Operationalisierung und Auswertung der für diese Arbeit relevanten Daten (tägliche Sitzdauer, Bildschirmzeit und diverse Einflussfaktoren) sind im Folgenden genau beschrieben.